Книга - Ersehnt

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Ersehnt
Morgan Rice


Weg der Vampire #10
In ERSEHNT, kämpft die 16 Jahre alte Scarlet Paine darum, herauszufinden, was genau sie geworden war. Ihr unberechenbares Verhalten hat sie von ihrem neuen Freund, Blake, entfernt und sie kämpft darum, sich zu beherrschen und darum, dass er sie versteht. Aber das Problem ist, sie versteht selbst nicht, was mit ihr passiert. Zur selben Zeit tritt der neue Junge, der mysteriöse Sage, in ihr Leben. Die Wege der Beiden verflechten sich und obwohl sie versucht, es zu vermeiden, verfolgt er sie geradezu, trotz der Einwände ihrer besten Freundin Maria, die überzeugt davon ist, dass Scarlet ihr Sage stiehlt. Scarlet findet sich selbst von Sage mitgerissen, der sie in seine Welt führt, hinter die Tore der historischen Familienvilla am Fluss. Als sich ihre Beziehung vertieft, lernt sie mehr über seine mysteriöse Vergangenheit, seine Familie und die Geheimnisse, die diese bewahren. Sie verbringen die romantischste Zeit, die sie sich vorstellen kann, auf einer einsamen Insel im Hudson und sie ist davon überzeugt, die wahre Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Aber dann ist sie am Boden zerstört, als sie Sages größtes Geheimnis erfährt: er ist kein Mensch, ebenfalls nicht und er hat nur noch ein paar Wochen zu Leben. Tragischer Weise, in genau dem Augenblick, als ihr das Schicksal ihre große Liebe geschickt hatte, schien es so, als wenn das Schicksal sie ihr auch wieder entreißen würde. Als Scarlet zurück zu der High School Party kommt, die in Vorbereitung auf den großen Ball stattfindet, endet sie in einem großen Streit mit ihren Freunden, die sie aus ihrer Gruppe ausschließen. Gleichzeitig bringt Vivian alle beliebten Mädchen dazu, ihr das Leben zu Hölle zu machen, was zu einer unvermeidlichen Konfrontation führt. Scarlets ist gezwungen, sich davon zu schleichen, macht die Sache mit ihren Eltern noch schlimmer und fühlt bald Druck von allen Seiten. Das einzige Licht in ihrem Leben ist Sage. Aber er hält immer noch einige seiner Geheimnisse zurück und Blake taucht erneut auf, entschlossen, sie zurück zu gewinnen. Caitlin, in der Zwischenzeit, ist entschlossen, einen Weg zu finden, Scarlets Vampirismus rückgängig zu machen. Was sie entdeckt, führt sie auf eine Reise auf die Suche nach dem Gegenmittel, tief in die Herzen von seltenen Bibliotheken und Buchhandlungen und sie wird nicht aufhören, bis sie es hat. Aber vielleicht ist es schon zu spät. Scarlet verändert sich schnell, kaum in der Lage zu kontrollieren, zu was sie wird. Sie will es mit Sage beenden – aber das Schicksal scheint sie auseinander zu reißen. Das Buch endet in einem action-geladenen und schockenden Ende, die Scarlet eine monumentale Wahl lässt – eine die die Welt für immer ändern wird. Wie viel ist sie bereit, für die Liebe zu riskieren?





Morgan Rice

Ersehnt (Band #10 Der Weg Der Vampire)





Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Christa Keussen




Ausgewählte Kommentare zu DER WEG DER VAMPIRE



„Rice leistet gute Arbeit, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen, mit wunderbaren Beschreibungen, die über das reine Zeichnen des Hintergrundes hinausgehen....schön geschrieben und extrem schnell zu lesen.“

    --Black Lagoon Reviews (über Turned – Gewandelt)



„Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice leistet gute Arbeit, eine interessante Wendung herauszuarbeiten…erfrischend und ungewöhnlich. Die Serie dreht sich um ein Mädchen…ein außergewöhnliches Mädchen!…Einfach zu lesen, doch extrem rasant… Bedingt jugendfrei.“

    --The Romance Reviews (über Turned – Gewandelt)



„Packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht locker… diese Geschichte ist ein fantastisches Abenteuer, von Beginn an rasant und actionreich. Es ist kein langweiliger Moment zu finden.“

    --Paranormal Romance Guild {über Turned- Gewandelt}



„Vollgepackt mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Lasst es euch nicht entgehen, und verliebt euch ganz von Neuem.“

    --vampirebooksite.com (über Turned – Gewandelt)



„Eine tolle Geschichte, und vor allem die Art von Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende war ein Cliffhanger, der so spektakulär war, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte, nur um herauszufinden, wie es weitergeht.“

    --The Dallas Examiner {über Loved – Vergöttert}



„Ein Buch, das TWILIGHT und VAMPIRE DIARIES Konkurrenz macht, und dazu führen wird, dass man bis zur letzten Seite nicht genug davon bekommt! Wer Abenteuer, Liebe und Vampire mag, liegt mit diesem Buch genau richtig!“

    --vampirebooksite.com (über Turned – Gewandelt)



„Morgan Rice erweist sich erneut als äußerst talentiert im Geschichtenerzählen…Dies wird eine große Bandbreite an Lesern ansprechen, darunter die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Das Ende ist ein unerwarteter Cliffhanger, der Sie schockieren wird.“

    --The Romance Reviews (über Loved – Vergöttert)



Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1-Bestseller DER WEG DER VAMPIRE, eine bisher elf Teile umfassende Jugend-Serie, die großteils bereits auf Deutsch erschienen ist; die Nr. 1-Bestseller-Serie THE SURVIVAL TRILOGY, ein postapokalyptischer Thriller, der aus bisher zwei Bänden besteht; und die epische Nr. 1-Bestseller-Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die bisher aus dreizehn Bänden besteht und großteils bereits auf Deutsch erhältlich ist.

Morgans Bücher sind als Hörbuch und gedruckte Ausgaben erschienen, und Übersetzungen der Bücher sind auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Spanisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch erschienen (mit weiteren Sprachen in Arbeit).

Sämtliche Bücher von Morgan Rice werden demnächst in deutscher Sprache erhältlich sein.

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Bücher von Morgan Rice

DER RING DER ZAUBEREI

QUESTE DER HELDEN (Band #1)

MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)

LOS DER DRACHEN (Band #3)

RUF NACH EHRE (Band #4)

SCHWUR DES RUHMS (Band #5)

ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)

A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)

A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)

A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)

A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)

demnächst auf Deutsch erhältlich

A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)

A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)

A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)



DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS

ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)

ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)



DER WEG DER VAMPIRE

GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)

VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)

VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)

BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)

BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)

BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)

VOWED – GELOBT (Band #7)

FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)

RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)

demnächst auf Deutsch erhältlich

CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)

FATED  – BERUFEN (Band #11)












Hören Sie sich die VAMPIRE JOURNALS-Serie im Hörbuch-Format an!


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Copyright © 2014 by Morgan Rice

Alle Rechte vorbehalten. Außer entsprechend den Ausnahmen der U.S. Coryright Act von 1976 darf kein Teil dieser Veröffentlichung kopiert, vertrieben oder in irgendeiner Form oder durch irgendwelche Mittel übertragen werden, auch nicht in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne die vorherige Erlaubnis des Autors.

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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Fantasie des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.


O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil
Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn—

    William Shakespeare, Romeo and Juliet
    In der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegl






KAPITEL EINS


Caitlin Paine raste den West Side Highway herunter, entschlossen, die Klöster zu erreichen, bevor sie schlossen. Ihr Verstand wirbelte herum, während sie noch einmal die Probleme durchging, die Scarlet belagerten – Probleme, die kein Teenager haben sollte. Scarlet verwandelte sich, da war sich Caitlin sicher. Sie war nicht mehr länger menschlich und jeden Tag wurde es schlimmer. Caitlin fühlte, dass sie wurde, was sie, Caitlin einst gewesen war: ein Vampir.

Natürlich hatte Caitlin keine Erinnerungen mehr daran, selbst ein Vampir gewesen zu sein; aber nach dem, was sie in dem Tagebuch gelesen hatte, das sie auf dem Dachboden gefunden hatte – ihr Vampirtagebuch – fühlte sie, dass alles wahr war. Falls das Tagebuch echt war, und sie glaubte, dass es das war, dann war sie selbst einst einer gewesen, in der Vergangenheit; irgendwie war sie hier gelandet, in der Gegenwart, mit einem normalen Leben, einer normalen Familie und keinen verbliebenden Erinnerungen daran.

Das einzige Problem war, ihre Familie war weit davon entfernt, normal z sein. Ihr Leben war weit davon entfernt, normal zu sein. Ihre Tochter, irgendwie, wurde zu dem, was sie einst gewesen war.

Caitlin wünschte, zum millionsten Male, dass sie das Tagebuch nie gefunden hätte. Sie fühlte, dass, es zu finden, dasselbe war wie die Büchse der Pandora zu öffnen, die diese Parade der Alpträume verursacht hatte. Sie wünschte verzweifelt, dass sie alles wieder zurück zum Normalen bringen könnte.

Sie musste Antworten haben. Sie musste sicher gehen, dass dies alles authentisch war. Wenn sie die Dinge schon nicht wieder dazu bringen konnte, normal zu werden, dann musste sie zumindest mehr darüber rausfinden, was mit Scarlet passiert war. Und herausfinden, ob es eine Möglichkeit gab, es zu beheben.

Beim Fahren dachte Caitlin wieder an die seltenen Bücher, die sie in ihrer Bibliothek gefunden hatte. Vor allem an diese einzigartige Ausgabe und seine zerrissene Seite. Sie dachte an die antike Zeremonie, die in Latein geschrieben war, mit einer Heilung für Vampirismus. Sie fragte sich erneut, ob es echt war. War das nur weitergegebene Folklore? Ein Ammenmärchen?

Jeder ernsthafte Gelehrte würde natürlich sagen, dass es das war. Und ein Teil von ihr wollte es ebenfalls zurückweisen. Aber ein anderer Teil von ihr klammerte sich daran, klammerte sich an die letzte Hoffnung, dass Scarlet zu retten war. Zum millionsten Mal fragte sie sich, wie sie wohl an den anderen Teil der Seite kommen sollte. Es kam von einem der seltensten Bücher, die es je gegeben hatte und selbst wenn sie ein weiteres Exemplar auftreiben konnte, wie hoch wäre wohl die Chance, dass die andere Hälfte der Seite darin wäre? Nach allem war die Seite herausgerissen worden, wahrscheinlich um sie zu verstecken. Aber von wem? Von was? Das Geheimnis grub sich tief in ihren Kopf.

Sie versuchte sich stattdessen auf ihr eigenes Tagebuch zu konzentrieren, ihre eigene Handschrift aus vorigen Jahrhunderten, ihrer Beschreibung des Vampirzirkels in der Nähe des Klosters. Sie hatte von einer geheimen Kammer im Kloster geschrieben, tief unter der Erde. Sie musste wissen, ob es wahr war. Wenn es dort ein Zeichen gäbe, irgendein Zeichen, dann wäre alles in ihrem Kopf bestätigt, und würde ihr erlauben, selbstbewusst weiter zu gehen. Aber wenn dort kein Zeichen wäre, würde es ihr ganzes Tagebuch in Zweifel ziehen.

Caitlin fuhr vom Highway runter, der sich um den Fort Tryon Park schlängelte und fuhr zum Haupteingang des Klosters. Sie fuhr eine enge, kurvenreiche Zufahrt hoch und parkte schließlich vor dem massiven Gebäude.

Als sie ausstieg, blieb sie stehen und sah an dem Gebäude hoch; aus irgendeinem seltsamen Grund fühlte sich der Ort auffällig vertraut an, als wenn er ein wichtiger Platz in ihrem Leben gewesen wäre. Sie konnte nicht verstehen, warum, denn, soweit sie wusste, hatte sie das Kloster nur ein- oder zweimal besucht. Außer, natürlich, alles in ihrem Vampirtagebuch wäre wahr. Wurde, was sie fühlte, real? Oder war alles nur Wunschdenken?

Sie eilte durch die gewölbte Vordertür in das mittelalterliche Gebäude, eine lange Steigung hoch und durch einen langen, schmalen Flur. Schließlich kam sie zum Haupteingang, zahlte den Eintritt und ging durch einen langen Korridor. Sie passierte einen kleinen Hof auf ihrer Rechten, mit Reihen von Steinbögen, im inneren ein mittelalterlicher Garten. Das Herbstlaub schimmerte darin. Es war ein Werktag, nachmittags und der Platz war nahezu leer, und sie fühlte sich, als hätte sie alles für sich.

