Книга - Vergöttert

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Vergöttert
Morgan Rice


Weg der Vampire #2
In VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire) brechen Caitlin und Caleb gemeinsam auf, um das eine Objekt zu finden, das den drohenden Krieg zwischen Menschen und Vampiren verhindern kann: Das verlorene Schwert. Alte Überlieferungen der Vampire erzählen davon, und es bestehen große Zweifel, ob es überhaupt existiert. Wenn es überhaupt eine Hoffnung geben soll es zu finden, müssen sie Caitlins Herkunft zurückverfolgen. Ist sie wirklich die Eine? Ihre Suche beginnt damit, Caitlins Vater zu finden. Wer war er? Warum hat er sie im Stich gelassen? Als sie die Suche ausweiten, finden sie heraus, wer sie wirklich ist und sind schockiert. Doch sie sind nicht die einzigen, die nach dem legendären Schwert suchen. Auch der Blacktide Zirkel will es haben, und sie sind Caitlin und Caleb dicht auf den Fersen. Schlimmer noch, Caitlins kleiner Bruder ist besessen davon, seinen Vater zu finden. Doch Sam ist der Situation nicht gewachsen, und findet sich mitten in einem Krieg der Vampire wieder. Wird er ihre Suche gefährden? Caitlins und Calebs Reise bringt sie zu einer Reihe von geschichtsträchtigen Orten – vom Hudson Valley nach Salem und ins Herz des historischen Boston – dem Ort an dem einst die Hexen auf dem Hügel von Boston Common gehängt wurden. Warum sind diese Orte so wichtig für die Rasse der Vampire? Und was haben sie mit Caitlins Herkunft zu tun, und mit der Person, zu der sie wird? Doch vielleicht schaffen sie es nicht einmal. Ihre Liebe zueinander erblüht. Und ihre verbotene Romanze könnte alles zerstören, was sie erreichen wollen… "VERGÖTTERT, das zweite Buch aus der Serie der Vampire Journals, ist genauso spannend wie das erste, VERWANDELT. Es ist randvoll mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung" –Vampirebooksite. com





Morgan Rice

Vergöttert Band #2 Der Weg Der Vampire




AUSGEWÄHLTE STIMMEN ZU DEN BÜCHERN VON MORGAN RICE

„Hat mich von Anfang an gefesselt und es hörte nicht auf … Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer, von Anfang an voller Tempo und Action. Nicht ein Moment Langeweile.“

–-Paranormal Romance Guild {über Turned}



„Ein großartiger Plot und genau diese Art Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende ist ein so spektakulärer Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen will, um herauszufinden, was als nächstes passiert.“

–-The Dallas Examiner{über Loved}



„Ein Buch, das Locker mit Bis(s) zum Morgengrauen und den Vampire Readings mithalten kann. Man will einfach bis zur letzten Seite weiterlesen! Wenn Sie Abenteuer, Liebe und Vampire lieben, ist dieses Buch das Richtige für Sie!“

–-vampirebooksite.com {regarding Turned}



„Eine ideale Story für jüngere Leser. Morgan Rice ist gut darin, einem Buch, was ein typisches Vampirmärchen hätte werden können, einen originellen Twist zu verleihen. Der erfrischende und einzigartige Roman hat die klassischen Elemente übernatürlicher Storys für junge Erwachsene.“

–-The Romance Reviews {regarding Turned}



„Rice ist einfach fantastisch darin, Dich von Anfang an in die Geschichte hineinzuziehen. Seine Beschreibungen gehen weit über das bloße Ausmalen von Szenen hinaus … Nett geschrieben und liest sich extrem schnell. Ein guter Anfang für eine neue Vampirserie, die sicher ein Hit bei allen Lesern wird, die leichte und zugleich unterhaltsame Kost mögen.“

–-Black Lagoon Reviews {über Turned}



„Voller Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Das Buch ist eine wundervolle Ergänzung für die Serie. Man will sofort mehr von Morgan Rice lesen.“

–-vampirebooksite.com {über Loved}



„Morgan Rice beweist sich wieder einmal als extrem talentierte Geschichtenerzählerin … Das Buch gefällt sicher vielen Lesern, auch jüngeren Fans des Vampir-/Fantasygenres. Der unerwartete Cliffhanger lässt einen schockiert zurück.“

–-THE ROMANCE REVIEWS{über Loved}


Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/) um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!


Bücher von Morgan Rice




DER RING DER ZAUBEREI


QUESTE DER HELDEN (Band #1)


MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)


LOS DER DRACHEN (Band #3)


RUF NACH EHRE (Band #4)


SCHWUR DES RUHMS (Band #5)


ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)


demnächst auf Deutsch erhältlich


A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)


A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)


A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)


A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)


A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)


A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)


A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)




DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS


ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)


demnächst auf Deutsch erhältlich


ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)




DER WEG DER VAMPIRE


GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)


VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)


VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)


BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)


BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)


demnächst auf Deutsch erhältlich


BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)


VOWED – GELOBT (Band #7)


FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)


RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)


CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)


FATED  – BERUFEN (Band #11)










Hören (https://itunes.apple.com/de/artist/morgan-rice/id417552527?mt=11&uo=4) im Audiobuch-Format an!


Copyright © 2014 von Morgan Rice



Alle Rechte vorbehalten. Außer entsprechend den Ausnahmen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Veröffentlichung kopiert, vertrieben oder in irgendeiner Form oder durch irgendwelche Mittel übertragen werden, auch nicht in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne, das seine vorherige Erlaubnis durch den Autor vorliegt.



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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Imagination des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede eventuelle Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.



BAUMHAUS TASCHENBUCH Band 1015 Vollständige Taschenbuchausgabe Baumhaus Taschenbuch in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG Deutsche Erstausgabe Für die Originalausgabe: Copyright © 2011 by Morgan Rice Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Loved – Book #2 in The Vampire Journals“ Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen Für die deutschsprachige Ausgabe: Copyright © [Jahr] by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Lektorat: Beate Christmann, Pulheim



FAKT:

Im Jahr 1692 wurden in Salem ein Dutzend Mädchen im Teenageralter von einer rätselhaften Krankheit befallen. Man nannte diese Mädchen auch dieBesessenen. Die Krankheit ließ die jungen Mädchen hysterisch werden: Sie schrien herum und behaupteten, dass sie von ortsansässigen Hexen gequält würden. Dies führte zu den Hexenprozessen von Salem.

Bis zum heutigen Tag konnte keine Erklärung für die mysteriöse Erkrankung der jungen Mädchen gefunden werden.


Sie träumte diese Nacht, sie säh mein Bildnis,
Das wie ein Springbrunnen klares Blut vergoss,
Aus hundert Röhren; rüstge Römer kamen,
Und tauchten lächelnd ihre Hände drein.
Dies legt sie nun als Warnung aus und Zeichen
Und Unglück, das uns droht …

    William Shakespeare, Julius Cäsar

(Aus der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel, Zweiter Akt, Zweite Szene)




1. Kapitel


Hudson Valley, New York

(In der Gegenwart)



Zum ersten Mal seit Wochen war Caitlin Paine entspannt. Sie saß auf dem Boden der kleinen Scheune, bequem an einen Heuballen gelehnt, und atmete tief durch. Rund drei Meter von ihr entfernt prasselte ein kleines Feuer in einer gemauerten Feuerstelle. Sie hatte gerade ein weiteres Holzscheit aufgelegt und lauschte dem beruhigenden Knistern der Flammen. Der Monat März war noch nicht vorüber, und heute Nacht war es besonders kalt. Das Fenster in der gegenüberliegenden Wand gab den Blick auf den Nachthimmel frei – sie konnte erkennen, dass es immer noch schneite.

Die Scheune war nicht beheizt, aber sie saß dicht genug am Feuer, um nicht zu frieren. Sie fühlte sich wohl, und ihre Augenlider wurden allmählich schwer. Es roch nach Rauch. Als sie sich ein wenig weiter zurücklehnte, spürte sie, wie die Anspannung in ihren Schultern und ihren Beinen nachließ.

Natürlich war das Feuer nicht der wahre Grund für ihren inneren Frieden, auch nicht das Heu oder der Schutz, den die Scheune bot. Es lag an ihm. Caleb. Sie saß ganz still und betrachtete ihn.

Er saß ihr gegenüber, ungefähr fünf Meter entfernt, und schlief. Sie nutzte die Gelegenheit, seine vollkommenen Gesichtszüge und seine blasse, durchscheinende Haut zu studieren. Noch nie hatte sie so feine Gesichtszüge gesehen. Es war so unwirklich – als würde sie eine Skulptur anstarren. Es war unvorstellbar, dass er schon seit dreitausend Jahren lebte. Sie selbst sah mit ihren achtzehn Jahren älter aus als er.

Aber es lag nicht nur an seinem Aussehen. Er strahlte etwas Besonderes aus, eine Art unterschwellige Energie. Und einen außergewöhnlichen inneren Frieden. Wenn sie mit ihm zusammen war, hatte sie das Gefühl, alles würde wieder gut werden.

Sie war einfach nur froh, dass er noch da war, dass er immer noch bei ihr war. Und sie hoffte, dass sie zusammenbleiben würden. Aber noch während sie das dachte, schalt sie sich dafür, weil sie wusste, dass sie sich nur Ärger einhandeln würde. Aus Erfahrung wusste sie, dass Typen wie er nicht blieben. So tickten die nicht.

Caleb schlief so ruhig und atmete so flach, dass man kaum erkennen konnte, ob er überhaupt schlief. Zuvor war er auf Nahrungssuche gegangen. Als er zurückkehrte, war er gelassener. Er hatte einen kleinen Stapel Holzscheite mitgebracht, und es war ihm auch gelungen, die Scheunentür abzudichten, sodass Schnee und Zugluft draußen blieben. Nachdem er das Feuer angezündet hatte, war er eingeschlafen, daher kümmerte sie sich jetzt darum.

Sie griff nach ihrem Becher und trank einen Schluck Rotwein. Der Alkohol trug zu ihrer Entspannung bei. Sie hatte die Flasche in einer verborgenen Kiste unter einem Heuhaufen gefunden; aus einer Laune heraus hatten sie und ihr kleiner Bruder Sam sie vor Monaten dort versteckt. Caitlin trank sonst nie Alkohol, aber sie dachte sich, ein paar Schlucke könnten nicht schaden – nach all dem, was sie durchgemacht hatte.

In ihrem Schoß lag ihr aufgeschlagenes Tagebuch, in einer Hand hielt sie einen Stift, in der anderen den Becher. Das Buch lag schon seit zwanzig Minuten dort. Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Normalerweise passierte ihr das nicht, aber diesmal war es anders. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit waren sehr dramatisch gewesen und schwer zu verarbeiten. Zum ersten Mal seit Tagen war sie ruhig und entspannt. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich annähernd in Sicherheit.

Sie beschloss, dass es am besten wäre, ganz vorne zu beginnen. Was geschehen war. Warum sie hier war. Wer sie überhaupt war. Sie musste die Ereignisse verarbeiten, doch sie war sich nicht sicher, ob sie die Antworten auf alle Fragen kannte.


* * *

Bis letzte Woche war mein Leben normal. Im Laufe der Zeit hatte ich mich an Oakville gewöhnt, es gefiel mir sogar. Dann marschierte Mom eines Tages herein und verkündete, dass wir umziehen würden. Wieder einmal. Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt, das kannten wir ja schon zur Genüge von ihr.

Aber diesmal war es schlimmer. Wir zogen nicht wieder in eine kleine Stadt, sondern nach New York. In eine Großstadt. Das bedeutete den Besuch einer staatlichen Schule und ein Leben umgeben von Beton, noch dazu in einer gefährlichen Wohngegend.

Sam war ebenfalls stocksauer. Wir redeten darüber, nicht mitzugehen und uns davonzumachen. Aber die Wahrheit war, dass es keine Alternative gab.

