Книга - Ritus Der Schwerter

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Ritus Der Schwerter
Morgan Rice


Ring der Zauberei #7
In RITUS DER SCHWERTER (Band #7 im Ring der Zauberei) ringt Thor mit seiner Herkunft: er muss sich damit abfinden wer sein wirklicher Vater ist, ob er sein Geheimnis verraten will und was er zu tun hat. Zu Hause im Ring mit Mycoples an seiner Seite und dem Schwert des Schicksals in der Hand ist Thor fest entschlossen, Rache an Andronicus Armee zu neben und sein Heimatland zu befreien – und endlich um Gwendolyns Hand anzuhalten. Doch er muss lernen, dass es mächtigere Dinge gibt die ihm möglicherweise im Wege stehen. Gwendolyn kehrt zurück und bemüht sich, die Herrscherin zu werden, die sie vom Schicksal zu sein bestimmt ist. Sie nutzt ihre Klugheit um die grundverschiedenen Truppen zu vereinen und Andronicus für immer loszuwerden. Wieder vereint mit Thor und ihren Brüdern ist sie dankbar für eine Atempause in all der Gewalt, und für die Gelegenheit ihre Freiheit zu feiern. Doch die Dinge ändern sich schnell -zu schnell – und bevor sie sich versieht wird ihr Leben wieder auf den Kopf gestellt. Gwendolyns ältere Schwester, Luanda, die eine tiefe Rivalität ihr gegenüber hegt, ist entschlossen, die Macht an sich zu reißen, während der Bruder von König MacGil mit seiner eigenen Armee anrückt, um die Kontrolle über den Thron zu gewinnen. Mit Spionen und gedungenen Mördern an allen Ecken, muss eine kampfbereite Gwendolyn lernen, dass ihre Herrschaft nicht so sicher ist, wie sie dachte. Reeces Liebe zu Selese bekommt endlich eine Chance zu blühen, doch unerwartet taucht eine alte Liebe auf und er findet sich hin- und hergerissen zwischen beiden. Doch die ruhigen Zeiten werden schon bald vom nächsten Kampf abgelöst und Reece, Elden, OConnor, Conven, Kendrick, Erec und selbst Godfrey müssen sich gemeinsam den Widrigkeiten stellen und sie überwinden, wenn sie überleben wollen. Ihr Kampf führt sie in alle Ecken des Rings, und wird zu einem Rennen gegen die Zeit, um Andronicus zu vertreiben und sich selbst vor der vollständigen Zerstörung zu bewahren.





Morgan Rice

RITUS   DER   SCHWERTER




Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern

“Rice hat das Talent den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzusaugen. Mit ihrer malerischen Sprache gelingt es ihr ein mehr als nur ein Bild zu malen – es läuft ein Film vor dem inneren Auge ab. Gut geschrieben und von wahnsinnig schnellem Erzähltempo.”

–-Black Lagoon Reviews (zu Verwandelt)



“Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice hat gute Arbeit beim Schreiben einer interessanten Wendung geleistet. Erfrischend und einzigartig, mit klassischen Elementen, die in vielen übersinnlichen Geschichten für junge Erwachsene zu finden sind. Leicht zu lesen, aber von extrem schnellem Erzähltempo… Empfehlenswert für alle, die übernatürliche Romanzen mögen.”

–-The Romance Reviews (zu Verwandelt)



“Es packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht los…. Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer voll rasanter Action ab der ersten Seite. Es gab nicht eine langweilige Seite.”

–-Paranormal Romance Guild (zu Verwandelt)



“Voll gepackt mit Aktion, Romantik, Abenteuer und Spannung. Wer dieses Buch in die Hände bekommt wird sich neu verlieben.”

–-vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Eine großartige Geschichte. Dieses Buch ist eines von der Art, das man auch nachts nicht beiseite legen möchte. Das Ende war ein derart spannender Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte um zu sehen, was passiert.“

–-The Dallas Examiner (zu Geliebt)



“Ein Buch das den Vergleich mit TWILIGHT und den VAMPIRE DIARIES nicht scheuen muss. Eines, das Sie dazu verleiten wird, ununterbrochen Seite um Seite bis zum Ende zu lesen! Wer Abenteuer, Liebesgeschichten und Vampire gerne mag, für den ist dieses Buch genau das Richtige!”

–-Vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Morgan Rice hat sich wieder einmal als extreme talentierte Geschichtenerzählern unter Beweis gestellt… Dieses Buch spricht ein breites Publikum an, auch die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Es endet mit einem unerwarteten Cliffhanger der den Leser geschockt zurücklässt.

–-The Romance Reviews (zu Geliebt)



Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/) um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!




Bücher von Morgan Rice




DER RING DER ZAUBEREI


QUESTE DER HELDEN (Band #1)


MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)


LOS DER DRACHEN (Band #3)


RUF NACH EHRE (Band #4)


SCHWUR DES RUHMS (Band #5)


ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)


A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)


demnächst auf Deutsch erhältlich


A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)


A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)


A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)


A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)


A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)


A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)




DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS


ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)


demnächst auf Deutsch erhältlich


ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)




DER WEG DER VAMPIRE


GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)


VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)


VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)


BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)


BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)


demnächst auf Deutsch erhältlich


BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)


VOWED – GELOBT (Band #7)


FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)


RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)


CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)


FATED  – BERUFEN (Band #11)












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Copyright © 2013 by Morgan Rice



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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebendig, ist rein zufällig.


“Was ist es, das Ihr mir vertrauen möchtet?
Ist's etwas, dienlich zum gemeinen Wohl,
Stellt Ehre vor ein Auge, Tod vors andre,
Und beide seh ich gleiches Mutes an.
Die Götter sein mir günstig, wie ich mehr
Die Ehre lieb, als vor dem Tod mich scheue”

    --William Shakespeare
    Julius Caesar






KAPITEL EINS


Thor ritt auf Mycoples Rücken über die weite Landschaft des Rings in Richtung Süden. Irgendwo dort musste Gwendolyn sein. Thor hielt das Schwert des Schicksals fest umklammert, als er nach unter sich Andronicus gigantische Armee sah, die sich wie eine Heuschreckenplage über das Land ausgebreitet hatte. Er fühlte, wie das Schwert in seiner Hand pulsierte und wusste, was es von ihm wollte. Schütze den Ring. Vertreibe die Invasoren. Es war beinahe so, als ob das Schwert ihm befahl – und Thor folgte dem Befehl nur zu gerne.

Sehr bald würde Thor jeden einzelnen der Invasoren zur Rechenschaft ziehen. Nun, da der Schild wiederhergestellt war, waren Andronicus und seine Männer in der Falle; Sie konnten keine Verstärkung mehr rufen und Thor würde nicht eher ruhen, bevor er nicht jeden einzelnen von ihnen getötet hatte.

Doch jetzt war nicht die Zeit dazu. Thors eine und wahre Liebe war wichtiger, die Frau, nach der er sich die ganze Zeit über geschmachtet hatte, seit er den Canyon hinter sich gelassen hatte: Gwendolyn. Thor sehnte sich danach, sie wieder zu sehen, sie zu halten, sicher zu sein, dass sie am Leben war. Unter seinem Hemd hing der Ring seiner Mutter und brannte auf seiner Brust. Er konnte es nicht erwarten ihn Gwen zu geben, ihr seine Liebe einzugestehen und um ihre Hand anzuhalten. Er wollte, dass sie wusste, dass sich zwischen ihnen nichts geändert hatte, egal, was ihr zugestoßen war. Er liebte sie noch genauso viel – sogar noch mehr – und er wollte es sie wissen lassen.

Mycoples brummte sanft, und Thor konnte die Vibration durch ihre Schuppen spüren. Auch Mycoples wollte Gwendolyn erreichen, bevor ihr etwas zustoßen konnte. Sie flog durch die Wolken und schlug mit ihren Flügeln und sie schien zufrieden zu sein, hier im Ring zu sein und Thor zu tragen. Das Band zwischen ihnen wurde stärker, und Thor spürte, dass Mycoples jeden seiner Gedanken und Wünsche teilte. Es war, als würde er auf einem Teil von sich selbst durch die Lüfte gleiten.

Thors Gedanken wandten sich den Worten der Königin-Mutter zu während er durch die Wolken flog. So sehr er sie auch verdrängen wollte, sie kamen immer wieder zurück zu ihm. Andronicus ? Sein Vater?

Das konnte nicht sein. Ein Teil von ihm hoffte, dass es nur eines der grausamen Spielchen der Königin-Mutter war. Sie hatte ihn ja noch nie leiden können. Vielleicht wollte sie diese falschen Gedanken in ihm wecken, um ihn aus welchem Grund auch immer von ihrer Tochter fern zu halten. Thor klammerte sich verzweifelt an diesen Gedanken fest. Doch tief in seinem Inneren hallten ihre Worte seit dem sie sie ausgesprochen hatte wider. Er wusste, dass sie wahr waren. So sehr er sich auch wünschte, dass es eine Lüge war, so sehr wusste er, dass Andronicus in der Tat sein Vater war.

Der Gedanke hing über Thor wie ein Alptraum. Er hatte immer gehofft und gebetet, dass König MacGil sein Vater und Gwen irgendwie nicht dessen leibliche Tochter war, sodass sie zusammen sein konnten. Thor hatte immer gehofft, dass an dem Tag, an dem er herausfand, wer sein Vater war, alles einen Sinn machen und sein Schicksal klar werden würde.

Zu erfahren, dass sein Vater kein Held war, war eine Sache. Das konnte er akzeptieren. Doch zu erfahren, dass sein Vater ein Monster war – das schlimmste Monster von allen – der Mann, den Thor am liebsten tot sehen würde – das war zu viel für ihn. Thor trug Andronicus Blut in sich. Was bedeutete das für ihn? Bedeutete es, dass er, Thor, auch ein Monster werden würde? Bedeutete es, dass das Böse auch durch seine Adern floss? War es sein Schicksal, so zu werden wie er? Oder war es möglich, dass er anders war als er, auch wenn sie vom gleichen Blut waren? Wurde das Schicksal durch das Blut weitergegeben? Oder war jede Generation für ihr eigenes Schicksal verantwortlich?

Thor hatte auch Schwierigkeiten zu verstehen, was das alles für das Schwert des Schicksals bedeutete. Wenn die Legende wahr war, dass nur ein MacGil es führen konnte – bedeutete das dann, dass Thor trotzdem ein MacGil war? Wenn dem so wahr, wie konnte Andronicus dann sein Vater sein? Es sei denn Andronicus war irgendwie ein MacGil?

Doch das schlimmste war, dass Thor nicht wusste, wie er diese Neuigkeiten mit Gwendolyn teilen sollte. Wie konnte er ihr sagen, dass er der Sohn ihres schlimmsten Feindes war? Des Mannes, der mitangesehen hatte, wie sie angegriffen worden war? Dafür würde sie Thor sicherlich hassen. Sie würde jedes Mal, wenn sie Thor ansah, Andronicus Gesicht sehen. Und doch musste er es ihr erzählen – er durfte das nicht vor ihr geheim halten. Würde es ihre Beziehung ruinieren?

Thors Blut kochte. Er wollte Andronicus schlagen, dafür, dass er sein Vater war, dafür, dass er ihm das antat. Thor betrachtete die Landschaft, die unter ihm vorbeizog. Er wusste, dass Andronicus irgendwo dort unten war. Bald würde er ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Er würde ihn finden. Ihn stellen. Und er würde ihn töten.

Doch zuerst musste er Gwendolyn finden. Als sie den Südlichen Wald überflogen, spürte Thor, dass sie ganz in der Nähe war. Er hatte das ungute Gefühl, dass ihr bald etwas Schlimmes zustoßen würde. Er ließ Mycoples immer schneller fliegen – aus Angst, dass der nächste Augenblick ihr letzter sein könnte.




KAPITEL ZWEI


Gwendolyn stand alleine auf den oberen Zinnen des Tower of Refuge, und trug die schwarze Robe, die ihr die Schwestern gegeben hatten. Sie fühlte sich, als ob sie schon ewig hier war. Sie war in aller Stille von einer einzelnen Schwester begrüßt worden, ihre Lehrerin, die nur ein einziges Mal gesprochen hatte, um ihr die Regeln dieses Ortes zu erklären:

Es galt, absolute Stille zu halten und nicht mit den anderen zu interagieren. Jede der Frauen lebte hier in ihrer eigenen Welt. Jede der Frauen wollte in Ruhe gelassen werden. Dies war der Tower of Refuge, ein Ort für die, die nach Heilung suchten. Gwendolyn würde hier sicher sein vor allem Bösen. Doch auch allein. Vollkommen allein.

Gwendolyn verstand es nur zu gut. Auch sie wollte in Ruhe gelassen werden.

Da stand sie nun, oben auf dem Turm, ließ den Blick über die Baumwipfel des Südlichen Waldes schweifen, und fühlte sich einsam wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie wusste, dass sie stark sein sollte, dass sie ein Kämpfer war. Die Tochter eines Königs und die Gemahlin – beinahe-Gemahlin – eines großen Kriegers.

Doch Gwendolyn musste zugeben, dass so sehr sie auch stark sein wollte, ihr Herz und ihre Seele waren noch immer verletzt. Sie vermisste Thor schrecklich und hatte Angst, dass er nie wieder zu ihr zurückkehren würde. Und selbst wenn, sobald er herausfinden würde, was ihr zugestoßen war, fürchtete sie, dass er nie wieder mit ihr zusammen sein wollte.

Gwen fühlte sich hohl, wissend, dass Silesia zerstört war, dass Andronicus gewonnen hatte, und dass jeder, der ihr etwas bedeutete, entweder gefangen genommen worden oder tot war. Andronicus Männer waren überall. Er hatte den Ring vollständig eingenommen und es gab keinen Ausweg mehr. Gwen fühlte sich hoffnungslos und erschöpft; viel zu erschöpft für jemanden ihren Alters. Am schlimmsten jedoch war für sie, dass sie das Gefühl hatte, alle enttäuscht zu haben; sie hatte das Gefühl, dass sie schon zu viele Leben gelebt hatte, und wollte nicht noch mehr sehen.

Gwendolyn machte einen Schritt nach vorn, an die äußerste Kante der Zinnen. Sie hob langsam ihre Arme und spürte, wie sie der eiskalte Winterwind umwehte. Sie verlor das Gleichgewicht und schwankte am Rande des Abgrunds und blickte hinab in die Tiefe. Gwendolyn sah zum Himmel und dachte an Argon. Sie fragte sich wo er jetzt wohl war, gefangen in seiner eigenen Welt, zur Strafe für das, was er um ihretwillen getan hatte. Sie war bereit alles dafür zu geben, ihn jetzt sehen zu können, ein letztes Mal seiner Weisheit lauschen zu können. Vielleicht würde es sie retten, sie dazu bringen, umzukehren.

Doch er war fort. Auch er hatte seinen Preis gezahlt und würde nicht zurückkehren.