Das war, bis sie Musik hörte. Zuerst war es nur eine Stimme – dann mehrere Stimmen. Singend. Antike Gesänge von einem kleinen Chor. Sie konnte nicht herausfinden, ob es live oder aufgezeichnet war als sie dort stand, gebannt hörte sie das Echo der himmlischen Stimmen, die durch das kleine Schloss schallten. Sie fühlte sich in der Zeit zurückversetzt.

Sie wusste, sie hatte eine Mission zu erfüllen, aber sie musste sehen, wo die Musik herkam. Sie ging einen anderen Korridor hinunter und folgte dem Klang. Sie trat durch eine kleine, gewölbte, mittelalterliche Tür und fand sich selbst in der Kapelle wieder, mit hohen Decken und bunten Glasfenstern. Dort stand zu ihrer Überraschung ein Chor aus sechs Sängern, ältere Männer und Frauen, alle in weißen Roben gekleidet. Sie standen vor einem leeren Raum und sahen hinunter auf ihre Notenblätter.

Gregorianische Gesänge. Caitlin sah das Zeichen, die riesigen Poster, die das Nachmittagskonzert ankündigten. Ihr wurde klar, dass sie in eine live Vorstellung gestolpert war. Allerdings war sie die einzige Person in dem Raum. Offenbar wusste niemand davon.

Caitlin schloss ihre Augen, als sie der Musik zuhörte. Es war so schön, so eindringlich, dass sie es schwer fand, wieder zu gehen. Sie öffnete ihre Augen und sah sich in dem Raum um, betrachtete die dicken Wände und die Einrichtung und sie fühlte sich dadurch noch mehr aus der Realität gerissen. Wo war sie.

Das Lied endete schließlich und sie drehte sich um und eilte aus dem Raum, in dem Versuch, den Sinn für die Realität wieder zu erlangen.

Sie eilte zurück den Flur entlang und kam zu einer Steintreppe. Sie stieg sie hinab, bis in die Tiefen des Klosters hinunter und dabei schlug ihr Herz schneller. Dieser Ort fühlte sich unheimlich vertraut an, als wenn sie hier schon vorher einmal Zeit verbracht hätte. Sie konnte es nicht verstehen.

Sie eilte durch die untere Etage, sich dabei an die Beschreibung aus dem Eintrag ihres Tagebuchs erinnernd. Sie erinnerte sich an die Erwähnung einer Tür, ein geheimes Portal, die nach unten in eine unterirdische Höhle führte, zu Calebs Zirkel.

Sie wurde immer aufgeregte, als sie zu ihrer linken einen mit Seil abgetrennten Bereich sah. Hinter dem Seil war eine perfekt erhaltene, mittelalterliche Treppe. Sie führte hinauf, aber nur in die Decke. Es ging nirgendwo hin. Es war nur ein Artefakt, ein Schein. Genauso, wie in ihrem Tagebuch beschrieben.

Aber die Treppe hatte auch eine kleine, hölzerne Tür, versteckt in der unteren Hälfte und dahinter konnte Caitlin nicht sagen, ob die Stufen herunter führen würden, auf eine andere Ebene. Es war abgesperrt und sie konnte ihr nicht nahe kommen.

Sie musste es wissen. Wenn es hinunter gehen würde, wäre alles, was sie geschrieben hatte wahr, nicht nur Fantasie.

Sie schaute in beide Richtungen und entdeckte einen Wachmann auf der anderen Seite des Raumes, ein Nickerchen haltend.

Sie wusste, dass sie große Schwierigkeiten bekommen konnte, wenn sie eine Absperrung in einem Museum umging – vielleicht sogar verhaftet werden konnte. Aber sie musste es wissen. Sie musste es schnell machen.

Schnell stieg Caitlin über das Absperrseil, in Richtung Treppe.

Sofort wurde ein Alarm ausgelöst, kreischte eine Sirene durch die Luft.

“HEY LADY!” schrie der Wachmann.

Er rannte hinter ihr her. Der Alarm klingelte und ihr Herz schlug ihr heftig in der Brust.

Aber jetzt war es zu spät. Sie konnte nicht umkehren. Sie musste es wissen. Es ging gegen alles in ihrer Veranlagung, über das Seil zu steigen, ein Museumsstück zu verletzen, gegen die Regeln zu verstoßen – besonders wenn es um Geschichte und Artefakte ging. Aber sie hatte keine Wahl. Scarlets Leben stand auf dem Spiel.

Caitlin erreichte die Treppe und griff nach dem mittelalterlichen Holzgriff. Sie riss sie auf.

Die Tür ging auf und sie sah, wohin die Treppe führte.

Nirgendwohin. Sie endete im Flur. Es war eine falsche Treppe. Nur eine Anschauung.

Ihr Herz sank, am Boden zerstört. Es gab keine unterirdische Kammer. Keine Falltür. Nichts. Wie das Schaubild schon gesagt hatte, war es nur eine Treppe. Einzig und allein. Ein Artefakt. Ein altes Relief. Es war alles eine Lüge. Alles.

Caitlin fühlte plötzlich raue Arme, die sie von hinten ergriffen und sie herauszogen, über das samtene Seil hinweg auf die andere Seite.

“Was glauben Sie, was Sie hier machen!?” schrie sie ein anderer Wachmann an, der herbeikam und half, sie wegzuziehen.

“Es tut mir leid”, sagte sie und versuchte, dabei schnell nachzudenken. “Ich…ähm…habe meinen Ohrring verloren. Er fiel runter und sprang über den Boden. Ich dachte, er wäre darüber gerollt. Ich habe ihn nur gesucht.”

“Das ist ein Museum, gute Frau!” bellte er sie mit rotem Gesicht an. “Sie können nicht einfach über das Seil steigen. Und Sie dürfen keine Sachen berühren!”

“Es tut mir so leid”, sagte sie mit trockener Kehle. Sie betete, dass sie nicht eingesperrt wurde. Sie könnten es sicherlich, dass wusste sie.

Die beiden Wachleute sahen einander an, als würden sie miteinander debattieren.

Endlich sagte einer von ihnen, “Verschwinden Sie hier!”

Er schubste sie und Caitlin, erleichtert, verschwand den Flur hinunter. Sie sah eine offene Tür und ging nach draußen, zu einer niedrigen Terrasse, über die sie rannte.

Sie fand sich selbst draußen, auf der unteren Terrasse, in der kalten Oktoberluft, mit immer noch klopfendem Herzen. Sie war so glücklich, hier draußen zu sein. Zur selben Zeit war sie am Boden zerstört. Hier gab es nichts. War ihr ganzes Tagebuch erfunden? War nichts davon real? Bildete sie sich alles nur ein?

Aber wie würde das dann Aidens Reaktion erklären?

Caitlin überquerte die gepflasterte Terrasse und kam an einem weiteren, mittelalterlichen Garten vorbei, dieser gefüllt mit kleinen Obstbäumen. Sie lief weiter, bis sie zu einem Marmorgeländer kam. Sie lehnte sich dagegen und sah in die Ferne, wo sie den Hudson erkennen konnte, der in der späten Nachmittagssonne glitzerte.

Plötzlich drehte sie sich um und erwartete Caleb dort zu sehen, neben ihr. Aus irgendeinem Grund fühlte sie, dass sie schon hier gewesen war, auf dieser Terrasse, mit Caleb. Es machte keinen Sinn. Verlor sie ihren Verstand? Nun, sie war sich nicht so sicher.




KAPITEL ZWEI


Scarlet stürzte in ihr Zimmer, hysterisch weinend, und warf die Tür hinter sich zu. Sie war den ganzen Weg nach Hause gerannt vom Fluss und hatte seitdem nicht aufgehört zu weinen. Sie verstand nicht, was mit ihr passierte. Der Moment, in dem sie den Puls an Blakes Hals gesehen hatte, als sie sich gefühlt hatte, als ob sie ihn beißen wollte, flammte immer wieder in ihrem Kopf auf. In dem sie sich an ihm nähren wollte.

Was geschah nur mit ihr? War sie eine Art Freak? Warum hatte sie sich so gefühlt? Und warum genau dann – von allen möglichen Momenten? Gerade, als sie ihren ersten Kuss hatten?

Nun, da sie weit entfernt von dieser Szene war, war es viel schwieriger für Scarlet zu beschwören, wie sich ihr Körper angefühlt hatte – und mit jedem vergangenen Moment bekam sie mehr Abstand dazu. Jetzt fühlte sich ihr Körper normal an. War es nur ein flüchtiger Moment gewesen? War es nur etwas seltsames, einmaliges, dass sie überkommen hatte, das nie wieder kommen würde?

Das wollte sie unbedingt glauben. Aber ein anderer Teil von ihr, ein tieferer, fühlte, dass dies nicht der Fall war. Das Gefühl war so stark gewesen, es war etwas gewesen, das sie nie vergessen würde. Wenn sie sich ihm unterworfen hätte und nur eine weitere Sekunde dageblieben wäre, war sie sicher, dass Blake zu diesem Zeitpunkt schon tot wäre.

Scarlet konnte nicht umhin, auch an den anderen Tag zu denken. Krank von der Schule nach Hause gekommen. Aus dem Haus gerannt. Vergessen, was geschehen war, wo sie gewesen war. Im Krankenhaus aufzuwachen. Ihre Mutter so besorgt, so ausgeflippt….

Nun kam es alles an die Oberfläche ihres Geistes. Ihre Mutter hatte gewollt, dass sie mehr Ärzte aufsuchte, mehr Tests machte. Und dann, dass sie zu einem Priester ginge. Vermutete ihre Mutter etwas? War es das, hinter dem sie herjagte? Dachte sie, dass sie ein Vampir werden würde?

Scarlets Herz schlug schnell, als sie so dasaß, in ihrem Raum, zusammengerollt in ihrem Lieblingsstuhl. Ruth legte ihren Kopf in ihren Schoß und Scarlet beugte sich herunter und streichelte sie. Aber sie tat es mit Tränen in den Augen. Sie fühlte sich geschockt, wie betäubt. Der Gedanke, dass sie krank war, machte ihr Angst, dass sie eine Art Krankheit hatte – oder vielleicht auch etwas Schlimmeres. Innerlich dachte sie, dass es lächerlich wäre, in welche Richtung sie dachte. Aber sie musste sich das fragen. Ihr Wunsch, in seinen Hals zu beißen. Das Gefühl, dass sie an beiden Schneidezähnen gehabt hatte. Ihr Verlangen, zu fressen. War es möglich?

War sie ein Vampir?

Existierten Vampire wirklich?

Sie griff hinüber, öffnete ihren Laptop und googelte es. Sie musste es wissen.

Sie öffnete den Wikipedia Eintrag für „Vampir“ und begann zu lesen:



“Die Vorstellung des Vampirismus existiert seit Jahrtausenden; Kulturen wie die Mesopotamier, Hebräer, Griechen und Römer hatten Geschichten von Dämonen und Geistern, die den modernen Vampiren zum Vorläufer gereichten. Doch trotz des Auftretens von Vampir-ähnlichen Kreaturen in diesen antiken Zivilisationen stammt die Folklore für die Entität, die wir heutzutage kennen als Vampir aus dem Südost-Europa des frühen 18.ten Jahrhunderts, aus der verbale Überlieferungen von vielen ethnischen Gruppen dieser Region aufgezeichnet und überliefert wurden. In den meisten Fällen sind Vampire wiederkehrende böse Menschen, Suizidopfer oder Hexen, aber sie können auch erschaffen werden, indem ein böswilliger Geist eine Leiche in Besitz nimmt, oder durch den Biss eines Vampires.”

Scarlet schlug den Laptop schnell zu und stellte ihn weg. Es war alles zu viel für sie zu verkraften.

Sie schüttelte ihren Kopf, in dem Versuch, es geradezu aus ihrem Kopf zu schütteln. Etwas stimmte definitiv nicht mit ihr. Aber war es das? Es ängstigte sie.

Noch schlimmer wurde das Ganze durch ihre Gefühle für Blake und der Gedanke daran, was zwischen ihnen passiert war. Sie konnte nicht glauben, dass sie so vor ihm weggerannt war, besonders in diesem Augenblick. Sie hatte so eine bezaubernde Zeit zusammen gehabt, ein Traumdate. Und jetzt das. Endlich, wo ihre Beziehung gerade ihren Anfang nahm. Es war so unfair.

Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, was er jetzt von ihr dachte. Er musste denken, dass sie ein Freak war, eine Art absoluter Psycho, dass sie einfach so abgesprungen war, mitten in einem Kuss und abgehauen war, in den Wald gesprintet war. Er musste glauben, dass sie definitiv nicht bei Verstand war. Sie war sich sicher, dass er sie nie wieder sehen wollte. Vielleicht ging er zurück zu Vivian.

Sie wollte es ihm unbedingt erklären. Aber wie könnte sie das anstellen? Was könnte sie sagen? Dass sie einen plötzlichen Drang verspürt hatte, in seinen Hals zu beißen? Sich an ihm zu nähren? Sein Blut zu trinken? Dass sie vor ihm wegrennen musste, um ihn zu beschützen?

Sicher, das würde ihn bestimmt beruhigen, dachte sie.

Sie wollte die Dinge richtig stellen. Sie wollte ihn wiedersehen. Aber sie wusste nicht, wie sie es erklären sollten. Nicht nur das, sie hatte auch Angst davor, ihm beim nächsten Mal Nahe zu sein; sie traute sich gerade selbst nicht. Was wäre, wenn dieser Drang wieder über sie kam? Und was, wenn sie ihn beim nächsten Mal wirklich verletzen würde?

Als sie darüber nachdachte, brach sie in Tränen aus. War sie dazu verdammt, nie wieder mit Jungs zusammen zu sein?

Nein. Sie musste es versuchen. Zumindest musste sie versuchen, die Dinge richtig zu stellen. Sie musste es versuchen, um es sich selbst zu erklären, auf irgendeine Weise. Und wenn nur, damit er sie nicht hasste. Selbst wenn er sie nie wieder sehen wollte, konnte sie die Dinge nicht so stehen lassen. Und tief im Inneren, hoffte ein Teil von ihr immer noch, dass dies vielleicht eine einmalige Sache gewesen war, eine Horrorepisode, und dass sie das vielleicht überwinden konnten und immer noch zusammen sein konnten. Immerhin, wenn sie das überstehen würden, könnten sie alles gemeinsam überstehen.

Scarlet fühlte sich langsam etwas besser. Sie wischte sich die Tränen ab, nahm ein Taschentuch, putzte sich die Nase und nahm ihr Handy zur Hand. Sie wählte seine Nummer aus und begann zu schreiben.

Dann stoppte sie. Was sollte sie sagen?

Es tut mir so leid, was heute passiert ist.

Sie löschte das. Es war zu allgemein.

Ich weiß nicht, was heute über mich gekommen ist.

Das löschte sie auch. Es klang nicht ganz richtig. Sie brauchte die perfekte Balance, den perfekten Mix aus Entschuldigung und der Hoffnung, dass sich nicht alles geändert hatte. Sie musste auch betonen, was sie für eine tolle Zeit mit ihm bis zu diesem Punkt gehabt hatte.

Sie schloss ihre Augen und seufzte, angestrengt nachdenkend. Komm schon, komm schon, feuerte sie sich selbst an.

Sie begann zu tippen.

Ich hatte heute so eine tolle Zeit mit Dir. Es tut mir so leid, dass es so geendet hat. Es gab einen Grund, warum ich so gehen musste, aber ich kann ihn Dir nicht erklären. Ich weiß, dass es schwer ist, zu verstehen, aber ich hoffe, Du kannst das. Ich wollte Dich nur wissen lassen, dass ich eine tolle Zeit hatte und es mir Leid tut. Und ich hoffe, wie sehen uns wieder.

Scarlet starrte lange Zeit auf ihren Entwurf und drückte dann schließlich auf Senden.

Sie sah ihrem Text beim Verschwinden zu.

Ihr Text war nicht perfekt. Sie hatte schon überlegt, wie sie ihn umschreiben konnte, auf eine Million Arten. Und ein Teil von ihr bereute schon, ihn abgesendet zu haben. Vielleicht klang er zu verzweifelt. Vielleicht war er zu kryptisch.

Wie auch immer. Er war weg. Zumindest wusste er jetzt, dass sie ihn immer noch mochte und ihn wieder sehen wollte.

Sie wusste, dass Blake sein Handy jede Sekunde des Tages bei sich hatte. Sie wusste, er würde es sofort bekommen. Und dass er seine Texte normalerweise innerhalb von Sekunden beantwortete.

Scarlet zitterte, während sie auf seine Antwort wartete.

Sie legte ihr Handy neben ihren Laptop und schloss ihre Augen, atmete langsam und wartete auf die Vibration. Ersehnte die Vibration.

Komm schon, dachte sie. Schreib mir zurück.

Sie saß dort, wartete, eine gefühlte Ewigkeit. Sie aktualisierte ihr Handy. Nach ein paar Minuten schaltete sie es sogar aus und wieder an, falls etwas mit der Verbindung nicht stimmte. Dann sah sie auf die Uhr. Zwei Minuten vergangen.

Dann fünf.

Dann zehn.

Sie schlug ihr Handy wieder auf den Tisch und konnte fühlen, wie die Tränen wieder aufstiegen. Er schrieb ihr offensichtlich nicht zurück. Wie konnte sie es ihm verübeln? Sie hätte sich wahrscheinlich auch nicht zurückgeschrieben.

Also war es das jetzt. Es war vorbei.

Dann, plötzlich, vibrierte ihr Handy.

Sie griff herüber und riss es vom Tisch.

Aber ihr Herz sank, als sie sah, dass es nicht Blake war. Es war Maria.

Ich kann nicht glauben, dass Du so einfach geschwänzt hast. Also… wie war Dein Date mit Blake?

Scarlet seufzte. Sie hatte keine Ahnung, was sie antworten sollte.

Keine Sorge. Ich werde nicht wieder schwänzen. Es ist aus zwischen uns.

Wirklich? OMG. Warum? Vivian?

Nein. Nicht sie. Es war nur…

Scarlet stoppte und fragte sich, was sie sagen sollte.

…es hat nicht geklappt.

Erzähl es mir.

Scarlet seufzte. Sie wollte wirklich das Thema wechseln.

Gibt nichts zu erzählen. Was gibt´s bei Dir?

OMG, Ich kann nicht aufhören, für den neuen Typen zu schwärmen. Sage. Habe heute frische Details gehört.

Scarlet war erschöpft und wollte wirklich nicht weiterschreiben. Sie wollte nicht noch mehr Gerüchte und Unterstellungen über den neuen Jungen hören – oder über irgendwen. Sie wollte einfach nur von der Welt verschwinden.

Aber Maria war ihre beste Freundin, also musste sie sie bei Laune halten:

Was denn?

Er hat eine Schwester und einen Cousin. Sie gehen aber nicht auf unsere Schule. Er ist ein Senior. Er kommt von einer Privatschule. Ich habe gehört, er ist reich. So wie super-reich.

Scarlet interessierte es nicht. Sie wollte das hier nur beenden.

Glücklicherweise, bevor sie tippen konnte, bekam sie eine weitere Nachricht – diese von Jasmin.

OMG, was ist mit Deiner Facebook Pinnwand passiert?

Scarlet las es überrascht.

Was meinst Du?

Bevor sie antworten konnte, nahm sie ihren Laptop, öffnete ihn und ging auf ihre Seite.

Ihr Herz sank. Vivian hatte darauf gepostet:

Netter Versuch, Blake zu stehlen. Es hat nicht funktioniert. Nachdem er Dich abgeschossen hatte, kam er zu uns zurück. Ich wusste, er würde Dich abschießen. Ich war nur überrascht, dass es so schnell ging.

Scarlet atmete scharf ein, völlig verblüfft. Sie sah, dass verschiedene ihrer Freunde diesen Post kommentiert hatten und sah, dass es sich auf viele Pinnwände verbreitet hatte. Sie sah auch, dass Vivian es auf Twitter gepostet hatte und das alle von Vivians Freunden wieder-getwittert hatten.

Scarlet war entsetzt. Sie hatte sich nie peinlicher berührt gefühlt. Sie löschte den Kommentar von ihrer Pinnwand, blockierte Vivian, ging zu ihren Einstellungen und änderte diese so, dass nur noch ihre Freunde darauf posten konnten. Aber es war natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein – klar, der Schaden war schon angerichtet. Nun würde die ganze Schule denken, dass sie anderen Leuten den Freund stehlen würde. Und dass sie abgeschossen worden war.

Ihr Gesicht wurde rot. Sie war so sauer, sie wollte Vivian erwürgen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.

Sie schlug ihren Laptop zu und stürmte aus dem Zimmer. Sie flog die Treppen herunter ohne zu wissen, wo sie hingehen sollte oder was sie tun sollte. Alles was sie wusste, war, dass sie Luft brauchte.

“Komm mit, Ruth”, sagte sie.

Sie packte ihre Leine und Ruth sprang aufgeregt herum, folgte ihr zur Tür hinaus und die Verandatreppen herunter.

Scarlet rannte die Treppen hinab, sah auf ihre Füße und war schon auf dem Bürgersteig, bevor sie aufsah. Dort sah sie ihn, wie er dort stand.

Sie blieb wie eingefroren stehen.

Er stand dort, starrte sie an, als hätte er auf sie gewartet.

Es war der neue Junge.

Sage.




KAPITEL DREI


Scarlet stand dort, am Ende ihrer Zufahrt, starrend. Sie konnte es kaum glauben. Dor, auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Meter entfernt, sie anschauend mit seinen intensiven, grauen Augen, stand der neue Junge. Sage.

Was tat er hier, direkt vor ihrem Haus? Wie lange stand er schon dort? Hatte er ihr Haus beobachtet? War er auf dem Weg zu ihrer Zufahrt? Oder ging er nur vorbei?

Aber auf dem Weg wohin? Sie lebte in einer ruhigen Vorstadtstraße und hier lief kaum jemand herum. Dann wieder war sie allerdings nur zwei Blocks von der Stadt entfernt und es war denkbar, dass er irgendwo dort hinlief. Aber das war unwahrscheinlich.

Bei dem Gedanken, dass er dort stand, ihr Haus beobachtete oder dort vorbeilief, ließ sie fast ausflippen. Auf der einen Seite konnte sie nicht abstreiten, dass sie aufgeregt war, ihn zu sehen. Aufgeregt war nicht das richtige Wort. Es war mehr wie… gebannt. Sie konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden. Seine glatte Haut, sein starker Kiefer, seine Stolzen Wangenknochen und Nase, seine grauen Augen, lange Wimpern – sie hatte noch nie jemanden getroffen, der so hübsch war wie er. So edel, so stolz. Er schien hier so fehl am Platze, als würde er aus dem Sechzehnten Jahrhundert kommen.

Sie konnte auch nichts daran ändern, dass sie Schmetterling im Bauch hatte, wenn sie ihn ansah. Und das war ein Gefühl, dass sie nicht haben wollte. Maria, ihre beste Freundin, hatte klar gemacht, dass sie von ihm besessen war. Wie falsch wäre es von Scarlet, ihn ihr wegzunehmen. Maria würde ihr nie vergeben. Und sie würde sich selbst nie vergeben. Abgesehen davon, dass sie ja auch Blake hatte. Hatte sie?

Sie dachte wieder an Vivians Post, dass Blake sie abgeschossen hatte. Hatte Blake ihr das wirklich gesagt? Oder hatte Vivian das erfunden? Egal wie, sie war sich ziemlich sicher, dass Blake aus ihrem Leben verschwunden war.

“Ähm…hi”, sagte sie, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Sie hatten sich schließlich einander noch nicht vorgestellt.

“Ich wollte Dich nicht erschrecken”, sagte er zurück.

Sie liebte seine Stimme. Sie war so sanft, so leicht, aber gleichzeitig stark. Er hatte leise gesprochen und doch war da etwas Autoritäres in seiner Stimme. Sie könnte dieser Stimme für immer zuhören.

“Ich bin Sage”, sagte er und streckte eine Hand aus.

“Ich weiß”, sagte sie, als sie seine Hand nahm.

Die Berührung seiner Haut war elektrisierend. Ihr Nerven kitzelten, als er ihre frierende Hand in seiner warmen hielt.