Also zogen wir wieder mal um. Wir schworen uns beide insgeheim, dass wir abhauen würden, wenn es uns nicht gefiele. Wir würden schon irgendwo unterkommen. Irgendwo. Vielleicht könnten wir sogar versuchen, Dad aufzuspüren. Aber wir wussten beide, dass das nicht realistisch war.

Und dann passierte es. Es ging so schnell. Mein Körper veränderte sich, er verwandelte sich. Ich weiß immer noch nicht richtig, was geschehen ist und was aus mir geworden ist. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr dieselbe bin.

Ich erinnere mich an jenen schicksalhaften Abend, an dem alles begann. Die Carnegie Hall. Mein Date mit Jonah. Und dann … die Konzertpause. Meine … Nahrungsaufnahme? Der Mord, den ich begangen haben soll? Ich kann mich immer noch nicht erinnern. Ich weiß nur das, was man mir erzählt hat. Ich weiß, dass ich in jener Nacht etwas Schreckliches getan habe, aber es ist alles in einem Nebel verschwunden. Was auch immer ich getan habe, es liegt mir schwer im Magen. Ich wollte niemandem etwas antun.

Am nächsten Tag nahm ich die Veränderungen an mir wahr. Ich hatte definitiv mehr Kraft, und ich wurde empfindlicher gegenüber Licht. Auch mein Geruchssinn veränderte sich. Tiere benahmen sich seltsam in meiner Gegenwart, und auch ich reagierte merkwürdig auf sie.

Und dann war da die Sache mit meiner Mom. Sie sagte mir, sie wäre nicht meine richtige Mutter, und kurz darauf wurde sie von diesen Vampiren umgebracht, die hinter mir her waren. Ich habe nie gewollt, dass ihr so etwas zustößt. Ich fühle mich immer noch irgendwie schuldig. Aber ich kann mich jetzt nicht gehen lassen. Ich muss mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, was ich steuern kann.

Es folgte meine Gefangennahme durch diese furchtbaren Vampire. Später meine Flucht. Mit Caleb. Ohne ihn hätten sie mich bestimmt getötet. Oder mir Schlimmeres angetan.

Calebs Clan. Sein Volk. Sie waren so anders. Aber trotzdem waren auch sie Vampire. Sie hatten ein ausgeprägtesRevierverhalten. Waren eifersüchtig. Misstrauisch. Sie warfen mich hinaus und ließen ihm keine Wahl.

Aber er wählte trotzdem. Trotz allem entschied er sich für mich. Erneut rettete er mich. Er hat alles für mich riskiert. Ich liebe ihn dafür. Mehr, als er je erfahren wird.

Ich muss ihm helfen. Er glaubt, ich sei die Auserwählte, eine Art Vampir-Messias. Er ist überzeugt, dass ich ihn zu einem verlorenen Schwert führen kann, das einen Vampirkrieg verhindern und alle retten wird. Ich persönlich glaube nicht daran. Nicht mal sein eigenes Volk glaubt es. Doch ich weiß, dass das alles ist, was er hat; es bedeutet die Welt für ihn. Und für mich ist es das Mindeste, was ich tun kann. Dabei geht es mir gar nicht um das Schwert. Ich will einfach nicht, dass er geht.

Also tue ich, was ich kann. Meinen Dad wollte ich ohnehin schon immer suchen. Ich will wissen, wer er wirklich ist. Wer ich wirklich bin. Ob ich wirklich ein halber Vampir bin, beziehungsweise ein halber Mensch, oder was auch immer. Ich brauche Antworten. Außerdem will ich wissen, was aus mir werden wird …



»Caitlin?«

Als sie aufwachte, war sie völlig benommen. Caleb stand vor ihr und schüttelte sie sanft an der Schulter. Er lächelte.

»Ich glaube, du bist eingeschlafen«, sagte er.

Sie sah sich um und entdeckte das offene Tagebuch in ihrem Schoß. Schnell klappte sie es zu und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Hoffentlich hatte er nicht darin gelesen. Vor allem nicht den Teil über ihre Gefühle für ihn.

Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. Es war noch dunkel, und das Feuer war bis auf die Glut heruntergebrannt. Er musste auch gerade erst aufgewacht sein. Sie fragte sich, wie lange sie wohl geschlafen hatte.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe zum ersten Mal seit Tagen geschlafen.«

Er lächelte wieder, ging zum Feuer und legte einige Holzscheite auf. Sie begannen zu knacken und zu zischen, als das Feuer wieder aufflackerte. Sie spürte, wie die Wärme ihre Füße erreichte.

Er starrte ins Feuer, und sein Lächeln verblasste langsam, als er sich in seinen Gedanken verlor. Die Flammen warfen einen warmen Schein auf sein Gesicht und ließen ihn noch attraktiver wirken, falls das überhaupt möglich war. Seine großen, hellbraunen Augen waren weit geöffnet. Während sie ihn betrachtete, wechselten sie die Farbe und wurden hellgrün.

Caitlin setzte sich auf und merkte, dass ihr Weinglas noch fast voll war. Sie trank einen Schluck. Der Wein wärmte sie. Sie hatte schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen, weshalb ihr der Alkohol sofort zu Kopf stieg. Sie sah den anderen Becher dort stehen und besann sich auf ihre guten Manieren.

»Soll ich dir auch etwas einschenken?«, fragte sie und fügte nervös hinzu: »Ich meine, ich weiß nicht, ob du überhaupt Wein trinkst …«

Er lachte.

»Doch, auch Vampire trinken Wein«, erwiderte er lächelnd, kam zu ihr herüber und hielt ihr seinen Becher hin.

Sie war überrascht. Nicht von seinen Worten, sondern von seinem Lachen. Es klang sanft, elegant und schien im Raum zu verklingen. Wie alles an ihm war auch sein Lachen rätselhaft.

Sie sah ihm in die Augen, als er sein Glas an die Lippen hob, und hoffte, er würde ihren Blick erwidern.

Er tat es.

Dann sahen beide gleichzeitig weg. Caitlins Herz schlug schneller.

Caleb kehrte an seinen Platz zurück, setzte sich ins Stroh, lehnte sich zurück und sah sie an. Er schien sie genau zu mustern, und das machte sie verlegen.

Unbewusst strich sie sich mit der Hand über ihre Kleidung und wünschte, sie trüge etwas Hübscheres. Ihre Gedanken rasten, während sie überlegte, was sie überhaupt anhatte. Irgendwo auf dem Weg – sie konnte sich nicht mehr an den Ort erinnern – hatten sie kurz Halt gemacht. Sie war in das einzige Bekleidungsgeschäft gegangen, das es gab – ein Secondhandladen der Heilsarmee – und hatte sich andere Kleidung besorgt.

Jetzt blickte sie entsetzt an sich herunter und erkannte sich selbst kaum wieder. Sie hatte zerrissene, verwaschene Jeans an, Turnschuhe, die ihr eine Nummer zu groß waren, und ein Sweatshirt über einem T-Shirt. Darüber trug sie eine ausgeblichene, lila Jacke, an der ein Knopf fehlte und die ihr ebenfalls zu groß war. Aber die Sachen hielten warm. Und das war momentan das Wichtigste.

Trotzdem war sie verlegen. Warum musste er sie so sehen? Da lernte sie schon mal jemanden kennen, der ihr wirklich gefiel, und dann hatte sie keine Chance, sich hübsch zu machen. In dieser Hütte gab es kein Bad, und selbst wenn es eines gäbe, hätte sie keine Schminkutensilien dabei. Beschämt wich sie seinem Blick aus.

»Habe ich lange geschlafen?«, fragte sie.

»Ich weiß es nicht. Ich bin selbst gerade erst aufgewacht«, antwortete er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich habe meinen Durst heute ziemlich früh gestillt. Das hat mich ganz aus dem Konzept gebracht.«

Sie sah ihn an.

»Erklär es mir«, forderte sie ihn auf.

Er verstand nicht, was sie meinte.

»Die Nahrungsaufnahme«, präzisierte sie. »Wie funktioniert es? Bringst du … Menschen um?«

»Nein, nie«, antwortete er.

Er schwieg eine Weile und ordnete seine Gedanken.

»Es ist kompliziert, wie alles, was mit Vampiren zu tun hat«, erklärte er. »Es hängt vom Vampirtyp ab, außerdem von der Clanzugehörigkeit. Ich ernähre mich nur von Tieren, hauptsächlich Rehen. Davon gibt es ohnehin zu viele, und die Menschen jagen sie auch – häufig essen sie sie nicht einmal.«

Sein Gesichtsausdruck wurde finster.

»Aber andere Clans sind nicht so kultiviert. Sie ernähren sich von Menschenblut. In der Regel suchen sie sich unerwünschte Menschen aus.«

»Unerwünschte?«

»Obdachlose, Herumtreiber, Prostituierte … Menschen, deren Verschwinden niemandem auffällt. So ist es immer schon gewesen. Vampire wollen keine Aufmerksamkeit auf sich lenken.

Weil wir kein Menschblut trinken, betrachten wir uns – das heißt meinen Clan, den Whitetide Clan – als reinblütig und die anderen Arten als unrein. Wovon man sich ernährt … von dessen Energie wird man durchströmt.«

Caitlin saß ganz still und dachte nach.

»Wie ist es bei mir?«, fragte sie schließlich.

Er warf ihr einen Blick zu.

»Warum will ich manchmal Blut trinken, manchmal aber auch nicht?«

Er runzelte nachdenklich die Stirn.

»Ich bin mir nicht sicher. Bei dir ist es anders. Du bist ein Halbblut. Das ist sehr selten … Ich weiß aber, dass du gerade erwachsen wirst. Andere Vampire werden verwandelt, über Nacht. Bei dir ist es ein längerer Prozess. Vielleicht wird es eine Weile dauern, bis du alle Veränderungen durchlaufen und dich damit arrangiert hast.«

Caitlin lehnte sich zurück und erinnerte sich an die schmerzhaften Hungerattacken, von denen sie wie aus dem Nichts überfallen worden war. Sie war nicht mehr in der Lage gewesen, an etwas anderes zu denken – sie wollte nur noch ihren Hunger beziehungsweise Durst stillen. Das war furchtbar gewesen. Sie fürchtete sich schon vor dem nächsten Mal.

»Aber woher weiß ich, wann es wieder passieren wird?«

Er sah sie an. »Du kannst es nicht wissen.«

»Aber ich will keine Menschen umbringen«, erwiderte sie heftig. »Niemals.«

»Das musst du auch nicht. Du kannst dich von Tieren ernähren.«

»Aber was ist, wenn ich gerade irgendwo bin, wo es keine Tiere gibt?«

»Du wirst lernen müssen, dein Verlangen zu kontrollieren. Dazu braucht man viel Übung. Und Willensstärke. Es ist nicht einfach, aber es ist möglich. Du kannst es kontrollieren. Jeder Vampir macht das durch.«

Caitlin dachte darüber nach, wie es sein würde, ein lebendes Tier zu fangen und sein Blut auszusaugen. Ihr war klar, dass sie bereits schneller war als je zuvor, aber sie wusste nicht, ob sie dafür tatsächlich schon schnell genug war. Außerdem hatte sie keine Ahnung, was sie tun müsste, falls sie tatsächlich ein Reh erwischte.

Wieder sah sie ihn an.

»Wirst du es mir beibringen?«, fragte sie hoffnungsvoll.

Er begegnete ihrem Blick, und sie spürte, wie ihr Herz schneller klopfte.

»Die Nahrungsaufnahme ist in unserer Rasse heilig. Dabei ist man immer allein«, sagte er sanft und entschuldigend. »Außer …« Er verstummte.

»Außer?«, hakte sie nach.

»Außer bei einer Hochzeitszeremonie. Um Ehemann und Ehefrau aneinander zu binden.«

Er blickte zur Seite und rutschte unbehaglich hin und her. Das Blut schoss ihr in die Wangen, und plötzlich fand sie es sehr warm im Raum.

Sie beschloss, das Thema fallen zu lassen. Momentan hatte sie keine Hungerkrämpfe, sie würde sich damit beschäftigen, wenn es so weit war. Sie hoffte, dass er dann bei ihr sein würde.