Gwen schloss ihre Augen und dachte ein letztes Mal an Thor. Wenn er nur hier wäre! Das würde alles verändern. Wenn sie nur eine einzige Person auf der Welt hätte, die sie wirklich liebte, vielleicht würde ihr das einen Grund geben, zu leben. Sie blickte zum Horizont und hoffte dort Thor zu entdecken. Als sie zu den schnell dahinziehenden Wolken aufblickte, glaubte sie, dass sie undeutlich, irgendwo am Horizont den Schrei eines Drachen gehört hatte. Doch es war so fern und so leise, sie musste es sich eingebildet haben. Es war nur ihr Verstand, der ihr einen Streich spielte. Sie wusste, dass es hier im Ring keine Drachen gab. Genauso wie sie wusste, dass Thor weit weg war; für immer verloren im Empire, an einem fernen Ort, von dem er nie zurückkehren würde.

Tränen rollten über Gwens Wangen als sie an ihn dachte, und an das Leben, das sie hätten haben können. Daran, wie nahe sie sich doch gewesen waren. Sie stellte sich sein Gesicht vor, seine Stimme, sein Lachen. Sie war so sicher gewesen, dass sie unzertrennlich sein würden, dass sie niemals durch irgendetwas voneinander getrennt werden würden.

„THOR!“ Gwen warf den Kopf in den Nacken und schrie. Sie schwankte am Abgrund und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er zu ihr zurückkehren würde.

Doch ihre Stimme verhallte im Wind. Thor war unglaublich weit weg.

Gwendolyn griff nach dem Amulett, das Thor ihr gegeben hatte, jenes, das ihr das Leben gerettet hatte. Sie wusste, dass sie seine Kraft benutzt hatte. Nun war es nicht mehr als ein Schmuckstück.

Gwendolyn blickte über die Kante und sah das Gesicht ihres Vaters. Er war umgeben von weißem Licht und lächelte sie an.

Sie hob einen Fuß als ob sie über die Kante gehen wollte und schloss ihre Augen im kalten Wind. Sie hielt inne, der Wind hielt sie – gefangen zwischen zwei Welten, zwischen der der Lebenden und der der Toten; der nächste Windstoß würde entscheiden, in welche Richtung sie gehen würde.

Thor, dachte sie. Vergib mir.




KAPITEL DREI


Kendrick ritt vor der großen und stets wachsenden Armee von MacGils, Silesiern und befreiten Bewohnern des Rings her, durch die Tore von Silesia auf die breite Straße in Richtung Osten, Andronicus Armee hinterher. Neben ihm ritten Srog, Brom, Atme und Godfrey, und hinter ihnen Reece, O’Connor, Conven, Elden, und Indra neben tausenden von anderen Kriegern. Sie ritten an den verkohlten Leichen von tausenden von Empire Krieger vorbei, schwarz und steif vom Hauch des Drachen; andere waren vom Schwert des Schicksals getötet worden; Kendrick nahm alles in sich auf, voller Ehrfurcht und Schrecken ob der gewaltigen Zerstörung die Thor mit dem Schwert des Schicksals und Mycoples entfesselt hatte.

Er staunte über diese Wendung. Vor wenigen Tagen waren sie alle Gefangene gewesen, unterworfen von Andronicus; Thor war noch im Empire gewesen, das Schwert des Schicksals nicht mehr als ein verlorener Traum, und sie hatten wenig Hoffnung gehabt, dass es je zurückkehren würde. Kendrick und die anderen waren gekreuzigt, dem Tod geweiht, und alles schien verloren gewesen.

Doch nun ritten sie als freie Männer, als Krieger und Ritter, gestärkt durch Thors Rückkehr, und das Momentum war auf ihrer Seite. Mycoples hatte sich als Geschenk des Himmels erwiesen, eine gewaltige Macht, die Zerstörung vom Himmel regnen ließ. Silesia stand als freie Stadt und die Landschaft des Rings war anstelle eines marschierenden feindlichen Heeres, mit toten Feinden übersät. Die Straße gen Osten war gesäumt mit toten Kriegern des Empire so weit das Auge reichte.

So ermutigend all das war, Kendrick wusste, dass eine halbe Million Männer in den Highlands auf der Lauer lagen. Sie hatten sie vorübergehend zurückgetrieben, doch noch lange nicht geschlagen. Und Kendrick und die anderen waren nicht zufrieden damit, in Silesia zu sitzen und abzuwarten, bis Andronicus seine Männer neu formiert hatte und wieder angreifen würde – noch wollten sie ihnen die Gelegenheit geben, zu fliehen und sich ins Empire zurückzuziehen. Der Schild schützte sie wieder, und so sehr Kendrick und seine Männer auch in der Unterzahl waren, ohne den stetigen Strom neuer Männer von Außen hatten sie nun wenigstens eine Chance.

Nun war Andronicus Armee auf der Flucht, und Kendrick und die anderen waren entschlossen, die Reihe von Siegen fortzusetzen, die Thor begonnen hatte. Kendrick blickte über seine Schulter zurück auf die Krieger und freien Männer die mit ihm ritten, und sah die Entschlossenheit in ihren Gesichtern. Sie alle hatten erlebt, was es hieß, ein Sklave zu sein, sie alle hatten die Niederlage gespürt, und er konnte sehen, wie sehr sie es schätzten, wieder frei zu sein. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Frauen und Familien. Jeder einzelne von ihnen war bitter, und fest entschlossen, Andronicus für alles, was sie hatten erleiden müssen, bezahlen zu lassen; und dafür zu sorgen, dass er nicht noch einmal angreifen würde. Dies war eine Armee von Männern, die bereit waren, bis zum Tod zu kämpfen und sie ritten gemeinsam gegen den Feind. Wo immer sie hinkamen, befreiten sie mehr und mehr Männer, zerschnitten ihre Fesseln und nahmen sie in ihre stets wachsende Armee auf.

Kendrick hatte sich selbst noch nicht ganz von seiner Zeit am Kreuz erholt. Sein Körper war noch immer nicht so stark wie zuvor und seine Hand- und Fußgelenke schmerzten noch immer dort, wo die groben Seile in seine Haut geschnitten hatten. Er sah zu Srog, Brom und Atme hinüber, die ihrerseits neben ihm am Kreuz gehangen waren. Auch sie waren noch nicht wieder so stark wie zuvor. Die Kreuzigung hatte sie alle schrecklich viel Kraft gekostet. Doch sie ritten volle neuem Mut und Energie. Nichts gab ihnen mehr Energie und ließ sie ihre Verletzungen vergessen, als die Gelegenheit zur Rache.

Kendrick war überglücklich, dass sein jüngerer Bruder Reece und die anderen Legionsbrüder zurück waren, und wieder an seiner Seite ritten. Es hatte ihn innerlich zerrissen mitansehen zu müssen, wie die Jungen der Legion in Silesia abgeschlachtet worden waren, und diese Jungen wieder zurück zu Hause zu wissen, hatte seine Trauer etwas gemildert. Er war Reece immer sehr nahe gestanden, und ihn immer beschützt. Ja er hatte sogar die Rolle eines zweiten Vaters für ihn angenommen, wann immer König MacGil zu beschäftigt gewesen war. In gewisser Weise hatte die Tatsache, dass er nur sein Halbbruder war, Kendrick Reece näher gebracht; sie mussten sich nicht nahe stehen, sie wollten es Kendrick war nie in der Lage gewesen, seinen anderen Brüdern näher zu kommen – Godfrey verbrachte seine Zeit mit merkwürdigen Gestalten in der Taverne, und Gareth – nun, Gareth war Gareth. Reece war der einzige andere der Brüder, der auch ein Krieger war, der das Leben aufnehmen wollte, das Kendrick für sich gewählt hatte. Kendrick hätte nicht stolzer auf ihn sein können.

In der Vergangenheit, wenn Kendrick mit Reece geritten war, hatte er immer ein schützendes Auge auf ihn gehabt; doch seit seiner Rückkehr konnte Kendrick sehen, dass Reece selbst ein echter Krieger geworden war, und er hatte nicht länger das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Er fragte sich, was Reece im Empire durchgemacht haben musste, das ihn zu einem derart abgehärteten und geschickten Krieger gemacht hatte. Er freute sich darauf, seine Geschichten zu hören.

Kendrick war auch überglücklich, dass Thor zurück war. Nicht nur, weil Thor sie befreit hatte, sondern auch weil er Thor mochte und ihn respektierte und er für ihn wie ein Bruder war. Kendrick sah vor seinem inneren Auge immer noch das Bild von Thor, wie der das Schwert des Schicksals schwang. Er würde es niemals vergessen. Es war ein Bild, das er zu sehen nie zu hoffen gewagt hatte, denn er hatte nie erwartet, dass irgendjemand das Schwert des Schicksals führen würde, und schon gar nicht Thor, sein eigener Knappe – ein zierlicher, bescheidener Junge aus einem Bauerndorf am Rande des Rings. Ein Außenseiter, und nicht einmal ein MacGil.

Oder war er doch einer?

Kendrick wunderte sich. Er wälzte in seinem Kopf immer wieder die Legend: Nur ein MacGil konnte das Schwert führen. Er hatte gehofft, dass es einmal die ultimative Bestätigung für ihn sein würde, dass er ein wahrer MacGil war, der erstgeborene Sohn. Irgendwie hatte er immer davon geträumt, dass ihm eines Tages die Umstände erlauben würden, es zu versuchen.

Doch er hatte nie diese Gelegenheit bekommen, und er war Thor darum nicht böse. Kendrick hegte keinerlei Begehren; im Gegenteil. Er bewunderte Thors Schicksal. Doch er konnte es nicht verstehen. War die Legende falsch? Oder war Thor ein MacGil? Wie war das möglich? Es sei den, auch Thor war König MacGils Sohn. Kendrick überlegte. Sein Vater war bekannt dafür gewesen, dass er mit vielen Frauen Affären gehabt hatte – er selbst war ein Kind einer solchen Beziehung.

War das der Grund, warum Thor so schnell aus Silesia fortgeeilt war, nachdem er mit der Königin-Mutter gesprochen hatte? Worüber hatten sie gesprochen? Die Königin-Mutter weigerte sich, es zu kommentieren. Es war das erste Mal, dass sie etwas vor ihm geheim gehalten hatte, vor allen von ihnen. Doch warum jetzt? Was war es, das sie ihnen nicht sagen wollte? Was könnte sie gesagt haben, das Thor so schnell und ohne ein Wort aufbrechen ließ?

Es brachte Kendrick dazu, über seinen Vater nachzudenken, seine eigene Blutlinie. So sehr er es sich auch anders gewünscht hätte, der Gedanke, dass er ein Bastard war brannte tief in ihm, und immer wieder hatte er sich gefragt, wer seine wahre Mutter gewesen ist. Er hatte verschiedene Gerüchte gehört über die Frauen, mit denen sein Vater geschlafen hatte, doch er hatte es nie sicher gewusst. Kendrick war entschlossen, dass er es herausfinden würde, wenn sich erst einmal wieder alles beruhigt haben würde und der Ring zur Normalität zurückgekehrt war. Er würde sie zur Rede stellen. Er würde sie fragen, warum sie ihn hatte gehen lassen, warum sie nie ein Teil seines Lebens gewesen war. Wie sie seinen Vater getroffen hatte. Er wollte sie einfach kennenlernen, ihr Gesicht sehen, sehen, ob er wie sie aussah; und dass sie ihm sagte, dass er legitim war, so legitim wie jeder andere auch.

Kendrick war erfreut, dass Thor davongeflogen war, um Gwendolyn zurückzuholen. Doch ein Teil von ihm hätte es lieber gesehen, wenn Thor geblieben wäre. Wie sie sich nun in dramatischer Unterzahl in die Schlacht stürzten, hätten sie die Unterstützung von Thor und Mycoples mehr denn je gebrauchen können.

Doch Kendrick war ein geborener Krieger, und er war niemand, der sich zurücklehnen würde, und andere seine Schlachte für sich austragen lassen würde. Stattdessen tat er, was sein Instinkt ihm befahl: Er zog aus, um so viel Land von der Armee des Empire zurückzuerobern wie er nur mit seinen Männern konnte. Er hatte keine besonderen Waffen wie das Schwert des Schicksals oder Mycoples, doch er hatte seine beiden Hände, die, mit denen er von frühester Kindheit an gekämpft hatte. Und sie hatten ihm immer gute Dienste geleistet.

Sie bestiegen einen Hügel und als sie die Spitze erreichten, blickte Kendrick zum Horizont hinüber und sah in der Ferne eine kleine MacGil Stadt, Lucia, die nächste Stadt östlich von Silesia. Tote Krieger des Empire säumten die Straße und Thors Welle der Zerstörung schien bis hierher gereicht zu haben. Am fernen Horizont konnte Kendrick ein Bataillon von Andronicus Armee sehen. Sie zogen sich Richtung Osten zurück. Er nahm an, dass sie auf dem Weg zu Andronicus Hauptlager waren, in Sicherheit auf der anderen Seite der Highlands. Der größte Teil der Armee schien sich zurückzuziehen, – doch sie hatte eine kleine Division zurückgelassen, um Lucia zu halten. Mehrere Tausend von Andronicus Männern waren in der Stadt stationiert und standen vor ihren Toren Wache. Die Bürger waren auch zu sehen, versklavt von den Kriegern.

Kendrick erinnerte sich daran, wie es ihnen in Silesia ergangen war und wie man sie behandelt hatte und sein Gesicht wurde rot vor Rachelust.

„ANGRIFF!“ schrie Kendrick.

Er riss sein Schwert hoch und hinter ihm erhoben sich die neu gestärkten Schreie von tausenden von Kriegern.

Kendrick gab seinem Pferd die Sporen, und sie ritten den Hügel hinab in Richtung Lucia. Beide Armeen bereiteten sich auf den Zusammenstoß vor, und obwohl sie zahlenmäßig in etwa gleich groß waren, so wusste Kendrick, dass sie im Herzen alles andere als gleich waren. Dieses Überbleibsel von Andronicus Armee waren Invasoren auf dem Rückzug, wohingegen Kendrick und seine Männer bereit waren, ihre Heimat mit ihrem Leben zu verteidigen.

Ihr Kampfgeschrei schallte bis in den Himmel als in Richtung der Tore von Lucia stürmten. Sie kamen so schnell, dass sich die mehreren Dutzend Empire Krieger, die Wache standen, verwirrt ansahen – sie hatten ganz klar nicht mit einem Angriff gerechnet. Sie fuhren herum, rannten durch die Tore ins Innere und kurbelten wie wild, um die Fallgitter zu senken.

Doch sie waren nicht schnell genug. Mehrere von Kendricks Bogenschützen ritten voran und trafen mit tödlicher Genauigkeit ihre Ziele durch die Gelenke der Rüstungen. Kendrick selbst warf genauso wie Reece an seiner Seite einen Speer. Kendrick traf sein Ziel – einen großen Mann, der mit seinem Bogen zielte – und war beeindruckt zu sehen, dass auch Reece scheinbar mühelos einem feindlichen Krieger das Herz durchbohrte.