“Kleine Stadt”, fügte sie hinzu, als Erklärung, aber dann war es ihr peinlich. Das war dumm von ihr gewesen, sie hätte nicht sagen sollen, dass sie seinen Namen kannte. Dadurch sah sie verzweifelt aus.

Aber warte, dachte sie. Warum dachte sie überhaupt in die Richtung? Nach allem, war er Marias Mann. Oder nicht?

“Deine Hand ist so kalt”, sagte er, als er auf ihren Handrücken sah.

Scarlet zog sie unsicher zurück.

“Tut mir leid,” sagte sie achselzuckend.

“Du hast mir Deinen Namen nicht genannt”, sagte er.

“Oh, tut mir leid, ich dachte, Du würdest ihn kennen”, sagte sie, dann fügte sie hinzu, “nicht das ich berühmt oder beliebt wäre, oder so. Es ist nur…nun, kleine Stadt halt, weißt Du?”

Sie stolperte über ihre eigenen Worte und machte die Dinge mit jedem Satz schlimmer. Das tat sie immer, wenn sie vor Jungs nervös wurde.

“Wie auch immer, mein Name ist Scarlet. Scarlet Paine.”

Er lächelte.

“Scarlet”, wiederholte er.

Sie liebte den Klang ihres Namens in seiner Stimme.

“Die Farbe von vielen Dingen. Wein, oder Blut, oder Rosen. Natürlich bevorzuge ich letzteres”, fügte er lächelnd hinzu.

Scarlet lächelte zurück. Wer sprach denn so? fragte sie sich. Es war, als würde er aus einer anderen Zeit stammen, einem anderen Ort. Sie würde sterben, um mehr von ihm zu erfahren.

“Was tust Du hier?” fragte sie, dann fand sie, dass es zu hart klang. “Ich wollte nicht unfreundlich sein oder so. Ich meine nur, was machst Du vor meinem Haus?”

Er sah einen Moment nervös aus.

“Ja”, sagte er. “Seltsames Timing, oder nicht? Ich war gerade in der Stadt und dachte, ich seh mich mal ein bisschen um. Ich bin neu hier und dachte, ich würde sehen, wo diese Straße hinführt. Ich hatte keine Ahnung, dass sie mich zu Dir führen würde.”

Scarlet fühlte sich besser. Zumindest stalkte er nicht ihr Haus oder so.

“Nun, da gibt es nicht viel zu sehen. Diese Stadt geht ja nur ein paar Blocks in jede Richtung. Noch ein paar Blocks in die Richtung und das war´s dann.”

Er grinste. “Ja. Ich war gerade dabei, das selbst herauszufinden.”

Plötzlich rannte Ruth zu ihm, sprang an ihm hoch und leckte seine Hand.

“Nicht springen”, tadelte Scarlet sie.

“Es ist ok”, sagte er.

Er kniete sich hin und streichelte Ruth sanft, streichelte ihr Fell mit seinem Handrücken, kraulte sie hinter den Ohren. Ruth lehnte sich an ihn und leckte seine Wange. Sie begann zu winseln und Scarlet konnte sehen, dass sie ihn wirklich mochte. Sie war schockiert. Ruth war immer so beschützend ihr gegenüber und sie hatte noch nie gesehen, dass sie zu einem Fremden so war.

“Was für ein schönes Tier. Bist Du doch, Ruth?”, sagte er.

Ruth lehnte sich fester an ihn und leckte ihn erneut und er küsste sie auf die Nase.

Scarlet war fassungslos.

“Woher weißt Du, dass ihr Name Ruth ist?”

Er stand plötzlich auf, überrumpelt.

“Ähm…Ich habe es gelesen. Auf ihrem Halsband.”

“Aber der Aufdruck ist schwach”, sagte sie. “Ich meine, ich kann es kaum lesen.”

Er zuckte mit den Achseln, lächelte.

“Man sagt mir nach, ich könne gut sehen”, sagte er.

Aber Scarlet war nicht überzeugt. Der Aufdruck war so verblichen, dass fast nichts mehr übrig war und sie konnte sich kaum vorstellen, wie er das gelesen haben wollte. Es machte sie verrückt. Woher kannte er ihren Namen?

Aber zur gleichen Zeit fühlte sie sich sehr wohl in seiner Gegenwart. Und auf Grund der Situation, in der sie war, freute sie sich über Gesellschaft. Sie wollte nicht, dass er ging. Aber zur selben Zeit dachte sie an Maria und wie sauer sie sein würde, wenn sie vorbeiführe und sehen würde, dass sie hier mit ihm stand. Sie wäre so eifersüchtig. Sie würde sie vermutlich ihr Leben lang hassen.

“Du bist so ziemlich das Geheimnisvollste hier”, sagte Scarlet. “Der neue Schüler. Keiner weiß wirklich etwas über Dich. Aber eine Menge Leute sterben vor Neugier.”

“Tun sie das?” zuckte er mit den Achseln.

Scarlet wartete, aber er gab nicht mehr von sich preis.

“So…wie…was Deine Geschichte ist?” sagte sie.

“Ich denke, jeder hat eine, oder?” fragte er.

Er drehte sich um und sah zum Horizont, als wenn er überlegen müsste, was er ihr erzählen könnte.

“Ich glaube, meine ist langweilig”, sagte er. “Meine Familie…ist vor kurzem hier hingezogen. Also bin ich hier und beende hier mein letztes Jahr.”

“Ich habe gehört, Du hast…eine Schwester?”

Ein Lächeln deutete sich in seinen Mundwinkeln an.

“Hier wird viel geredet, nicht wahr?” fragte er mit einem Grinsen.

Scarlet errötete. “Sorry”, sagte sie.

“Ja, ich habe eine”, antwortete er, aber gab nicht mehr preis.

“Sorry, ich wollte Dich nicht ausquetschen”, sagte sie.

Er sah sie an und als sie hochsah, verband sich ihr Blick mit seinem – und für einen Moment fühlte sie sich, als würde die Welt um sie herum schmelzen. Zum ersten Mal an diesem Tag schoben sich all ihre Probleme in den Hintergrund. Sie fühlte sich, als würde sie fliegen.

Sie wollte aufhören, ihn anzuschauen, ihre Gefühle unterdrücken, ihre Gedanken an Maria beschwören und sich selbst zwingen, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Aber sie konnte nicht. Sie war eingefroren.

“Ich fühle mich geschmeichelt, dass Du das getan hast”, sagte er.

Er schaute sie weiterhin an, dann, nach einem Moment, fügte er hinzu, “Würdest Du gerne mit mir spazieren gehen?”

Ihr Herz begann, heftiger zu schlagen. Sie wollte mit ihm mitgehen. Sie wollte das mehr als alles andere auf der Welt. Aber ein Teil von ihr hatte Angst. Sie war immer noch erschüttert von ihrer Zeit mit Blake. Sie traute sich nicht selbst, ihren eigenen Gefühlen, ihrem Körper, ihren Reaktionen. Und sie hatte Angst, ihre beste Freundin zu betrügen – obwohl in Wahrheit, Maria natürlich keinen Anspruch auf Sage hatte. Aber vor allem traute sie sich nicht selbst. Was auch immer zwischen ihr und Blake vorgefallen war, der Impuls zu fressen könnte noch da sein. So sehr sie auch mehr wollte, hatte sie doch das Gefühl, sie müsse ihn beschützen.

“Es tut mir leid” sagte sie. “Ich kann nicht.”

Sie sah die Enttäuschung in seinen Augen, als er nickte. “Ich verstehe.”

Scarlet hörte plötzlich das Geräusch von zuschlagenden Türen in ihrem Haus, zusammen mit gedämpften Stimmen, die immer lauter wurden. Es waren ihre Eltern, streitend. Sie konnte sie sogar von hier aus hören. Eine weitere Tür schlug zu und sie drehte sich um und sah das Haus mit Sorge an.

“Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wieder reingehen—”, sagte sie, als sie sich wieder zu ihm rumdrehte, um sich zu verabschieden.

Aber als sie sich wieder rumdrehte, war sie völlig verwirrt. Da war kein Zeichen mehr von Sage. Nirgendwo.

Sie schaute in beide Richtungen, drehte sich rum und schaute den Block hinunter, aber da war nichts. Es war unergründlich. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

Sie fragte sich, wie er so schnell weggerannt sein konnte. Es war unmöglich.

Sie fragte sich, wo er hin war und ob sie noch Zeit hatte, ihn einzuholen. Denn jetzt fühlte sie einen überwältigenden Drang mit ihm zusammen zu sein, mit ihm zu sprechen. Sie bemerkte, blitzartig, dass sie den dümmsten Fehler ihres Lebens begangen hatte, als sie nein gesagt hatte. Jetzt, da er fort war, schmerzte jedes Körperteil in dem Verlangen nach ihm. Sie war so ein Idiot. Sie hasste sich selbst.

Hatte sie ihre Chance für immer vergeben?




KAPITEL VIER


Immer noch erschüttert von ihrer Begegnung mit Sage ging Scarlet gedankenverloren in ihr Haus.

Sie wurde unsanft herausgerissen, indem sie direkt in ihre streitenden Eltern lief. Sie konnte es nicht glauben. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die beiden sich je zuvor gestritten hatten und jetzt war das alles, was sie taten; sie spürte einen Stich der Schuld und die Frage, ob das an ihr lag. Sie konnte nicht das Gefühl abschütteln, dass etwas Schlimmes in ihrer aller Leben begonnen hatte, etwas, das nie wieder weggehen würde und was offenbar Tag für Tag mehr eskalierte. Und sie konnte nicht umhin zu denken, dass es ihre Schuld war.

“Du gehst viel zu weit”, schrie Caleb Caitlin hinter der verschlossenen Tür an. “Ernsthaft. Was ist nur in Dich gefahren?”

“Was ist in Dich gefahren?” schoss Caitlin zurück. “Du warst immer auf meiner Seite, hast mich immer unterstütz. Nun ist es, als würdest Du mich ablehnen.”

“Ablehnen?” schoss er zurück.

Scarlet konnte es nicht länger ertragen. Als wenn ihr Tag nicht schon schlimm genug gewesen wäre – sich das anzuhören, brachte sie an den Rand der Verzweiflung. Sie wollte nur, dass sie aufhörten zu streiten. Sie wollte, dass sie wieder normal würden.

Sie ging ein paar Schritte und stieß die Tür zum Esszimmer auf, in der Hoffnung, dass ihr Erscheinen dazu führen würde, dass die beiden aufhörten.

Die beiden stoppten mitten im Streit, als sie herumfuhren und sie anstarrten, wie zwei Rehe im Scheinwerferlicht.

„Wo warst Du?”, herrschte ihr Vater sie an. .

Scarlet war verblüfft: ihr Vater hatte sie nie zuvor angeschrien und noch nie diesen Tonfall verwendet. Sein Gesicht war noch rot vom Streit und sie erkannte ihn kaum.

“Was meinst Du?”, sagte sie verteidigend. “Ich war draußen mit Ruth.”

“Eine Stunde lang?”

“Wovon sprichst Du?”, sagte sie verwundert. “Ich war nur ein paar Minuten draußen.”

“Nein, warst Du nicht. Ich war oben und habe Dein Zimmer überprüft, dann habe ich Dich rausgehen sehen und das war vor einer Stunde. Wo bist Du hingegangen?”, beharrte er und ging um den Tisch herum auf sie zu. “Lüg mich nicht an.”

Scarlet fühlte sich, als er hätte er komplett den Verstand verloren. Nicht nur, dass ihre Mutter verrückt wurde, jetzt war ihr Vater auch noch verrückt. Sie fühlte sich, als würde ihre Welt zusammen stürzen.

“Ich weiß nicht, wovon Du redest”, zickte sie zurück und dabei stieg ihre eigene Stimme auch an. Aber langsam fragte sie sich, ob sie vielleicht ihr Zeitgefühl verloren hatte. Ob irgendwas mit ihr passiert war. Ob sie schon wieder irgendwohin gegangen war und sich nicht daran erinnerte. Der Gedanke daran führte dazu, dass ihr Herz schneller schlug, als sie begann, langsam Angst zu bekommen. “Ich lüge nicht. Und ich schätze es nicht, dass du mich dessen beschuldigst.”

“Hast Du eine Idee, wie krank vor Sorge wir um Dich waren? Ich wollte gerade schon wieder die Polizei rufen.”

“Es tut mir leid!” schrie sie zurück. “Ich habe nichts getan!”