Außerdem interessierte sie sich gar nicht sonderlich für Ernährungsfragen, Vampire, Schwerter oder Ähnliches. Sie wollte etwas über ihn erfahren. Oder eigentlich darüber, was er für sie empfand. Es gab so viele Fragen, die sie ihm gerne gestellt hätte. Warum hast du all das für mich riskiert? Ging es dir bloß darum, dieses Schwert zu finden? Oder gab es sonst noch etwas? Wirst du auch bei mir bleiben, wenn du dein Schwert gefunden hast? Würdest du die Grenze für mich überschreiten, obwohl eine Liebesbeziehung mit einem Menschen verboten ist?

Doch sie hatte Angst.

Daher sagte sie nur: »Ich hoffe, wir werden dein Schwert finden.«

Lahm, dachte sie. Fällt dir nichts Besseres ein? Kannst du nie mutig genug sein, um zu sagen, was du wirklich denkst?

Aber seine Energie war zu intensiv. Wenn sie in seiner Nähe war, konnte sie kaum klar denken.

»Das hoffe ich auch«, erwiderte er. »Es ist keine gewöhnliche Waffe. Wir Vampire sind schon seit Jahrhunderten darauf versessen. Es wird gemunkelt, es wäre das exquisiteste türkische Schwert, das je geschmiedet wurde. Es besteht aus einem Metall, das jeden Vampir töten kann. Damit wären wir unbesiegbar. Ohne das Schwert hingegen …«

Er verstummte, offensichtlich scheute er sich, die Konsequenzen auszusprechen.

Caitlin wünschte, Sam wäre hier und könnte ihnen helfen, indem er sie zu ihrem Dad führte. Prüfend sah sie sich in der kleinen Scheune um. Sie entdeckte kein Anzeichen dafür, dass er vor Kurzem hier gewesen war. Erneut bedauerte sie es, ihr Handy verloren zu haben. Es hätte ihr Leben so sehr erleichtert.

»Sam hat öfter mal hier übernachtet«, sagte sie. »Ich war mir sicher, dass er hier sein würde. Ich weiß, dass er in diese Stadt zurückgekehrt ist – ganz bestimmt. Er würde nicht woanders hingehen. Morgen reden wir in der Schule mit seinen Freunden. Ich werde schon herausfinden, wo er steckt.«

Caleb nickte. »Glaubst du, er weiß, wo sich euer Vater befindet?«

»Ich … weiß es nicht«, antwortete sie. »Aber er weiß auf jeden Fall viel mehr über ihn als ich. Er sucht schon seit einer Ewigkeit nach ihm. Wenn jemand etwas weiß, dann er.«

Caitlin dachte daran, wie Sam ständig auf der Suche gewesen war, wie er ihr seine neuen Hinweise gezeigt hatte, um dann doch immer wieder enttäuscht zu werden. So oft war er abends in ihr Zimmer gekommen und hatte auf der Bettkante gesessen. Seine Sehnsucht nach ihrem Vater war überwältigend gewesen, er war wie besessen davon. Sie sehnte sich ebenfalls nach ihm, aber ihr Wunsch war lange nicht so stark. Für sie war es schlimmer gewesen, seine Enttäuschung mitzuerleben.

Caitlin erinnerte sich ihre verkorkste Kindheit, an alles, was sie verpasst hatten, und plötzlich wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. In ihrem Augenwinkel bildete sich eine Träne. Verlegen wischte sie sie schnell weg und hoffte, dass Caleb es nicht gesehen hatte.

Doch er hatte es gesehen. Er sah auf und musterte sie aufmerksam.

Dann erhob er sich langsam und setzte sich neben sie. Er war so nahe, dass sie seine Energie ganz deutlich spüren konnte. Ihr Herz klopfte schneller.

Sanft fuhr er ihr mit einem Finger durch das Haar und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Dann ließ er seinen Finger an ihrem Auge vorbei die Wange hinuntergleiten.

Sie hielt den Kopf gesenkt und blickte zu Boden, weil sie seinen Blick fürchtete. Sie spürte, wie eindringlich er sie musterte.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte er mit seiner sanften, tiefen Stimme, bei deren Klang sie sich so wohlfühlte. »Wir werden deinen Vater finden. Wir werden gemeinsam nach ihm suchen.«

Aber das war es nicht, was ihr Sorgen bereitete. Sie sorgte sich um ihn. Um Caleb. Sie fragte sich, wann er sie verlassen würde.

Außerdem fragte sie sich, ob er sie wohl küssen würde, wenn sie ihm ins Gesicht schaute. Sie sehnte sich danach, die Berührung seiner Lippen zu spüren.

Aber sie hatte Angst, den Kopf zu heben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit brachte sie schließlich den Mut auf, ihn anzusehen.

Doch er hatte sich bereits abgewandt. Er lehnte an dem Heuballen, hatte die Augen geschlossen und schlief. Der Feuerschein beleuchtete das sanfte Lächeln auf seinem Gesicht.

Sie rückte näher an ihn heran und lehnte sich ebenfalls zurück. Ihr Kopf ruhte nur wenige Zentimeter neben seiner Schulter, sodass sie sich beinahe berührten.

Und beinahe genügte ihr das.




2. Kapitel


Caitlin schob das Scheunentor auf und betrachtete blinzend die schneebedeckte Welt dort draußen. Der Schnee reflektierte das helle Sonnenlicht. Sie schlug die Hände vors Gesicht, weil ein bis dahin unbekannter Schmerz in ihre Augen schoss.

Caleb trat neben sie – er war damit beschäftigt, sich einen Überzug aus einem dünnen, durchsichtigen Material über Arme und Hals zu ziehen. Es sah fast aus wie Klarsichtfolie, aber es schien mit seiner Haut zu verschmelzen. Schon konnte sie den Überzug gar nicht mehr erkennen.

»Was ist das?«

»Hautfolie«, antwortete er, während er die Folie sorgfältig mehrfach um Arme und Schultern wickelte. »Damit ist es uns möglich, bei Sonnenschein hinauszugehen. Ansonsten würde unsere Haut verbrennen.« Er musterte sie. »Du brauchst das nicht – noch nicht.«

»Woran merkt man das denn?«, fragte sie.

»Glaub mir«, erwiderte er grinsend. »Du würdest es wissen.«

Er griff in die Tasche und nahm ein Fläschchen Augentropfen heraus, von denen er mehrere Tropfen in jedes Auge träufelte. Er drehte sich um und sah sie an.

Offensichtlich erkannte er, dass ihre Augen schmerzten, denn er legte ihr sanft eine Hand auf die Stirn. »Leg den Kopf zurück«, forderte er sie auf.

Sie gehorchte.

»Mach die Augen weit auf«, sagte er.

Vorsichtig ließ er ihr in jedes Auge je einen Tropfen fallen.

Es brannte wie verrückt. Sie schloss die Augen und senkte den Kopf.

»Au«, sagte sie und rieb sich die Augen. »Du kannst es mir auch einfach sagen, wenn du sauer auf mich bist.«

Er lachte. »Tut mir leid. Anfangs brennt es, aber das geht schnell vorbei. Innerhalb weniger Sekunden werden deine Augen nicht mehr lichtempfindlich sein.«

Sei zwinkerte und rieb sich erneut die Augen. Schließlich blickte sie auf und merkte, dass er recht hatte – die Schmerzen hatten aufgehört.

»Die meisten von uns wagen sich trotzdem nicht raus in die Sonne, wenn es nicht unbedingt sein muss. Bei Tag sind wir schwächer. Aber manchmal geht es eben nicht anders.«

Fragend sah er sie an. »Diese Schule, die dein Bruder besucht hat – ist sie weit weg?«

»Es ist nur ein kurzer Fußmarsch«, entgegnete sie und ging über die schneebedeckte Wiese voran. »Es ist die Highschool von Oakville. Bis vor wenigen Wochen war es auch meine Schule. Irgendeiner von meinen Freunden muss einfach wissen, wo Sam steckt.«


* * *

Die Highschool von Oakville sah noch genauso aus, wie Caitlin sie in Erinnerung hatte. Irgendwie fühlte es sich unwirklich an, wieder dort zu sein. So, als hätte sie nur einen kurzen Urlaub gemacht und wäre nun in ihr normales Leben zurückgekehrt. Einen kurzen Moment lang glaubte sie sogar, dass die Ereignisse der vergangenen Woche nur ein verrückter Traum gewesen waren. Sie schwelgte in der Fantasievorstellung, dass alles wieder völlig normal wäre, genau so, wie es zuvor gewesen war. Es war ein schönes Gefühl.

Aber als sie zur Seite blickte und Caleb neben sich sah, wusste sie, dass nichts normal war. Wenn es irgendetwas noch Unwirklicheres gab als ihre Rückkehr, dann war es eine Rückkehr mit Caleb an ihrer Seite. Sie würde ihre alte Schule zusammen mit diesem fantastisch aussehenden Typen betreten. Er war weit über einen Meter achtzig groß, hatte breite Schultern und war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Der Kragen seines schwarzen Ledermantels war hochgeschlagen, und seine überdurchschnittlich langen Haare fielen locker darüber. Er sah aus, als wäre er gerade von der Titelseite einer angesagten Teenie-Zeitschrift gestiegen.

Caitlin malte sich die Reaktion der anderen Mädchen aus, wenn sie sie zusammen mit ihm sahen. Bei dem Gedanken lächelte sie unwillkürlich. Sie war nie auffallend beliebt gewesen, und die Jungs hatten ihr nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das hieß jedoch nicht, dass sie unbeliebt gewesen wäre – sie hatte einige gute Freunde, auch wenn sie nie der Mittelpunkt der angesagtesten Clique gewesen war. Sie ordnete sich irgendwo in der Mitte ein. Allerdings hatte sie bisweilen das Gefühl gehabt, dass die wirklich angesagten Mädchen sie verachteten. Sie schienen immer zusammenzustecken, spazierten hochnäsig auf den Gängen herum und ignorierten alle, die ihrer Ansicht nach unter ihrem Niveau waren. Jetzt würden sie ihr vielleicht Beachtung schenken.

Caitlin und Caleb stiegen die Treppen hoch und gingen durch die breiten Doppeltüren in die Schule hinein. Caitlin warf einen Blick auf die große Uhr: Es war acht Uhr dreißig. Perfekt. Die erste Stunde würde gleich enden, und die Gänge müssten sich jeden Moment füllen. So würden sie weniger auffallen. Sie musste sich keine Gedanken wegen des Sicherheitspersonals oder eines Ausweises zu machen.

Wie aufs Stichwort klingelte es. Innerhalb von Sekunden tauchten die ersten Schüler auf den Fluren auf.

Das Gute an Oakville war, dass zwischen dieser Highschool und der Highschool in New York City Welten lagen. Hier war selbst zu Stoßzeiten immer noch genug Platz. Große Fenster säumten die Gänge und ließen Licht und Himmel herein. Überall konnte man Bäume sehen, egal wo man war. Beinahe vermisste sie ihre alte Schule. Beinahe.

Eigentlich hatte sie die Nase voll von Schule. Streng genommen würde es nur noch wenige Monate bis zu ihrem Schulabschluss dauern, aber sie hatte das Gefühl, als hätte sie in den letzten Tagen mehr gelernt, als sie je in einem Klassenraum lernen könnte. Im Vergleich dazu spielten ein paar weitere Monate Unterricht und ein offizielles Diplom keine Rolle. Sie lernte sehr gerne, aber sie hätte auch kein Problem damit, nicht mehr zur Schule zu gehen.

Als sie den Flur entlanggingen, hielt Caitlin nach vertrauten Gesichtern Ausschau. Sie begegneten hauptsächlich Zehntklässlern und Elftklässlern, aber sie entdeckte niemanden aus ihrer zwölften Klasse. Überrascht registrierte sie die Reaktion der Mädchen, an denen sie vorbeigingen. Jede Einzelne starrte Caleb buchstäblich an. Keine einzige Schülerin versuchte, ihr Interesse zu verbergen; sie waren nicht in der Lage, den Blick abzuwenden. Es war unglaublich. Sie kam sich vor, als würde sie in Begleitung von Justin Bieber durch die Schule spazieren.

