Книга - Marsch der Könige

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Marsch der Könige
Morgan Rice


Ring der Zauberei #2
MARSCH DER KÖNIGE nimmt uns mit auf die nächste Etappe von Thors epischer Reise durch sein Schicksal, auf der er nach und nach mehr darüber erfährt, wer er ist, was seine Kräfte sind, und auf der er beginnt, ein Krieger zu werden. Nachdem er den Kerkern entkommt, erfährt Thor entsetzt von einem weiteren Mordanschlag auf König MacGil. Der Tod von MacGil versetzt das Königreich in Aufruhr. Während alle es auf den Thron abgesehen haben, ist Königshof mehr denn je von Familiendramen, Machtkämpfen, Ehrgeiz, Eifersucht, Gewalt und Verrat erfüllt. Ein Erbe muss aus den Reihen der Kinder ernannt werden, und das uralte Schicksalsschwert, die Quelle all ihrer Macht, erhält erneut eine Gelegenheit, von jemandem erhoben zu werden. Doch all dies kann noch umgestürzt werden: die Mordwaffe wird gefunden, und die Schlinge zieht sich enger, den Mörder ausfindig zu machen. Zugleich droht den MacGils neue Gefahr von den McClouds, die wieder einmal planen, von innerhalb des Ringes anzugreifen. Thor kämpft darum, Gwendolyns Liebe zurückzuerobern, doch möglicherweise bleibt dafür keine Zeit: er wird angewiesen, seine Sachen zu packen und sich mit seinen Waffenbrüdern auf die Hundert vorzubereiten, einhundert höllische, aufreibende Tage, die jeder Legionär durchleben muss. Die Legion muss zum Eintritt ins Mannesalter den Canyon überqueren, den Schutz des Rings verlassen und in die Wildlande reisen. Sie segeln über die Tartonische See zur Insel der Nebel, von der gesagt wird, dass ein Drache sie bewacht. Werden sie es zurück nach Hause schaffen? Wird der Ring in ihrer Abwesenheit überleben? Und wird Thor endlich das Geheimnis seines Schicksals lüften?







MARSCH DER KÖNIGE



(Band 2 im Ring der Zauberei)



Morgan Rice


Über Morgan Rice



Morgan schrieb auch die Nr. 1 Bestseller Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die bisher aus zehn Bänden besteht und teilweise auch auf Deutsch erschienen ist. Die Serie beginnt mit QUESTE DER HELDEN (Band 1), erhältlich als kostenloser Download!

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller-Serie THE VAMPIRE JOURNALS, eine zehnteiligen Serie für Jugendliche, die bisher in sechs Sprachen übersetzt wurde und teilweise bereits auf Deutsch erhältlich ist.

Morgan Rice schrieb auch die Nr. 1 Bestseller ARENA ONE und ARENA TWO, den ersten beiden Titeln der post-apokalyptischen SURVIVAL Action-Thriller-Trilogie, die in der Zukunft angesiedelt ist.

Sämtliche Bücher von Morgan Rice werden demnächst in deutscher Sprache erhältlich sein.

Bitte besuchen Sie auch www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com). Morgan freut sich auf Ihren Besuch.


Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rice



„Rice leistet gute Arbeit, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen, mit wunderbaren Beschreibungen, die über das reine Zeichnen des Hintergrundes hinausgehen....schön geschrieben und extrem schnell zu lesen.“

--Black Lagoon Reviews (über Turned - Verwandelt)



„Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice leistet gute Arbeit, eine interessante Wendung herauszuarbeiten...erfrischend und ungewöhnlich, mit allen klassischen Elementen, die in vielen Serien paranormaler Geschichten für Jugendliche zu finden sind. Die Serie dreht sich um ein Mädchen...ein außergewöhnliches Mädchen!...Einfach zu lesen, doch extrem rasant...empfehlenswert für alle, die gerne paranormale Soft-Romanzen lesen. Bedingt jugendfrei.“

--The Romance Reviews (über Turned - Verwandelt)



„Packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht locker... diese Geschichte ist ein fantastisches Abenteuer, von Beginn an rasant und actionreich. Es ist kein langweiliger Moment zu finden.“

--Paranormal Romance Guild {über Turned- Verwandelt}



„Vollgepackt mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Lasst es euch nicht entgehen, und verliebt euch ganz von Neuem.“

--vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)



„Eine tolle Geschichte, und vor allem die Art von Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende war ein Cliffhanger, der so spektakulär war, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte, nur um herauszufinden, wie es weitergeht.“

--The Dallas Examiner {über Loved - Geliebt}



„Ein Buch, das TWILIGHT und VAMPIRE DIARIES Konkurrenz macht, und dazu führen wird, dass man bis zur letzten Seite nicht genug davon bekommt! Wer Abenteuer, Liebe und Vampire mag, liegt mit diesem Buch genau richtig!“

--Vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)



„Morgan Rice erweist sich erneut als äußerst talentiert im Geschichtenerzählen...Dies wird eine große Bandbreite an Lesern ansprechen, darunter die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Das Ende ist ein unerwarteter Cliffhanger, der Sie schockieren wird.“

--The Romance Reviews (über Loved - Geliebt)


Bücher von Morgan Rice



auf Deutsch erschienen

DER RING DER ZAUBEREI

QUESTE DER HELDEN (Band 1)

MARSCH DER KÖNIGE (Band 2)



schon bald auf Deutsch erhältlich

A FEAST OF DRAGONS - FESTMAHL DER DRACHEN (Band 3)

A CLASH OF HONOR - KAMPF DER EHRE (Band 4)

A VOW OF GLORY - SCHWUR DES RUHMS (Band 5)

A CHARGE OF VALOR - ANGRIFF DER TAPFERKEIT (Band 4)

A RITE OF SWORDS - RITUS DER SCHWERTER (Band 7)

A GRANT OF ARMS - GEWÄHR DER WAFFEN (Band 8)

A SKY OF SPELLS - HIMMEL DER ZAUBER (Band 9)

A SEA OF SHIELDS - MEER DER SCHILDE (Band 10)



schon bald auf Deutsch erhältlich

THE SURVIVAL TRILOGY

ARENA ONE: SLAVERUNNERS (Band 1)

ARENA TWO (Band 2)



auf Deutsch erschienen

THE VAMPIRE JOURNALS -

VERWANDELT (Band 1)

GELIEBT (Band 2)



schon bald auf Deutsch erhältlich

BETRAYED (Band 3)

DESTINED (Band 4)

DESIRED (Band 5)

BETROTHED (Band 6)

VOWED (Band 7)

FOUND (Band 8)

RESURRECTED (Band 9)

CRAVED (Band 10)


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Copyright © 2013 Morgan Rice



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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebend, ist rein zufällig.