Sie zitterte innerlich vor dem Ausmaß seiner Wut und konnte nicht einen Moment länger dort stehen bleiben. Sie drehte sich um und stürmte aus dem Raum, und brach dabei in Tränen aus. Sie rannte die Stufen hoch.

Sie hatte genug von ihren Eltern. Es war zu viel. Jetzt verstand sie nicht einmal mehr ihr Vater. Und er war immer, ihr ganzes Leben lang, auf ihrer Seite gewesen, egal, worum es ging.

“Scarlet, komm wieder her!” schrie er.

“NEIN!” schrie sie durch ihre Tränen zurück.

Sie konnte die Schritte ihres Vaters hören, der hinter ihr die Treppe hochkam und sie rannte schneller. Sie rannte den Flur entlang, zu ihrem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

Einen Moment später klopfte er gegen die Tür.

“Scarlet. Öffne die Tür. Es tut mir leid. Ich möchte mit Dir reden. Bitte. Es tut mir leid.”

Aber Scarlet machte das Licht aus und sprang ins Bett, wo sie sich zusammenrollte. Dort lag sie und weinte und weinte.

“Geh weg!” schrie sie.

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte sie, wie seine Schritte verschwanden.

Es war zu früh zum Schlafen und Scarlet fühlte sich zu taub, um etwas anderes zu tun. Nach einer langen Zeit griff sie herüber und nahm ihr Handy. Ihre Benachrichtigungen waren verrückt geworden – ihre Facebook Seite quoll über vor neuen Posts und Nachrichten. Dadurch fühlte sie sich noch schlechter und sie schloss es.

Eine lange Zeit lag sie nur so da, sah aus dem Fenster in die Bäume, auf die verschiedenen Farben, die im letzten Licht des Tages schimmerten. Sie beobachtete mehrere Blätter, die von den Bäumen fielen und sah zu, wie sie wirbelnd zur Erde flogen.

Sie fühlte sich überwältigt von Traurigkeit. Blake wollte nicht mit ihr zusammen sein, Vivian hatte die ganze Schule gegen sie aufgebracht, ihre eigenen Freunde verstanden sie nicht, ihre Eltern vertrauten ihr nicht und sie wusste nicht, was mit ihrem Körper geschah. Und vor allem hatte sie es versaut, mit Sage zu sprechen. Alles lief so schief. Und sie konnte nicht darum herum, an den Augenblick zwischen ihr und Blake zu denken, unten am Fluss. Sie konnte nicht aufhöre, darüber nachzudenken, was mit ihr geschehen war. Wer war sie wirklich?

Sie griff herüber und nahm ihr Tagebuch und ihren Stift, lehnte sich herüber und begann zu schreiben.



Ich verstehe mein Leben nicht mehr. Es ist surreal. Ich habe den tollsten Jungen aller Zeiten getroffen. Sage. Ich wollte es nicht zugeben, da Maria ihn mag, aber ich kann nicht mehr aufhören, an ihn zu denken. Ich habe das Gefühl, ihn irgendwoher zu kennen. Wir haben kaum miteinander gesprochen, aber ich fühle schon eine Verbindung zu ihm. Viel mehr als zu Blake.

Aber er war so schnell verschwunden und ich habe ihm dummerweise einen Korb gegeben. Ich wünschte, ich hätte das nicht getan. Es gibt noch so viele Fragen, die ich ihm unbedingt stellen muss. Zum Beispiel, wer er ist. Was er hier macht. Und warum er vor meinem Haus war. Er sagte, er ist nur vorbeigelaufen, aber irgendwie glaube ich ihm nicht. Ich glaube, er hat nach mir gesucht.

Ich erkenne meine Eltern kaum wieder. Jeden Tag verändert sich so viel. Ich weiß auch nicht mehr, wer ich bin. Es ist als wäre die ganze Welt, die ich mal kannte, die sicher und vertraut war, verschwunden. Und ich glaube morgen wird sich wieder alles ändern.

Ich fürchte mich vor Morgen. Wird mich jeder hassen? Wird Blake mich ignorieren? Werde ich Sage sehen?

Ich kann mir noch nicht mal vorstellen, was der nächste Tag bringen wird.


*

Scarlet öffnete ihre Augen, aufgeweckt durch die Türklingel. Sie sah hinaus und war geschockt, als ihr auffiel, dass bereits später Morgen war, die Sonne flutete in ihr Zimmer. Sie bemerkte, dass sie in ihren Sachen eingeschlafen war, auf der Decke. Sie griff nach ihrer Uhr und sah drauf: 8:30. Ihr Herz flatterte in Panik. Sie kam zu spät zur Schule.

Die Türglocke klingelte erneut und Scarlet sprang auf ihre Füße. Nach der Zeit zu urteilen, waren ihre Eltern schon zur Arbeit gegangen, also musste sie an die Tür gehen. Wer klingelte denn so früh am Morgen?

Sie war versucht, es zu ignorieren, sich einfach zu beeilen und für die Schule fertig zu machen, aber es klingelte schon wieder.

Ruth bellte und bellte und schließlich ließ Scarlet sie raus und folgte ihr die Stufen herunter, durch das Wohnzimmer und Richtung Tür.

Ruth stand davor und bellte wie verrückt.

“Ruth!”

Schließlich gab Ruth auf, als Scarlet zur Tür ging. Sie öffnete sie langsam.

Ihr Herz setzte aus.

Dort stehend, sie anstarrend, war Sage. Er hielt eine lange schwarze Rose in beiden Händen.

“Es tut mir leid, hier so reinzuschneien”, sagte er. “Aber ich wusste, Du wärst zu Hause.”

“Woher?” fragte sie total verwirrt.

Er starrte sie nur weiter an.

“Darf ich reinkommen?” fragte er.

“Ähm…” begann Scarlet.

Ein Teil von ihr wollte ihn unbedingt einladen, aber ein anderer Teil war vorsichtig. Was tat er hier? Warum brachte er eine schwarze Rose mit?

Aber dann konnte sie ihn nicht schon wieder fortschicken.

“Sicher”, sagte sie. “Komm rein.”

Sage lächelte breit, als er mit einem einzigen, großen Schritt über die Schwelle trat.

Als er das tat, sank er zu ihrem Erstaunen im Boden ein. Er sank und sank, wie auf Treibsand und hielt ihr eine Hand hin und schrie.

“Scarlet!”, kreischte er. “Hilf mir!”

Scarlet nahm seine Hand und versuchte ihn, hinaus zu ziehen. Aber plötzlich wurde sie auch in das Loch gezogen und tauchte mit dem Gesicht nach unten ein. Sie schrie sich die Lunge aus dem Leib, als sie mit höchster Geschwindigkeit Richtung Erdmittelpunkt gezogen wurde.

Scarlet wachte schreien auf. Sie sah sich in ihrem Raum um, ihr Herz klopfte heftig. Die ersten Strahlen des Tages kamen durch ihr Fenster. Sie sah auf ihre Uhr. 6:15.

Sie war in ihren Klamotten eingeschlafen. Sie atmete erleichtert durch, als ihr klar wurde, dass das alles ein Traum gewesen war.

Ihr Herz schlug heftig. Es hatte sich so real angefühlt.

Sie stand auf, ging in ihr Badezimmer und spritzte sich mehrere Male Wasser ins Gesicht, in dem Versuch, wach zu werden. Als sie in den Spiegel schaute, wurden ihre Ängste noch stärker: Ihr Spiegelbild. Es war anders. Sie war dort, aber ihr Spiegelbild war durchscheinend, als wäre sie ein Geist. Als wenn sie sich auflösen würde. Zuerst dachte sie, dass es am Licht läge. Aber sie drehte das Licht auf und es war immer noch dasselbe.

Sie war so panisch, sie wollte heulen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie brauchte etwas, das sie erdete. Jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Jemand, der ihr sagen würde, dass es ok wäre. Dass sie nicht verrückt wurde. Dass sie sich nicht veränderte. Dass sie dieselbe, alte Scarlet war.

Aus irgendeinem Grund dachte Scarlet an das Angebot ihrer Mutter, mit dem Priester. Jetzt fühlte sie sich, als könne sie ihn wirklich brauchen. Vielleicht konnte er ihr helfen, sich besser zu fühlen.

Sie ging in den Flur und sah ihre Mutter, die ebenfalls durch den Flur schritt und sich für die Arbeit fertig machte.

“Mama?” fragte sie.

Caitlin stoppte und drehte sich überrascht zu ihr um.

“Oh Liebling, ich wusste nicht, dass Du schon so früh wach bist”, sagte sie. “Bist Du in Ordnung?”

Scarlet nickte nur, weil sie Angst hatte, sonst zu weinen, ging zu ihr rüber und umarmte sie lange.

Ihre Mutter erwiderte die Umarmung, hielt sie fest und wiegte sie in ihren Armen, und es fühlte sich so gut an, bei ihr im Arm zu liegen.

“Ich vermisse Dich, Schatz”, sagte ihre Mutter. “Und ich liebe Dich so sehr.”

“Ich liebe Dich auch”, sagte Scarlet an ihrer Schulter und die Tränen stiegen ihr auf.

“Was ist los?” fragte ihre Mutter, als sie sich von befreite.

Scarlet wischte eine Träne aus dem Augenwinkel.

“Erinnerst Du Dich noch an Dein Angebot? Den Priester zu treffen?”

Sie nickte.

“Ich würde gerne hingehen. Können wir zusammen dahin? Heute nach der Schule?”

Ihre Mutter lächelte breit und schien erleichtert.

“Natürlich können wir das, mein Schatz.”

Sie umarmte Scarlet noch einmal lange. “Ich liebe Dich. Vergiss das niemals.”

“Ich liebe Dich auch, Mama.”




KAPITEL FÜNF


Scarlet ging früh zur Schule, zum ersten Mal seit Jahren. Die Flure hatten sich noch nicht gefüllt und es war, wie durch eine Geisterstadt zu laufen, als sie zu ihrem Schrank ging. Sie war es gewöhnt, später zu kommen, wenn alles schon voll war, aber heute, nach ihrem Alptraum, fühlte sie sich zu kribbelig, um zu Hause zu sitzen und zu warten. Sie checkte ihr Facebook und Twitter Konto und sah die lächerliche Anzahl an Aktivitäten auf Grund von Postings, die Vivian und ihre Freunde ihr geschickt hatten und sie hatte solche Angst davor, wie die Schule eventuell reagieren würde und sie dachte, früher zu kommen, könnte es vielleicht abwehren. Zumindest fühlte sie sich, indem sie früh hier war, etwas geerdet und gewappnet.

Obwohl sie natürlich wusste, dass das nichts bringen würde. Schon bald würden sie die Flure mit einer überwältigenden Anzahl von Schülern füllen, sie würden sich in Gruppen zusammenrotten, ihr zahlenmäßig überlegen und auf sie schauen und flüstern. Inklusive, vielleicht, Blake. Sie fragte sich, was er den anderen über ihr Date erzählt hatte. Hatte er ihnen alles erzählt, was passiert war? Hatte er ihnen erzählt, dass sie ein Freak war?

Der Gedanke daran machte sie so krank, dass sie das Frühstück heute Morgen ausgelassen hatte. Sie musste die Suppe nun auslöffeln und fragte sich wie viele hundert Schüler dem Post wohl folgten – und was sie über sie dachten. Ein Teil von ihr wollte sich zusammenrollen und sterben, wegrennen und diese Stadt verlassen und nie zurückkehren.

Aber sie wusste, dass das keine Option war und es besser war, mutig zu sein und da jetzt durchzugehen.

Als sie ihren Spind öffnete und ihre Bücher für den Tag zusammen sammelte, wurde ihr klar, wie weit zurück sie mit all ihren Hausaufgaben war. Das war ebenfalls unüblich für sie. Die letzten zwei Tage waren so verrückt gewesen, so anders als alles zuvor. Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass das Morgenlicht durch die Fenster kam und sie schlimmere Kopfschmerzen als je zuvor hatte. Sie bemerkte an sich selbst, dass sie in einem besonders hellen Flur die Augen abschirmte und fragte sich erneut, was mit ihr nicht stimmte. War sie immer noch krank oder so?

Sie sah ihre alte Sonnenbrille in ihrem Spind und hätte sie am liebsten genommen und den ganzen Tag in der Schule getragen. Aber sie wusste, dass das noch mehr negative Aufmerksamkeit auf sie lenken würde.