Caitlin drehte sich um und sah, dass alle Mädchen stehen geblieben waren und immer noch starrten. Einige flüsterten untereinander.

Sie warf Caleb einen Blick zu und fragte sich, ob ihm das aufgefallen war. Falls ja, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.

»Caitlin?«, sagte jemand mit verblüffter Stimme.

Caitlins Blick fiel auf Luisa, eines der Mädchen, mit denen sie vor ihrem Umzug befreundet gewesen war.

»Oh mein Gott!«, fügte Luisa aufgeregt hinzu und breitete die Arme aus. Bevor Caitlin reagieren konnte, umarmte Luisa sie bereits. Caitlin erwiderte die freudige Begrüßung. Wie schön, ein vertrautes Gesicht zu sehen.

»Was ist passiert?«, fragte Luisa leicht hektisch. Das war typisch für sie. Ihr schwacher spanischer Akzent kam durch, da sie erst vor wenigen Jahren von Puerto Rico hergezogen war. »Ich bin ganz durcheinander! Ich dachte, du wärst weggezogen? Ich habe dir gesimst und Nachrichten über Facebook geschickt, aber du hast nicht geantwortet …«

»Es tut mir so leid«, antwortete Caitlin. »Ich habe mein Handy verloren, und ich hatte keine Gelegenheit, an einen Computer zu gehen, und …«

Luisa hörte nicht zu. Gerade hatte sie Caleb bemerkt und starrte ihn wie hypnotisiert an. Ihr klappte förmlich die Kinnlade herunter.

»Wer ist dein Freund?«, fragte sie schließlich leise. Caitlin lächelte. Sie hatte ihre Freundin noch nie so fassungslos erlebt.

»Luisa, das ist Caleb«, stellte Caitlin vor.

»Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Caleb, lächelte sie an und streckte die Hand aus.

Luisa konnte den Blick nicht von ihm lösen. Langsam hob sie die Hand. Sie war wie betäubt und offensichtlich nicht in der Lage zu sprechen. Dann warf sie Caitlin einen ungläubigen Blick zu – sie konnte nicht verstehen, wie diese sich so einen Typen geschnappt hatte. Sie betrachtete ihre Freundin mit anderen Augen, fast als wüsste sie nicht, wer sie war.

»Ähm …«, stammelte Luisa mit weit aufgerissenen Augen, »… ähm … wie … wo … habt ihr euch denn kennengelernt?«

Caitlin spielte ganz kurz mit dem Gedanken, Luisa alles zu erzählen. Dann musste sie innerlich lächeln. Es würde nicht funktionieren.

»Wir sind uns … nach einem Konzert begegnet«, sagte sie stattdessen.

Das entsprach zumindest teilweise der Wahrheit.

»Oh mein Gott, was für ein Konzert? In New York? Von den Black Eyed Peas!?«, rief Luisa aufgeregt. »Ich bin ja so neidisch! Die möchte ich unbedingt mal auf der Bühne sehen!«

Caitlin lächelte bei dem Gedanken an Caleb auf einem Rockkonzert. Irgendwie konnte sie sich ihn dort nicht vorstellen.

»Ähm … nicht direkt«, antwortete sie. »Luisa, hör zu, tut mir leid, dass ich dich unterbrechen muss, aber ich habe nicht viel Zeit. Ich bin auf der Suche nach Sam. Hast du ihn vielleicht gesehen?«

»Klar. Alle haben ihn gesehen. Er ist letzte Woche zurückgekommen. Er sah merkwürdig aus. Ich habe ihn gefragt, wo du bist und was mit ihm los ist, aber er wollte mir nichts erzählen. Wahrscheinlich pennt er draußen in dieser leeren Scheune, die er so liebt.«

»Nein, da ist er nicht«, erwiderte Caitlin. »Wir kommen gerade von dort.«

»Wirklich? Tut mir leid, dann weiß ich es nicht. Er ist ja erst in der zehnten Klasse, deshalb haben wir nicht viel miteinander zu tun. Hast du es schon über Facebook versucht? Er ist doch ständig online.«

»Ich habe mein Handy nicht …«, begann Caitlin.

»Nimm meins«, fiel Luisa ihr ins Wort. Bevor Caitlin ihren Satz beenden konnte, hatte Luisa ihr schon ihr Handy in die Hand gedrückt. »Facebook ist schon offen. Logg dich ein und schick ihm eine Nachricht.«

Natürlich, dachte Caitlin. Warum ist mir das nicht selbst eingefallen?

Caitlin loggte sich ein, tippte Sams Namen in das Suchfeld, rief sein Profil auf und klickte auf Nachricht. Sie zögerte kurz und überlegte, was sie schreiben sollte. Dann tippte sie ein: Sam, ich bin’s. Ich bin in der Scheune. Komm dorthin. So bald wie möglich.

Sie drückte auf Senden und gab Luisa das Handy zurück.

Hinter ihnen entstand ein kleiner Tumult, und Caitlin drehte sich um.

Eine Gruppe der beliebtesten, älteren Mädchen kam direkt auf sie zu. Sie flüsterten und starrten Caleb an.

Zum ersten Mal stieg ein neues Gefühl in Caitlin auf. Eifersucht. Sie las in den Augen dieser Mädchen, die ihr zuvor nie Beachtung geschenkt hatten, dass sie ihr Caleb nur zu gerne wegschnappen würden. Diese Mädchen konnten jeden Jungen haben, den sie nur wollten. Es spielte keine Rolle, ob er eine Freundin hatte oder nicht. Man konnte bloß hoffen, dass sie kein Auge auf den eigenen Freund warfen.

Und jetzt hatten sie Caleb ins Visier genommen.

Caitlin hoffte und betete, dass Caleb immun gegen ihre Macht war. Und dass er Caitlin nach wie vor mochte. Aber wenn sie es sich recht überlegte, konnte sie es sich nicht vorstellen. Sie war so durchschnittlich. Warum sollte er bei ihr bleiben, wenn Mädchen wie diese ihn unbedingt für sich haben wollten?

Caitlin betete, dass sie einfach vorbeigehen würden. Nur dieses eine Mal.

Aber natürlich taten sie das nicht. Ihr Herz hämmerte, als die Gruppe direkt bei ihnen stehen blieb.

»Hi, Caitlin«, sagte eine mit vorgetäuschter Freundlichkeit.

Tiffany. Groß, glattes blondes Haar, blaue Augen und spindeldürr. Sie war von Kopf bis Fuß mit Designerklamotten ausstaffiert. »Wer ist denn dein Freund?«

Caitlin wusste nicht, was sie antworten sollte. Tiffany und ihre Freundinnen hatten sie bisher immer links liegen lassen und ihr nicht einmal einen Blick gegönnt. Jetzt war Caitlin ganz überrascht, dass sie überhaupt ihren Namen kannten. Und offensichtlich wollten sie ein Gespräch beginnen. Caitlin wusste natürlich, dass das nichts mit ihr zu tun hatte. Sie wollten Caleb. So sehr, dass sie sich sogar dazu herabließen, mit ihr zu sprechen.

Das verhieß nichts Gutes.

Caleb musste ihr Unbehagen gespürt haben, denn er trat einen Schritt näher und legte ihr den Arm um die Schulter.

Noch nie in ihrem Leben war Caitlin für etwas dankbarer gewesen als für diese Geste.

Mit neu entdecktem Selbstvertrauen schaffte Caitlin es, ihnen zu antworten. »Das ist Caleb.«

»Was macht ihr denn hier?«, fragte ein anderes Mädchen. Bunny. Sie war eine Kopie von Tiffany, nur mit braunem Haar. »Ich dachte, du wärst umgezogen oder so.«

»Nun, ich bin zurückgekommen«, erwiderte Caitlin.

»Und du, bist du neu hier?«, fragte Tiffany an Caleb gerichtet. »Bist du in der Zwölften?«

»Ich bin neu hier, ja«, antwortete er unverbindlich.

Tiffanys Augen leuchteten auf, weil sie seine Antwort so interpretierte, dass er ihre Schule besuchen würde. »Super«, sagte sie. »Heute Abend gebe ich eine Party, bei mir zu Hause. Es werden nur ein paar enge Freunde da sein, aber wir hätten dich sehr gerne dabei. Und … ähm … du kannst auch kommen«, fügte sie hinzu und sah Caitlin an.

Caitlin spürte Verärgerung in sich aufsteigen.

»Vielen Dank für die Einladung, meine Damen«, sagte Caleb, »aber es tut mir leid, Caitlin und ich haben heute Abend schon etwas Wichtiges vor.«

Caitlins Herz schwoll vor Stolz an.

Gewonnen!

Zufrieden betrachtete sie ihre enttäuschten Gesichter.

Die Mädchen rümpften die Nase und zogen ab.

Caitlin, Caleb und Luisa blieben allein zurück. Caitlin atmete auf.

»Oh mein Gott!«, meinte Luisa. »Diese Mädchen haben dich immer links liegen lassen. Und jetzt haben sie dich eingeladen!«

»Ich weiß«, antwortete Caitlin verwirrt.

»Caitlin!«, stieß Luisa plötzlich hervor und packte sie am Arm. »Mir ist gerade etwas eingefallen. Susan hat letzte Woche von Sam gesprochen. Sie sagte, er wäre bei den Colemans. Tut mir leid, ich habe mich gerade erst wieder daran erinnert. Vielleicht hilft dir das weiter.«

Die Colemans. Natürlich. Da muss er sein.

Hektisch fuhr Luisa fort: »Wir treffen uns übrigens heute Abend alle im Franks. Du musst unbedingt auch kommen! Wir vermissen dich. Und bring Caleb mit. Es wird eine tolle Party. Die halbe Klasse wir da sein. Du musst einfach kommen.«

»Na ja … Ich weiß nicht …«

Es läutete zur nächsten Stunde.

»Ich muss los. Ich bin so froh, dass du wieder da bist! Ich hab dich lieb. Ruf mich an. Ciao!«, rief Luisa, winkte Caleb zu und eilte davon.

Caitlin stellte sich vor, wie es wäre, ihr normales Leben wieder aufzunehmen. Sie würde mit ihren Freunden abhängen, auf Partys gehen, eine normale Schule besuchen und ihren Abschluss machen. Der Gedanke gefiel ihr. Für einen Moment versuchte sie, die Ereignisse der vergangenen Woche zu verdrängen und so zu tun, als wäre nie etwas Schlimmes geschehen.

Aber dann fiel ihr Blick auf Caleb, und die Realität holte sie ein. Ihr ganzes Leben hatte sich verändert. Für immer. Die Veränderungen waren nicht rückgängig zu machen. Diese Tatsache musste sie einfach akzeptieren.

Ganz abgesehen davon, dass sie jemanden umgebracht hatte und von der Polizei gesucht wurde. Und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie irgendwo gefasst würde. Und dass ein ganzer Clan Vampire sie umbringen wollte. Und dass dieses Schwert, nach dem sie suchten, das Leben vieler Menschen retten könnte.

Ihr Leben war ganz klar nicht mehr so, wie es einmal gewesen war, und es würde auch nie wieder so sein. Es war an der Zeit, sich der Realität stellen.

Caitlin legte Caleb die Hand auf den Arm und führte ihn zum Ausgang. Die Colemans. Sie wusste, wo sie wohnten. Es leuchtete ihr ein, dass Sam sich dort eingenistet hatte. Wenn er nicht in der Schule war, musste er bei den Colemans sein. Sie würden als Nächstes dort nach ihm suchen.

Als sie in die frische Luft hinauskamen, wunderte sie sich, wie gut es sich anfühlte, die Highschool zu verlassen – diesmal endgültig.