INHALT



KAPITEL EINS (#u93b7027f-9251-543e-8ed6-4b7459fd2839)

KAPITEL ZWEI (#u5a5846f1-e813-5732-a122-990a14583831)

KAPITEL DREI (#uea3d1628-76a1-5929-a20e-66dec6ce6de1)

KAPITEL VIER (#ud48eca58-c951-5641-a6b5-68eb447bab5b)

KAPITEL FÜNF (#uca5869e4-ae80-5342-a0c4-cc4f641bea27)

KAPITEL SECHS (#udb6505ca-68c0-5017-a8f6-4ae8813b919e)

KAPITEL SIEBEN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHT (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ELF (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWÖLF (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL FÜNFZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)


„Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke,

Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen!

Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer.“

—William Shakespeare

Macbeth




KAPITEL EINS


König MacGil stolperte in sein Gemach. Er hatte viel zu viel getrunken, der Raum drehte sich, seine Schläfen pochten von den Festivitäten des Abends. Eine Frau, deren Namen er nicht kannte, hing an seiner Seite, einen Arm um seine Mitte drapiert, ihre Bluse halb ausgezogen, und führte ihn kichernd seinem Bett entgegen. Zwei Bedienstete schlossen die Tür hinter ihnen und zogen sich diskret zurück.

MacGil wusste nicht, wo seine Königin war, und in dieser Nacht kümmerte es ihn auch nicht. Sie teilten nur noch selten das Bett—sie zog sich oft in ihre eigenen Gemächer zurück, besonders an Festmahl-Abenden, wenn die Feier zu lange andauerte. Sie wusste von den Indiskretionen ihres Ehemannes und es schien sie nicht zu bekümmern. Immerhin war er König, und die MacGil-Könige hatten schon immer mit vollem Anspruch regiert.

Doch als MacGil auf sein Bett zusteuerte, drehte sich das Zimmer doch etwas zu heftig, und er wollte diese Frau plötzlich wegschicken. Er war nicht länger in der Stimmung dafür.

„Lass mich allein!“, befahl er und schob sie davon.

Die Frau stand verdutzt und gekränkt da, und die Tür öffnete sich, um die Bediensteten hereinzulassen, die jeweils einen Arm der Frau packten und sie hinausführten. Sie protestierte, doch nachdem sie die Tür hinter ihr zugezogen hatten, war ihr Gezeter nur noch gedämpft zu hören.

MacGil setzte sich auf seine Bettkante und stützte den Kopf in die Hände im Versuch, seinen Kopfschmerzen Einhalt zu gebieten. Es war für ihn ungewöhnlich, dass er so früh schon Kopfschmerzen hatte, noch bevor der Alkohol sich ganz aus seinem Körper verflüchtigt hatte, doch diese Nacht war anders. Alles hatte sich so schnell verändert. Das Festmahl war so gut gelaufen; er hatte sich gerade mit einem feinen Stück Fleisch und einem starken Wein niedergelassen, als der Junge, Thor, auftauchen und alles ruinieren musste. Erst war es sein Hereinplatzen mit seinem dummen Traum gewesen; dann hatte er die Dreistigkeit besessen, ihm den Kelch aus der Hand zu schlagen.

Dann musste dieser Hund daherkommen und den Wein auflecken, und vor aller Augen tot umfallen. Seither war MacGil war tief erschüttert. Die Erkenntnis hatte ihn wie ein Hammerschlag getroffen: jemand hatte versucht, ihn zu vergiften. Ihn zu ermorden. Er konnte es kaum verarbeiten. Jemand hatte sich an seinen Wachen vorbeigeschlichen, vorbei an seinen Wein- und Speisenvorkostern. Er war einen Atemzug davon entfernt gewesen, tot zu sein, und das erschütterte ihn nach wie vor.

Er erinnerte sich daran, wie Thor zum Kerker abgeführt wurde und fragte sich erneut, ob es der richtige Befehl gewesen war. Auf der einen Seite war es natürlich absolut unmöglich, dass der Junge vom Gift im Kelch gewusst haben konnte, es sei denn, er selbst hätte es dorthin getan oder wäre auf andere Art an dem Anschlag beteiligt gewesen. Andererseits wusste er, dass Thor über tiefe, geheimnisvolle Kräfte verfügte—etwas zu geheimnisvoll—und vielleicht doch die Wahrheit gesagt hatte: vielleicht hatte er es tatsächlich in einem Traum gesehen. Vielleicht hatte Thor tatsächlich sein Leben gerettet, und MacGil hatte die eine Person in den Kerker gesteckt, die wahrhaft loyal war.

MacGils Schläfen pochten bei dem Gedanken, als er dasaß und sich seine zu stark zerfurchte Stirn rieb, in dem Versuch, das alles zu verstehen. Doch er hatte in dieser Nacht zu viel getrunken, sein Geist war zu benebelt, seine Gedanken wirbelten und er konnte dem Ganzen nicht auf den Grund kommen. Es war zu heiß hier drin, eine schwüle Sommernacht, sein Körper war überhitzt vom stundenlangen Schlemmen von Speis und Trank, und er spürte, wie er schwitzte.

Er streckte sich und warf seinen Mantel ab, dann sein Überhemd, und zog sich bis auf sein Unterhemd aus. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann von seinem Bart. Er lehnte sich zurück und zog sich die riesigen, schweren Stiefel aus, einem nach dem anderen, und bewegte die Zehen an der frischen Luft. Er saß schwer atmend da und versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Sein Bauch war heute angewachsen, und er fühlte sich beschwerlich. Er warf die Beine hoch und lehnte sich zurück, seinen Kopf auf das Kissen bettend. Er seufzte und blickte hoch, an den Bettpfosten vorbei an die Decke, und versuchte, das Zimmer im Geiste dazu zu überreden, das Drehen einzustellen.

Wer würde mich töten wollen?, fragte er sich ein weiteres Mal. Er hatte Thor wie einen Sohn geliebt, und ein Teil von ihm konnte spüren, dass er es nicht gewesen sein konnte. Er fragte sich, wer es dann sein konnte, welches Motiv sie haben konnten—und, was am wichtigsten war, ob sie einen erneuten Versuch unternehmen würden. War er in Sicherheit? Waren Argons Voraussagungen wahr?

MacGil fühlte seine Augenlider schwer werden, als die Antwort seinem Geist hartnäckig entglitt. Wenn er nur bei klarerem Verstand wäre, könnte er der Sache vielleicht auf den Grund kommen. Doch er würde auf das Licht des neuen Tages warten müssen, um seine Ratgeber zu versammeln und eine Untersuchung der Geschehnisse in die Wege zu leiten. Die Frage war in seinen Augen weniger, wer ihn tot sehen wollte—und vielmehr, wer ihn nicht tot sehen wollte. Sein Hof war voll mit Leuten, die nach seinem Thron gierten. Ehrgeizige Generäle; verschwörerische Hofräte; machthungrige Adelige und Lords; Spione; alte Rivalen; Attentäter der McClouds—und vielleicht sogar aus den Wildlanden. Vielleicht sogar noch nahestehender.