Das Tor blieb offen und Kendricks Männer zögerten nicht. Mit lautem Schlachtgeschrei stürmten sie ohne zu zögern hindurch ins Herz der Stadt und scheuten nicht vor Konfrontationen zurück. Als Kendrick und seine Männer zu Pferde auf die Krieger des Empire stießen, erhob sich lautes Klirren von Schwertern, Äxten, Speeren und Hellebarden die im Kampf aufeinandertrafen.

Kendrick riss seinen Schild hoch um einen Schlag abzuwehren und schwang gleichzeitig sein Schwert um zwei Angreifer zu töten. Ohne zu zögern fuhr er herum und wehrte einen weiteren Schlag ab und rammte einem Empire Krieger sein Schwert in den Bauch. Kendrick dachte nur noch an Rache: er dachte an Gwendolyn, seine Leute, alle Menschen im Ring, die hatten leiden müssen. Reece neben ihm schwang seine Keule und traf einen Gegner derart am Kopf, dass er ihn vom Pferd schlug; dann hob er seinen Schild und wehrte einen Schlag von der Seite ab. Er fuhr herum und schaltete den Angreifer mit seiner Keule aus. Elden neben ihm brachte seine Kriegsaxt auf einen weiteren Angreifer herunter, der Reece ins Visier genommen hatte, und durchtrennte sauber dessen Schild und Rüstung. O’Connor feuerte mit tödlicher Präzision einige Pfeile ab während sich Conven furchtlos ins Getümmel stürzte. Er stürmte allen anderen voran mitten unter die Männer des Empire, als wollte er sterben. Doch er starb nicht. Stattdessen schaltete er um sich herum einen feindlichen Krieger nach dem anderen aus.

Indra folgte nicht weit hinter ihm. Sie war furchtlos – furchtloser als die meisten der Männer. Sie nutzte ihren Dolch geschickt und wand sich mit tödlicher Präzision durch die Linien der Krieger des Empire. Sie dachte dabei an ihre Heimat und wie sehr ihr eigenes Volk unter der Unterdrückung des Empire litt.

Ein feindlicher Krieger ließ seine Axt in Richtung von Kendricks Kopf herunterfahren bevor er ausweichen konnte, doch sein Freund Atme hielt den Schlag mit seinem Schild auf und rammte in derselben Bewegung dem Angreifer seinen Speer in den Bauch. Wieder einmal schuldete ihm Kendrick sein Leben.

Als ein weiterer Empire Krieger mit Pfeil und Bogen auf Atme zielte sprang Kendrick vor und schlug ihm mit seinem Schwert den Bogen aus den Händen sodass der Pfeil ziellos über Atmes Kopf hinweg taumelte. Dann schlug Kendrick ihm mit dem Knauf seines Schwertes auf die Nase und warf ihn damit vom Pferd, wodurch er von den nachfolgenden Pferden zu Tode getrampelt wurde. Damit hatte Kendrick seine Schuld beglichen.

Und so ging der Kampf weiter, jeder der beiden Armeen landete einen Angriff nach dem anderen, Männer fielen auf beiden Seiten – doch mehr auf Seiten des Empires, denn Kendricks Männer, erzwangen sich voller Rachedurst ihren Weg in die Stadt und ihr Schwung schwappte durch die Stadt wie eine Flutwelle. Die Männer des Empire waren starke Krieger, doch sie waren daran gewöhnt anzugreifen, und waren auf ihre Rolle als Verteidiger unvorbereitet gewesen; Bald konnten sie sich nicht mehr organisieren und die Welle von Kendricks Männern aufhalten. Sie wurden zurückgedrängt und unzählige von ihnen starben.

Nach beinahe einer Stunde intensivem Kämpfens traten die Männer des Empire den Rückzug an. Jemand auf ihrer Seite blies in ein Horn, und einer nach dem anderen begannen die verbliebenen Männer sich umzudrehen und aus der Stadt zu fliehen.

Mit noch lauterem Geschrei folgten ihnen Kendrick und seine Männer und jagten sie durch ganz Lucia hindurch aus den Toren hinaus.

Wer vom Bataillon des Empire noch übrig war – und es waren noch immer hunderte von Männern – ritt in einem wenig organisierten Chaos um sein Leben in Richtung Horizont.

Lauter Jubel brandete von den befreiten Gefangenen in Lucia auf. Kendricks Männer zerschnitten ihre Fesseln und befreiten sie und die Männer zögerten nicht, den gefallenen feindlichen Kriegern die Waffen abzunehmen, auf ihre Pferde zu springen und sich Kendricks Männern anzuschließen.

Kendricks Armee wuchs zu fast doppelter Größe an und die Männer jagten den feindlichen Kriegern über die Hügel hinterher. O’Connor und die anderen Bogenschützen trafen hier und da den ein oder anderen auf der Flucht.

Die Jagd ging weiter und Kendrick fragte sich, wohin sie flohen, bis er uns seinen Männer auf die Spitze eines besonders hohen Hügels kamen und von dort die größte der Städte des MacGil Reiches östlich von Silesia sahen – Vinesia – eingebettet zwischen zwei Berge, schmiegte sich die Stadt in ein malerisches Tal. Es war eine bedeutende Stadt, wesentlich grösser als Lucia mit dicken Steinmauer und verstärkten Eisentoren. Hierhin flüchteten also die verbliebenen Männer des Empire Bataillons – denn die Stadt wurde von zehntausenden von Andronicus Männern beschützt.

Kendrick stand mit seinen Männern auf dem Hügel und nahm die Situation in sich auf. Vinesia war eine große Stadt und sie waren weit in der Unterzahl. Er wusste, dass es töricht gewesen wäre, es zu versuchen, dass es am sichersten war, nach Silesia zurückzukehren und dankbar für den heutigen Sieg zu sein.

Doch Kendrick war nicht in der Stimmung für die sichere Wahl – genauso wenig wie seine Männer. Sie wollten Blut. Sie wollten Rache. Und an einem Tag wie heute war es nicht mehr wichtig, ob sie in der Unterzahl waren oder nicht. Es war an der Zeit, dem Empire zu zeigen, woraus die MacGils geschmiedet waren.

„ANGRIFF!“ schrie Kendrick.

Lautes Geschrei brandete auf und tausende von Männern stürmten voran und stürzten sich tollkühn den Hügel hinunter auf die Stadt zu, bereit alles für Ehre und Tapferkeit zu riskieren und ihr Leben dafür zu geben.




KAPITEL VIER


Gareth hustete und keuchte während er über die öde Landschaft stolperte, seine Lippen waren aufgesprungen vom Durst und seine Augen lagen tief in den Höhlen mit dunklen Ringen darunter. Die letzten Tage waren furchtbar gewesen, und er hatte mehr als einmal geglaubt, sterben zu müssen.

Gareth war haarscharf Andronicus Männern in Silesia entkommen, indem er sich in einem Geheimgang versteckt gehalten und abgewartet hatte. Er hatte wie eine Ratte zusammengerollt in der Dunkelheit auf seine Gelegenheit zur Flucht gewartet. Er hatte das Gefühl gehabt, Tage in dem Loch verbracht zu haben. Er hatte alles mitangesehen, hatte mit Unglauben gesehen, wie Thor auf dem Rücken dieses Drachen angekommen war und all die Männer des Empire getötet hatte. In der allgemeinen Verwirrung und dem Chaos das daraufhin ausgebrochen war, hatte Gareth seine Gelegenheit zur Flucht genutzt. Er war aus einem der Nebentore von Silesia geschlichen als niemand hingesehen hatte und hatte die Straße gen Süden entlang des Canyons genommen, wobei er sich meistens im Dickicht bewegte, um nicht entdeckt zu werden. Doch das war ziemlich egal – die Straße war ohnehin leer. Alle waren unterwegs gen Osten um in der großen Schlacht um den Ring zu kämpfen. Während Gareth seines Weges zog bemerkte er die verkohlten Körper von Andronicus Männern, die die Straße säumten und wusste, dass die Schlacht hier im Süden schon geschlagen worden war. Gareth ging weiter in Richtung Süden. Sein Instinkt trieb ihn zurück nach King’s Court – oder was davon noch übrig war. Er wusste, dass Andronicus Männer die Stadt verwüstet hatte, dass sie höchstwahrscheinlich in Trümmern lag, doch er wollte nach King’s Court zurück. An den Ort, den alle anderen aufgegeben hatten. Den Ort, an dem er, Gareth, einst geherrscht hatte.

Nachdem er tagelang gewandert war, schwach und verwirrt vor Hunger, kam Gareth endlich an den Rand des Waldes und sah King’s Court in der Ferne. Da lag es – und die Mauern standen noch immer, zumindest zu Teil, auch wenn sie verkohlt waren und verfielen. Überall lagen die Leichen von Andronicus Männern herum, ein Beweis, dass Thor hier gewesen war. Davon abgesehen lag es verlassen, und außer dem Pfeifen des Windes war nichts zu hören.

Das war Gareth gerade recht. Er wollte nicht in die Stadt gehen. Er wollte zu einem kleinen, versteckten Gebäude außerhalb der Stadt, einem Ort, an den er als Kind immer gerne gekommen war. Ein rundes Gebäude aus Marmor, das sich nur wenige Meter über dem Boden erhob mit kunstvoll verzierten Statuen auf dem Dach. Es war die Gruft der MacGils. Der Ort an dem sein Vater begraben worden war – und dessen Vater vor ihm.

Gareth war sich sicher, dass die Gruft nicht zerstört worden war. Wer würde sich schon die Mühe machen, ein Grab anzugreifen? Es war der eine Ort, an dem niemand nach ihm suchen würde und an dem er Unterschlupf finden konnte. Ein Ort, an dem er sich verstecken konnte und in Ruhe gelassen wurde. Ein Ort, an dem er mit seinen Vorfahren alleine sein konnte. So sehr Gareth seinen Vater auch hasste so sehr wollte er ihm in diesen Tagen nahe sein.

Gareth eilte über das offene Feld; ein kalter Windstoß ließ ihn erschaudern und er zog den verschlissenen Mantel enger um seine Schulter. Er hörte den schrillen Ruf eines Wintervogels und sah die große, furchteinflößende schwarze Kreatur, die über ihm kreiste und mit jedem Ruf erwartete, dass er zusammenbrach und ihr nächstes Mahl wurde. Gareth konnte es ihr nicht verübeln. Er hatte kaum mehr Kraft und war sich sicher, dass er eine erstklassige Mahlzeit für den Vogel darstellen würde.

Endlich erreichte Gareth das Gebäude, griff den schweren eisernen Türgriff mit beiden Händen und drückte ihn mit beiden Händen nach unten. Die Welt drehte sich um ihn und er war vor Erschöpfung schon fast im Delirium. Die Türe öffnete sich einen Spalt weit, und er musste all seine Kraft aufzubringen, sie weiter aufzuziehen.

Gareth eilte in die Finsternis und zog die schwere Tür hinter sich zu. Der Klang hallte im alten in dem alten Gemäuer lang nach.

Er griff in der Finsternis nach einer Fackel an der Wand – er wusste genau, wo sie befestigt war, schlug einen Feuerstein und entzündete sie. Sie gab gerade genug Licht, damit er die Stufen hinabsteigen konnte, immer tiefer in Finsternis hinab. Es wurde immer kälter und zugiger je tiefer er kam, der kalte Winterwind fand seinen Weg durch die schmalsten Ritzen. Er hatte das Gefühl, dass seine Vorfahren ihn anheulten, ihn tadelten.

„LASST MICH IN RUHE!“ schrie er zurück.

Seine Stimme hallte von den Wänden der Gruft wieder.

„IHR WERDET EUREN PREIS SCHON FRÜH GENUG BEKOMMEN!“

Doch der Wind blies weiter.

Gareth war wütend und stieg tiefer hinab, bis er endlich die große marmorne Kammer mit ihrer drei Meter hohen Decke erreichte, in der all seine Vorfahren in marmornen Sarkophagen lagen. Gareth durchschritt feierlich den Raum, auf die gegenüberliegende Seite zu, wo sein Vater lag. Seine Schritte hallten vom marmornen Boden und den Wänden wider.

Der alte Gareth hätte den Sarkophag seines Vaters zertrümmert. Doch plötzlich begann er, so etwas wie Zuneigung ihm gegenüber zu spüren. Er konnte es kaum verstehen. Vielleicht ließ die Wirkung des Opiums nach; oder vielleicht war es auch, weil er wusste, dass er selbst bald tot sein würde.

Gareth erreichte den großen Sarkophag und beugte sich darüber. Er legte seinen Kopf auf den kalten Stein und bemerkte überrascht, dass er weinte.

„Ich vermisse dich Vater“, weinte er, und seine Stimme hallte in der Einsamkeit der Gruft.

Er weinte und weinte, Tränen liefen ihm über das Gesicht, bis schließlich seine Beine müde wurden und er erschöpft zusammensank und an das Grab seines Vaters gelehnt am Boden saß. Der Wind heulte, als ob er ihm antworten wollte und Gareth legte seine Fackel nieder, die immer schwächer brannte – eine winzige Flamme, die von der Schwärze umfangen wurde. Gareth wusste, dass bald alles Finster sein würde und dass er bald bei denen sein würde, die er am meisten liebte.




KAPITEL FÜNF


Steffen wanderte still den einsamen Waldweg entlang und entfernte sich langsam vom Tower of Refuge. Es brach ihm das Herz, Gwendolyn dort zurückzulassen, die Frau, die er mit seinem Leben zu beschützen geschworen hatte. Ohne sie war er nichts. Seitdem er sie getroffen hatte, hatte er das Gefühl gehabt, endlich einen Sinn für sein Leben gefunden zu haben: Über sie zu wachen, und sein Leben den Dienst an ihr zu widmen, dafür, dass sie ihm, einem einfachen Diener, erlaubt hatte sich über alle Ränge und Stände hinweg zu erheben; doch am meisten dafür, dass sie die erste Person in seinem Leben war, die ihn nicht für seine Erscheinung verabscheute und unterschätzte.

Steffen hatte ein Gefühl von Stolz verspürt, dafür, dass er ihr geholfen hatte, den Tower sicher zu erreichen. Doch sie dort zurückzulassen, ließ ihn eine tiefe Leere spüren. Wohin sollte er nun gehen? Was sollte er tun?

Ohne Gwendolyn zu beschützen schien sein Leben wieder einmal ohne Ziel. Er konnte nicht nach King’s Court zurückgehen oder nach Silesia. Andronicus hatte beide geschlagen, und er erinnerte sich an die Zerstörung, die er gesehen hatte, als sie aus Silesia geflohen waren. Das letzte, an das er sich erinnerte war, dass sein gesamtes Volk gefangen oder versklavt worden war. Zurückzukehren war sinnlos. Außerdem wollte Steffen den Ring nicht noch einmal durchqueren und so weit von Gwendolyn fort gehen.

Daher lief er stundenlang recht ziellos umher, folgte den Waldwegen und versuchte seine Gedanken zu sammeln, bis ihm endlich einfiel, wohin er gehen konnte. Er folgte der Landstraße gen Norden, einen Hügel hinauf, und von dort aus entdeckte er eine kleine Stadt, die in der Ferne an einen anderen Hügel geschmiegt lag. Er ging in diese Richtung, und als er sie erreichte, sah er, dass die Stadt alles hatte, was er brauchte: Einen perfekten Blick auf den Tower of Refuge. Wenn Gwendolyn ihn jemals verlassen würde, wollte er sicher sein, dass er in der Nähe war um sie zu begleiten und sie zu beschützen. Seine Treue galt ihr. Nicht einer Armee oder einer Stadt, sondern ihr. Sie war alles, was er hatte.