* * *

Caitlin und Caleb überquerten das Grundstück der Colemans. Der Schnee auf dem Rasen knirschte unter ihren Füßen. Das Haus machte nicht viel her, es war ein bescheidener Hof an der Landstraße. Aber ein gutes Stück dahinter an der Grundstücksgrenze gab es eine Scheune. Caitlin entdeckte eine Reihe heruntergekommener Pick-ups, die planlos auf der Wiese abgestellt worden waren. Jede Menge Fußspuren im Schnee zeigten ihr, dass viele Leute zur Scheune gegangen waren.

Das war es, was die Kids in Oakville taten – sie hingen in Scheunen ab. Oakville war ebenso ländlich wie spießig, und die Hütten und Scheunen verschaffte ihnen die Möglichkeit, sich außerhalb der Elternhäuser zu treffen. Es war viel besser, als in einem Keller abzuhängen. Die Eltern hörten nichts. Und die Kids hatten einen eigenen Eingang – und einen eigenen Ausgang.

Caitlin atmete tief durch, als sie zur Scheune gingen und das schwere Holztor aufschoben.

Sofort stieg ihr der Geruch in die Nase. Marihuana. Der Qualm hing überall in der Luft. Außerdem stank es nach abgestandenem Bier. Viel zu viel davon.

Was sie jedoch am deutlichsten wahrnahm, mehr als alles andere, war der Geruch eines Tieres. Ihre Sinne waren noch nie so geschärft gewesen. Der Schreck über die Anwesenheit eines Tieres durchfuhr sie heftig. In ihrer Nase stach es, als hätte sie gerade Ammoniak geschnüffelt.

Sie blickte nach rechts. Dort in der Ecke lag ein großer Rottweiler. Langsam setzte er sich auf, starrte sie an und fletschte die Zähne. Er stieß ein leises, kehliges Knurren aus. Es war Butch. Caitlin erinnerte sich an ihn. Er war der fiese Rottweiler der Familie Coleman. Als bräuchten die Colemans auch noch ein bösartiges Tier, um ihren schlechten Ruf zu untermauern!

Die Colemans waren immer schon Unruhestifter gewesen. Es gab drei Brüder im Alter von siebzehn, fünfzehn und dreizehn, und Sam hatte sich irgendwann mit dem mittleren Bruder Gabe angefreundet. Einer war schlimmer als der andere. Ihr Dad hatte die Familie schon vor langer Zeit verlassen – niemand wusste, wo er steckte – und ihre Mom war nie da. Die Jungen wuchsen im Grunde alleine auf. Trotz ihres jugendlichen Alters waren sie ständig betrunken oder bekifft und glänzten in der Schule meistens durch Abwesenheit.

Caitlin war verärgert, weil Sam mit ihnen abhing. Das konnte nur zu Problemen führen.

Im Hintergrund spielte Musik. Pink Floyd, Wish You Were Here.

Das passt, dachte Caitlin.

In der Scheune wirkte es dunkel, umso mehr, weil der heutige Tag so strahlend war. Ihre Augen brauchten einige Sekunden, um sich anzupassen.

Da war er. Sam. Er saß mitten auf diesem verschlissenen Sofa, umgeben von rund einem Dutzend Jungs. Links von ihm saß Gabe, rechts Brock.

Sam beugte sich gerade über eine Wasserpfeife. Er inhalierte, setzte die Pfeife ab und lehnte sich zurück. Es dauerte lange, bis er schließlich ausatmete, zu lange.

Gabe stieß ihn an, und Sam sah auf. Völlig zugedröhnt starrte er Caitlin an. Seine Augen waren blutunterlaufen.

Ein scharfer Schmerz durchfuhr Caitlin. Sie war mehr als enttäuscht. Sie fühlte sich schuldig, wenn sie daran dachte, wie sie sich in New York gestritten hatten. Ihre Worte waren sehr harsch gewesen. »Dann geh doch!«, hatte sie geschrien. Warum hatte sie so hart sein müssen? Nur zu gerne hätte sie ihre Worte zurückgenommen.

Jetzt war es zu spät. Wenn sie andere Worte gewählt hätte, wäre nun vielleicht alles anders.

Eine Welle des Zorns schlug über ihr zusammen. Sie war wütend auf die Colemans und auf die Kids in dieser Scheune, die auf Stühlen, Heuballen und verschlissenen Sofas herumlungerten, tranken, rauchten und nichts aus ihrem Leben machten. Es stand ihnen frei, nichts aus ihrem Leben zu machen. Aber sie hatten nicht das Recht, Sam mit hineinzuziehen. Er war besser als sie. Ihm hatte einfach der Halt gefehlt. In seinem Leben gab es keine Vaterfigur, und ihre Mutter war nie liebevoll mit ihren Kindern umgegangen. Er war ein großartiger Junge, und sie wusste, dass er unter den Besten in seiner Klasse wäre, wenn er nur ein halbwegs stabiles Zuhause gehabt hätte. Aber irgendwann war es zu spät gewesen. Inzwischen war er völlig abgestumpft.

Sie ging einige Schritte auf ihn zu. »Sam?«

Er starrte sie nur wortlos an.

Es war schwierig zu erkennen, was in diesem Blick lag. Waren es die Drogen? Tat er so, als wäre ihm alles gleichgültig? Oder war ihm tatsächlich alles gleichgültig?

Dieser teilnahmslose Blick schmerzte sie mehr als alles andere. Sie hatte gehofft, er würde sich freuen und sie in den Arm nehmen. Aber mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Sie schien ihm egal zu sein. Als wäre sie eine Fremde. Wollte er einfach nur vor seinen Freunden cool erscheinen? Oder hatte sie es diesmal endgültig vermasselt?

Einige Sekunden vergingen, bis er schließlich wegsah und die Wasserpfeife an einen Freund weiterreichte. Seine Schwester ignorierte er.

»Sam!«, rief sie, diesmal deutlich lauter. Ihr Gesicht war gerötet vor Ärger. »Ich rede mit dir!«

Sie hörte seine Loser-Freunde kichern, und heiße Wut stieg in ihr auf. Sie fühlte noch etwas anderes, einen animalischen Instinkt. Die Wut erreichte ein Level, das fast nicht mehr zu kontrollieren war, und sie hatte Angst, gleich zu explodieren. Ihr Zorn war nicht mehr menschlich – er war animalisch.

Diese Typen waren groß und kräftig, aber sie wusste, dass sie mit jedem von ihnen im Handumdrehen fertigwerden würde. Hoffentlich schaffte sie es, sich zu beherrschen – es fiel ihr schwer.

Der Rottweiler knurrte inzwischen lauter und kam langsam auf sie zu. Es war, als würde er etwas wittern.

Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. Caleb. Er war noch da. Er musste ihre Erregung gespürt haben, sein Instinkt hatte es ihm sicher gesagt. Er versuchte, sie zu beruhigen, damit sie nicht die Kontrolle über sich verlor. Seine Gegenwart besänftigte sie. Aber es war nicht leicht.

Schließlich drehte Sam sich um und sah sie an. In seinem Blick lag Trotz. Er war immer noch böse auf sie, das war offensichtlich.

»Was willst du?«, fragte er knapp.

»Warum bist du nicht in der Schule?«, hörte sie sich sagen. Sie wusste selbst nicht, warum sie ihn ausgerechnet das fragte, wo ihr doch so viele andere Fragen auf der Seele brannten. Es musste eine Art Mutterinstinkt sein.

Die Jungs kicherten. Ihre Wut wurde wieder stärker.

»Was geht dich das an?«, fragte Sam. »Du hast mir gesagt, ich soll gehen.«

»Es tut mir leid«, erwiderte sie. »Das war nicht so gemeint.«

Sie war froh, eine Chance zu haben, das loszuwerden.

Aber ihre Entschuldigung zeigte offensichtlich keine Wirkung. Er starrte sie weiterhin an.

»Sam, ich muss mit dir reden. Unter vier Augen«, sagte sie.

Sie wollte ihn aus diesem Umfeld herausholen, mit ihm an die frische Luft gehen, wo sie sich richtig unterhalten konnten. Sie wollte nicht nur etwas über ihren Dad erfahren, sondern auch einfach mit ihm reden, wie früher. Und sie wollte ihn vorsichtig über den Tod ihrer Mom informieren.

Aber dazu würde es nicht kommen. Die Energie in dieser vollen Scheune war einfach zu düster, zu gewaltträchtig. Sie spürte, wie sie allmählich die Kontrolle verlor. Trotz Calebs Hand bekam sie sich nicht mehr in den Griff.

»Ich bleibe hier«, sagte Sam.

Seine Freunde kicherten erneut.

»Warum entspannst du dich nicht?«, sagte einer der Typen zu Caitlin. »Du bist so nervös. Komm, setz dich. Nimm einen Zug.«

Er hielt ihr die Wasserpfeife hin.

Sie starrte ihn an.

»Warum steckst du dir das Teil nicht sonst wohin?«, sagte sie zähneknirschend.

Die Kids riefen durcheinander.

Der Typ, der ihr die Wasserpfeife angeboten hatte, war groß und muskulös. Sie erinnerte sich, dass man ihn aus dem Football-Team geworfen hatte. Jetzt lief er rot an.

»Was hast du gesagt, du Schlampe?«, fragte er und stand auf.

Er war viel größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, fast zwei Meter. Calebs Griff an ihrer Schulter verstärkte sich. Sie wusste nicht, ob er sie ermahnen wollte, ruhig zu bleiben, oder ob er selbst auch angespannt war.

Die Anspannung im Raum stieg dramatisch.

Der Rottweiler schlich näher. Er war jetzt nur noch wenige Schritte entfernt und knurrte wie verrückt.

»Jimbo, entspann dich«, sagte Sam zu dem großen Typen.

Sams Beschützerinstinkt war wieder erwacht. Egal, was geschah, er wollte sie beschützen. »Sie kann richtig nervig sein, aber sie hat es nicht so gemeint. Sie ist immer noch meine Schwester. Komm wieder runter.«

»Ich habe es genau so gemeint«, schrie Caitlin wutentbrannt. »Ihr haltet euch wohl für besonders cool, was? Ihr seid ein Haufen Loser, ihr werdet nie etwas erreichen. Wenn ihr eurer eigenes Leben vermasseln wollt, nur zu, aber zieht Sam nicht mit hinein!«

Jimbo sah noch wütender aus als Caitlin, falls das überhaupt möglich war. Drohend kam er auf sie zu.

»Sieh mal einer an, Fräulein Lehrerin. Spielt hier die besorgte Mommy und will uns sagen, was wir zu tun haben!«

Alle lachten.

»Warum zeigt ihr es uns nicht, du und dein schwuchteliger Freund?«

Jimbo trat noch näher und versetzte Caitlin mit seiner Riesenpranke einen Stoß gegen die Schulter.

Das war ein großer Fehler.

Die Wut in Caitlin explodierte und war nicht mehr zu kontrollieren. In dem Moment, als Jimbo sie berührte, schoss ihre Hand mit Lichtgeschwindigkeit in die Höhe und verdrehte ihm die Hand. Ein lautes Knacken war zu hören, als sie ihm das Handgelenk brach.

Dann zog sie seinen Arm hinter seinen Rücken und schubste ihn mit dem Gesicht voran auf den Boden.

In weniger als einer Sekunde lag er hilflos auf dem Bauch. Sie stellte ihm einen Fuß in den Nacken.

Voller Schmerz schrie Jimbo auf.

»Mein Gott, mein Handgelenk, mein Handgelenk! Dieses verdammte Biest hat mir den Arm gebrochen!«

Sam war wie alle anderen schockiert aufgesprungen. Er wirkte verstört. Er hatte keine Ahnung, wie seine kleine Schwester einen so großen Typen derart schnell hatte zu Fall bringen können.

»Entschuldige dich«, fauchte Caitlin Jimbo an. Der Klang ihrer eigenen Stimme erschreckte sie. Sie klang kehlig, wie die Stimme eines Tieres.

»Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!«, wimmerte Jim.