MacGils Lider flatterten, während der Schlaf ihn übermannte; doch etwas erregte seine Aufmerksamkeit und hielt sie offen. Er bemerkte Bewegung und blickte auf, nur um festzustellen, dass seine Bediensteten nicht da waren. Er blinzelte verwirrt. Seine Bediensteten ließen ihn niemals alleine. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal in diesem Zimmer allein gewesen war, nur er selbst. Er konnte sich nicht entsinnen, sie fortgeschickt zu haben. Was noch seltsamer war: seine Tür stand weit offen.

In dem Moment hörte MacGil ein Geräusch aus der anderen Ecke des Zimmers und drehte sich dorthin um. Dort an der Wand, aus den Schatten in das Kerzenlicht tretend, war ein Mann, groß und schlank, in einen schwarzen Umhang gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. MacGil blinzelte mehrmals und fragte sich, ob er schon Trugbilder sah. Zuerst war er sich noch sicher, dass es nur Schatten waren, und das Flackern der Fackeln seinen Augen einen Streich spielte.

Doch einen Augenblick später war die Gestalt einige Schritte nähergetreten und kam flink auf sein Bett zu. MacGil versuchte, bei dem schwachen Licht zu erkennen, wer es war; instinktiv richtete er sich auf und, alter Krieger, der er war, griff nach seinem Gürtel, für ein Schwert oder zumindest einen Dolch. Doch er hatte sich entkleidet und es waren keine Waffen zur Hand. Unbewaffnet saß er auf seinem Bett.

Die Gestalt bewegte sich nun sehr schnell, wie eine Schlange in der Nacht, immer näher kommend. Als MacGil sich aufsetzte, konnte er ihr Gesicht sehen. Das Zimmer drehte sich nach wie vor und seine Trunkenheit verhinderte, dass er klar mitbekam, was passierte, doch einen Moment lang hätte er schwören können, dass es das Gesicht seines Sohnes war.

Gareth?

MacGils Herz wurde von einer plötzlichen Panik gepackt, als er sich wunderte, was er hier bloß suchen konnte, unangekündigt, so spät in der Nacht.

„Mein Sohn?“, rief er aus.

MacGil sah die mörderische Absicht in seinen Augen, und mehr brauchte er nicht zu sehen—er setzte an, aus dem Bett zu springen.

Doch die Gestalt bewegte sich zu schnell. Sie sprang in Aktion, und bevor MacGil noch schützend den Arm heben konnte, blitzte Metall im Licht der Fackeln auf und flink, zu flink, schnitt eine Klinge durch die Luft—und versenkte sich in seinem Herzen.

MacGil schrie auf, ein tiefer, dunkler Schmerzensschrei, und der Klang seines eigenen Schreis überraschte ihn. Es war ein Schrei, den er im Kampf zu oft gehört hatte. Es war der Schrei eines Kriegers, der tödlich verwundet war.

MacGil fühlte, wie das kalte Metall durch seine Rippen brach, sich durch Muskel bohrte, mit seinem Blut vermengte, dann tiefer, immer tiefer vordrang, der Schmerz intensiver, als er je für möglich gehalten hatte, während es scheinbar ohne Ende weiter vordrang. Mit einem scharfen Atemzug spürte er, wie sein Mund sich mit heißem, salzigem Blut füllte. Das Atmen fiel ihm schwer. Er zwang sich dazu, hochzublicken, auf das Gesicht hinter der Kapuze. Er war überrascht: er hatte sich geirrt. Es war nicht das Gesicht seines Sohnes. Es war jemand anderes. Jemand, den er erkannte. Er konnte sich nicht erinnern, wer er war, doch es war jemand, der ihm nahestand. Jemand, der aussah wie sein Sohn.

Verwirrung zermarterte seinen Geist, als er sich abmühte, dem Gesicht einen Namen zuzuordnen.

Während sich die Gestalt mit dem Messer in der Hand über ihn beugte, brachte es MacGil irgendwie zustande, eine Hand zu heben und dem Mann gegen die Schulter zu stoßen, im Versuch, ihn aufzuhalten. Er spürte ein Aufwallen der alten Krieger-Kraft in sich, spürte die Kraft seiner Ahnen, spürte den Teil von ihm tief in seinem Inneren, der ihn zum König machte, der ihn nicht aufgeben ließ. Mit einem gewaltigen Stoß schaffte er es, den Attentäter mit ganzer Kraft zurückzustoßen.

Der Mann war dünner, schmächtiger als MacGil gedacht hatte; er stolperte mit einem Aufschrei rückwärts und taumelte durch das Zimmer. MacGil schaffte es, aufzustehen und mit enormer Anstrengung das Messer zu fassen und aus seiner Brust zu ziehen. Er warf es quer durch den Raum und es pralle klirrend gegen den Steinboden, schlitterte daran entlang und krachte in die gegenüberliegende Wand.

Der Mann, dessen Kapuze ihm auf die Schultern heruntergefallen war, rappelte sich auf und starrte MacGil mit weit aufgerissenen Augen entsetzt entgegen, als dieser auf ihn losstürmte. Er rannte quer durchs Zimmer davon, gerade lange genug pausierend, um auf dem Weg hinaus den Dolch aufzuheben.

MacGil versuchte, ihm nachzujagen, doch der Mann war zu schnell, und plötzlich wallte der Schmerz auf und fuhr ihm durch die Brust. Er spürte, wie er schwächer wurde.

MacGil stand alleine in seinem Zimmer und blickte hinunter auf das Blut, das von seiner Brust in seine offenen Handflächen quoll. Er sank auf die Knie.

Er spürte, wie sein Körper kälter wurde, lehnte sich zurück und versuchte, Hilfe zu rufen.

„Wachen“, rief er schwächlich.

Er holte tief Luft, und unter unsäglichen Qualen brachte er seine tiefe Stimme hervor. Die Stimme eines einstigen Königs.

„WACHEN!“, ertönte sein gellender Schrei.

In einem fernen Korridor hörte er Schritte, die langsam näher kamen. Er hörte, wie eine entfernte Tür geöffnet wurde, spürte, wie Körper sich ihm näherten. Doch das Zimmer drehte sich erneut, und diesmal kam es nicht vom Wein.

Das letzte, was er sah, war der kalte Steinboden, der seinem Gesicht entgegenkam.




KAPITEL ZWEI


Thor packte den eisernen Griff der enormen Holztüre vor ihm und zerrte mit aller Kraft. Sie öffnete sich langsam, knarrend, und vor ihm tat sich die Schlafkammer des Königs auf. Er machte einen Schritt hindurch, und als er über die Schwelle, trat spürte er, wie sich die Haare auf seinen Armen aufrichteten. Er konnte eine tiefe Dunkelheit hier spüren, die wie ein Nebel in der Luft lag.