Wie eine Flutwelle begannen sich die Flure mit Schülern zu füllen, strömten aus allen Richtungen herbei. Sie sah auf ihr Handy und stellte fest, dass die erste Stunde in fünf Minuten beginnen würde. Sie nahm einen tiefen Atemzug und schloss ihren Schrank.

Sie sah, dass sie keine neuen Texte auf ihrem Handy hatte und ihre Gedanken gingen wieder zu Blake, zu gestern. Ihr Wegrennen. Sie fragte sich noch einmal, was er nur den anderen erzählt hatte. Hatte er wirklich all diese schädlichen Dinge gesagt? Dass er sie abgeschossen hatte? Oder hatte Vivian das nur erfunden? Was dachte er wirklich von ihr? Und warum hatte er auf ihre Nachricht nicht geantwortet?

Sie nahm an, natürlich, dass sein Schweigen eine Antwort war. Dass er genug hatte und nicht länger interessiert war. Aber sie wünschte, er hätte zumindest geantwortet, und sie schaute direkt noch einmal auf ihr Handy, nur für den Fall —zumindest um zu sagen, dass er nicht mehr interessiert war. Sie hasste es, keine Antwort zu bekommen.

Als wenn das alles nicht genug wäre, konnte sie nicht aufhören, über Sage nachzudenken. Ihr Treffen, vor ihrem Haus, war so mysteriös gewesen. Sie bereute es, ihn stehen gelassen zu haben und wünschte, sie hätte nur ein paar mehr Momente, um mit ihm zu sprechen, ihm mehr Fragen zu stellen. Ihr Traum machte sie verrückt und sie konnte nicht verstehen, warum er sich so in ihr Hirn eingebrannt hatte, sogar mehr als Blake.

Sie war so verwirrt. Mit Blake war es so, dass sie bewusst über ihn nachdachte, bei Sage hingegen konnte sie es gar nicht ändern – sie dachte an ihn, ob sie das wollte oder nicht und sie verstand ihre starken Gefühle für ihn nicht. Ziemlich bescheuert, da sie Blake seit Jahren kannte, fühlte sie sich Sage trotzdem näher. Was sie mehr als alles andere störte, war, dass es keinen Sinn machte. Sie hasste es, etwas nicht zu verstehen – besonders wenn es um die Liebe ging.

“Oh mein Gott, Scarlet?” hörte sie eine Stimme.

Als sie ihren Schrank schloss, sah sie, dass Maria dort stand und sie ansah, als wäre sie eine berüchtigte Berühmtheit.

“Du bist sonst nie früher hier! Ich habe Dir gestern eine Million Mal geschrieben! Was ist passiert? Wo warst Du? Bist Du OK?”

Scarlet fühlte sich schuldbewusst, dass sie zu überwältigt gewesen war, auf all ihre Texte zu antworten. Sie bemerkte außerdem ein neues Gefühl der Nervosität in der Nähe von Maria, auf Grund ihrer Gefühle für Sage. Immerhin hatte Maria klargemacht, dass sie total auf Sage stand. Wenn sie herausfand, dass Scarlet sich am Abend zuvor mit ihm unterhalten hatte – besonders direkt vor ihrem Haus – würde Maria ausflippen, befürchtete sie. Maria war so besessen und besitzergreifend, wenn es um Jungs ging. Sie dachte immer, dass sie nur ein Auge auf jemanden zu werfen brauchte, damit er ihr gehörte – ob diese Person von ihrer Existenz wusste oder nicht. Und wenn ihr irgendjemand in den Weg kam, dann war er direkt ihr Feind. Sie konnte sehr boshaft werden – und sie würde es nie vergessen oder vergeben. Sie war so eine Art von Person: entweder Dein bester Freund oder Dein Todfeind.

“Sorry”, antwortete Scarlet. “Ich bin früh eingeschlafen. Mir ging es nicht gut. Und ich konnte mit dieser ganzen Facebook Sache nicht umgehen.”

“OMG, ich hasse sie”, sagte Maria. “Vivian. Was für eine Schlange. Wer denkt sie, wer sie ist? Ich habe auf ihre Pinnwand geschrieben und auf die von ihren Freundinnen. Ich mache sie alle dafür verantwortlich, dass sie Dich mobben.”

Scarlet fühlte sich so dankbar gegenüber Maria—was ihre Schuldgefühle, weil sie mit Sage gesprochen hatte, noch verschlimmerte. Sie wünschte sich, dass sie es ihr einfach erzählen könnte, einfach erklären, was mit Sage gewesen war—aber sie verstand ja nicht mal selbst, was passiert war. Und sie befürchtete, dass, wenn sie es auch nur erwähnte, Maria ausflippen würde.

“Du bist die Beste”, sagte Scarlet und legte vor Dankbarkeit einen Arm um sie.

Die Beiden liefen Seite bei Seite den Flur hinunter, der sich schnell füllte und in dem der Lärm anstieg, als sie sich auf den langen Weg auf die andere Seite der Schule machten, für ihre erste Stunde zusammen.

“Ich mein, was hat sie nur für Nerven”, sagte Maria. “Erst stiehlt sie Dir Deinen Mann. Dann postet sie das auch noch überall. Sie fühlt sich nur bedroht. Und sie ist eifersüchtig. Sie weiß halt, dass Du die Bessere bist.”

Scarlet fühlte sich ein bisschen besser, obwohl sie noch ein bisschen traurig bei dem Gedanken war, Blake zu verlieren. Besonders unter diesen Umständen. Alles was sie wollte war, eine Chance zu erhalten, Blake alles zu erklären, ihm zu sagen, dass, was auch immer unten am Fluss passiert war, nicht sie gewesen war. Aber sie wusste auch nicht wirklich, wie sie es erklären sollte. Was könnte sie zu ihm sagen? Sie glaubte, es so gut es ging in ihrer Nachricht ausgedrückt zu haben. Auf die er nie geantwortet hatte.

“Hey Leute”, ertönte eine Stimme.

Jasmin und Becca liefen neben ihnen her. Scarlet fühlte, dass die Beiden sie ansahen und fühlte sich langsam paranoid auf Grund der Aufmerksamkeit.

“Hey”, sagte Scarlet als sie zusammen weiter den Flur hinab gingen. “Also, möchtest Du uns gerne aufklären?” fragte Jasmin. “Was ist mit Blake passiert?”

Scarlet konnte alle Augen auf sich spüren und wurde nervös. Während sie gingen, fühlte sie die Blicke der anderen Kids. Sie wollte gern glauben, dass sie nur paranoid war – aber sie wusste, das war es nicht. Es gab auf jeden Fall eine Menge Leute, die sie ansahen, ihr verstohlene Blicke zuwarfen, als wenn sie ein Freak wäre. Sie fragte sich erneut, wie viele Schüler wohl online gewesen waren und die Posts gelesen hatten und was sie wohl glaubten. Würde sie bekannt werden, als das Mädchen, das von Blake abgeschossen worden war? Die Blake an Vivian verloren hatte? Bei dem Gedanken daran brannte sie vor Scham und Wut.

“Ist es wahr?” fragte Becca. “Hat er Dich echt abgeschossen?”

“Falls er es getan hat”, sagte Jasmin, “dann sag es uns nur und wir kleistern seine Facebook Seite zu.”

“Danke Leute”, sagte Scarlet. Sie überlegte, wie sie antworten sollte. Sie wusste wirklich nicht, wie sie es erklären sollte.

“Also?” stieß Maria hervor. “Willst Du es uns nicht sagen?”

Scarlet zuckte die Achseln.

“Ich bin mir nicht sicher, was ich sagen soll. Es gibt wirklich nichts zu erzählen. Wir sind runter zum Fluss gegangen und…” Sie machte eine Pause, überlegte, wie sie es ausdrücken sollte. “…Blake hat mich geküsst.”

“Und?” hakte Jasmin nach. “Du bringst uns noch um!”

Scarlet zuckte die Schultern.

“Das war´s. Es ist nicht wirklich was passiert. Ich meine, Ich mag ihn. Ich mag ihn immer noch. Aber… ich bin gegangen. Ich meine, ich habe mich richtig krank gefühlt und musste gehen, ziemlich plötzlich.”

“Was meinst Du mit krank?” fragte Becca.

“Als wenn mein Magen mich umbringen würde”, log sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. “Und ich hatte richtig schlimme Kopfschmerzen.” Zumindest war das teilweise wahr, dachte sie. “Ich glaube, ich war noch krank von vorgestern. Also rannte ich weg. Schlechtes Timing, glaube ich.”

“Also hat Blake Dich zurück gebracht? Oder hat er sich wie ein totaler Idiot verhalten?” fragte Jasmin.

Scarlet zuckte die Achseln.

“Es ist nicht seine Schuld. Ich habe ihm gar nicht die Zeit dazu gelassen, glaube ich. Ich bin einfach abgehauen. Ich habe mich schlecht deswegen gefühlt. Ich wollte es ihm erklären. Aber er antwortet nicht auf meine Nachricht.”

“Was für ein Idiot”, sagte Maria.

“Was für ein Verlierer”, fügte Jasmin hinzu. “Ernsthaft. Also Du bist krank geworden – also was, beantwortet er nicht mehr Deine Nachrichten? Was ist sein Problem? Du warst krank. Große Sachen. Ich meine, er hat Dir noch nicht mal die Chance gegeben, es ihm zu erklären?”

“Absolut”, stimmte Maria zu. “Und dann, was, ist er zurück zu Vivian gelaufen und hat Dich durch sie ersetzt? Nur weil Du krank warst? Was ist sein Problem? Er verdient Dich definitiv nicht. Es ist das Beste so.”

Scarlet freute sich wirklich über diese Zustimmung und fühlte sich langsam besser. So hatte sie das noch nicht gesehen. Sie glaubte, ihre eigene, beste Kritikerin zu sein. Je mehr sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Entschluss, dass sie auf gewisse Weise Recht hatten. Vielleicht hätte Blake mehr Verständnis haben müssen; vielleicht hätte er ihr folgen sollen, sie fragen, wie sie sich fühlte; vielleicht hätte er nicht so schnell zu Vivian laufen sollen.

Aber hatte er das wirklich? Oder hatte Vivian das alles nur erfunden?

“Danke Leute”, sagte sie. “Ich freue mich wirklich darüber. Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was danach passiert ist. Ich weiß nicht, ob er zurück zu Vivian gegangen ist oder ob sie das alles nur erfunden hat.”

“Also, ich denke, das bedeutet, dass Du nicht mit ihm zum Tanz gehst?” fragte Maria. “Also, mit wem gehst Du dann? Ich meine, oder willst Du nicht hin?” fragte sie, ihre Stimme stieg dabei an, als wäre es das Schlimmste der Welt.

Scarlet zuckte die Achseln. Der dumme Tanz – er könnte zu keiner schlimmeren Zeit kommen. Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen sollte.

“Ich bezweifele, dass Blake mich mit hin nimmt”, sagte sie. “Vielleicht gehe ich allein….”

Für einen Moment musste Scarlet an Sage denken. Ihr fiel auf, wie gerne sie eigentlich mit ihm hingehen würde. Sie wusste kaum, warum. Sein Gesicht steckte einfach in ihrem Kopf.

Gleichzeitig dachte sie an Maria, was sie wohl denken würde – und der Gedanke, mit Sage hinzugehen, fühlte sich wie Verrat an. Sie versuchte ihn schnell aus dem Kopf zu bekommen.

“Wenn ich nicht hingehe, gehe ich halt nicht hin”, sagte sie schließlich. “Es ist okay. Vielleicht nächstes Jahr.”

“Es gibt eine riesige Aufwärmparty bei Jake Wilson. Seine Eltern sich nicht da. Wir gehen alle hin. Du musst mitkommen. Vielleicht findest Du dort ein Date.”

Scarlet schluckte. Los zu schleichen und sich ein Date für den Abend zu suchen, war das letzte, was sie tun wollte.

“Naja, egal, fühl Dich nicht schlecht”, sagte Maria. “Ich habe ja auch noch kein Date für den Abend.”

“Was ist mit Brian?” fragte Jasmin sie.

“Es ist vorbei, schon vergessen?” sagte sie.

“Aber er hat auch noch kein Date.”

Maria zuckte die Achseln. “Er hat mich nicht gefragt. Und eigentlich will ich auch wirklich nicht mit ihm hin. Sage ist derjenige, mit dem ich gehen möchte. Der neue Junge.”