Als Steffen in dem kleinen, bescheidenen Ort ankam, entschied er sich, dort zu bleiben, wo er immer den Tower sehen konnte und ein Auge auf sie haben konnte. Als er durch die Tore kam, sah er einen unauffälligen, armen Ort, ein kleines Städtchen am Rande des Rings, so versteckt im Südlichen Wald, dass Andronicus Männer sich nicht einmal die Mühe gemacht hatten, hierher zu kommen.

Steffen kam unter den Blicken von dutzenden von Dorfbewohnern an, in ihren Gesichtern spiegelte sich Ignoranz und der Mangel an Mitgefühl wider. Sie starrten ihn mit weit aufgerissenen Mündern und der wohlbekannten Verachtung und Spott im Blick an, den er von Geburt an kannte. Als sie ihn betrachteten, konnte er es ihn ihren Blicken sehen.

Steffen wollte umkehren und davonlaufen, doch er zwang sich zu bleiben. Er musste um Gwendolyns Willen in der Nähe des Towers bleiben, und er würde alles dafür tun. Ein Dorfbewohner, ein korpulenter Mann in den Vierzigern, der wie die anderen in Lumpen gekleidet war, kam auf ihn zu.

„Was haben wir denn hier? Eine Art von verunstaltetem Männchen?“

Die anderen lachten, und kamen näher.

Steffen blieb ruhig; er hatte diese Art der Begrüßung erwartet – so war er schon sein ganzes Leben lang begrüßt worden. Er hatte festgestellt, je provinzieller die Leute waren, umso mehr Freude schienen sie daran zu finden, sich über ihn lustig zu machen.

Steffen versicherte sich, dass sein Bogen über seine Schulter hing, für den Fall, dass diese Dorfbewohner nicht nur brutal mit ihren Worte waren, sondern womöglich auch gewalttätig. Er wusste, dass er mehrere von ihnen in einem einzigen Wimpernschlag töten konnte, wenn es sein musste. Doch er wollte keine Gewalt. Er suchte Unterkunft.

„Vielleicht ist er nur eine ganz gewöhnliche Missgeburt, oder nicht?“ fragte ein anderer, als ihn eine wachsende Gruppe von Dorfbewohnern bedrohlich umringte.

„Die Rüstung die er trägt sieht aus wie eine königliche Rüstung.“

„Und der Bogen – das ist feines Leder!“

„Ganz abgesehen von den Pfeilen. Die haben goldene Spitzen, nicht wahr?“

Sie blieben ein paar Meter vor ihm stehen und sahen bedrohlich auf ihn herab. Sie erinnerten ihn an die anderen Kinder, die ihn als Jungen gequält hatten.

„Sprich, Missgeburt, wer bist du?“, sagte einer von ihnen.

Steffen holte tief Luft und bemühte sich, ruhig zu bleiben.

„Ich will euch nichts Böses.“, fing er an.

Die Gruppe brach ihn wildes Gelächter aus.

„Böses? DU? Was könntest du uns schon antun?“

„Du könntest nicht einmal unseren Hühnern etwas anhaben!“ brüllte ein anderer.

Steffen wurde rot als das Gelächter lauter wurde, doch er konnte nicht zulassen, dass sie ihn provozierten.

„Ich brauche eine Unterkunft und Essen. Ich habe starke Hände und kann arbeiten. Gebt mir eine Aufgabe und ich werde sie erfüllen. Ich brauche nicht viel. Nicht mehr als jeder andere Mann auch.“

Steffen war bereit, wieder niedrige Arbeiten zu leisten, so wie all die Jahre im Keller von König MacGil. Das würde ihn ablenken. Er konnte hart arbeiten und ein anonymes Leben führen, so wie er es getan hatte, bevor er Gwendolyn begegnet war.

„Du nennst dich selbst einen Mann?“, lachte einer.

„Vielleicht können wir einen Nutzen für ihn finden.“, schrie ein anderer.

Steffen sah ihn hoffnungsvoll an.

„Vielleicht kann er ja gegen unsere Hunde und Hühner kämpfen!“

Die Männer brüllten vor Lachen.

„Ich würde gutes Geld bezahlen, um das sehen zu können!“

„Hier draußen herrscht Krieg, falls ihr das noch nicht bemerkt habt.“, gab Steffen kühl zurück. „Ich bin sicher, dass ihr selbst in einem ländlichen und einfachen Ort wie diesem jede Hand gebrauchten könnt, um die Ernährung sicherzustellen.“

Die Dorfbewohner sahen einander sprachlos an.

„Natürlich wissen wir, dass wir ihm Krieg sind.“, sagte einer. „Doch unser Ort ist zu klein. Keine Armee wird sich die Mühe machen, hierher zu kommen.“

„Ich mag nicht wie du redest“, sagte ein anderer. „So hochtrabend? Klingt als hättest du ne Bildung. Denkst wohl, du bist besser als wir!“

„Ich bin nicht besser als jeder andere Mann“, sagte Steffen.

„Na das ist ja offensichtlich.“, lachte ein anderer.

„Genug der Stichelei!“ rief einer der Dorfbewohner in ernstem Ton.

Er trat vor und schob die anderen beiseite. Er war älter als die anderen und sah ernst aus. Die Menge verstummte in seiner Anwesenheit.

„Wenn du meinst, was du sagst“, sagte der Mann in einer tiefen, rauen Stimme, „kann ich gut ein extra Paar Hände in meiner Mühle gebrauchen. Ich zahle einen Sack Körner pro Tag und einen Krug Wasser. Du schläfst im Heuschober mit dem Rest der Jungen. Wenn du einverstanden bist, hast du Arbeit gefunden.“

Steffen nickte und war froh, endlich einen ernstzunehmenden Mann zu sehen.

„Ich will nicht mehr als das.“, sagte er.

„Hier entlang“, sagte der andere und bahnte sich seinen Weg durch die Menge.

Steffen folgte ihm zur großen hölzernen Getreidemühle, die von Jungen und Männern umgeben war. Jeder einzelne von ihnen war verschwitzt und mit Schmutz bedeckt und stand in matschigen Spuren und schob ein riesiges hölzernes Rad an – jeder von ihnen lief eine Speiche haltend stur voran. Steffen stand da und betrachtete die Arbeit die ihn erwartete. Er erkannte, dass es Knochenarbeit sein würde, doch sie würde ihren Zweck erfüllen. Steffen wandte sich um, um den Mann zu erklären, dass er sein Angebot annehmen würde, doch er war schon verschwunden. Die Dorfbewohner hatten sich nach ein paar letzten abschätzenden Bemerkungen wieder ihrer Arbeit zugewandt und Steffen blickte auf das Mühlrad; das neue Leben, das vor ihm lag.

Für einen kurzen Augenblick war er schwach gewesen, hatte er sich zu träumen erlaubt. Er hatte sich ein Leben in Schlössern vorgestellt, mit Rang und Adel. Er hatte sich selbst als eine wichtige Person gesehen, die Rechte Hand der Königin. Er hätte es besser wissen müssen. Natürlich war ihm das nicht vom Schicksal bestimmt gewesen. Was ihm zuteil geworden war, so wie die Begegnung mit Gwendolyn, war ein Zufall gewesen. Nun wurde sein Leben wieder zurückgesetzt werden. Doch wenigstens war es ein Leben das er kannte und verstand. Ein hartes Leben. Und ohne Gwendolyn würde dieses Leben genug für ihn sein.




KAPITEL SECHS


Thor drängte Mycoples schneller zu fliegen. Sie jagten durch die Wolken und kamen dem Tower of Refuge immer näher. Thor konnte mit jeder Faser seines Körpers spüren, dass Gwendolyn in Gefahr war. Er spürte, wie eine Vibration durch seine Fingerspitzen, durch seinen ganzen Körper lief, die ihn warnte. Schneller, flüsterte sie ihm zu.

Schneller.

„Schneller!“, drängte Thor Mycoples.

Mycoples brummte sanft und schlug stärker mit den Flügeln. Thor hatte noch nicht einmal etwas sagen müssen – Mycoples verstand ihn auch ohne Worte. Doch er sagte es trotzdem – er fühlte sich besser damit.

Doch er fühlte sich hilflos. Er spürte, dass etwas ganz und gar nicht mit Gwendolyn stimmte, und wusste, dass jeder Augenblick zählte.

Endlich brachen sie durch eine kleine Wolkenbank und Thor wurde sofort von einer Woge der Erleichterung überrannt – denn vor ihnen lag in der Ferne der Tower of Refuge. Er war ein altes und gespenstisch anmutendes Stück Architektur, ein perfekt runder, schlanker Turm, der sich fast bis zu den Wolken in den Himmel erhob.

Er war aus glänzendem, schwarzem Stein erbaut und Thor konnte seine Macht selbst von hier spüren.

Als sie näher kamen, sah er plötzlich etwas oben auf dem Turm. Eine Person. Sie stand mit ausgestreckten Armen am Rande der Zinnen. Ihre Augen waren geschlossen und sie schwankte im Wind.

Thor wusste sofort, wer sie war.

Gwendolyn.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals als er sie dort stehen sah. Er wusste, was sie dachte. Und er wusste warum. Sie dachte, er hätte sie aufgegeben, und er gab sich daran die Schuld.

„SCHNELLER!“, schrie Thor.

Mycoples schlug noch fester mit den Flügeln und flog so schnell, dass es Thor den Atem nahm.

Als sie Näher kamen, konnte Thor sehen, wie Gwen einen Schritt zurück machte, weg von der Kante, zurück auf das sichere Dach, und sein Herz füllte sich mit Erleichterung. Sie hatte ohne ihn gesehen zu haben ganz alleine die Entscheidung getroffen, nicht zu springen.

Mycoples brüllte und Gwen sah auf und sah Thor zum ersten Mal. Ihre Blicke fingen einander selbst auf die große Distanz hin ein und er sah die Überraschung in ihrem Gesicht.

Endlich landete Mycoples auf dem Dach und in dem Moment, in dem sie es tat, sprang Thor von ihrem Rücken und rannte auf Gwendolyn zu.

Sie wandte sich ihm zu und starrte ihn überrascht an. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen.

Thor rannte auf sie zu, sein Herz schlug wild, er war überwältigt vor Freude und streckte die Arme aus. Thor umarmte sie und wirbelte sie herum. Sie lagen sich in den Armen und hielten einander fest.

Thor hörte sie weinen und spürte, wie ihre heißen Tränen seinen Nacken hinunterliefen und er konnte kaum glauben, dass er wirklich hier war und sie in Armen hielt. Es war real. Das war der Traum, den er Tag für Tag und Nacht für Nacht geträumt hatte während er tief im Empire war und sich sicher war, dass er niemals wieder zurückkehren und Gwendolyn nie wieder sehen würde. Doch hier war er nun und spürte sie in seinen Armen.

Nachdem er so lange fort gewesen war, schien alles neu zu sein. Es war perfekt. Und er schwor, dass er nie wieder auch nur einen einzigen Augenblick mit ihr als selbstverständlich hinnehmen würde.

„Gwendolyn“, flüsterte er ihr ins Ohr.

„Thorgrin“, flüsterte sie zurück.

Sie hielten einander lange fest, und dann küssten sie sich. Es war ein langer, leidenschaftlicher Kuss, und keiner von ihnen wollte aufhören.

„Du lebst“, sagte sie. „Und du bist hier. Ich kann nicht glauben, dass du hier bist!“

Mycoples schnaubte und Gwen blickte über Thors Schulter als Mycoples einmal mit den Flügeln schlug. Furcht huschte über Gwens Gesicht.

„Hab keine Angst.“, sagte Thor. „Ihr Name ist Mycoples. Sie ist meine Freundin. Und sie wird auch deine Freundin sein. Lass sie mich dir vorstellen.“

Thor nahm Gwendolyn bei der Hand und führte sie langsam über das Dach. Er konnte ihre Angst spüren, während sie sich dem Drachen näherten. Er konnte es verstehen. Immerhin war sie ein echter Drachen, und so nah war Gwen noch nie zuvor in ihrem Leben einem Drachen gekommen.

Mycoples sah Gwendolyn mit ihren riesigen rot glühenden Augen an. Sie schnaubte sanft, wackelte mit den Flügeln und legten den Kopf in den Nacken. Thor konnte so etwas wie Neid spüren, und vielleicht Neugier.

„Mycoples, das ist Gwendolyn.“

Mycoples wandte stolz den Kopf ab. Doch dann drehte sie sich plötzlich wieder um und blickte Gwendolyn direkt in die Augen, gerade so, als ob sie bis auf den Grund ihrer Seele sehen konnte. Sie lehnte sich vor, so wie, dass ihr Gesicht fast das von Gwendolyn berührte.

Gwen keuchte vor Überraschung und Ehrfurcht. Sie hob zitternd ihre Hand, legte sie sanft auf Mycoples lange Nase und berührte ihre purpurnen Schuppen.

Wenige angespannte Augenblicke später zwinkerte Mycoples endlich, senkte ihre Nase und rieb sie an Gwens Bauch als Zeichen der Zuneigung. Sie rieb ihre Nase immer weiter an Gwens Bauch, gerade so, als wäre sie darauf fixiert, und Thor konnte nicht verstehen warum.

Dann wandte Mycoples genauso schnell den Blick ab und sah zum Horizont.

„Sie ist wunderschön“, flüsterte Gwen.

Sie wandte sich um und sah Thor an.

„Ich hatte die Hoffnung auf deine Rückkehr schon aufgegeben.“, sagte sie. „Ich habe nicht mehr damit gerechnet.“

„Ich auch nicht“, sagte Thor. „Nur der Gedanke an dich hat mich am Leben gehalten. Hat mir einen Grund gegeben, weiterzuleben und zurückzukehren.“

Sie umarmten sich wieder und hielten einander fest, während der kalte Winterwind sie umwehte.

Gwendolyn senkte den Blick, sah das Schwert des Schicksals an Thors Hüfte hängen und riss die Augen auf. Sie keuchte.

„Du hast das Schwert zurück gebracht.“, sagte sie und sah ihn ungläubig an. „Du bist der, der es führt!“

Thor nickte.

„Doch wie…“, begann sie und war überwältigt.

„Ich weiß nicht wie“, sagte Thor, „ich konnte es einfach.“

Ihre Augen weiteten sich hoffnungsvoll, als ihr etwas anderes einfiel.

„Dann haben wird den Schild wieder.“, sagte sie voller Hoffnung.

Thor nickte wieder.

„Andronicus ist in der Falle.“, sagte er. „Wir haben bereits King’s Court und Silesia befreit.“

Freude und Erleichterung huschten über Gwendolyns Gesicht.

„Du hast unsere Städte befreit“, bemerkte sie.

„Zum größten Teil war es Mycoples. Und das Schwert. Ich war einfach nur da.“

Gwen strahlte.