Thor trat ein paar Schritte in die Kammer hinein, hörte das Knistern der Fackeln an den Wänden, als er sich dem Körper näherte, der als Haufen auf dem Boden lag. Er konnte bereits spüren, dass es sich um den König handelte, und dass er ermordet worden war—dass er, Thor, zu spät gekommen war. Thor musste sich wundern, wo die Wachen waren; warum niemand hier war, um ihn zu retten.

Thors Knie wurden schwach, während er die letzten Schritte zum Körper zurücklegte; er kniete sich auf den Steinboden, packte die schon kalten Schultern und drehte den König herum.

Da lag MacGil, sein einstiger König, mit weit offenen Augen, tot...

Thor blickte hoch und sah plötzlich den Tischdiener des Königs über ihnen stehen. Er hielt einen großen, juwelenbesetzten Kelch aus massivem Gold mit Reihen von Rubinen und Sapphiren, den Thor vom Festmahl her erkannte. Den Blick starr auf Thor gerichtet, goss der Diener ihn langsam auf die Brust des Königs. Der Wein spritzte Thor ins Gesicht.

Thor hörte ein Kreischen und erblickte seinen Falken, Estopheles, auf der Schulter des Königs sitzen; sie leckte den Wein von seinen Wangen.

Thor hörte ein Geräusch und sah Argon, der über ihn gebeugt war und streng auf ihn hinab blickte. In einer Hand hielt er die glänzende Krone. In der anderen seinen Stab.

Argon kam auf Thor zu und setzte ihm die Krone fest aufs Haupt. Thor konnte sie spüren, ihr Gewicht, das sich gegen seinen Kopf drückte; sie passte wie angegossen, und das Metall schmiegte sich an seine Schläfen. Er blickte staunend zu Argon hoch.

„Du bist nun König“, verkündete Argon.

Thor blinzelte, und als er die Augen öffnete, standen vor ihm sämtliche Mitglieder der Legion, der Silbernen; hunderte Männer und Jungen waren in die Kammer gepfercht, ihre Gesichter ihm zugewandt. Wie eine Einheit knieten sie nieder und verbeugten sich vor ihm, ihre Köpfe tief zu Boden geneigt.

„Unser König“, ertönte ein Chor an Stimmen.

Thor schreckte aus dem Schlaf hoch. Er saß aufrecht da, keuchend, und blickte sich in alle Richtungen um. Hier drin war es dunkel und feucht, und er erkannte, dass er auf einem Steinboden saß, mit dem Rücken gegen die Wand. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Dunkelheit, sah eiserne Gitterstäbe in der Ferne, dahinter eine flackernde Fackel. Dann erinnerte er sich: der Kerker. Sie hatten ihn nach dem Festmahl hier heruntergeschleppt.

Er erinnerte sich an den Wachmann, der ihm die Faust ins Gesicht geschlagen hatte, und ihm wurde klar, dass er bewusstlos gewesen sein musste; er wusste nicht, wie lange. Er setzte sich auf, keuchte schwer und versuchte, den entsetzlichen Traum fortzuwischen. Er hatte sich so echt angefühlt. Er betete, dass es nicht wahr war, dass der König nicht wirklich tot war. Der Anblick des toten Königs war in seine Gedanken gebrannt. Hatte Thor wirklich etwas vorhergesehen? Oder war das alles nur seine Phantasie?

Thor spürte jemanden gegen seine Fußsohle treten und sah eine Gestalt über ihm stehen.

„Wird ja langsam Zeit, dass du aufwachst“, ertönte eine Stimme. „Ich warte schon seit Stunden.“

Im schwachen Licht erkannte Thor das Gesicht eines Jungen in etwa seinem Alter. Er war dünn, kurz, mit hohlen Wangen und pockennarbiger Haut—und doch lag Freundlichkeit und Scharfsinn in seinen grünen Augen.

„Ich bin Merek“, sagte er. „Dein Zellengenosse. Wofür sitzt du?“

Thor richtete sich im Sitzen auf und versuchte, zu klarem Verstand zu kommen. Er lehnte sich gegen die Wand, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, sich zu erinnern, seine Gedanken zu sammeln.

„Sie sagen, du hast versucht, den König zu ermorden“, setzte Merek fort.

„Das hat er auch, und wir werden ihn dafür in Stücke reißen, falls er jemals wieder hinter diesen Gittern hervorkommt“, knurrte eine Stimme.

Ein tosendes Geklapper brach aus, Zinnbecher schlugen gegen metallene Gitterstäbe, und Thor sah, wie überall entlang des mit Zellen gesäumten Korridors grotesk aussehende Gefangene ihre Köpfe zwischen den Gitterstäben herausstreckten und ihm im flackernden Licht der Fackeln wütende Blicke zuwarfen. Die meisten von ihnen waren unrasiert, hatten Zahnlücken, und manche sahen aus, als wären sie schon jahrelang hier unten. Es war ein grauenerregender Anblick, und Thor zwang sich, seinen Blick abzuwenden. War er wirklich hier unten? Saß er für immer hier unten fest, mit diesen Kerlen?

„Mach dir nichts aus denen“, sagte Merek. „In dieser Zelle gibt es nur dich und mich. Sie können nicht herein. Und mir ist es egal, ob du den König vergiftet hast. Ich würde ihn selbst gern vergiften.“

„Ich habe den König nicht vergiftet“, sagte Thor beleidigt. „Ich habe gar niemanden vergiftet. Ich habe versucht, ihn zu retten. Ich habe nichts getan, außer seinen Kelch umzuwerfen.“

„Und woher hast du gewusst, dass der Kelch vergiftet war?“, kreischte eine Stimme aus dem Korridor, die gelauscht hatte. „Hexerei, nehme ich an?“

Ein Chor zynischen Gelächters erhob sich aus dem Zellenschacht.

„Er ist ein Hellseher!“, rief einer von ihnen spöttisch aus.

Die anderen lachten.

„Aber nein, es war reines Rateglück!“, grölte noch jemand zur Erheiterung aller.

Thor blickte finster drein. Er mochte die Anschuldigungen nicht, er wollte sie alle berichtigen. Doch er wusste, es wäre Zeitverschwendung. Außerdem brauchte er sich vor diesen Verbrechern nicht zu rechtfertigen.

Merek beobachtete ihn mit einem Blick, der nicht so skeptisch war wie die anderen. Er sah aus, als würde er abwägen.

„Ich glaube dir“, sagte er leise.

„Wirklich?“, fragte Thor.

Merek zuckte mit den Schultern.

„Ist doch so: wenn du den König vergiften wolltest, wärst du dann wirklich so dumm und erzählst ihm davon?“

Merek drehte sich um und ging die paar Schritte hinüber zu seiner Seite der Zelle. Er lehnte sich gegen die Wand und setzte sich hin, Thor zugewandt.

Nun war Thor neugierig.

„Wofür sitzt du denn?“, fragte er.

„Ich bin ein Dieb“, antwortete Merek mit einem Hauch von Stolz.