Caitlin hätte es gerne dabei belassen, aber ein Teil von ihr ließ es nicht zu. Die Wut war zu plötzlich und zu heftig über sie gekommen. Sie konnte einfach nicht aufhören. Der Zorn hatte seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Sie wollte diesen Jungen umbringen. Es war absolut unvernünftig, aber sie wollte es trotzdem.

»Caitlin!?«, schrie Sam. Sie hörte die Furcht in seiner Stimme »Bitte!«

Aber Caitlin konnte nicht anders, sie würde diesen Typen töten.

In dem Moment hörte sie ein wütendes Knurren und sah aus dem Augenwinkel den Hund. Er setzte zum Sprung an, und seine Zähne zielten direkt auf ihre Kehle.

Caitlin reagierte sofort. Sie ließ Jimbo los und hielt den Hund mit einer einzigen Bewegung mitten in der Luft auf. Sie fasste ihn unter dem Bauch und schleuderte ihn von sich.

Er flog mehrere Meter quer durch den Raum und durchbrach die Holzwand der Scheune. Das Holz zersplitterte und der Hund segelte jaulend durch das Loch.

Alle starrten Caitlin an. Sie konnten nicht begreifen, was sie gerade miterlebt hatten. Caitlins Kraft und Geschwindigkeit waren eindeutig übermenschlich gewesen, es gab keinerlei Erklärung dafür. Die Anwesenden blickten sie mit offenem Mund an.

Caitlin wurde von einer Woge der Gefühle überflutet. Ärger. Traurigkeit. Sie wusste nicht, was sie fühlte, und vertraute sich selbst nicht mehr. Sie konnte nicht sprechen, sie musste hier raus. Sam würde nicht mitkommen, das war ihr inzwischen klar. Er war ein anderer Mensch geworden.

Sie ebenfalls.




3. Kapitel


Caitlin und Caleb spazierten langsam am Flussufer entlang. Diese Seite des Hudson River war verwahrlost und übersät von stillgelegten Fabriken und Treibstofflagern. Hier unten war es öde, aber friedlich. Große Eisschollen trieben an diesem Märztag flussabwärts, zerfielen langsam und knackten bisweilen leise. Das Eis sah aus, als stamme es aus einer anderen Welt. Es reflektierte das Licht auf merkwürdige Weise, während Nebelschwaden langsam über den Fluss schwebten. Caitlin hatte Lust, auf eine Eisscholle zu klettern, sich hinzusetzen und sich treiben zu lassen, wohin auch immer die Reise führen würde.

Sie schwiegen beide und waren in ihre Gedanken versunken. Caitlin war es peinlich, dass sie vor Caleb so ausgerastet war. Sie schämte sich, weil sie die Kontrolle über sich verloren und so gewalttätig agiert hatte.

Sie schämte sich auch für ihren Bruder, weil er sich so danebenbenommen hatte und mit diesen Losern abhing. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Es war ihr sehr unangenehm, dass sie Caleb dieser Situation ausgesetzt hatte. Das war kein guter Einstieg gewesen, um ihre Familie kennenzulernen. Was mochte er jetzt wohl von ihr denken? Dieser Gedanke schmerzte sie mehr als alles andere.

Das Allerschlimmste war, dass sie nicht wusste, was sie jetzt tun sollten. Bei der Suche nach ihrem Dad hatte sie große Hoffnungen auf Sam gesetzt. Einen Plan B hatte sie nicht, sonst hätte sie ihren Dad schon vor Jahren selbst gesucht und vielleicht auch gefunden. Sie wusste nicht, was sie Caleb sagen sollte. Würde er jetzt gehen? Bestimmt würde er das. Sie konnte ihm nicht helfen, und er musste unbedingt dieses Schwert finden. Warum sollte er also bei ihr bleiben?

Caitlin wurde immer nervöser. Sie vermutete, dass Caleb nur auf den richtigen Moment wartete, um ihr zu sagen, dass er aus ihrem Leben verschwinden würde. Wie alle anderen vor ihm.

»Es tut mir sehr leid«, sagte sie schließlich leise, »wie ich mich eben aufgeführt habe. Ich schäme mich, dass ich so die Beherrschung verloren habe.«

»Das musst du nicht. Du hast nichts Falsches getan, du lernst noch. Und du bist sehr stark.«

»Es tut mir auch leid, dass mein Bruder sich so benommen hat.«

Er lächelte. »Wenn ich eins gelernt habe im Laufe der Jahrhunderte, dann ist es, dass man nicht für das Verhalten seiner Familienangehörigen verantwortlich ist.«

Schweigend gingen sie weiter. Nachdenklich blickte er auf den Fluss hinaus.

»Und was jetzt?«, fragte sie schließlich.

Er blieb stehen und sah sie an.

»Wirst du jetzt gehen?«, fügte sie zögernd hinzu.

Er war tief in Gedanken versunken.

»Fällt dir irgendein Ort ein, an dem dein Vater sein könnte? Irgendjemand, der ihn kannte? Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte?«

Sie hatte es schon versucht. Es gab nichts. Absolut nichts. Ratlos schüttelte sie den Kopf.

»Es muss etwas geben«, sagte er eindringlich. »Denk scharf nach. Hast du Erinnerungen an ihn?«

Caitlin dachte angestrengt nach. Sie schloss die Augen und versuchte krampfhaft, sich an etwas zu erinnern. Dieselbe Frage hatte sie sich schon so oft gestellt. So oft hatte sie ihren Vater in ihren Träumen gesehen, dass sie Traum und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten konnte. Immer wieder hatte sie ihn in demselben Traum gesehen – sie lief über eine Wiese und sah ihn in der Ferne, aber wenn sie näher kam, entfernte er sich. Aber das war nicht er. Es waren bloß Träume.

Manchmal flackerten Erinnerungen an die Zeit auf, als sie noch ein kleines Kind gewesen war. Sie war mit ihm irgendwohin gegangen, es musste im Sommer gewesen sein. Sie erinnerte sich an das Meer und daran, dass es warm gewesen war, richtig warm. Aber dann wiederum war sie sich nicht sicher, ob das die Wirklichkeit war. Die Erinnerung verschwamm zusehends. Sie hatte auch keine Ahnung, wo dieser Strand gewesen sein könnte.

»Es tut mir so leid«, sagte sie. »Ich wünschte, ich hätte eine Spur. Nicht nur um deinetwillen, sondern auch um meinetwillen. Ich habe einfach keine Ahnung, wo er stecken könnte. Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn finden soll.«

Caleb drehte sich zum Fluss um. Er seufzte tief und starrte auf das Eis hinaus. Erneut wechselten seine Augen die Farbe, diesmal wurden sie meergrün.

Caitlin spürte, dass der Zeitpunkt jetzt gekommen war. Jeden Moment würde er sich umdrehen und es ihr sagen. Er musste gehen. Sie war nicht mehr von Nutzen für ihn.

Am liebsten hätte sie etwas erfunden und eine Lüge über ihren Vater erzählt, um eine Spur zu legen. Damit er bei ihr blieb. Aber ihr war klar, dass sie das nicht fertigbringen würde.

Auf einmal war sie den Tränen nahe.

»Ich verstehe das nicht«, murmelte Caleb und blickte immer noch auf den Fluss hinaus. »Ich war mir so sicher, dass du die Auserwählte bist.«

Wieder schwieg er. Sie wartete eine gefühlte Ewigkeit.

»Es gibt noch etwas, das ich nicht verstehe«, erklärte er schließlich und drehte sich zu ihr um. Seine großen Augen hypnotisierten sie förmlich.

»Ich fühle etwas, wenn ich in deiner Nähe bin. Aber es ist ganz verschwommen. Wenn ich mit anderen zusammen bin, kann ich immer deutlich sehen, was wir miteinander erlebt haben, wann unsere Wege sich gekreuzt haben, egal in welchem Körper. Aber bei dir … ist alles trüb. Ich sehe nichts. Das ist mir noch nie passiert. Es ist, als würde ich … davon abgehalten, etwas zu sehen.«

»Vielleicht sind wir uns ja nie begegnet«, gab Caitlin zu bedenken.

Er schüttelte den Kopf.

»Auch das würde ich sehen. In deinem Fall kann ich weder die Vergangenheit noch die Zukunft erkennen. Das ist mir in dreitausend Jahren noch nie passiert. Ich habe das Gefühl … als hätte ich eine Erinnerung an dich. Ich kann es fast greifen, aber eben nur fast. Es kommt nicht. Das treibt mich in den Wahnsinn.«

»Na ja«, sagte sie, »vielleicht gibt es einfach nichts zu sehen. Vielleicht ist das jetzt einfach nur die Gegenwart. Möglicherweise gab es nie mehr und wird auch nie mehr geben.«

Sofort bereute sie ihre Worte. Jetzt ging das schon wieder los, sie riss einfach ihren Mund auf und sagte dämliche Sachen, die sie gar nicht so meinte. Warum musste sie so etwas sagen? Es war das genaue Gegenteil von dem, was sie dachte und fühlte. Sie hätte eigentlich sagen wollen: Ja. Ich fühle es auch. Ich habe das Gefühl, als wären wir schon ewig zusammen. Und ich möchte für immer bei dir bleiben. Stattdessen purzelten ganz andere Worte aus ihrem Mund. Es musste daran liegen, dass sie so nervös war. Jetzt konnte sie ihre Worte nicht mehr zurücknehmen.

Doch Caleb ließ sich nicht abschrecken. Im Gegenteil, er trat näher, legte ihr die Hand an die Wange und schob ihr Haar zurück. Dabei sah er ihr tief in die Augen. Diesmal wurden seine Augen blau. Der Blickkontakt war überwältigend.

Ihr Herz pochte heftig, und überall in ihrem Körper breitete sich Hitze aus. Sie hatte das Gefühl, sich in seinem Blick zu verlieren.

Versuchte er sich zu erinnern? Wollte er sich verabschieden?

Oder würde er sie vielleicht gleich küssen?




4. Kapitel


Wenn es etwas gab, was Kyle noch mehr hasste als Menschen, dann waren es Politiker. Er konnte ihr Getue, ihre Heuchelei und ihre Selbstgerechtigkeit nicht ausstehen. Ihre Arroganz fand er ebenfalls unerträglich. Und das Ganze war ohne jede Grundlage, denn die meisten von ihnen lebten nicht einmal hundert Jahre lang. Er hingegen lebte schon länger als fünftausend Jahre. Wenn sie von ihren bisherigen Erfahrungen sprachen, wurde ihm übel.

Es war Schicksal, dass Kyle diesen Politikern täglich begegnete, wenn er ausgeschlafen hatte und durch die City Hall ans Tageslicht hinaufstieg. Der Blacktide Clan hatte sich vor Jahrhunderten unter dem Rathaus von New York City, der City Hall, niedergelassen und immer in enger Partnerschaft mit den Politikern gestanden. Tatsächlich war es sogar so, dass viele der angeblichen Politiker heimliche Mitglieder seines Clans waren, die ihre Aufgaben innerhalb der Stadt und des Staates ausführten. Diese Vermischung mit den Menschen war ein notwendiges Übel.

Aber unter den Politikern gab es auch genug echte Menschen, und die sorgten bei Kyle immer für eine Gänsehaut. Für ihn war es ein unerträglicher Zustand, dass sie sich in diesem Gebäude aufhalten durften. Ganz besonders störte es ihn, wenn sie ihm zu nahe kamen. Jetzt rempelte er einen von ihnen absichtlich im Vorbeigehen heftig mit der Schulter an. »He!«, rief der Mann, aber Kyle ging einfach mit zusammengebissenen Zähnen weiter und strebte auf die große Flügeltür am Ende des Flurs zu.

Wenn er könnte, würde Kyle sie alle umbringen. Aber er durfte nicht. Sein Clan unterstand dem Obersten Rat, dessen Mitglieder sich immer noch zurückhaltend gaben, aus welchem Grund auch immer. Sie warteten auf den richtigen Zeitpunkt, um die menschliche Rasse für alle Zeiten auszulöschen. Kyle wartete inzwischen schon seit tausend Jahren, und er wusste nicht, wie lange er das noch aushalten würde. In der Vergangenheit hatte es einige wunderbare Augenblicke gegeben, als sie grünes Licht erhalten hatten und nahe dran gewesen waren. Im Jahr 1350 hatten die Vampire in Europa endlich Einigkeit erzielt und gemeinsam die Pest verbreitet. Das waren großartige Zeiten gewesen. Allein der Gedanke daran zauberte ein Lächeln auf Kyles Gesicht.