„Und unsere Leute? Sind sie sicher? Hat irgendwer überlebt?“

Thor nickte.

„Fast alle sind am Leben und es geht ihnen gut.“

Sie strahlte und sah auf einmal wieder wie das junge Mädchen aus, das sie war.

„Kendrick erwartet dich in Silesia.“, sagte Thor. „Genauso wie Godfrey, Reece, Srog und viele, viele andere. Sie sind frei und gesund und die Stadt ist frei.“

Gwendolyn sprang Thor in die Arme und hielt ihn fest. Er konnte die Welle der Erleichterung spüren, die sie durchfuhr.

„Ich hatte befürchtet, dass alle zerstört und für immer verloren wäre.“, weinte sie.

Thor schüttelte den Kopf.

„Der Ring hat überlebt.“, sagte er. „Andronicus ist auf der Flucht. Wir werden zurückkehren und ihn ein für alle Mal auslöschen. Und dann werden wir anfangen, alles wieder aufzubauen.“

Gwendolyn drehte sich plötzlich um und starrte in den Himmel. Sie wickelte ihren Mantel enger um ihre Schultern und ihr Blick war voller Sorgen.

„Ich weiß nicht, ob ich wieder zurückkehren kann.“, sagte sie zögerlich. „Als du fort warst ist mir etwas zugestoßen.“

Thor griff sanft ihre Schultern, drehte sie zu sich um und sah sie an.

„Ich weiß, was dir zugestoßen ist.“, sagte er. „Deine Mutter hat es mir gesagt. Du hast keinen Grund dich zu schämen.“, sagte er.

Gwen sah ihn an und in ihrem Blick lag Überraschung und Verwunderung.

„Du weißt es?“ fragte sie erschrocken.

Thor nickte.

„Es ist bedeutungslos.“, sagte er. „Ich liebe dich genauso wie zuvor. Sogar noch mehr. Unsere Liebe – das ist, was zählt. Sie ist unzerstörbar. Ich werde Rache für dich üben und Andronicus selbst töten. Doch unsere Liebe – sie wird niemals sterben.“

Wieder fiel Gwen Thor in die Arme und ihre Tränen liefen ihm über den Nacken. Er konnte spüren, wie erleichtert sie war.

„Ich liebe dich“, flüsterte Gwen ihm ins Ohr.

„Und ich liebe dich auch.“, antwortete er.

Thor stand da, hielt sie fest und sein Herz schlug wild vor Anspannung. Er wollte jetzt, in diesem Augenblick um ihre Hand anhalten. Doch er hatte das Gefühl, dass er es nicht tun konnte, bevor er ihr gesagt hatte, wer sein Vater war.

Der Gedanke daran füllte ihn mit Scham. Hier stand er und hatte gerade eben geschworen, den Mann zu töten, den sie beide am Meisten hassten. Und mit den nächsten Worten sollte er verkündigen, dass Andronicus sein Vater war?

Thor war sich sicher, dass Gwendolyn ihn für immer hassen würde. Und er konnte nicht riskieren, sie zu verlieren. Nicht nach allem, was geschehen war. Er liebte sie zu sehr.

Darum griff er mit zitternden Händen unter sein Hemd und zog die Halskette hervor, die er unter den Schätzen des Drachen gefunden hatte, mit der goldenen Kette und dem glänzenden goldenen Herzen, das mit Diamanten und Rubinen besetzt war. Er hielt sie ans Licht und Gwen keuchte bei ihrem Anblick. Thor trat hinter sie und legte sie ihr um den Hals.

„Ein kleiner Beweis meiner Liebe und Zuneigung“, sagte er.

Es lag wunderschön auf ihrer Brust. Das Gold schimmerte im Licht und die Steine glitzerten.

Der Ring brannte im Säckchen um seinen Hals, und Thor schwor, dass er ihn ihr zur rechten Zeit geben würde. Wenn er den Mut aufbringen konnte, ihr die Wahrheit zu sagen. Doch jetzt war nicht die Zeit dazu, so sehr er es auch gehofft hatte.

„Du siehst, der Weg zurück steht dir frei“, sagte Thor und strich ihr mit der Hand über die Wange. „Du musst zurückkehren. Dein Volk braucht dich. Sie brauchen einen Anführer. Der Ring ist nichts ohne einen Anführer. Sie warten auf deine Führung. Andronicus hält immer noch den halben Ring besetzt und unsere Städte müssen wieder aufgebaut werden.“

Er sah ihr in die Augen und konnte sehen, dass sie überlegte.

„Sag ja“, drängte Thor sie. „Komm mit mir zurück. Der Tower ist kein Ort an dem ein junges Mädchen den Rest ihrer Tage verbringen sollte. Der Ring braucht dich. Ich brauche dich.“

Thor streckte ihr eine Hand entgegen und wartete.

Gwendolyn senkte den Blick und zögerte.

Doch dann griff sie schließlich seine Hand. Ihre Augen wurden heller und glühten vor Wärme und Liebe. Er konnte sehen, dass die alte Gwendolyn langsam ihren Weg zurück ins Leben fand, voller Leben, Liebe und Frohsinn. Sie war wie eine Blüte, die vor seinen Augen wieder aufgeblüht war.

„Ja“, sagte sie sanft und lächelte.

Sie umarmten einander und schworen, nie wieder loszulassen.




KAPITEL SIEBEN


Erec öffnete seine Augen und fand sich in Alistairs Armen wieder. Er blickte ihr in die Kristallblauen Augen die voller Liebe und Wärme auf ihn herabblickten. Sie lächelte sanft und er konnte die Wärme spüren, die aus ihren Händen in seinen Körper strömte. Als er sich bewegte, fühlte er sich geheilt, wiedergeboren, gerade so, als wäre er nie verletzt gewesen. Sie hatte ihn von den Toten zurückgeholt.

Erec setzte sich auf und sah Alistair überrascht in die Augen und fragte sich zum wiederholten Male, wer sie wirklich war, und woher sie diese Kräfte hatte.

Als Erec sich aufsetzte und sich den Kopf rieb fiel ihm sofort ein: Andronicus Männer. Der Angriff. Die Verteidigung der Schlucht. Der Felsbrocken.

Erec sprang auf und sah, wie seine Männer ihn ansahen, als hätten sie seine Wiederauferstehung erwartet – und seinen Befehl. In ihren Gesichtern konnte er Erleichterung sehen.

„Wie lang bin ich bewusstlos gewesen?“, fragte er Alistair. Er fühlte sich schuldig, dass er seine Männer so lange im Stich gelassen hatte.

Doch sie lächelte ihn liebevoll an.

„Nicht länger als einen Augenblick.“, sagte sie.

Erec konnte nicht verstehen, wie das sein konnte. Er fühlte sich so erholt, als hätte er jahrelang geschlafen. Er spürte eine neue Energie als er aufstand, in Richtung der Schlucht lief um dort das Ergebnis seines Handwerks zu betrachten: Der riesige Felsbrocken, den er zertrümmert hatte, versperrte die Schlucht nun vollständig und Andronicus Männer konnten nicht mehr hindurch kommen. Sie hatten das Unmögliche erreicht, und zumindest für den Augenblick eine riesige Armee abgewehrt.

Doch noch bevor er ihren Sieg feiern konnte, hörte Erec plötzlich einen Schrei von oben und blickte auf: Auf der Klippe schrie einer seiner Männer auf, stolperte zurück und fiel tot vor ihm zu Boden.

Erec sah, dass ein Speer den Körper des Mannes durchbohrt hatte, dann wandte er den Blick wieder nach oben und sah Kampfgeschehen überall, begleitet von Schreien und dem Klirren von Metall. Vor seinen Augen erschienen dutzende von Andronicus Männern auf den Klippen und Kämpften gegen die Männer des Barons, Schlag um Schlag, und Erec erkannte, was geschehen war: Der Kommandant hatte seine Truppe geteilt, hatte den einen Teil durch die Schlucht und den anderen über die Berge geschickt.

„AUF DEN GIPFEL!“, befahl Erec. „KLETTERT LOS!“

Die Männer des Barons folgten ihm, als er mit dem Schwert in der Hand den Berg hinauf stürmte und sich Schritt um Schritt den steilen Hang aus Staub und Steinen hinauf kämpfte. Alle paar Meter rutschte er und musste sich mit der Hand an einem Felsen festhalten, um nicht abzurutschen. Er rannte, doch der Fels war zu steil um zu rennen, sodass er eher klettern musste; jeder Schritt war ein Kampf und die Rüstungen klimperten während die Männer wie Bergziegen nach oben keuchten.

„BOGENSCHÜTZEN!“, schrie Erec.

Unter ihm hielten mehrere Dutzend Bogenschützen, die ebenfalls den Berg erklommen, inne und zielten auf den Gipfel der Klippe. Sie ließen einen Schwarm von Pfeilen los und etliche feindliche Krieger schrien auf und fielen in den Tod. Ein Mann fiel direkt auf Erec zu und er konnte sich gerade noch ducken, um ihr auszuweichen. Doch einer der Männer des Barons hatte nicht so viel Glück: der Tote traf ihn und riss ihn mit sich in den Abgrund.

Die Bogenschützen bezogen ihre Positionen entlang des Weges nach oben, und feuerten jedes Mal, wenn ein feindlicher Krieger es wagte, seinen Kopf über die Klippen zu stecken eine neue Salve ab.

Doch der Kampf oben auf der Klippe war Nahkampf auf engstem Raum, und ein Pfeil verfehlte sein Ziel und traf versehentlich einen der Männer des Barons in den Rücken. Der Empire Krieger gegen den er gekämpft hatte, nutzte den Augenblick und stieß ihn über die Kante; doch er gab dafür seine Deckung auf, und musste es mit seinem Leben bezahlen.

Erec verdoppelte seine Bemühungen, genau wie die anderen Männer um ihn herum, und spurteten mit aller Kraft die Klippe hinauf. Als er nur wenige Meter von der Kante entfernt war, rutschte er aus und fiel; er wedelte wild mit den Armen, streckte sich und konnte eine dicke Wurzel greifen, die unter einem Fels hervorkam. Er hielt sich fest, zog sich daran hoch und kam wieder auf die Beine. Er erreichte die Kante als erster und stürmte mit einem lauten Schlachtruf auf den Lippen voran. Er hatte sein Schwert hoch erhoben, und war bereit seine Männer zu unterstützen, die krampfhaft versuchten, ihre Positionen zu halten, jedoch langsam zurückgedrängt wurden. Er hatte nicht mehr als ein paar Dutzend Männer hier oben, die alle in Kämpfe Mann gegen Mann mit feindlichen Kriegern verwickelt waren jeweils zwei zu eins in der Unterzahl. Und es kamen immer mehr Empire Krieger auf dem Gipfel an.

Erec kämpfte wie wild, stürzte sich nach vor und erstach zwei Männer auf einmal. Niemand im gesamten Ring war schneller und geschickter im Kampf als er, und mit zwei Schwertern in der Hand nutzte Erec die einzigartige Fähigkeit des Meisters der Silver um das Empire zurückzuschlagen. Er alleine war eine Welle der Zerstörung als er herumwirbelte, sich duckte und zuschlug, und sich mitten unter die Empire Krieger warf. Er wich aus, verteilte Kopfstöße und parierte, und war so schnell, dass er auf seinen Schild verzichtete. Erec stürmte wie ein Wirbelwind durch ihre Reihen und stürzte ein Dutzend Krieger von den Klippen bevor sie auch nur den Hauch einer Chance gehabt hatten, sich selbst zu verteidigen. Und die Männer des Barons um ihn herum unterstützten ihn.

Hinter ihm erreichten die übrigen Männer den Gipfel, Brandt und der Baron führten sie an und kämpften bald an Erecs Seite. Das Blatt wendete sich und sie drängten die Männer des Empire zurück und Leichen stapelten sich um sie herum.

Erec nahm seine Angriffsposition gegenüber dem letzten Empire Krieger auf dem Kliff ein und trieb ihn in die Enge. Schließlich holte er Schwung und schickte ihn mit einem Tritt vom Plateau die feindliche Seite hinunter. Der Mann schrie, als er in die Tiefe fiel. Erec und seine Männer standen da und versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Erec ging an den Rand der Seite der Klippe, die dem Empire gehörte. Er wollte sehen, was unten vor sich ging. Sie hatten aufgehört, Männer nach oben zu schicken, doch Erec hatte das ungute Gefühl, dass sie vielleicht noch etwas in der Reserve hatten. Seine Männer gesellten sich zu ihm und blickten ebenfalls ins Tal.

Nicht einmal Erecs wildeste Vorstellungen konnten ihn darauf vorbereiten, was er unten sah. Sein Herz sank. Trotz hunderten von Männern, die sie getötet hatten, trotz der Tatsache, dass sie die Schlucht  versiegelt hatten und die Klippe eingenommen hatten, waren unter ihnen nach wie vor zehntausende von Empire Kriegern.

Erec konnte es kaum glauben. Es hatte ihnen alles abverlangt so weit zu kommen, und all der Schaden, den sie angereichtet hatten, hatte nicht einmal eine Delle in der sprichwörtlichen Rüstung des Empire hinterlassen. Sie würden einfach immer mehr Männer hier hoch schicken. Erec und seine Männer würden ein paar Dutzend mehr vielleicht sogar ein paar Hundert mehr töten. Doch irgendwann würde sich die Überzahl durchsetzen.

Erec stand da und fühlte sich hoffnungslos. Zum ersten Mal in seinem Leben, war er sich sicher, dass er sterben würde. Hier an diesem Ort, an diesem Tag. Es gab keinen Ausweg. Er bereute es nicht. Er hatte eine heroische Verteidigung geführt, und wenn er sterben sollte, dann gab es keinen besseren Ort und keine bessere Zeit dafür. Er griff sein Schwert und bereitete sich darauf vor. Sein einziges Zögern galt der Sicherheit Alistairs.

„Nun, wir hatten einen guten Lauf“, hörte er eine Stimme sagen.

Erec wandte sich um und sah Brandt neben sich stehen. Er hatte die Hand auf seinen Schwertknauf gelegt und sah genauso resigniert aus wie er. Sie hatten unzählige Schlachten zusammen geschlagen, und waren viele Male in der Unterzahl gewesen – und doch hatte Erec nie diesen Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes gesehen. Er war das Spiegelbild seines eigenen und signalisierte, dass der Tod auf sie wartete.

„Wenigstens werden wir kämpfend untergehen“, sagte der Baron.

Er sprach genau das aus, was Erec dachte.

Unter ihnen blickten die Männer des Empire auf, gerade so als ob sie es auch bemerkt hätten. Tausende sammelten sich und marschierten mit gezogenen Waffen im Gleichschritt auf die Klippe zu. Hunderte von Bogenschützen des Empire knieten nieder und Erec wusste, dass sie nur noch Augenblicke vom Blutvergießen entfernt waren. Er holte tief Luft und bereitete sich darauf vor. Plötzlich hörte er von irgendwoher ein Kreischen am Himmel. Erec blickte suchend auf und fragte sich, ob er es sich nur eingebildet hatte. Er hatte vor langer Zeit einmal den Schrei eines Drachen gehört, und er glaubte, dass das, was er gehört hatte, ganz ähnlich klang. Es war ein Klang, von dem er nie gedacht hätte, dass er ihn noch einmal hören würde. Es konnte nicht sein. Ein Drachen? Hier im Ring?