Thor war überrascht; er hatte noch nie mit einem Dieb zu tun gehabt, einem echten Dieb. Ihm selbst war es noch nie in den Sinn gekommen, zu stehlen, und es hatte ihn immer schon erstaunt, dass manche Menschen so etwas taten.

„Warum tust du es?“, fragte Thor.

Merek zuckte mit den Schultern.

„Meine Familie hat nichts zu essen. Sie brauchen Nahrung. Ich habe keine Schulbildung oder sonst etwas, was ich kann. Aber stehlen kann ich. Keine großen Sachen. Meistens nur Essen. Was immer sie brauchen, um durchzukommen. Ich bin jahrelang damit davongekommen. Dann haben sie mich erwischt. Genau gesagt ist dies das dritte Mal, dass sie mich erwischt haben. Beim dritten Mal ist es am schlimmsten.“

„Warum?“, fragte Thor.

Merek wurde still, dann schüttelte er langsam den Kopf. Thor konnte sehen, wie seine Augen sich mit Tränen füllten.

„Die Königlichen Gesetze sind streng. Keine Ausnahmen. Beim dritten Vergehen verlierst du die Hand.“

Thor war entsetzt. Er blickte auf Mereks Hände; sie waren beide noch da.

„Sie haben mich noch nicht geholt“, sagte Merek. „Aber das werden sie.“

Thor fühlte sich furchtbar. Merek blickte weg, als würde er sich schämen, und Thor tat es ihm gleich; er wolle nicht darüber nachdenken.

Thor legte den Kopf in die Hände; quälende Kopfschmerzen plagten ihn, während er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Die letzten paar Tage schienen wie ein Wirbelwind; so viel war geschehen, und alles ging so schnell. Einerseits verspürte er ein Erfolgsgefühl, eine gewisse Bestätigung: er hatte die Zukunft gesehen, hatte MacGils Giftanschlag vorhergesehen und hatte ihn davor gerettet. Vielleicht konnte man das Schicksal also doch ändern—vielleicht konnte man Vorsehung also beugen. Thor verspürte Stolz: Er hatte seinen König gerettet.

Andererseits: hier war er also. Im Kerker, und nicht in der Lage, seinen Namen reinzuwaschen. Seine Hoffnungen und Träume lagen in Scherben; jede Chance, zur Legion zu gehören, war dahin. Nun konnte er von Glück sprechen, wenn er nicht den Rest seiner Tage hier unten verbringen würde. Es schmerzte ihn, dass MacGil, der Thor wie ein Vater aufgenommen hatte, der einzige wahre Vater, den er je gehabt hatte, tatsächlich glauben konnte, dass Thor versuchen würde, ihn zu töten. Es schmerzte ihn, dass sein bester Freund Reece glauben könnte, er hätte versucht, seinen Vater zu ermorden. Oder noch schlimmer, Gwendolyn. Er dachte an ihre letzte Begegnung zurück—als sie geglaubt hatte, dass er sich in Freudenhäusern herumtrieb—und es fühlte sich an, als wäre alles Gute in seinem Leben unter ihm weggezogen worden. Er fragte sich, warum das alles ihm passierte. Immerhin wollte er doch nur Gutes tun.

Thor wusste nicht, was aus ihm werden würde; es war ihm auch egal. Er wollte nur noch seinen Namen reinwaschen; wollte, dass die Leute wussten, dass er dem König nichts getan hatte; dass er echte Kräfte hatte, die Zukunft wirklich gesehen hatte. Er wusste nicht, was aus ihm werden würde, doch eines wusste er: er musste hier raus. Irgendwie.

Bevor Thor den Gedanken zu Ende denken konnte, hörte er die Schritte schwerer Stiefel, die den Korridor entlangstapften; dann folgte ein Rasseln von Schlüsseln, und Augenblicke später erschien ein bulliger Wärter, der Mann, der Thor hierher gezerrt und ihm ins Gesicht geschlagen hatte. Bei seinem Anblick wurde Thor erstmals der Schmerz bewusst, der sich über seine Wange zog, und er empfand körperliche Abneigung.

„Na, wenn das nicht das kleine Würstchen ist, das versucht hat, den König zu ermorden“, grummelte der Wärter finster, während er den eisernen Schlüssel im Schloss umdrehte. Es schnappte ein paar Mal, dann schob er die Zellentür zur Seite. Er hielt Eisenfesseln in einer Hand, und an seinem Gürtel hing eine kleine Axt.

„Du kommst schon noch dran“, zischte er Thor zu, dann wandte er sich an Merek. „Aber jetzt bist du an der Reihe, du kleiner Dieb. Drittes Mal“, sagte er mit einem boshaften Grinsen, „keine Ausnahmen.“

Er schnappte nach Merek, packte ihn grob, riss ihm einen Arm hinter den Rücken, schnallte ihm die Fessel an und schnallte das andere Ende um einen Haken an der Wand. Merek schrie auf, zerrte wie wild an der Fessel, versuchte, sich loszureißen; doch es war nutzlos. Der Wärter packte ihn von hinten, hielt ihn in einem festen Klammergriff, packte seinen freien Arm und platzierte ihn auf einem Steinblock.

„Das wird dich lehren, zu stehlen“, grollte er.

Er zog die Axt von seinem Gürtel und hob sie hoch über seinen Kopf, sein Mund weit geöffnet, seine hässlichen Zähne hervorstehend, und zischte.

„NEIN“, schrie Merek.

Thor saß entsetzt wie angewurzelt da, während der Wärter mit seiner Waffe niederfuhr und auf Mereks Handgelenk zielte. Thor wurde klar, dass in wenigen Sekunden die Hand dieses armen Jungen abgeschlagen sein würde, für immer, aus keinem anderen Grund als kleinen Nahrungsdiebstählen, um seiner Familie zu helfen. Die Ungerechtigkeit brannte tief in ihm und er wusste, er konnte es nicht zulassen. Es war einfach nicht gerecht.

Thor fühlte seinen ganzen Körper heiß werden und spürte ein Brennen, das von seinen Füßen aufstieg und durch seine Handflächen floss. Er fühlte, wie die Zeit sich verlangsamte, wie er sich schneller bewegte als der Mann; spürte jeden Augenblick jeder Sekunde, in der die Axt des Mannes in der Luft hing. Thor konnte einen brennenden Ball aus Energie in seiner Hand fühlen und schleuderte ihn auf den Wärter.

Erstaunt sah er zu, wie die gelbe Kugel aus seiner Hand schoss, durch die Luft flog, die dunkle Zelle mit einem Schweif erhellend—und den Wärter direkt ins Gesicht traf. Er ließ die Axt fallen und wurde quer durch die Zelle geworfen, krachte in eine Wand und brach zusammen. Thor hatte Merek gerettet, einen Sekundenbruchteil bevor die Klinge sein Handgelenk erreicht hätte.

Merek blickte mit weit aufgerissenen Augen zu Thor hinüber.