Es hatte auch andere schöne Zeiten gegeben – beispielsweise das finstere Mittelalter, als der Oberste Rat ihnen erlaubt hatte, Krieg in ganz Europa zu führen und Millionen von Menschen umzubringen und zu schänden. Kyle grinste breit. Das war die großartigsten Jahrhunderte seines Lebens gewesen.

Doch in den vergangenen Jahrhunderten war der Oberste Rat schwach und pathetisch geworden. Als hätten sie Angst vor den Menschen. Der Zweite Weltkrieg war hübsch gewesen, aber so begrenzt und viel zu kurz. Kyle gierte nach mehr. Seitdem hatte es keine größeren Seuchen und keine richtigen Kriege mehr gegeben. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als wären die Vampire angesichts der zunehmenden Zahl und der wachsenden Macht der Menschen in eine Art Schockstarre verfallen.

Aber jetzt kamen sie endlich zur Besinnung, es tat sich etwas. Kyle stolzierte aus der Vordertür der City Hall, stieg die Treppe hinunter und ging mit federnden Schritten die Straße entlang. Er beeilte sich, weil er sich auf seinen Ausflug in das South-Street-Seaport-Viertel freute. Eine riesige Lieferung würde ihn dort erwarten. Zigtausende Kisten mit vollkommen intakten, genveränderten Erregern der Beulenpest. Sie waren Hunderte von Jahren in Europa gelagert und seit dem letzten Ausbruch perfekt konserviert worden. Und jetzt hatte man sie genmanipuliert, um sie absolut resistent gegen Antibiotika zu machen. Sie würden ihm, Kyle, zur Verfügung stehen, damit er genau das tun konnte, was er immer schon gewollt hatte, nämlich einen neuen Krieg auf dem amerikanischen Kontinent zu entfesseln. In seinem Territorium.

Man würde sich in den kommenden Jahrhunderten auf jeden Fall an ihn erinnern.

Der Gedanke daran ließ Kyle laut auflachen, doch in Verbindung mit seinem finsteren Gesichtsausdruck wirkte das Lachen eher wie ein wütendes Knurren.

Er würde natürlich Rexus, dem obersten Meister seines Clans, Rechenschaft ablegen müssen, aber das war reine Formsache. In Wahrheit würde er, Kyle, der Leiter der Aktion sein. Tausende von Vampiren aus seinem eigenen Clan – und aus allen Nachbarclans – würden ihm unterstehen. Damit würde er mächtiger und einflussreicher sein als je zuvor.

Kyle wusste schon genau, wie er die Seuche auslösen würde: Eine Charge der Bakterien würde er in der Penn Station, eine im Grand Central Terminal und eine am Times Square verteilen. Das Timing würde perfekt sein, genau zur Rushhour. Das würde den Stein so richtig ins Rollen bringen. Er schätzte, dass innerhalb weniger Tage die Hälfte der Bevölkerung Manhattans infiziert sein würde. Nach einer weiteren Woche würden es alle sein. Diese Epidemie breitete sich rasend schnell aus, da die Übertragung über die Luft erfolgte.

Die jämmerlichen Menschen würden natürlich die Stadt abriegeln – Brücken und Tunnel dichtmachen, Luftverkehr und Schiffsverkehr einstellen. Aber genau das war es, was er wollte. Sie würden sich selbst einsperren und wären damit völlig hilflos dem Schrecken ausgeliefert, der folgen würde. Kyle und seine Vampire würden einen Vampirkrieg entfesseln, wie ihn die Menschheit noch nie erlebt hatte. Es war nur eine Frage von Tagen, bis sie alle eingeschlossenen und verzweifelt gegen die Pest ankämpfenden New Yorker komplett ausgelöscht haben würden.

Und danach würde die Stadt ihnen gehören. Nicht nur unter der Erde, sondern auch oberhalb. Es wäre der Startschuss, ein Aufruf an alle Clans in jeder Stadt, jedem Land, es ihnen gleichzutun. Innerhalb weniger Wochen wäre Amerika in ihrer Hand, wenn nicht sogar die ganze Welt. Kyle wäre derjenige, der das Ganze in Gang gebracht haben würde. Er würde allen in bester Erinnerung bleiben – als derjenige, der die Vampire für immer über die Erde gebracht hatte.

Natürlich würden sie Verwendung für die übrig gebliebenen Menschen finden. So könnten sie die Überlebenden beispielsweise versklaven und in großen Zuchtbetrieben unterbringen. Das würde Kyle gefallen. Man würde dafür sorgen, dass sie alle dick und fett würden, und wenn die Vampire Blutdurst bekämen, könnten sie aus einer endlosen Vielfalt auswählen. Die Menschen wären in einem perfekten Zustand. Ja, sie würden gute Sklaven sein und ein köstliches Mahl abgeben, wenn sie richtig aufgezogen wurden.

Bei dem Gedanken lief Kyle das Wasser im Mund zusammen. Fantastische Zeiten lagen vor ihm. Nichts würde ihm im Wege stehen.

Nichts, das heißt, abgesehen von diesem verdammten Whitetide Clan, der seinen Standort unter The Cloisters hatte. Ja, diese Vampire waren ihm ein Dorn im Auge. Aber kein großer. Sobald er das schreckliche Mädchen fand, diese Caitlin, und diesen abtrünnigen Verräter Caleb, würden sie ihn zu dem Schwert führen. Damit wäre der Whitetide Clan wehrlos, und nichts würde Kyle und seinem Clan noch im Wege stehen.

Kyle schäumte vor Wut, als er an dieses dumme kleine Mädchen dachte, das ihm entwischt war. Sie hatte ihn der Lächerlichkeit preisgegeben.

Nun bog er in die Wall Street ein. Ein Passant, ein großer Mann in einem adretten Anzug, hatte das Pech, seinen Weg zu kreuzen. Kyle rammte ihn mit aller Kraft an der Schulter, sodass er einige Schritte rückwärtsstolperte und gegen eine Mauer prallte.

Der Mann schrie erbost: »He Kumpel, wo liegt dein Problem??«

Als Kyle ihn spöttisch angrinste, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Mit einem Mann wie Kyle, der mehr als eins neunzig groß war und äußerst breitschultrig, legte man sich besser nicht an. Obwohl er selbst auch groß und kräftig war, drehte der Mann sich schnell um und ging weiter. So dumm war er nicht.

Nach diesem kleinen Zwischenfall fühlte Kyle sich ein wenig besser, aber seine Wut war immer noch nicht abgekühlt. Er würde dieses Mädchen finden und sie dann ganz langsam töten.

Aber jetzt war nicht die richtige Zeit. Er musste einen klaren Kopf bewahren, weil er sich um wichtigere Dinge zu kümmern hatte. Die Lieferung am Kai.

Er atmete tief ein, und langsam breitete sich wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Die Lieferung war nur noch wenige Häuserblocks entfernt.

Dieser Tag war für ihn schöner als Weihnachten.




5. Kapitel


Sam erwachte mit heftigen Kopfschmerzen. Vorsichtig öffnete er ein Auge und erkannte, dass er auf dem Boden der Scheune im Stroh eingeschlafen war. Es war kalt. Keiner seiner Freunde hatte sich am Vorabend die Mühe gemacht, das Feuer zu schüren. Dazu waren sie alle zu bekifft gewesen.

Der Raum drehte sich immer noch um Sam. Er hob den Kopf, zog sich einen Strohhalm aus dem Mund und spürte einen fürchterlichen Schmerz an den Schläfen. Er hatte in einer merkwürdigen Haltung geschlafen, deshalb schmerzte sein verkrampfter Nacken, als er den Kopf bewegte. Er rieb sich die Augen und versuchte, die verklebten Lider zu öffnen, aber es fiel ihm schwer. Gestern Abend hatte er es wirklich übertrieben. Er erinnerte sich an die Wasserpfeife. Danach hatte er Bier und Southern Comfort getrunken, später noch mehr Bier. Er hatte sich übergeben müssen und dann wieder Gras geraucht. Irgendwann im Laufe der Nacht war er einfach aus den Latschen gekippt. Wann genau, das wusste er nicht mehr.

Obwohl ihm schlecht war, hatte er großen Hunger. Am liebsten würde er jetzt einen ganzen Stapel Pfannkuchen und ein Dutzend Eier vertilgen, aber er befürchtete, sich erneut übergeben zu müssen. Allein beim Gedanken daran musste er würgen.

Mühsam versuchte er, sich an die Ereignisse des Vortages zu erinnern. Die Begegnung mit Caitlin fiel ihm ein – wie könnte er das vergessen. Ihr Auftritt hatte ihn so richtig fertiggemacht. Wie sie Jimbo zu Fall gebracht hatte. Dann die Sache mit dem Hund. Was zum Teufel war das gewesen? War das wirklich passiert?

Als er aufblickte, sah er das Loch in der Wand, durch das der Hund gesegelt war. Kalte Luft strömte herein. Das war eindeutig der Beweis dafür, dass er nicht geträumt hatte. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Und wer war der Kerl, der sie begleitet hatte? Er sah aus wie ein Footballspieler, war aber extrem blass. Er wirkte, als wäre er geradewegs dem Film Matrix entstiegen. Sam konnte nicht einschätzen, wie alt er war. Das Eigenartige war, dass er das unbestimmte Gefühl hatte, ihn von irgendwoher zu kennen.

Seine Freunde lagen um ihn herum und schliefen, die meisten schnarchten. Sam hob seine Uhr vom Boden auf und sah, dass es elf Uhr vormittags war. Sie würden sicher noch eine Weile weiterschlafen.

Er durchquerte die Scheune und griff nach einer Flasche Wasser. Er wollte gerade trinken, als er merkte, dass sie mit Zigarettenstummeln gefüllt war. Angewidert stellte er die Flasche ab und sah sich suchend um. Aus dem Augenwinkel entdeckte er einen halb gefüllten Wasserkrug auf dem Boden. Er trank und trank, bis er ihn fast geleert hatte.

Jetzt ging es ihm schon besser. Seine Kehle war so trocken gewesen. Er atmete tief ein und legte sich eine Hand an die Schläfe. Der Raum drehte sich immer noch, und es stank. Er musste hier raus.

Also ging Sam zum Scheunentor und schob es auf. Die kalte Morgenluft fühlte sich gut an, aber trotz der Wolken war es so verdammt hell, dass er die Augen zusammenkneifen musste. Es schneite wieder. Super, noch mehr Schnee.

Früher hatte Sam Schnee geliebt, vor allem, wenn es so viel geschneit hatte, dass sie nicht in die Schule gehen konnten. Zusammen mit Caitlin war er den halben Tag Schlitten gefahren.

Aber jetzt schwänzte er ohnehin meistens die Schule, sodass es keinen Unterschied mehr machte. Der Schnee ging ihm nur noch auf die Nerven.

Sam steckte die Hand in die Tasche und zog eine zerknitterte Zigarettenpackung heraus. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an.

Ihm war klar, dass er eigentlich nicht rauchen sollte. Aber alle seine Freunde rauchten, und immer wieder hatten sie ihm Zigaretten aufgedrängt. Schließlich hatte er nachgegeben und vor einigen Wochen damit angefangen. Es gefiel ihm. Er hustete zwar mehr als zuvor, und seine Brust schmerzte bereits, aber das war ihm egal. Er wusste, dass Rauchen schädlich war, aber er glaubte ohnehin nicht, dass er lange leben würde. Er hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass er nicht älter als zwanzig werden würde.