Scarlet schluckte.

“Also, warum fragst Du ihn nicht?” fragte Becca.

“Ja, ständig sprichst Du von ihm, aber Du tust nichts dafür”, sagte Jasmin. “Hör auf, so ein Hühnchen zu sein.”

“Ich bin kein Hühnchen“, erwiderte Maria eingeschnappt.

“Hühnchen, Hühnchen!” zogen sie sie auf.

Marias Gesicht wurde tiefrot und Scarlet konnte sehen, wie sauer sie war.

“Ich bin kein Hühnchen. Tatsächlich habe ich eine Stunde mit ihm am Vormittag. Ich werde ihn dann fragen.”

“Nein, wirst Du nicht”, sagte Becca.

“Das würdest Du nie tun”, sagte Jasmin.

“Schaut mir nur zu”, sagte Maria.

“Aber ist das nicht peinlich?” sagte Becca. “Dass Du ihn fragst?”

Maria zuckte die Achseln. “Es könnte besser sein. Aber was soll ich sonst tun? Er ist neu. Wenn ich ihn nicht frage, macht es jemand anderes. Und wenn er nichts von mir wissen will, weiß ich es wenigstens direkt, oder?”

“Ich denke immer noch, dass Du nur redest”, sagte Jasmin.

Maria schaute sie an. “Überprüf das nochmal in einer Stunde und wir werden sehen, wer hier spricht.”

Scarlet war erleichtert, dass die Unterhaltung von ihr wegführte. Sie fühlte sich langsam hoffnungsvoll, als wenn die negative Aufmerksamkeit vielleicht doch schnell an ihr vorüber ziehen würde und es nicht so schlimm wäre, wie sie dachte. Immerhin wandten sich Jugendliche sehr schnell neuen Themen zu, über die man lästern konnte. Aber als sie an die nächste Stunde mit Sage und Maria dachte, sank ihr Magen wieder vor Angst.

Als sie um die Ecke bogen, sank Scarlets Magen noch weiter, denn dort, gegen die Wand gelegt, stand Vivian mit ihren Freundinnen. Sie stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen an, schauten in ihre Richtung und dann kicherten und flüsterten sie.

Vivian drehte sich um und sah sie direkt an, mit einem siegesgewissen Lächeln. Sie konnte die Gemeinheit in ihrem perfekten Gesicht sehen, die kleine Siegesgewissheit, da sie es geschafft hatte, sie online zu mobben. Für einen Moment war Scarlet so wütend, dass sie sie angreifen wollte. Sie fühlte, dass ein enormer Wutansturm in ihr aufkam, der sie erzittern lies und von Ihren Zehen bis in die Fingerspitzen reichte. Sie verstand nicht, was passierte: es war wie ein Flash. Ihr Körper fühlte sich plötzlich stärker an, zu Gewalttätigkeiten bereit, und schwerer zu kontrollieren. Sie wollte schnell hier raus, bevor etwas schlimmes passierte.

“Schön, schön, schön”, sagte Vivian laut, als sie vorbeigingen. Die Spannung in der Luft war so dick, dass man sie mit einem Messer schneiden konnte.

“Schaut mal, wer da ist. Wenn das nicht Blakes Abgelehnte ist.”

“Das ist schon eine Aussage, besonders, wenn sie von der kommt, die Blake nie wollte”, zickte Jasmin sie an.

“Hattest Du zu viel Angst, es ihr ins Gesicht zu sagen, so dass Du hingehen musstest und es online posten musstest?” stichelte Maria.

Vivians Gesicht nahm einen finsteren Ausdruck an, so wie das ihrer Freunde. Scarlet fand es unangenehm. Sie wollte nur, dass dies alles vorbei ging. Sie freute sich über die Loyalität ihrer Freunde, aber sie wollte nicht, dass sich das in einen vollwertigen Krieg entwickelte

“Und das kommt von dem Mädchen, die noch nicht einmal ein Date für den Ball hat”, entgegnete Vivian, als sie sich nun auf Maria einschoss. “Loser”, sagte sie.

“Ich habe lieber kein Date, als eins mit dem Abgelegten von jemand anderem zu haben”, schoss Maria zurück.

“Bitte, Maria”, sagte Scarlet leise. “Lass uns einfach weitergehen.”

Für einen Moment schien es, als wollten sich die beiden Gruppen von Mädchen aufeinander stürzen wollen, und als würde ein richtiger Kampf entstehen. Obwohl Scarlet diesen Wutschub im Körper fühlte, wollte sie doch keine weiteren Konfrontationen.

Sie stupste ihre Freunde sanft an und ihre Gruppe ging weiter den Flur hinunter. Scarlet wollte sich nicht auf Vivians Niveau herunterlassen.

Als die beiden Gruppen mehr Distanz zwischen einander gewannen, fühlte Scarlet plötzlich etwas. Es war ein seltsames Gefühl, eines, das sie nie zuvor gefühlt hatte. Wie aus dem Nichts heraus waren ihre Sinne in höchster Alarmbereitschaft: sie fühlte, mehr als dass sie es sah, eine dunkle Energie, die sich von hinten näherte. Sie wusste nicht, warum, aber sie tat es. Und dann wurde ihr Gehör so viel genauer: sie hörte jede winzige Bewegung in den Fluren. Sie hörte die Bewegung von den Schritten eines Mädchens, die von hinten näherte.

Mit Lichtgeschwindigkeit reagierend, fühlte Scarlet plötzlich, wie ihr Körper sich um sich selbst drehte, ihre eigene Hand schoss nach oben und umfasste etwas, und sah sich selbst dabei zu, wie sie die Hand von jemand anderem griff, die auf ihren Hinterkopf herunterfuhr.

Scarlet sah hinauf und war erstaunt zu sehen, dass sie Vivians Handgelenk umklammerte. Sie sah darauf und erkannte einen großen Batzen Kaugummi in ihrer Handfläche und sah ihren geschockten Ausdruck. Dann verstand sie, was passiert war: Vivian hatte sich von hinten angeschlichen und wollte ihr das Gummi in die Haare schmieren. Irgendwie, hatte Scarlet es gespürt und hatte sie gerade noch aufgehalten, in der letzten Sekunde, nur Zentimeter entfernt.

Wie Scarlet da so stand, merkte sie, dass sie Vivians Handgelenk mit einer unglaublichen Kraft umklammerte; Vivian fiel auf die Knie und schrie vor Schmerzen auf.

Jeder im Flur stoppte und es bildete sich eine große Menge um die Beiden.

“Du tust mir weh!” schrie Vivian. “Lass los!”

“KÄMPFT! KÄMPFT!” schrie die Menge, die plötzlich um sie herum versammelt hatte.

Scarlet fühlte eine überwältigende Wut, die durch sie durch raste, eine Wut, die sie kaum kontrollieren konnte. Etwas in ihrem Körper hatte sie davor geschützt, verletzt zu werden und jetzt war es willens, Rache zu nehmen – das Handgelenk dieses Mädchens zu brechen.

“Warum sollte sie?” rief Maria. “Du warst dabei, Ihr Kaugummi in die Haare zu schmieren.”

“Bitte!” wimmerte Vivian. “Es tut mir leid!”

Scarlet verstand nicht, was über sie gekommen war und es machte sie wahnsinnig. Irgendwie, in der letzten Sekunde, konnte sie sich selbst dazu bringen, aufzuhören. Schließlich ließ sie los.

Vivians Handgelenk klappte zur Seite weg, als sie auf ihre Füße krabbelte und zurück zu ihren Freunden rannte.

Scarlet drehte sich mit klopfendem Herzen um und ging mit ihren Freunden weiter den Flur runter. Langsam normalisierten sich die Flure wieder, jeder flüsterte miteinander, als sie sich verteilten. Scarlets Freunde umringten sie.

“OMG, wie hast Du das gemacht?” fragte Maria mit Ehrfurcht.

“Das war total super!”, sagte Jasmin. “Du hast sie wirklich auf ihren Platz verwiesen.”

“Ich kann nicht glauben, dass sie Dir Kaugummi in die Haare schmieren wollte”, sagte Becca.

“Sie hat bekommen, was sie verdient”, sagte Maria. “Gut gemacht, Mädchen. Ich denke, beim nächsten Mal überlegt sie zweimal, bevor sie sich noch einmal mit Dir anlegt.”

Aber Scarlet fühlte sich nicht gut. Sie fühlte sich leer, ausgebrannt. Und noch verwirrter über das, was mit ihr passierte. Auf der einen Seite war sie natürlich begeistert darüber, dass sie Vivian noch in letzter Sekunde bekommen hatte, dass sie sich gewehrt hatte und für sich eingestanden war. Aber gleichzeitig konnte sie nicht verstehen, wie sie so hatte reagieren können.

Ihre Augen taten mehr weh als zuvor und ihre Kopfschmerzen wurden auch immer schlimmer, und so verrückt wie es auch klang, sie musste einfach daran denken, dass sie sich irgendwie veränderte. Und das machte ihr mehr Angst, als alles andere.

Die Glocke klingelte und bevor sie in die Klasse gingen, sah Scarlet über ihre Schulter und sah, dass Blake dort stand. Er stand dort mit ein paar seiner Freunde und einer von ihnen stieß ihn an, woraufhin er sich umdrehte und sie ansah. Für einen Moment hatten sie Blickkontakt. Scarlet versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Sie hoffte mehr als alles andere, dass er sich umdrehen und zu ihr hinüber laufen würde, ihr noch eine Chance geben würde.

Aber er drehte sich plötzlich um und ging mit seinen Freunden in die andere Richtung.

Scarlets Herz brach. Das war es also. Er wollte sie nicht mehr. Nicht nur das, er sprach auch nicht mehr mit ihr. Er würde sie nicht einmal mehr grüßen. Das tat ihr mehr weh, als alles andere. Sie hatte gedacht, das zwischen ihnen sei etwas Richtiges gewesen und konnte nicht verstehen, wie es so schnell hatte verschwinden können, wie er einfach weglaufen konnte. Warum konnte er nicht etwas mehr Verständnis für sie haben – er hätte ihr zumindest die Chance geben müssen, es ihm zu erklären. Es war gerade erst die erste Stunde des Tages und Scarlet fühlte sich schon erschlagen. Sie hatte einen Wirbelwind der Emotionen erwartet und fragte sich, wie sie es nur durch den Tag schaffen sollte.

“Komm schon, Du brauchst ihn nicht”, sagte Maria und legte ihren Arm um Scarlet und führte sie in die Klasse. Scarlet schluckte, in dem Wissen, dass hinter der Tür Sage warten würde.




KAPITEL SECHS


Scarlets erste Stunde war gefüllt mit ungefähr dreißig Kindern, alle rannten herum, um ihre Plätze einzunehmen. Die Schreibtische waren in ordentlichen Reihen von je zehn Stück angeordnet, aber an den Seiten des Raums standen lange Holztische, mit Bänken darunter. Sie überflog den Raum und sah mit Erleichterung, dass Sage nicht darin war; zumindest ein Drama weniger, mit dem sie heute umgehen musste.

“Wo ist er?”, fragte Maria niedergeschlagen.

Es war Englisch, Scarlets Lieblingskurs. Normalerweise wäre sie glücklich, hier zu sein, besonders da Mr. Sparrow ihr Lieblingslehrer war und besonders weil sie in diesem Jahr Shakespeare besprachen und ihr Lieblingsstück: Romeo und Julia.

Aber als sie sich auf ihren Stuhl fallen ließ, in der Reihe neben Maria, fühlte sie sich niedergeschlagen. Apathisch. Sie konnte sich kaum auf Shakespeare konzentrieren. Die Klasse wurde ruhig und sie nahm ihre Bücher heraus und starrte wie benommen auf die Seiten.

“Heute machen wir es mal ein bisschen anders”, kündigte Mr. Sparrow an.

Scarlet schaute auf, glücklich, seine Stimme zu hören. In den späten 30ern, gut aussehend, leicht unrasiert, mit längerem Haar und einem starken Kiefer, sah er fehl am Platz aus an dieser Highschool. Er sah ein bisschen glamouröser aus als alle anderen, wie ein Schauspieler, der ein bisschen über seine beste Zeit hinaus war. Er war immer so fröhlich, er lächelte so oft und er war so freundlich zu ihr – und allen anderen. Er hatte nie ein hartes Wort für sie, oder für irgendwen und immer gab er jedem eine 1. Er schaffte es auch, dass die kompliziertesten Texte ganz einfach wirkten und er konnte jeden dafür interessieren, was gelesen wurde. Er war auch einer der klügsten Menschen, die sie je getroffen hatte – mit einem enormen Wissen über die Welt und klassische Literatur.