Der Wärter schüttelte den Kopf und rappelte sich auf, um Thor zu schnappen. Doch Thor spürte die Kraft noch in sich brennen, und als der Wärter auf die Beine kam und auf ihn zusteuerte, rannte Thor los, sprang in die Luft und versetzte ihm einen Tritt in die Brust. Thor fühlte eine nie gekannte Kraft durch seinen Körper fließen und hörte ein Krachen, als sein Tritt den großen Mann durch die Luft schleuderte, in die Wand schmetterte und er zu einem Häufchen am Boden zusammensackte, diesmal wirklich bewusstlos.

Merek stand vor Schreck erstarrt da, und Thor wusste genau, was er zu tun hatte. Er packte die Axt, eilte hinüber, hielt Mereks Fessel gegen den Stein und schlug zu. Ein großer Funke flog durch die Luft, und die Eisenkette war durchtrennt. Merek zuckte zusammen, hob dann den Kopf und blickte auf die Kette hinunter, die zu seinen Füßen hinabbaumelte; er erkannte, dass er frei war.

Er starrte Thor mit offenem Mund an.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, sagte Merek. „Ich weiß nicht, wie du das getan hast, was immer es war, oder wer du bist—oder was du bist—aber du hast mir das Leben gerettet. Ich stehe in deiner Schuld. Und das nehme ich sehr ernst.“

„Du schuldest mir gar nichts“, sagte Thor.

„Falsch“, sagte Merek, streckte die Hand aus und fasste Thor am Unterarm. „Du bist jetzt mein Bruder. Und ich werde es dir zurückzahlen. Irgendwie. Irgendwann.“

Mit diesen Worten drehte Merek sich um, eilte durch die offene Zellentür und rannte den Korridor entlang, unter den Rufen der anderen Gefangenen.

Thor blickte hinüber und sah den bewusstlosen Wärter, die offenstehende Zellentür, und wusste, dass auch er handeln musste. Die Rufe der Gefangenen wurden lauter.

Thor trat hinaus, blickte in beide Richtungen und entschied, in die entgegengesetzte Richtung zu Merek zu laufen. Immerhin konnten sie so nicht beide zugleich erwischt werden.




KAPITEL DREI


Thor rannte durch die Nacht, durch das Chaos auf den Straßen von Königshof, erstaunt über den Tumult um ihn herum. Die Straßen waren überfüllt, Scharen von Menschen eilten in aufgewühltem Durcheinander umher. Viele trugen Fackeln, die die Nacht erhellten und dunkle Schatten auf die Gesichter warfen, während regelmäßig die Burgglocken erklangen. Es war ein dumpfes Läuten, ein Glockenschlag jede Minute, und Thor wusste, was das bedeutete: Tod. Totenglocken. Und in dieser Nacht gab es im Königreich nur eine Person, für die die Glocken läuten würden: den König.

Thors Herz klopfte schneller, und er wunderte sich. Der Dolch aus seinem Traum blitzte vor seinen Augen auf. War es echt gewesen?

Er musste es genau wissen. Er packte einen Passanten, einen Jungen, der in die entgegengesetzte Richtung rannte.

„Wohin läufst du?“, forderte Thor. „Was soll dieser ganze Aufruhr?“

„Hast du es nicht gehört?“, schoss der Junge fieberhaft zurück. „Unser König liegt im Sterben! Erstochen! Vor dem Königstor sammeln sich schon Meuten und warten auf Nachricht. Wenn es wahr ist, ist das für uns alle schrecklich. Kannst du dir das vorstellen? Ein Land ohne König?“

Mit diesen Worten fegte der Junge Thors Hand fort, drehte sich um und lief zurück in die Nacht.

Thor stand mit pochendem Herzen da und wollte die Wirklichkeit um ihn herum nicht wahrhaben. Seine Träume, seine Vorahnungen—sie waren mehr als nur Einbildung. Er hatte die Zukunft gesehen. Zweimal. Und das machte ihm Angst. Seine Kräfte waren tiefer, als er geahnt hatte, und sie schienen mit jedem Tag stärker zu werden. Wohin würde das alles führen?

Thor stand da und dachte darüber nach, was er als nächstes tun sollte. Er war ausgebrochen, doch nun hatte er keine Ahnung, wohin er sich wenden konnte. Bestimmt würde innerhalb weniger Augenblicke die königliche Garde—und womöglich ganz Königshof—nach ihm fahnden. Die Tatsache, dass Thor ausgebrochen war, würde ihn nur noch schuldiger aussehen lassen. Andererseits—würde die Tatsache, dass MacGil erstochen wurde, während Thor eingesperrt war, ihn nicht entlasten? Oder würde es so aussehen, als wäre er Teil einer Verschwörung?

Thor konnte kein Risiko eingehen. Anscheinend war niemand im Königreich in der Stimmung für Vernunft—es war, als wollten rundum alle nur Blut sehen. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie ihn als Sündenbock hernehmen. Er brauchte einen Unterschlupf, einen Ort, an den er gehen konnte, um die Sache auszusitzen und seinen Namen reinzuwaschen. Am sichersten wäre es weit weg von hier. Er sollte fliehen, in seinem Heimatdorf Zuflucht suchen—oder sogar noch weiter weg, so weit weg von hier wie nur möglich.

Doch Thor wollte nicht einfach den sichersten Weg gehen; das sah ihm nicht ähnlich. Er wollte hierbleiben, seinen Namen reinwaschen, seinen Posten in der Legion behalten. Er war kein Feigling und er würde nicht davonlaufen. Am meisten jedoch wollte er MacGil sehen, bevor er starb—falls er überhaupt noch lebte. Er musste ihn sehen. Er zermarterte sich mit Schuldgefühlen darüber, dass er es nicht geschafft hatte, den Anschlag aufzuhalten. Warum war er dazu verdammt worden, den Tod des Königs vorherzusehen, wenn es nichts gab, was er dagegen tun konnte? Und warum hatte er einen Giftanschlag gesehen, wenn er in Wahrheit erstochen werden sollte?

Während Thor so dastand und überlegte, fiel es ihm ein: Reece. Reece war der Einzige, dem er trauen konnte, ihn nicht auszuliefern und ihm vielleicht sogar Unterschlupf zu gewähren. Er hatte das Gefühl, dass Reece ihm glauben würde. Er wusste, dass Thors Liebe zu seinem Vater echt war, und wenn es irgendjemanden gab, der Thors Namen reinwaschen konnte, dann war es Reece. Er musste ihn finden.

Thor lief durch die Seitengassen und bahnte sich seinen Weg durch die Menge, vom Königstor weg und an die Burg heran. Er wusste, wo Reece sein Zimmer hatte—im Ostflügel, nahe an der Außenmauer zur Stadt—und er konnte nur hoffen, dass Reece sich darin aufhielt. Falls er da war, konnte er vielleicht auf sich aufmerksam machen, und er könnte ihn in die Burg schmuggeln. Thor hatte das ungute Gefühl, dass er bald erkannt werden würde, wenn er sich noch lange hier auf der Straße aufhielt. Und sobald die Meute ihn erkennen würde, würden sie ihn in Stücke reißen.