Erec legte den Kopf in den Nacken, und in der Ferne sah er, was sich für immer in seine Erinnerung einbrennen sollte: zwischen den Wolken hervor kam ein riesiger purpurner Drache mit glühend roten Augen auf sie zugeflogen. Sein Anblick füllte Erec mit Furcht, mehr als eine Armee ihm hätte einflössen können.

Doch als er näher hinsah, verwandelte sich seine Angst in Verwirrung. Er war sich sicher, zwei Personen auf dem Rücken des Drachen reiten zu sehen. Und als Erec seine Augen zusammenkniff, erkannte er sie. Bildete er sich das alles nur ein?

Dort auf dem Rücken des Drachen saß Thorgrin, und hinter ihm hielt Gwendolyn, die Tochter von König MacGil die Arme um ihn geschlungen.

Noch bevor Erec verarbeiten konnte, was er da sah, tauchte der Drachen herab wie ein Adler auf seine Beute. Er öffnete sein Maul und kreischte fürchterlich; der Klang war so schrill, dass ein Felsbrocken neben Erec zerbarst. Der Boden erzitterte und Feuer begann aus dem Maul des Drachen auf die Männer des Empire herabzuregnen.

Das Tal füllte sich mit den Schreien von tausenden von Kriegern des Empire, als eine feurige Welle nach der anderen sie einhüllte, bis das ganze Tal in Flammen stand. Thor lenkte tausende von ihnen aus. Die verbliebenen Krieger rannten um ihr Leben in Richtung Horizont. Doch Thor jagte sie und ließ den Drachen immer mehr Feuer speien.

Innerhalb weniger Augenblicke waren alle Männer des Empire unterhalb von Erecs Position – die ihn und seine Männer mit Sicherheit getötet hätten – selbst tot. Von ihnen blieb nicht mehr als verkohlte Leichen, Feuer und Flammen, Seelen, die einmal waren. Das gesamte Bataillon war fort.

Erec blickte mit vor Schreck weit geöffnetem Mund auf und beobachtete, wie sich der Drachen hoch in die Luft erhob, mit seinen Flügeln schlug und an ihnen vorbei flog. Er flog in Richtung Norden. Seine Männer brachen in lauten Jubel aus, als er über sie hinweg flog.

Erec war sprachlos in der Bewunderung von Thors Heldentaten, seiner Furchtlosigkeit und seiner Kontrolle über das Tier und die Fähigkeiten des Tiers. Erec war eine zweite Chance gegeben worden zu leben – ihm und allen seinen Männern – und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich wirklich optimistisch. Nun konnten sie gewinnen. Selbst gegen Andronicus gigantische Armee konnten sie mit einem Tier wie diesem gewinnen.

„Männer, auf geht’s Marsch!“, befahl Erec.

Er war fest entschlossen, der Spur des Drachen zu folgen, dem Geruch des Schwefels und dem Feuer am Himmel – wo auch immer es ihn hinführen würde. Thorgrin war zurückgekehrt und es war an der Zeit, sich ihm anzuschließen.




KAPITEL ACHT


Kendrick stürmte begleitet von seinen Männern auf Vinesia zu, der Stadt, in die sich Andronicus Bataillon zurückgezogen hatte. Ein hohes, eisernes Fallgitter blockierte die Stadttore, die Steinmauern waren stark, und Andronicus Männer die innerhalb und außerhalb der Mauern lagerten waren deutlich in der Überzahl. Und das Überraschungsmoment war auch nicht mehr auf Kendricks Seite. Und was noch schlimmer war, hinter der Stadt fluteten tausende von Empire Kriegern die Ebene um die Position in Vinesia zu verstärken. Gerade als Kendrick sicher war, sie in die Flucht geschlagen zu haben, kippte die Situation. Tatsächlich marschierte nun eine ganze Armee geordnet und diszipliniert auf Kendrick zu – eine massive Welle der Zerstörung, bereit, über ihn und seine Männer einzubrechen.

Die einzige Alternative zum Kampf war der Rückzug nach Silesia, und es für eine Weile zu halten, bis das Empire es wieder einnahm und sie alle wieder Sklaven wurden. Und das durfte nicht sein.

Kendrick war nie einer gewesen, der sich vor einer Konfrontation zurückgezogen hätte, selbst wenn er in der Unterzahl war und das galt auch für die tapferen Krieger aus MacGils Armee, aus Silesia und die Männer der Silver. Sie alle würden mit ihm in den Tod gehen. Kendrick umklammerte den Knauf seines Schwertes fester. Er wusste genau, was er an diesem Tag zu tun hatte.

Von den Männern des Empire erschallte lautes Schlachtgeschrei, und Kendrick begegneten dem Schrei mit ihrem eigenen, noch lauteren.

Als Kendrick und seine Männer den Hügeln hinunterritten, um sich der entgegenkommenden Armee zu stellen, wussten sie, dass es eine Schlacht war, die sie nicht gewinnen konnten – doch sie waren fest entschlossen, sie dennoch zu schlagen. Kendrick spürte den Wind in seinem Gesicht, und die Vibration des Schwertknaufs in seiner Hand, und er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er sich selbst im Schlachtgetümmel verlor, im wohlbekannten Ritus der Schwerter.

Kendrick vernahm überrascht ein Kreischen hoch über sich; er legte den Kopf in den Nacken und sah etwas pfeilschnell durch die Wolken schießen. Er hatte es schon einmal gesehen – es war Thor auf dem Rücken von Mycoples – doch es nahm ihm immer noch den Atem. Besonders diesmal, denn er entdeckte auch Gwendolyn auf dem Rücken des Drachen.

Kendricks Herz schwall, als er sah, wie sie aus den Wolken hinabtauchten und er erkannte, was gleich geschehen würde.

Er grinste breit, hob sein Schwert höher und ritt schneller, und wusste sicher, dass der Sieg an diesem Tage ihrer sein würde.


*

Thor und Gwen flogen auf dem Rücken von Mycoples durch die Wolken und sie schlug mit ihren riesigen Flügeln als Thor sie drängte, schneller zu fliegen. Er konnte die Gefahr für Kendrick und die anderen unter sich spüren als sie durch die Wolken brachen. Vor ihnen tat sich die Szene in der Weite der Landschaft auf: zwischen den sanften Hügeln sah er die riesige Division von Andronicus Männern, die auf Kendricks Männer zustürmte.

Thor lenkte Mycoples nach unten.

„Tiefer!“, flüsterte er.

Sie tauchte nach unten, so dicht über den Boden, dass Thor beinahe abspringen konnte, und spie Feuer. Thor spürte die Hitze. Welle um Welle von Feuer rollte über die Ebene, begleitet von den panischen Schreien von Andronicus Männern. Mycoples ließ Zerstörung auf sie herabregnen, anders als alles, was die Männer je gesehen hatte. Sie setzte die Landschaft meilenweit in Brand und tausende von Männern fielen.

Die Überlebenden drehten sich um und suchten ihr Heil in der Flucht. Thor überließ die verbliebenen Männer Kendrick und wandte sich den Männern innerhalb der Stadt zu.

Er wusste, dass Mycoples innerhalb eines so beengten Bereichs nur schlecht manövrieren konnte, und es zu riskant sein würde, sie innerhalb der steilen, engen Wände zu landen. Thor sah, wie hunderte von Männern mit Pfeilen und Speeren gen Himmel zielten, und er fürchtete, dass sie Mycoples auf diese kurze Distanz verletzen könnten. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er spürte, wie das Schwert des Schicksals in seiner Hand pulsierte und wusste, dass dies eine Schlacht war, die er selbst schlagen müssen würde.

Thor ließ Mycoples vor der Stadt landen, direkt vor dem riesigen eisernen Fallgitter. Als sie landete, flüsterte Thor ihr ins Ohr: „Das Tor. Brenn es nieder und ich übernehme den Rest.“

Mycoples saß da, wedelte zustimmend mit den Flügeln und brummte. Sie wollte lieber bei Thor bleiben und mit ihm kämpfen. Doch Thor ließ es nicht zu.

„Das ist meine Schlacht.“, insistierte er. „Und du musst Gwen in Sicherheit bringen.“

Mycoples folgte. Sie lehnte sich zurück und spie Feuer auf das eiserne Tor, bis es einfach schmolz. Dann lehnte sich Thor zu Mycoples Ohr hinunter und flüsterte: „Und nun flieg! Bring Gwendolyn in Sicherheit.“

Er sprang von ihrem Rücken und fühlte das Pochen des Schwerts des Schicksals in seiner Hand.

„Thor!“, rief Gwen.

Doch Thor rannte bereits durch die geschmolzenen Tore. Er hörte, wie sich Mycoples in die Lüfte erhob und wusste, dass sie Gwen in Sicherheit bringen würde.

Er rannte durch die offenen Tore in den Hof und mitten ins Herz der Stadt, mitten unter tausend feindliche Krieger. Das Schwert des Schicksals vibrierte in seiner Hand als wäre es lebendig, und er fühlte sich mit jedem Schritt, als führte das Schwert ihn und alles was er tun musste, war es zu halten.

Thor spürte, wie sich sein Körper bewegte, er in jede Richtung angriff, das Schwert durch Männer hindurchschnitt, als wären es Butter und dutzende mit einem einzigen Streich tötete.

Thor fuhr herum und ließ eine Welle der Zerstörung in alle Richtungen los. Zunächst versuchten die Männer des Empire ihn anzugreifen, doch nachdem Thor durch ihre Schilde, ihre Rüstungen und ihre Waffen schnitt, als wären sie nicht einmal da, nachdem er Reihe um Reihe von Männern tötete, erkannten sie, was ihnen gegenüberstand: ein magischer, unaufhaltsamer Wirbelwind der Zerstörung. In der Stadt brach heilloses Chaos aus. Tausende von Empire Kriegern versuchten zu fliehen. Doch sie konnten nicht entkommen. Thor war so schnell, als würde sich ein Blitz durch die Stadt ausbreiten. Die Krieger rannten in Panik zu den Stadtmauern und trampelten sich gegenseitig nieder.

Doch Thor ließ sie nicht entkommen. Er stürmte in jeden Winkel der Stadt – das Schwert führte ihn mit unglaublicher Geschwindigkeit, und in Gedanken bei Gwendolyn und was Andronicus ihr angetan hatte, übte er Rache und tötete er einen Krieger nach dem anderen. Es war an der Zeit, dass er richtig stellte, was Andronicus dem Ring angetan hatte.

Andronicus , sein Vater. Der Gedanke daran, brannte durch ihn wie ein Feuer. Mit jedem Schwerthieb stellte sich Thor vor, ihn zu töten, und damit seine Herkunft auszulöschen. Thor wollte jemand anderes sein, von anderem Geblüt. Er wollte einen Vater, auf den er stolz sein konnte. Jeden Vater, nur nicht Andronicus . Und wenn er genug seiner Männer tötete, dann würde er sich vielleicht auch von Andronicus befreien.

Thor kämpfte im Taumel, wandte sich in jede Richtung, bis er endlich bemerkte, dass er ins Leere hieb. Er sah sich um und bemerkte, dass jeder einzelne von Andronicus Männern tot am Boden lag. Die Stadt war voller Leichen. Es war niemand mehr übrig, den er hätte töten können.

Thor stand alleine auf dem Hauptplatz und atmete schwer. Das Schwert glühte in seiner Hand und keine Menschenseele war mehr da, um ihn anzugreifen.

Thor hörte aus der Ferne Jubel aufbranden und erwachte. Er lief vor die Stadt und sah, wie Kendricks Männer die Reste der Arme verfolgten.

Als Thor aus dem Stadttor kam, sah Mycoples ihn und landete mit Gwendolyn auf dem Rücken. Thor stieg auf und sie erhoben sich wieder in die Lüfte. Sie flogen über Kendricks Armee hinweg und Thor sah sie wie Ameisen unter sich. Sie jubelten siegestrunken, als er über sie hinwegflog. Vor ihnen waren nur noch verstreute Reste von Andronicus Legionen.

„Tiefer.“, flüsterte Thor.

Sie tauchten hinab, und Mycoples spie Feuer auf die verbliebenen Männer des Empire. Die Wand aus Feuer wuchs immer schneller und löschte eine Reihe nach der anderen aus. Schreie erhoben sich zum Himmel und bald hatte Thor die restliche Nachhut ausgelöscht. Alle waren tot.

Sie flogen weiter über die unendliche Weite und Thor wollte sichergehen, dass niemand mehr übrig war. In der Ferne sah Thor die Highlands, die den Osten vom Westen trennte. Zwischen hier und den Highlands war nicht ein einziger Empire Krieger mehr am Leben. Thor war zufrieden.

Das gesamte Westliche Königreich war befreit. Genug des Tötens für einen einzelnen Tag. Die Sonne begann sich zu senken, und was auch immer auf der östlichen Seite der Highlands lag, konnte für den Augenblick dort bleiben.

Thor lenkte Mycoples zurück zu Kendrick. Die Landschaft zog unter ihm vorbei und er hörte die Jubelschreie der Männer unter sich, die seinen Namen riefen.

Er landete vor der Armee, stieg ab und half auch Gwendolyn von Mycoples Rücken.

Sie wurden von einer riesigen Gruppe in Empfang genommen, und der Jubel des Sieges brandete von allen Seiten auf. Kendrick, Godfrey, Reece und seine Legionsbrüder, die Silver und alle die Thor kannte, kamen sie auf sie zugestürmt um ihn und Gwendolyn zu umarmen.

Endlich waren sie vereint.

Endlich waren sie frei.




KAPITEL NEUN


Andronicus stürmte in einem plötzlichen Wutanfall durch das Lager, hieb mit seinen langen Klauen und trennte einem jungen Krieger, der unglücklicher Weise zur falschen Zeit am falschen Ort stand, den Kopf ab. Während er durch das Lager wütete, enthauptete er einen Mann nach dem anderen, bis die Männer um ihr Leben rannten, um ihm aus dem Weg zu gehen. Sie hätten wissen müssen, dass man sich besser nicht in seiner Nähe aufhält, wenn er schlechte Laune hatte.

Die Krieger stoben auseinander als Andronicus durch das Lager stürmte und versuchten einen gesunden Abstand zu halten. Sogar seine Generäle folgten ihm in sicherer Distanz – sie kannten seine Wutausbrüche und wussten, dass es besser war, ihm nicht zu nahe zu kommen.