“Es ist eine Sache, Shakespeares Stücke nur zu lesen”, verkündete er mit einem verschmitzten Lächeln. “Es ist aber eine ganz andere, diese zu spielen”, fügte er hinzu. “In der Tat könnte man behaupten, dass man die Stücke gar nicht verstehen kann, bevor man sie nicht laut vorgetragen hat – und sogar versucht hat, sie zu spielen.”

Die Klasse kicherte als Antwort, die Schüler schauten sich gegenseitig an und murmelten in einem aufgeregten Tonfall miteinander.

“Das ist es”, sagte er. “Ihr habe es erraten. Nach der heutigen Diskussion, teilt ihr Euch in Gruppen auf, jeder von Euch wählt sich einen Partner und spricht den Text laut miteinander durch.”

Aufgeregtes Geflüster ging durch die Klasse und das Energielevel stieg definitiv um ein paar Stufen. Es gelang, Scarlet aus ihren Träumereien zu reißen, ließ sie vergessen, für ein paar Moment, welchen Ärger sie im Leben hatte. Sich zusammen tun und die Zeilen lesen, das würde definitiv ein Spaß werden.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Scarlet drehte sich, wie der Rest der Klasse, herum, um zu sehen, wer es war.

Sie konnte es nicht glauben. Dort stand, stolz, mit seinen Büchern in der Hand, Sage, eine dünne Lederjacke tragend, schwarze Lederstiefel und eine Designer Jeans mit einem großen, schwarzen Ledergürtel und einer riesigen, silbernen Schnalle. Er trug ein schwarzes Button-Down Shirt, das lose herabhing und eine funkelnde Kette —es sah aus wie weißes Platin—mit einem großen Anhänger in der Mitte. Dieser sah aus, als wäre er aus Rubinen und Saphiren und funkelte im Licht.

Mr. Sparrow drehte sich um und sah ihn überrascht an.

“Und Sie sind?”

“Sage”, antwortete er und reichte ihm einen Zettel. “Es tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich bin neu.”

“Na, dann bist Du herzlich Willkommen”, antwortete Mr. Sparrow. “Bitte Klasse, begrüßt Sage und macht hinten ein wenig Platz für ihn.”

Mr. Sparrow drehte sich wieder zur Tafel.

“Romeo und Julia. Für den Anfang sprechen wir über den Hintergrund dieses Stücks.…”

Mr. Sparrows Stimme starb in Scarlets Kopf. Ihr Herz schlug schnell, als Sage durch die Reihen ging. Und dann, plötzlich, fiel ihr auf: der einzige freie Platz in dem Raum war direkt hinter ihr.

Oh nein, dachte sie. Nicht, wenn Maria direkt neben mir sitzt.

Während Sage den Gang hinunter kam, hätte sie schwören können, dass er sie direkt ansah. Sie sah schnell weg, weil sie an Maria dachte und verstand nicht, warum er sie so ansah.

Sie fühlte mehr, als dass sie sah, dass er hinter sie ging, sie hörte das Kratzen des Stuhls, als er sich hinsetzte und fühlte ihn nahe hinter sich. Sie fühlte die Energie, die er abstrahlte, sie war enorm.

Plötzlich vibrierte ihr Handy in der Tasche. Sie griff verstohlen nach unten, rutschte ein paar Zentimeter tiefer, zog es heraus und sah darauf. Natürlich. Maria.

OMG, ich sterbe.

Scarlet steckte das Handy zurück in ihre Tasche und sah Maria nicht an, damit nicht klar wurde, dass sie miteinander texteten. Dann legte sie die Hände auf den Tisch, in der Hoffnung, dass Maria aufhören würde zu schreiben. Sie wollte jetzt wirklich nicht mit ihr schreiben. Sie wollte sich konzentrieren.

Aber ihr Handy vibrierte erneut. Sie konnte es nicht ignorieren, da Maria direkt neben ihr saß, also nahm sie es wieder heraus.

Hallo? Was soll ich machen?

Scarlet stopfte ihr Handy wieder zurück in die Tasche, sie wollte nicht unhöflich sein, aber sie wusste nicht, was sie ihr sagen sollte und sie wollte jetzt keine Diskussion anfangen. Die Situation verschlimmerte sich immer mehr und sie wollte sich auf das konzentrieren, was Mr. Sparrow sagte, besonders da es um ihr Lieblingsstück ging.

Aber auf der anderen Seite konnte sie Maria nicht komplett ignorieren. Sie griff schnell nach unten und tippte mit einem Finger.

Ich weiß nicht.

Sie drückte auf senden und schob ihr Handy tief in die Tasche, in der Hoffnung, dass Maria sie jetzt in Ruhe lassen würde.

“Romeo und Julia”, begann Mr. Sparrow, “war kein originales Drama. Shakespeare basierte es auf einem antiken Stück. Wie alle Dramen von Shakespeare fand es seine Quelle in der Historie. Er recycelte alte Geschichten und übernahm sie in seine eigene Sprache, seine eigene Zeit. Wir denken gerne, dass er der größte Originalschreiber der Geschichte ist – aber in Wahrheit, wäre es korrekter, ihn den größten Anpasser aller Zeiten zu nennen. Wenn er leben und heute schreiben würde, würde er keinen Preis für das beste Drehbuch gewinnen – er würde ihn für das beste wieder aufgelegte Drehbuch gewinnen. Da keine seiner Geschichten – nicht eine – original war. Sie wurden alle zuvor geschrieben, manchmal schon Jahrhunderte bevor er sie wieder auflegte.

Aber das muss nicht notwendigerweise sein großes Können schmälern, seinen Fähigkeiten als Schreiber. Insgesamt geht es doch darum, wie man eine Phrase ausdrückt, oder nicht? Die gleiche Handlung zweimal erzählt kann einmal langweilig und einmal überzeugend sein, oder nicht? Shakespeares großartigste Fähigkeit war, die Geschichte eines anderen zu nehmen und sie in seinen Worten zu schreiben, angepasst auf sein Zeitalter. Und er schrieb es mit solcher Schönheit und solcher Poesie, dass er sie zum ersten Mal zum Leben erweckte. Er war ein Dramatiker, ja. Aber letztlich und vor allem, war er ein Poet.”

Mr. Sparrow hielt inne, als er das Stück hochhielt.

“Im Falle von Romeo und Julia war die Geschichte schon Jahrhunderte unterwegs gewesen, bevor Shakespeare es in die Hand bekam. Kennt jemand von Euch die Originalquelle?”

Mr. Sparrow sah sich in der Klasse um und es war totenstill. Er wartete ein paar Sekunden, dann öffnete er seinen Mund, um zu sprechen – aber plötzlich stockte er und sah direkt in Scarlets Richtung.

Scarlets Herz schlug hart, da sie dachte, dass er sie ansah.

“Ah, der neue Junge”, sagte Mr. Sparrow. “Bitte erleuchte uns.”

Die gesamte Klasse drehte sich rum und schaute in Scarlets Richtung, auf Sage. Sie war erleichtert, als ihr klar wurde, dass er nicht sie aufgerufen hatte.

Sie konnte nicht anders, sie musste sich auch ein kleines bisschen drehen und Sage anschauen. Anstatt den Lehrer anzusehen, sah er seltsamerweise sie an, als er sprach.

“Romeo und Julia basiert auf einem Gedicht von Arthur Brooke: Die tragische Geschichte von Romeus und Iuliet.”

“Sehr gut!”, sagte Mr. Sparrow und klang beeindruckt. “Und für ein paar extra Punkte, weißt Du vielleicht auch, in welchem Jahr es geschrieben wurde?”

Scarlet war erstaunt. Wie sollte Sage das wissen?

“1562”, antwortete Sage ohne zu zögern.

Mr. Jordan sah freudig überrascht aus.

“Wunderbar! Ich hatte noch nie einen Schüler, der das wusste. Bravo, Sage. Da Du ja so gelehrt bist, hier eine letzte Frage. Ich kannte noch nie jemanden – sogar unter meinen Kollegen – der das richtig wusste, also mach Dir nichts draus, wenn Du es nicht weißt. Falls Du es jedoch weißt, startest Du automatisch mit 100% in Deinem nächsten Test. Wo und wann war die erste Aufführung?”

Die ganze Klasse hatte sich auf ihren Stühlen rumgedreht und sah Sage an, die Spannung stieg an. Scarlet sah in auch an und stellte fest, dass Sage sie anlächelte.

“Es wird angenommen, dass die erste Aufführung 1593 war, in einem kleinen Ort namens „The Theatre“, auf der anderen Seite der Themse.”

Mr. Jordan rief vor Aufregung.

“WOW! Mein lieber Sage, Du bist wirklich gut. Wow, ich bin beeindruckt.”

Sage räusperte sich, er war noch nicht fertig.

“Das ist die allgemeine Meinung”, sagte Sage, “aber in Wahrheit wurde es eigentlich schon einmal vorher aufgeführt. Im Jahre 1592. In Elisabeths Schloss. In ihrem Hof, mitten in ihrem privaten Obstgarten.”





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In ERSEHNT, kämpft die 16 Jahre alte Scarlet Paine darum, herauszufinden, was genau sie geworden war. Ihr unberechenbares Verhalten hat sie von ihrem neuen Freund, Blake, entfernt und sie kämpft darum, sich zu beherrschen und darum, dass er sie versteht. Aber das Problem ist, sie versteht selbst nicht, was mit ihr passiert. Zur selben Zeit tritt der neue Junge, der mysteriöse Sage, in ihr Leben. Die Wege der Beiden verflechten sich und obwohl sie versucht, es zu vermeiden, verfolgt er sie geradezu, trotz der Einwände ihrer besten Freundin Maria, die überzeugt davon ist, dass Scarlet ihr Sage stiehlt. Scarlet findet sich selbst von Sage mitgerissen, der sie in seine Welt führt, hinter die Tore der historischen Familienvilla am Fluss. Als sich ihre Beziehung vertieft, lernt sie mehr über seine mysteriöse Vergangenheit, seine Familie und die Geheimnisse, die diese bewahren. Sie verbringen die romantischste Zeit, die sie sich vorstellen kann, auf einer einsamen Insel im Hudson und sie ist davon überzeugt, die wahre Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Aber dann ist sie am Boden zerstört, als sie Sages größtes Geheimnis erfährt: er ist kein Mensch, ebenfalls nicht und er hat nur noch ein paar Wochen zu Leben. Tragischer Weise, in genau dem Augenblick, als ihr das Schicksal ihre große Liebe geschickt hatte, schien es so, als wenn das Schicksal sie ihr auch wieder entreißen würde. Als Scarlet zurück zu der High School Party kommt, die in Vorbereitung auf den großen Ball stattfindet, endet sie in einem großen Streit mit ihren Freunden, die sie aus ihrer Gruppe ausschließen. Gleichzeitig bringt Vivian alle beliebten Mädchen dazu, ihr das Leben zu Hölle zu machen, was zu einer unvermeidlichen Konfrontation führt. Scarlets ist gezwungen, sich davon zu schleichen, macht die Sache mit ihren Eltern noch schlimmer und fühlt bald Druck von allen Seiten. Das einzige Licht in ihrem Leben ist Sage. Aber er hält immer noch einige seiner Geheimnisse zurück und Blake taucht erneut auf, entschlossen, sie zurück zu gewinnen. Caitlin, in der Zwischenzeit, ist entschlossen, einen Weg zu finden, Scarlets Vampirismus rückgängig zu machen. Was sie entdeckt, führt sie auf eine Reise auf die Suche nach dem Gegenmittel, tief in die Herzen von seltenen Bibliotheken und Buchhandlungen und sie wird nicht aufhören, bis sie es hat. Aber vielleicht ist es schon zu spät. Scarlet verändert sich schnell, kaum in der Lage zu kontrollieren, zu was sie wird. Sie will es mit Sage beenden – aber das Schicksal scheint sie auseinander zu reißen. Das Buch endet in einem action-geladenen und schockenden Ende, die Scarlet eine monumentale Wahl lässt – eine die die Welt für immer ändern wird. Wie viel ist sie bereit, für die Liebe zu riskieren?

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