Thor bog in eine Gasse nach der anderen, seine Füße rutschten über die Schlammpfützen dieser Sommernacht, und schließlich erreichte er die Steinmauer der äußeren Brustwehr. Er lief knapp an der Mauer entlang, unter den wachsamen Blicken der Soldaten hinweg, die alle paar Fuß weit postiert waren.

Als er Reeces Fenster erreichte, las er einen glatten Stein vom Boden auf. Zum Glück hatten sie seine alte, treue Steinschleuder übersehen, als sie ihn entwaffneten. Er zog sie vom Gürtel, platzierte den Stein und schleuderte ihn.

Mit seinem unfehlbaren Ziel schickte Thor den Stein über die Burgmauer und perfekt durch das offene Fenster von Reeces Zimmer. Thor konnte hören, wie er drinnen gegen die Wand klackte, dann duckte er sich eng gegen die Mauer, um den Blicken der königlichen Wachen zu entgehen, die bei dem Geräusch aufblickten, und wartete.

Einige Augenblicke lang geschah gar nichts, und Thors Herz sank, als er sich dachte, dass Reece wohl doch nicht in seinem Zimmer war. Falls nicht, würde Thor von hier fliehen müssen; es gab keinen anderen möglichen Zufluchtsort für ihn. Mit pochendem Herzen hielt er den Atem an und wartete, die Öffnung von Reeces Fenster nicht aus den Augen lassend.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war Thor gerade dabei, sich abzuwenden, als er eine Gestalt bemerkte, die den Kopf zum Fenster hinausstreckte, beide Hände fest auf das Fensterbrett gestützt, und fragend um sich blickte.

Thor stand auf, huschte ein Paar Schritte von der Mauer weg und winkte mit einem weit ausgestreckten Arm.

Reece blickte hinunter und bemerkte ihn. Sein Gesicht leuchtete auf, als er ihn erkannte—das war sogar von hier aus im Licht der Fackeln zu erkennen—und Thor stellte erleichtert fest, dass es ein freudiger Ausdruck war. Das sagte ihm alles, was er wissen musste: Reece würde ihn nicht ausliefern.

Reece bedeutete ihm, zu warten, und Thor huschte zurück an die Mauer und duckte sich gerade rechtzeitig, als ein Wachmann sich in seine Richtung drehte.

Thor wusste nicht, wie lange er schon wartete; er war jederzeit darauf gefasst, vor den Wachen davonlaufen zu müssen. Endlich tauchte Reece auf. Er platze keuchend durch eine Tür in der Außenmauer und blickte sich in beide Richtungen nach Thor um.

Als er ihn entdeckte, eilte Reece zu ihm und umarmte ihn. Thor war überglücklich. Er hörte ein Winseln und blickte zu seiner Freude auf Krohn hinunter, der in Reeces Hemd eingerollt war. Krohn sprang geradezu aus dem Hemd, als Reece ihn hochhob und Thor überreichte.

Krohn—das rasend wachsende weiße Leopardenjunge, dem Thor das Leben gerettet hatte—sprang Thor in die Arme, und Thor drückte es fest an sich, während es winselte und jauchzte und sein Gesicht leckte.

Reece lächelte.

„Als sie dich abführten, hat er versucht, dir zu folgen, und ich nahm ihn an mich, damit er in Sicherheit war.“

Thor ergriff dankbar Reeces Unterarm. Dann lachte er, da Krohn ihn immer wilder ableckte.

„Ich hab dich auch vermisst, Junge“, lachte Thor und gab ihm einen Kuss zurück. „Still jetzt, sonst hören uns noch die Wachen.“

Krohn wurde ruhig, als würde er verstehen.

„Wie bist du entkommen?“, fragte Reece überrascht.

Thor zuckte die Schultern. Er wusste nicht genau, was er sagen sollte. Es war ihm immer noch unangenehm, über seine Kräfte zu sprechen, die er nicht verstand. Er wollte nicht, dass andere ihn als Abnormität betrachteten.

„Ich hatte Glück, schätze ich“, erwiderte er. „Ich sah eine Gelegenheit und packte sie.“

„Fast ein Wunder, dass du nicht schon von einer Menschenmeute zerfetzt worden bist“, sagte Reece.

„Es ist dunkel“, sagte Thor. „Ich glaube nicht, dass mich jemand erkannt hat. Zumindest noch nicht.“

„Ist dir klar, dass jeder Soldat des Königreichs nach dir sucht? Weißt du schon, dass jemand auf meinen Vater eingestochen hat?“

Thor nickte ernst. „Wie geht es ihm?“

Reeces Gesicht verdüsterte sich.

„Nicht gut“, antwortete er grimmig. „Er liegt im Sterben.“

Thor war am Boden zerstört; als wäre es sein eigener Vater.

„Du weißt, dass ich nichts damit zu tun hatte, nicht wahr?“, fragte Thor hoffnungsvoll. Ihm war egal, was alle anderen dachten, doch sein bester Freund, MacGils jüngster Sohn, musste wissen, dass er unschuldig war.

„Klar doch“, sagte Reece. „Sonst würde ich wohl kaum hier stehen.“

Thor fühlte eine Welle der Erleichterung und packte Reece dankbar an der Schulter.

„Aber der Rest des Königreichs wird nicht so vertrauensselig sein wie ich“, fügte Reece hinzu. „Der sicherste Ort für dich ist weit weg von hier. Ich gebe dir mein schnellstes Pferd und ein Proviantpaket, und schicke dich von hier davon. Du musst dich verstecken, bis sich hier alles beruhigt hat und sie den wahren Mörder gefunden haben. Jetzt gerade kann niemand hier klar denken.“

Thor schüttelte den Kopf.

„Ich kann hier nicht weg“, sagte er. „So würde ich nur schuldig erscheinen. Ich muss den anderen klarmachen, dass ich nichts getan habe. Ich kann nicht vor meinen Problemen davonlaufen. Ich muss meinen Namen reinwaschen.“

Reece schüttelte den Kopf.

„Wenn du hierbleibst, finden sie dich. Sie werden dich wieder einsperren—und dann hinrichten—wenn dich die Meute nicht vorher erwischt.“

„Das Risiko muss ich eingehen“, sagte Thor.

Reece starrte ihn lange und eingehend an, und sein Ausdruck änderte sich von Besorgnis zu Anerkennung. Schließlich nickte er bedächtig.

„Du bist stolz. Und dumm. Sehr dumm. Genau das mag ich an dir.“

Reece lächelte. Thor lächelte zurück.

„Ich muss deinen Vater spreichen“, sagte Thor. „Ich muss eine Gelegenheit haben, ihm von Angesicht zu Angesicht zu erklären, dass ich es nicht war, dass ich nichts damit zu tun hatte. Falls er beschließt, mich zu verurteilen, so sei es. Aber ich brauche eine Chance. Ich will, dass er es weiß. Das ist alles, worum ich dich bitte.“

Reece starrte ihn eingehend an und machte sich ein Bild von seinem Freund. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, nickte er.