Allmählich bekam er wieder einen klaren Kopf und dachte über den Vortag nach. Caitlin. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Ein richtig schlechtes Gewissen, denn er liebte sie doch, wirklich. Sie war eigens hergekommen, um ihn zu sehen. Warum hatte sie nach Dad gefragt? Oder hatte er sich das eingebildet?

Er konnte kaum glauben, dass sie auch hier war. Ob ihre Mom wohl ausgeflippt war, als Caitlin ebenfalls gegangen war? Ganz bestimmt. Wahrscheinlich versuchte sie gerade, sie beide zu finden. Aber vielleicht auch nicht. Wen kümmerte es? Sie hatte sie einmal zu oft zu einem Umzug gezwungen.

Aber Caitlin stand auf einem anderen Blatt. Er hätte sie nicht so schlecht behandeln dürfen. Er hätte netter sein sollen, aber er war einfach zu bekifft gewesen. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen. Vermutlich wollte ein Teil von ihm zur Normalität zurückkehren, was auch immer das war. Caitlin kam der Normalität am nächsten.

Warum war sie zurückgekommen? Wollte sie auch wieder in Oakville leben? Das wäre fantastisch. Vielleicht könnten sie sich gemeinsam eine Wohnung nehmen. Je mehr Sam darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Vorstellung. Er wollte mit ihr reden.

Er zog sein Handy aus der Tasche und sah das blinkende Symbol im Display. Er klickte es an und las die neue Facebook-Nachricht. Sie war von Caitlin – sie war in der alten Scheune.

Perfekt. Er würde sofort hinfahren.


* * *

Nachdem Sam den Wagen abgestellt hatte, ging er über das Grundstück zur alten Scheune. Wenn sie von der alten Scheune sprachen, wussten beide sofort, was gemeint war. Als sie in Oakville gewohnt hatten, waren sie häufig dort gewesen. Die Scheune gehörte zu einem Grundstück mit einem großen Haus, das schon seit Jahren zum Verkauf stand. Aber der Kaufpreis war viel zu hoch. Soweit sie wussten, kamen nie Interessenten, um das Gebäude zu besichtigen.

Ganz hinten auf dem Grundstück stand diese coole Scheune – sie war völlig leer. Sam hatte sie eines Tages entdeckt und Caitlin gezeigt. Sie fanden nichts dabei, dort abzuhängen. Beide hassten den kleinen Wohnwagen, den sie sich mit ihrer Mom teilen mussten. Eines Abends waren sie lange in der Hütte geblieben, hatten sich unterhalten und über der coolen Feuerstelle Marshmallows geröstet. Schließlich waren sie beide eingeschlafen. Seitdem hatten sie hin und wieder dort übernachtet, vor allem, wenn zu Hause dicke Luft gewesen war. Nach einigen Monaten hatten sie begonnen, die Scheune als ihr Eigentum zu betrachten.

Mit federnden Schritten marschierte Sam auf die Scheune zu und freute sich auf Caitlin. Sein Kopf war inzwischen wieder ziemlich klar, dafür hatte nicht zuletzt der große Kaffee von Dunkin’ Donuts gesorgt, den er während der Fahrt getrunken hatte. Mit fünfzehn durfte er eigentlich noch nicht Auto fahren, aber er hatte nicht warten wollen, bis er alt genug war, um seinen Führerschein zu machen. Bisher war er noch nie von der Polizei angehalten worden. Und er konnte fahren. Warum sollte er also warten? Seine Freunde liehen ihm ihren Pick-up, fertig.

Als Sam sich der Scheune näherte, fragte er sich plötzlich, ob dieser Typ wohl bei ihr sein würde. Er hatte etwas an sich … das er nicht einordnen konnte. Waren die beiden zusammen? Caitlin hatte Sam immer alles erzählt. Wie kam es also, dass er noch nie von dem Typen gehört hatte?

Und warum stellte Caitlin auf einmal Fragen wegen Dad? Sam war sauer auf sich selbst, weil es tatsächlich Neuigkeiten gab, die er ihr gerne erzählt hätte. Endlich hatte er eine Antwort auf seine Nachforschungen über Facebook bekommen. Ihr Dad hatte sich gemeldet. Er schrieb, dass er sie vermisste und sie sehen wollte. Endlich. Nach all den Jahren. Sam hatte bereits zurückgeschrieben. Sie waren also wieder in Kontakt, und Dad wollte sie beide sehen. Warum hatte Sam ihr das nicht einfach erzählt? Nun, zumindest konnte er es ihr jetzt sagen.

Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, der Schneefall wurde dichter, und auf einmal fühlte Sam sich glücklich. Vielleicht würde alles wieder gut werden, nun, da Caitlin hier war. Vielleicht war sie zum richtigen Zeitpunkt aufgetaucht, als er total fertig war – bestimmt würde sie ihm helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Sie hatte immer schon ein Händchen dafür gehabt, ihm aus der Patsche zu helfen. Vielleicht war das seine Chance.

Er wollte eine weitere Zigarette aus der Tasche ziehen, überlegte es sich jedoch anders. Vielleicht konnte er seinem Leben eine neue Richtung geben.

Er zerdrückte die Schachtel und warf sie ins Gras. Er brauchte die Zigaretten nicht. Er war stärker.

Voller Vorfreude öffnete er die Schuppentür. Er wollte Caitlin in den Arm nehmen und ihr sagen, dass es ihm leidtat. Ihr würde es ebenfalls leidtun, und alles wäre wieder gut.

Aber die Scheune war leer.

»Hallo?«, rief Sam, obwohl er schon wusste, dass niemand da war.

Sein Blick fiel auf die Asche in der Feuerstelle. Das Feuer musste schon vor Stunden gelöscht worden sein. Nirgendwo entdeckte er Habseligkeiten, die darauf hindeuteten, dass sie vielleicht noch in der Nähe war. Caitlin war fort. Wahrscheinlich war sie mit diesem Typen gegangen. Warum hatte sie nicht einfach auf ihn warten können? Warum hatte sie ihm keine Chance gegeben? Warum war sie nicht ein paar Stunden länger geblieben?

Sam fühlte sich, als hätte ihm jemand einen heftigen Schlag in die Magengrube versetzt. Seine eigene Schwester. Selbst ihr war er inzwischen gleichgültig.

Er musste sich setzen und ließ sich auf einen Heuballen sinken. Als er den Kopf auf den Händen aufstützte, merkte er, dass die Kopfschmerzen zurückkehrten. Sie war tatsächlich weg. War sie für immer gegangen? Tief in seinem Inneren spürte Sam, dass es so war.

Schließlich atmete er tief durch. Nun gut.

Jetzt war er also ganz auf sich allein gestellt. Damit konnte er umgehen. Er brauchte ohnehin niemanden.

»Hallo.«

Die Stimme war wunderschön, sanft und weiblich.

Einen Sekundenbruchteil lang hoffte Sam, dass es Caitlin wäre, auch wenn er sofort wusste, dass sie es nicht war. Noch nie hatte er so eine wunderschöne Stimme gehört.

Ein Mädchen stand im Eingang und lehnte lässig am Türrahmen. Wow. Sie sah umwerfend aus mit ihren langen, welligen roten Haaren und leuchtend grünen Augen. Ihr Körper war perfekt. Sie musste etwa in seinem Alter sein, vielleicht ein wenig älter. Wow. Sie rauchte.

Sam stand auf.

Er konnte es kaum glauben, aber sie sah ihn an, als wollte sie mit ihm flirten. Anscheinend stand sie auf ihn. Noch nie hatte ihn ein Mädchen auf diese Weise angesehen. Er konnte sein Glück kaum fassen.

»Ich bin Samantha«, sagte sie mit ihrer süßen Stimme, trat einen Schritt vor und streckte ihm die Hand entgegen.

Sam ging auf sie zu und gab ihr die Hand. Ihre Haut war ganz zart und weich.

Träumte er? Was machte dieses Mädchen hier mitten im Nirgendwo? Wie war sie überhaupt hergekommen? Er hatte kein Auto gehört, nicht einmal Schritte, die sich der Scheune genähert hatten. Und er war selbst eben erst gekommen. Er konnte es sich nicht erklären.

»Ich bin Sam«, sagte er.

Sie lächelte strahlend und enthüllte perfekte weiße Zähne. Ihr Lächeln war unglaublich. Als sie ihn direkt anblickte, spürte Sam, wie ihm die Knie weich wurden.

»Sam, Samantha«, meinte sie. »Das hört sich gut an.«

Er starrte sie an und fand keine Worte.

»Ich habe dich hier draußen gesehen und dachte mir, dass dir kalt sein muss«, erklärte sie. »Willst du hereinkommen?«

Sam zerbrach sich den Kopf, kam aber nicht dahinter, was sie meinte.

»Herein?«

»Ins Haus«, erläuterte sie und grinste, als würde das auf der Hand liegen. »Du weißt schon, so ein Ding mit Wänden und Fenstern.«

Sam versuchte zu begreifen, was sie gesagt hatte. Sie lud ihn ins Haus ein? In das Haus, das zum Verkauf stand? Warum sollte sie ihn dort hineinbitten?

»Ich habe es gerade gekauft«, sagte sie, als würde sie seine Gedanken beantworten. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, das Zu-verkaufen-Schild abzunehmen«, fügte sie hinzu.

Sam war verwirrt. »Du hast dieses Haus gekauft?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich muss schließlich irgendwo wohnen. Ich werde die Oakville High besuchen, um mein letztes Schuljahr abzuschließen.«

Wow. Das erklärte alles.

Sie war auf der Highschool, in der Abschlussklasse. Vielleicht würde er es sich noch mal überlegen und doch an die Schule zurückkehren. Zum Teufel, ja. Wenn sie dort war, warum nicht?

»Ach so, klar«, sagte er so lässig, wie er konnte. »Warum nicht? Ich würde das Haus gerne mal von innen sehen.«

Sie drehten sich um und gingen auf das Haus zu. Unterwegs sah Sam die zerdrückte Zigarettenschachtel, bückte sich und hob sie auf. Wen interessierte es schon, ob er rauchte, nachdem Caitlin gegangen war?

»Dann bist du also neu hier?«, fragte Sam.





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In VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire) brechen Caitlin und Caleb gemeinsam auf, um das eine Objekt zu finden, das den drohenden Krieg zwischen Menschen und Vampiren verhindern kann: Das verlorene Schwert. Alte Überlieferungen der Vampire erzählen davon, und es bestehen große Zweifel, ob es überhaupt existiert. Wenn es überhaupt eine Hoffnung geben soll es zu finden, müssen sie Caitlins Herkunft zurückverfolgen. Ist sie wirklich die Eine? Ihre Suche beginnt damit, Caitlins Vater zu finden. Wer war er? Warum hat er sie im Stich gelassen? Als sie die Suche ausweiten, finden sie heraus, wer sie wirklich ist und sind schockiert. Doch sie sind nicht die einzigen, die nach dem legendären Schwert suchen. Auch der Blacktide Zirkel will es haben, und sie sind Caitlin und Caleb dicht auf den Fersen. Schlimmer noch, Caitlins kleiner Bruder ist besessen davon, seinen Vater zu finden. Doch Sam ist der Situation nicht gewachsen, und findet sich mitten in einem Krieg der Vampire wieder. Wird er ihre Suche gefährden? Caitlins und Calebs Reise bringt sie zu einer Reihe von geschichtsträchtigen Orten – vom Hudson Valley nach Salem und ins Herz des historischen Boston – dem Ort an dem einst die Hexen auf dem Hügel von Boston Common gehängt wurden. Warum sind diese Orte so wichtig für die Rasse der Vampire? Und was haben sie mit Caitlins Herkunft zu tun, und mit der Person, zu der sie wird? Doch vielleicht schaffen sie es nicht einmal. Ihre Liebe zueinander erblüht. Und ihre verbotene Romanze könnte alles zerstören, was sie erreichen wollen… «VERGÖTTERT, das zweite Buch aus der Serie der Vampire Journals, ist genauso spannend wie das erste, VERWANDELT. Es ist randvoll mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung» –Vampirebooksite. com

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