Eine Niederlage war eine Sache. Doch eine derartige Niederlage – das hatte es in der Geschichte des Empire noch nie gegeben. Andronicus war noch nie zuvor besiegt worden. Sein Leben war eine lange Reihe von Siegen gewesen. Jeder einzelne davon brutaler und befriedigender als der davor. Er hatte nicht gewusst, wie sich eine Niederlage anfühlte. Doch nun wusste er es. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

Andronicus spielte in Gedanken wieder und wieder durch, was geschehen war, und wie die Dinge so schrecklich schief gelaufen waren. Gestern war sein Sieg vollständig erschienen, der Ring hatte ihm gehört. Er hatte King’s Court zerstört und Silesia erobert; hatte alle MacGils unterworfen und ihre Anführerin, Gwendolyn, erniedrigt; er hatte ihre besten Krieger hoch oben an Kreuzen gefoltert, hatte Kolk umbringen lassen, und war im Begriff, Kendrick und die anderen zu exekutieren. Argon hatte sich eingemischt, hatte ihm Gwendolyn entrissen, bevor er sie hatte töten können, und Andronicus war im Begriff gewesen, das zu korrigieren; sie zurückzuholen und mit den anderen umzubringen. Er war einen einzigen Tag entfernt gewesen vom absoluten Sieg und uneingeschränkter Größe.

Und dann hatte sich alles so unglaublich schnell zum Schlechten gewandt. Thor und dieser Drachen waren am Horizont aufgetaucht wie eine üble Geistererscheinung, hatten sich aus den Wolken herabgeschwungen mit einem Regen von Feuer und dem Schwert des Schicksals und hatten ganze Divisionen ausgelöscht. Andronicus hatte alles aus sicherer Distanz mitangesehen; er hatte die gute Entscheidung getroffen, sich auf diese Seite der Highlands zurückzuziehen, während seine Boten ihm den ganzen Tag über Bericht erstatteten über den Schaden, den Thor und der Drachen angerichtete hatten. Im Süden, in der Nähe von Savaria, war ein ganzes Bataillon ausgelöscht; in King’s Court und Silesia war es auch nicht besser. Nun war das gesamte Westliche Königreich des Rings, das einst unter seiner Kontrolle stand, befreit. Es war unfassbar.

Er kochte vor Wut im Gedanken an das Schwert des Schicksals. Es hatte so viel Mühen gekostet, es auf dem Ring fort zu bekommen, und nun, da es zurück war, war der Schild wieder intakt. Das bedeutete, dass er und seine Männer hier gefangen waren; natürlich konnte er den Ring verlassen, doch er konnte keine Verstärkung mehr nach drinnen bekommen. Seiner Schätzung nach hatte er immer noch eine halbe Million Männer hier, auf seiner Seite der Highlands, mehr als genug, um die MacGils zu schlagen;  doch gegen Thor, das Schwert des Schicksals und den Drachen, war die Anzahl seiner Männer nunmehr egal. Nun sprach ironischerweise alles gegen ihn. Er fand sich in einer Position wieder, in der er noch nie zuvor gewesen war.

Und als ob die Dinge nicht noch schlimmer werden konnten, hatte seine Spione ihm Bericht erstattet von Unruhen in der Hauptstadt, davon dass Romulus versuchte, ihm den Thron wegzunehmen.

Andronicus knurrte vor Wut und stürmte durch sein Lager. Er wälzte in Gedanken seine Möglichkeiten und suchte nach irgendjemandem, dem er die Schuld geben konnte. Er wusste, dass es als Kommandant das Klügste gewesen wäre, den taktischen Rückzug anzutreten und den Ring jetzt zu verlassen, bevor Thor und sein Drachen sie fanden; die Truppen, die er noch hatte, zu bergen, und in Schande zurück ins Empire zu segeln um seinen Thron zu bewahren. Immerhin war der Ring nur ein kleines Fleckchen in den Weiten des Empire, und jeder große Anführer hatte das Recht auf zumindest eine Niederlage. Er würde immer noch neunundneunzig Prozent der Welt regieren, und er wusste, dass er damit mehr als zufrieden sein konnte.

Doch das war nicht der Weg des Großen Andronicus. Andronicus war niemand der besonnen handelte oder sich mit dem Status Quo zufrieden gab. Er war immer seiner Leidenschaft gefolgt und auch wenn er wusste, dass es riskant war, war er nicht dazu bereit, diesen Ort  zu verlassen, seine Niederlage einzugestehen und dem Ring zu erlauben, sich seinem Griff zu entwinden. Selbst wenn er sein Reich opfern musste, er würde einen Weg finden, diesen Ort zu zerstören und zu unterwerfen. Egal was dazu nötig war. Andronicus konnte den Drachen und das Schwert des Schicksals nicht kontrollieren. Doch Thorgrin… das war eine andere Sache. Er war sein Sohn.

Andronicus blieb stehen und seufze bei dem Gedanken. Welche Ironie! Sein eigener Sohn war das letzte Hindernis auf seinem Weg zur Weltherrschaft. Irgendwie schien es passend. Unausweichlich. Es war immer so, das wusste er; die Menschen die ihm am nächsten standen konnten ihm den schlimmsten Schaden zufügen.

Er erinnerte sich an die Prophezeiung. Es war natürlich ein Fehler gewesen, seinen Sohn am Leben zu lassen. Der größte Fehler seines Lebens. Doch es war sein Schwachpunkt gewesen, auch wenn die Prophezeiung vorhersagte, dass das zu seinem eigenen Untergang führen konnte. Er hatte Thor am Leben gelassen, und nun war die Zeit gekommen, den Preis dafür zu bezahlen.

Andronicus stürmte weiter durch das Lager, dicht gefolgt von seinen Generälen, bis er endlich den Rand erreichte und ein Zelt erreichte, das kleiner war als die andren, das eine rote Zelt in einem Meer aus Schwarz und Gold. Das einzige Zelt, das seine Männer fürchteten.

Rafi.

Andronicus persönlicher Zauberer, die finsterste Gestalt, der er je begegnet war. Rafi hatte Andronicus auf jedem Schritt seines Weges beraten, hatte ihn mit seinen finsteren Kräften beschützt und war mehr als jeder andere verantwortlich für seinen Aufstieg. Andronicus missfiel es, sich an ihn zu wenden, zuzugeben, wie sehr er ihn brauchte. Doch wenn er einem Hindernis begegnete, das nicht von dieser Welt war, etwas Magischem, dann war es immer Rafi, an den er sich wandte.

Als Andronicus sich dem Zelt näherte starrten ihn zwei böse Wesen an. Sie waren groß und schlank und ihre Gesichter waren unter scharlachroten Roben verborgen, nur ihre gelb glühenden Augen waren zu sehen. Sie waren die einzigen Wesen im ganzen Lager, die es wagten, in seiner Anwesenheit nicht den Kopf zu senken.

„Ich bin gekommen, Rafi zu sehen“, sagte Andronicus.

Ohne sich umzudrehen, öffneten die beiden Kreaturen den Zelteingang für ihn.

Als sie die Zeltbahnen beiseite schoben, schlug Andronicus ein widerlicher Geruch entgegen, der ihn zurückschrecken ließ.

Lange tat sich nichts. Die Generäle waren hinter Andronicus stehengeblieben und sahen ihn erwartungsvoll an – genauso wie nahezu alle Männer im Lager. Angespannte Stille breitete sich aus.

Schließlich kam aus dem roten Zelt eine große und dürre Gestalt, fast doppelt so groß wie Andronicus und so dürr wie der Ast eines Olivenbaums, gekleidet in eine dunkelrote Robe, das Gesicht tief unter der Kapuze verborgen.

Rafi stand da und blickte Andronicus an, und alles was Andronicus sehen konnte, waren seine starren gelben Augen.

Gespanntes Schweigen.

Endlich trat Andronicus vor.

„Ich will Thorgrin tot sehen.“, sagte er.

Nach langem Schweigen kicherte Rafi. Es war ein verstörender Klang.

„Väter und Söhne“, sagte er. „Es ist doch immer das Gleiche!“

Andronicus brannte innerlich vor Ungeduld.

„Kannst du mir helfen?“, drängte er.

Rafi stand viel zu lange schweigend da, so lange, dass Andronicus in Betracht zog, ihn zu töten. Doch er wusste, dass wäre albern. Einmal während eines Wutanfalls hatte Andronicus versucht, in zu erstechen, und der Dolch war in seiner Hand geschmolzen. Der Knauf hatte seine Hand verbrannt, und es hatte Monate gedauert, bis er sich von den Schmerzen erholt hatte.

Also stand Andronicus lediglich da, knirschte mit den Zähnen und ertrug die Stille.

Endlich schnurrte Rafi unter seiner Kapuze.

„Die Kräfte, die den Jungen umgeben, sind sehr stark“, sagte Rafi langsam. „Doch jeder Mann hat eine Schwäche. Er ist durch Magie erhoben worden, und Magie kann ihn auch stürzen.“

Andronicus trat fasziniert vor.

„Von welcher Art von Magie sprichst du?“

Rafi hielt inne.

„Eine Art von Magie, der du nie begegnet bist.“, sagte er. „Eine Art, die nur einem Wesen wie Thor offensteht. Er ist dein Problem, doch er ist mehr als nur das. Er ist mächtiger als du. Wenn er nur lange genug lebt.“

Andronicus kochte vor Wut.

„Sag mir, wie ich ihn gefangen nehmen kann.“, wollte er wissen.

Rafi schüttelte den Kopf.

„Das war immer deine Schwäche.“, sagte er. „Du willst ihn gefangen nehmen, nicht töten.“

„Ich werde ihn erst gefangen nehmen“, gab Andronicus zurück, „und ihn dann töten. Gibt es einen Weg oder nicht?“

„Es gibt einen Weg, ihn seiner Kräfte zu berauben. Ja.“, sagte Rafi. „Ohne seinem kostbaren Schwert und seinen Drachen, ist er wie jeder andere Junge auch.

„Zeig mir wie.“, forderte Andronicus.

Eine lange Stille folgte.

„Es wird dich allerdings etwas kosten.“

„Egal“, sagte Andronicus, „ich gebe dir, was immer du willst.“

Rafi antwortete mit einem langen, finsteren Kichern.

„Ich bin mir sicher, dass du das eines Tages bereuen wirst.“, sagte Rafi. „Sogar sehr.“




KAPITEL ZEHN


Als Romulus die sorgfältig aus goldenen Ziegeln gepflasterte Straße hinunter marschierte, die nach Volusia, der Hauptstadt des Empire führte, nahmen die Krieger, die in ihre besten Uniformen gekleidet waren, Haltung an. Romulus marschierte vor dem Rest seiner Armee her, die um ein paar Hundert Krieger kleiner, entmutigt und besiegt von ihrem Zusammenstoß mit den Drachen zurückkehrte.

Romulus kochte. Es war ein Marsch der Schande. Sein ganzes Leben lang war er immer siegreich zurückgekehrt, als Held bejubelt; nun kehrte er in aller Stille beschämt zurück und brachte anstelle von Beute und Gefangenen, nur geschlagene Krieger zurück.

Es verbrannte ihn innerlich. Es war so dumm von ihm gewesen sich auf einen Kampf mit den Drachen einzulassen im Versuch, das Schwert zu erbeuten. Sein Stolz hatte ihn dazu verleitet; er hätte es besser wissen müssen. Er hatte Glück gehabt, dass er überhaupt entkommen konnte, noch dazu mit einigen seiner Krieger. Er konnte immer noch die Schreie seiner Männer hören und ihr verkohltes Fleisch riechen.

Seine Männer waren seinem Befehl gefolgt und hatten tapfer gekämpft – sie waren auf seinen Befehl hin in den Tod marschiert. Doch nachdem seine Armee von mehreren tausend Männern vor seinen Augen auf ein paar hundert zusammengeschrumpft war, wusste er, dass es an der Zeit war, den Rückzug anzutreten. Er hatte schnell die Flucht angeordnet, und das, was von seiner Armee übrig war, hatte sich in den Tunneln versteckt, um sich vor dem feurigen Atem der Drachen in Sicherheit zu bringen. Sie waren unter der Erde geblieben und mussten den ganzen Weg in die Hauptstadt zu Fuß zurücklegen.

Nun waren sie hier, und marschierten durch die Stadttore, die sich gut dreißig Meter in den Himmel erhoben. Als sie die legendäre Stadt, die vollständig aus Gold erbaut war, betraten, säumten tausende von Kriegern des Empire die Straßen oder kreuzten in Formation marschierend ihren Weg. Wo immer er vorbei kam, nahmen die Männer Haltung an. Immerhin war Romulus faktisch gesehen der Herrscher über das Empire, solange Andronicus fort war, und der am meisten respektierte Krieger von allen. Nun, zumindest, bis zu seiner heutigen Niederlage. Nach dieser Niederlage war er sich nicht mehr sicher, wie die Männer ihn sehen würden.

Die Niederlage hätte zu keiner unpassenderen Zeit kommen können. Es war die Zeit, zu der Romulus seinen Coup plante, sich darauf vorbereitete, die Macht zu ergreifen, und Andronicus abzusetzen. Während er durch diese perfekte Stadt marschierte, an Springbrunnen und sorgfältig gepflasterten Gartenwegen vorbei, mit all ihren Dienern und Sklaven, dachte er darüber nach, dass er nun nicht wie er es sich das vorgestellt hatte triumphal mit dem Schwert des Schicksals, sondern besiegt und geschwächt zurückkehrte. Nun würde er sich, anstatt die Macht die ihm zustand zu ergreifen, vor dem Rat rechtfertigen und hoffen müssen, dass er seine Position nicht verlor.

Der Hohe Rat. Der Gedanke daran bereitete ihm Übelkeit. Romulus war niemand, der anderen gerne Rede und Antwort stand; und schon gar nicht einem Rat, der aus Bürgern bestand, die nie im Leben auch nur ein Schwert angefasst hatten. Jede der zwölf Provinzen sandte zwei Repräsentanten, zwei Dutzend Älteste aus jedem Winkel des Reiches. Technisch gesehen herrschten sie über das Reich; doch die Realität sah anders aus: Andronicus herrschte nach seinem Gutdünken und der Rat tat, was er ihm befahl.

Doch als Andronicus sich auf den Weg zum Ring begeben hatte, hatte er dem Rat mehr Macht gegeben denn je zuvor; Romulus nahm an, dass Andronicus es getan hatte um sich selbst zu schützen und ihn, Romulus, unter Kontrolle zu halten, damit er auch noch im Besitz des Thrones war, wenn er zurück kam. Das hatte den Rat ermutigt; sie verhielten sich nun, als hätten sie Gewalt über Romulus. Und Romulus musste zumindest für den Moment die Erniedrigung ertragen, diesen Männern Rede und Antwort stehen zu müssen. Sie waren alle handverlesene Kumpane von Andronicus. Männer, denen Andronicus diese Position zugeschanzt hatte, um sicherzustellen, dass sein Thron auf ewig fortbestehen würde. Der Rat war stets dazu bereit, Andronicus zu stärken und jede Bedrohung für ihn zu schwächen – ganz besonders Romulus. Und Romulus Niederlage gab ihnen eine perfekte Gelegenheit dazu.

Romulus marschierte den Weg zum glänzenden Kapitol, einem riesigen, schwarzen, runden Gebäude, umgeben von goldenen Säulen und mit einer goldenen Kuppel, die sich hoch in den Himmel erhob. Das Banner des Empire wehte hoch oben im Wind und über der Türe war das Bild eines goldenen Löwen mit einem Adler im Maul eingraviert.

Als Romulus die einhundert goldenen Stufen erklomm, warteten seine Männer auf dem Vorplatz. Er ging alleine und nahm drei Stufen auf einmal, wobei seine Waffen gegen seine Rüstung schlugen und laut klapperten.

Ein Dutzend Sklaven war notwendig, um die massiven Türen am Ende der Stufen zu öffnen. Jede war gut zwanzig Meter hoch, aus glänzendem Gold mit schwarzen Nieten und dem Siegel des Empire geprägt. Sie öffneten sie vollständig, und Romulus fühlte die kalte Brise, die durch seine Haare fuhr als er eintrat. Die Türen fielen mit einem lauten Knall hinter ihm zu, und wie jedes Mal, wenn er in das Dämmerlicht dieses Gebäudes trat und die Türen sich hinter ihm schlossen, fühlte er sich wie in einem Grab.

Romulus folgte den marmornen Fluren, und seine Schritte hallten wider, während er seine Zähne zusammenbiss. Er wollte das Treffen hinter sich bringen, und sich wichtigeren Dingen zuwenden. Gerade bevor er hierher gekommen war, hatte er das Gerücht von einer sagenumwobenen Waffe gehört, und er musste herausfinden, ob es wahr war. Wenn dem so war, würde sich alles verändern und die Macht verlagern. Wenn sie wirklich existierte, wäre dies alles hier – Andronicus, der Rat – nicht länger von irgendeiner Bedeutung für ihn. Das gesamte Empire würde dann endlich ihm gehören. Der Gedanke an diese Waffe war das Einzige, was Romulus seine Zuversicht bewahren ließ, als er einen weiteren Treppenabsatz erklomm und durch eine weitere riesige Türe endlich den runden Saal betrat, in dem der Hohe Rat tagte.

In dem Saal stand ein riesiger, runder Tisch aus schwarzem Marmor, mit einem schmalen Durchgang zu einer großen runden Öffnung in der Mitte. Um ihn herum saß der Rat: 24 Männer in schwarzen Roben mit strengem Blick – alles alte Männer mit ergrauenden Hörnern und scharlachroten Augen, ein tief dunkles Rot, weil diese Männer schon viel zu alt waren. Es war erniedrigend für Romulus sich diesen Männern stellen zu müssen, durch den schmalen Durchgang ins Zentrum des Tisches zu gehen, von den Männern umgeben zu sein, denen er Rede und Antwort stehen musste. Es war erniedrigend, dass er sich immer wieder umdrehen musste, um sie anzusprechen. Der gesamte Raum und dieser Tisch war nichts anderes als wieder eine von Andronicus Einschüchterungstaktiken.

Romulus wusste nicht, wie lange er schon schweigend in der Mitte des Raumes stand und innerlich verbrannte. Er kämpfte gegen die Versuchung an, einfach wieder zu gehen, doch er musste die Haltung bewahren.

„Romulus von der Octakin Legion“, kündigte einer der Räte förmlich an.

Romulus wandte sich ihm zu und sah einen dürren, alten Rat mit hohlen Wangen und ergrautem Haar, der ihn mit tief in den Höhlen liegenden roten Augen ansah. Romulus wusste, dass dieser Mann ein Gefolgsmann von Andronicus war, der alles sagen würde, um Andronicus Gunst zu bewahren.

Der alte Mann räusperte sich.

„Du bist besiegt nach Volusia zurückgekehrt. In Schande. Es ist kühn von dir, überhaupt hier zu erscheinen.“

„Du bist ein leichtsinniger und eilfertiger Kommandant geworden.“, sagte ein anderes Ratsmitglied.

Romulus wandte sich um, um in die verachtungsvollen Augen auf der anderen Seite des Kreises zu blicken.

„Du hast tausende unserer Männer in deiner fruchtlosen Jagd nach dem Schwert in einer waghalsigen Auseinandersetzung mit den Drachen verloren. Du hast Andronicus und das Empire enttäuscht. Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?“

Andronicus starrte trotzig zurück.

„Ich habe mich für nichts zu entschuldigen“, sagte er. „Das Schwert zu bergen war von großer Wichtigkeit für das Empire.“

Ein anderer Mann lehnte sich vor.

„Doch du hast es nicht geborgen. Nicht wahr?“

Romulus wurde rot. Er hätte diesen Mann am liebsten getötet.

„Es wäre mir beinahe gelungen“, antwortete er schließlich.

„Beinahe ist bedeutungslos.“

„Wir sind unerwarteten Hindernissen begegnet.“

„Drachen?“, bemerkte ein anderer Rat.

Romulus wandte sich ihm zu.

„Es ist unfassbar, wie vermessen du warst!“, sagte der Rat. „Hast du wirklich geglaubt, gewinnen zu können?“

Romulus räusperte sich und seine Wut kochte hoch.

„Das habe ich nicht. Mein Ziel war es nicht, die Drachen zu töten. Mein Ziel war, das Schwert zu bergen.“

„Doch das hast du nicht getan.“

„Viel schlimmer noch“, sagte ein anderer. „Du hast die Drachen gegen uns aufgebracht. Es gibt Berichte über ihre Angriffe im gesamten Empire. Du hast einen Krieg begonnen, den wir nicht gewinnen können. Das bedeutet einen riesigen Verlust für das Empire.

Romulus hielt inne und versuchte nicht länger zu antworten; er wusste, dass das nur zu weiteren Schuldzuweisungen führen würde. Immerhin waren dies Andronicus Männer und sie verfolgten eine Agenda.

„Es ist eine Schande, dass der Große Andronicus nicht hier ist, um dich dafür zur Rechenschaft zu ziehen.“, sagte ein weiteres Ratsmitglied. „Ich bin mir sicher, dass du das Ende dieses Tages nicht erleben würdest.“

Er hustete und lehnte sich zurück.

„Doch nun müssen wir seine Rückkehr abwarten. Für den Augenblick wirst du die Armee anweisen, weitere Legionen über das Meer zur Verstärkung des Großen Andronicus in den Ring zu schicken. Du wirst degradiert, deine Titel und Würden werden dir Aberkannt. Du hast in der Kaserne zu bleiben und weitere Befehle von uns abzuwarten.“

Romulus starrte ihn ungläubig an.

„Sei froh, dass wir dich nicht auf der Stelle hinrichten lassen. Und nun geh.“, sagte ein anderer Rat.

Romulus ballte seine Fäuste, sein Gesicht lief purpurn an, und er starrte jedes einzelne Ratsmitglied an. Er schwor jeden einzelnen von ihnen zu töten. Doch er zwang sich zur Zurückhaltung, jetzt war nicht der rechte Augenblick dazu. Vielleicht hätte er eine gewisse Befriedigung daraus gewonnen, doch es würde seinem eigentlichen Ziel nicht zuträglich sein.

Romulus wandte sich um und stürmte aus dem Saal. Seine Schritte hallten durch die Gänge als die Türen mit einem lauten Knall hinter ihm zufielen.

Romulus verließ das Kapitol und stürmte die goldenen Stufen hinunter auf seine Männer zu. Er wandte sich an seinen Stellvertreter.

„Mein Herr“, sagte der General und verbeugte sich. „Wie lautet Euer Befehl?“

Romulus sah ihn an und überlegte. Natürlich würde er den Befehlen des Rates nicht Folge leisten; im Gegenteil; die Zeit war gekommen, sich ihnen zu widersetzen.

„Der Rat befiehlt, dass alle Schiffe des Empire umgehen nach Hause zurückkehren sollen.“

Der General riss seine Augen weit auf.

„Aber mein Herr, das würde den Großen Andronicus im Ring im Stich lassen, ohne eine Möglichkeit nach Hause zurückzukehren.“

Romulus starrte ihn mit kalten Augen an.

„Stell meine Befehle niemals in Frage.“, antwortete er mit schneidender Stimme.

Der General senkte den Kopf.

„Natürlich mein Herr, vergebt mir.“

Sein General wandte sich um und eilte davon, und Romulus wusste, dass er seine Befehle ausführen würde. Er war ein treuer Krieger.

Romulus grinste in sich hinein. Wie töricht der Rat doch war zu glauben, dass er ihrem Befehl folgen würde. Sie hatten ihn eindeutig unterschätzt. Letzten Endes hatten sie niemanden, der seine Degradierung durchsetzen konnte, und bis sie das irgendwann herausfanden, hätte er genug Maßnahmen in die Wege geleitet, damit sie keine Gewalt über ihn mehr hatten.

Andronicus war groß, doch Romulus war grösser.

Ein Mann in einem leuchtend grünen Umhang stand am Rande des Platzes. Er hatte die Kapuze zurückgeschlagen und legte ein plattes, gelbes Gesicht mit vier Augen frei. Er hatte lange dürre Hände mit Fingern, die so lang waren wie Romulus Arme. Er stand da und wartete geduldig. Er war ein Wokable. Romulus ließ sich nicht gerne mit diesem Volk ein, doch manchmal zwangen ihn die Umstände dazu – so wie in diesem Augenblick.

Romulus ging zu ihm hinüber, und es gruselte ihm schon von weitem vor der Kreatur, die ihn mit ihren vier Augen ansah. Sie streckte einen ihrer langen Finger aus und berührte seine Brust. Romulus blieb stehen, als der glitschige Finger ihn berührte.

„Wir haben gefunden, wonach du uns geschickt hast.“, sagte die Kreatur. Der Wokable machte ein seltsames gurgelndes Geräusch tief in seinem Hals. „Doch es wird dich Kosten.“

„Ich zahle jeden Preis.“, sagte Romulus.

Die Kreatur hielt inne, als ob sie überlegte.

„Du musst alleine kommen“,

Romulus dachte nach.

„Woher weiß ich, dass du mich nicht belügst?“ fragte er.

Die Kreatur beugte sich vor und schien zu lächeln. Romulus wünschte, sie hätte es nicht getan. Sie entblößte hunderte von kleinen scharfen Zähnen in ihrem rechteckigen Kiefer.

„Das kannst du nicht wissen.“, sagte sie.

Romulus sah ihr in die Augen. Er wusste, dass er dieser Kreatur nicht trauen sollte. Doch er musste es versuchen. Es war zu verlockend, um es zu ignorieren. Es war das, wonach Romulus sein ganzes Leben lang gesucht hatte: die sagenumwobene Waffe, die den Schild bezwingen konnte, und ihm erlauben würde, den Canyon zu überqueren.

Die Kreatur wandte sich um und wollte fortgehen. Romulus blieb stehen und beobachtete sie.

Dann folgte er ihr schließlich.




KAPITEL ELF


Gwendolyn saß hinter Thor auf Mycoples Rücken und hielt sich fest. Der Wind wehte ihr durchs Haar. Es war kalt, doch sie war erfrischt und begann sich langsam wieder lebendig zu fühlen.

Tatsächlich war Gwendolyn so glücklich wie nie zuvor. Endlich fühlte sich alles wieder richtig an. Sie konnte spüren, wie das Baby in ihrem Bauch trat und freute sich, bei Thor zu sein. Gwen brannte vor Aufregung, Thor die Neuigkeit mitzuteilen, doch sie wollte auf den perfekten Moment warten. Und seit sie den Tower of Refuge verlassen hatten, hatten sie nicht einen Augenblick Zeit gehabt, miteinander zu reden.

Es war ein Wirbelwind aus Kämpfen und Abenteuern gewesen. Sie waren auf Mycoples Rücken geflogen und Gwendolyn hatte ehrfürchtig mitangesehen, wie sie eine Unzahl von Andronicus Männern ausgelöscht hatte. Sie hatte kein Mitleid mit ihnen. Im Gegenteil: Sie fühlte Befriedigung, ihr Wunsch nach Rache wurde Stück für Stück erfüllt. Mit jedem Krieger des Empire, den sie töteten, mit jedem Dorf und jeder Stadt die sie befreiten, hatte sie das Gefühl, dass die Schrecken, die das Empire verbreitet hatte, wieder gutgemacht wurden. Nach all den Niederlagen, nachdem sie hatte mitansehen müssen, wie ihr Heimatland zerstört wurde, fühlte es sich gut an, endlich siegreich zu sein.

Nachdem sie Vinesia befreit hatte, machten sich Kendrick und seine Männer auf den Rückweg nach Silesia. Gwendolyn und Thor entschieden sich, ebenfalls zurückzufliegen und sie dort zu treffen. Auf Mycoples waren sie viel schneller als die Männer zu Pferde, und hatten jede Menge Zeit. Thor hatte Mycoples eine Runde über das Westliche Königreich fliegen lassen. Dabei sah Gwendolyn zufrieden auf Andronicus Lager herab, die sie ausgelöscht hatten – vom Rande der Highlands bis zum Canyon. Sie war erleichtert zu sehen, dass das gesamte Westliche Königreich frei war.





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In RITUS DER SCHWERTER (Band #7 im Ring der Zauberei) ringt Thor mit seiner Herkunft: er muss sich damit abfinden wer sein wirklicher Vater ist, ob er sein Geheimnis verraten will und was er zu tun hat. Zu Hause im Ring mit Mycoples an seiner Seite und dem Schwert des Schicksals in der Hand ist Thor fest entschlossen, Rache an Andronicus Armee zu neben und sein Heimatland zu befreien – und endlich um Gwendolyns Hand anzuhalten. Doch er muss lernen, dass es mächtigere Dinge gibt die ihm möglicherweise im Wege stehen. Gwendolyn kehrt zurück und bemüht sich, die Herrscherin zu werden, die sie vom Schicksal zu sein bestimmt ist. Sie nutzt ihre Klugheit um die grundverschiedenen Truppen zu vereinen und Andronicus für immer loszuwerden. Wieder vereint mit Thor und ihren Brüdern ist sie dankbar für eine Atempause in all der Gewalt, und für die Gelegenheit ihre Freiheit zu feiern. Doch die Dinge ändern sich schnell -zu schnell – und bevor sie sich versieht wird ihr Leben wieder auf den Kopf gestellt. Gwendolyns ältere Schwester, Luanda, die eine tiefe Rivalität ihr gegenüber hegt, ist entschlossen, die Macht an sich zu reißen, während der Bruder von König MacGil mit seiner eigenen Armee anrückt, um die Kontrolle über den Thron zu gewinnen. Mit Spionen und gedungenen Mördern an allen Ecken, muss eine kampfbereite Gwendolyn lernen, dass ihre Herrschaft nicht so sicher ist, wie sie dachte. Reeces Liebe zu Selese bekommt endlich eine Chance zu blühen, doch unerwartet taucht eine alte Liebe auf und er findet sich hin- und hergerissen zwischen beiden. Doch die ruhigen Zeiten werden schon bald vom nächsten Kampf abgelöst und Reece, Elden, OConnor, Conven, Kendrick, Erec und selbst Godfrey müssen sich gemeinsam den Widrigkeiten stellen und sie überwinden, wenn sie überleben wollen. Ihr Kampf führt sie in alle Ecken des Rings, und wird zu einem Rennen gegen die Zeit, um Andronicus zu vertreiben und sich selbst vor der vollständigen Zerstörung zu bewahren.

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