„Ich kann dich zu ihm bringen. Ich kenne einen Hintereingang in seine Kammer. Es ist riskant—und wenn du einmal drin bist, bist du auf dich allein gestellt. Es gibt keinen Weg hinaus. Es gibt dann nichts mehr, was ich noch für dich tun kann. Es könnte deinen Tod bedeuten. Bist du sicher, dass du das riskieren möchtest?“

Thor nickte mit todernster Zustimmung.

„Also gut dann“, sagte Reece, griff plötzlich nach unten und warf Thor einen Umhang zu.

Thor fing ihn auf und blickte ihn erstaunt an; er erkannte, dass Reece dies von Anfang an geplant hatte.

Reece lächelte Thor zu.

„Ich wusste, du würdest dumm genug sein, hier bleiben zu wollen. Ich hätte von meinem besten Freund nichts Geringeres erwartet.“




KAPITEL VIER


Gareth stapfte in seiner Kammer auf und ab und ließ die nervenzerrüttenden Ereignisse der Nacht Revue passieren. Er konnte nicht fassen, was beim Festmahl passiert war; wie alles so schiefgehen konnte. Er konnte kaum glauben, dass dieser dumme Junge, dieser Außenseiter Thor, irgendwie von seinem Giftkomplott Wind bekommen hatte—und es noch dazu tatsächlich geschafft hatte, den Kelch abzufangen. Gareth dachte an den Moment zurück, als er Thor aufspringen und den Kelch umwerfen sah; als er den Kelch am Steinboden aufschlagen hörte; als er zusah, wie der Wein sich über den Boden ergoss, und mit ihm all seine Träume und Mühen.

In dem Moment war Gareth ruiniert gewesen. Alles, wofür er gelebt hatte, war zerschmettert. Und als dieser Hund den Wein aufleckte und tot umfiel—da wusste er, er war erledigt. Er sah sein ganzes Leben an sich vorüberziehen, sah sich schon entlarvt, für den versuchten Mord an seinem Vater zu lebenslangem Kerker verurteilt. Oder noch schlimmer, exekutiert. Es war idiotisch gewesen. Er hätte diesen Plan niemals ausführen, diese Hexe niemals besuchen sollen.

Zumindest hatte Gareth schnell reagiert, die Chance ergriffen, aufzuspringen und der erste zu sein, der den Verdacht auf Thor lenkte. Rückblickend war er stolz auf sich für die schnelle Reaktion. Es war eine Eingebung gewesen, und zu seinem Erstaunen schien es funktioniert zu haben. Sie hatten Thor abgeführt und das Festmahl hatte sich wieder beruhigt. Natürlich war es danach nicht mehr dasselbe, aber zumindest schien der Verdacht fest auf dem Jungen zu sitzen.

Gareth konnte nur beten, dass es dabei blieb. Das letzte Attentat auf einen MacGil lag Jahrzehnte zurück und Gareth fürchtete, es würde Untersuchungen geben; dass die Tat genauer hinterfragt werden würde. Rückblickend war es töricht gewesen, ihn vergiften zu wollen. Sein Vater war unverwundbar. Gareth hätte das wissen sollen. Er hatte sich übernommen. Und nun wurde er das Gefühl nicht los, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Verdacht auf ihn fallen würde. Er würde alles tun müssen, was er konnte, um Thors Schuld zu beweisen und ihn hinrichten zu lassen, bevor es zu spät war.

Zumindest hatte Gareth es wieder einigermaßen gutgemacht: nach dem gescheiterten Versuch hatte er das Attentat abgeblasen. Nun fühlte sich Gareth erleichtert. Nachdem er zusehen musste, wie das Komplott scheiterte, war ihm klar geworden, dass es tief in ihm einen Teil gab, der seinen Vater gar nicht töten wollte, dessen Blut nicht an seinen Händen haben wollte. Er würde nicht König werden. Er würde vielleicht nie König werden. Doch nach den Ereignissen dieses Abends war das für ihn in Ordnung. Zumindest würde er frei sein. Er würde den Stress dieser ganzen Sache nicht noch einmal aushalten: die Geheimnisse, die Verhüllungen, die ständige Angst, entlarvt zu werden. Es war zu viel für ihn.

Während er hin und her stapfte, immer später in die Nacht hinein, begann er schließlich, sich langsam zu beruhigen. Gerade als er sich wieder wie er selbst fühlte und sich auf das Zubettgehen vorbereiten wollte, krachte plötzlich die Tür hinter ihm auf. Herein stürmte Firth, die Augen weit aufgerissen, kopflos, als würde er verfolgt werden.

„Er ist tot!“, schrie Firth. „Er ist tot! Ich habe ihn umgebracht. Er ist tot!“

Firth war hysterisch, er jaulte geradezu, und Gareth hatte keine Ahnung, wovon er redete. War er betrunken?

Firth rannte kreischend, schreiend, mit den Armen wedelnd durch das Zimmer—und da erst bemerkte Gareth seine blutüberströmten Hände, seine blutbefleckte gelbe Tunika.

Gareths Herz setzte aus. Firth hatte gerade jemanden getötet. Aber wen?

„Wer ist tot?“, forderte Gareth. „Von wem sprichst du?“

Aber Firth war hysterisch und konnte sich nicht konzentrieren. Gareth rannte zu ihm, packte ihn fest an den Schultern und schüttelte ihn.

„Antworte mir!“

Firth öffnete die Augen und starrte, seine Augen wie die eines wilden Pferdes.

„Dein Vater! Der König! Er ist tot! Durch meine Hände!“

Die Worte trafen Gareth, als hätte ihm jemand ein Messer ins eigene Herz gestoßen.

Er starrte mit weit aufgerissenen Augen zurück; spürte, wie sein ganzer Körper taub wurde. Er lockerte seinen Griff, trat einen Schritt zurück und versuchte, Atem zu schöpfen. Er konnte an all dem Blut erkennen, dass Firth die Wahrheit sagte. Er konnte es nicht im Ansatz begreifen. Firth? Der Stalljunge? Der Willensschwächste unter allen seinen Freunden? Soll seinen Vater ermordet haben?

„Aber...wie ist das möglich?“, keuchte Gareth. „Wann?“

„Es geschah in seinem Gemach“, sagte Firth. „Gerade eben. Ich habe ihn erstochen.“

Langsam erfasste er die Bedeutung dieser Nachricht und kam wieder zu Sinnen; er bemerkte die offene Tür, rannte zu ihr und schlug sie zu, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie von keinen Wachen gesehen worden waren. Zum Glück war der Korridor leer. Er zog den schweren eisernen Riegel vor.

Er eilte durch das Zimmer zurück. Firth war immer noch hysterisch, und Gareth musste ihn beruhigen. Er brauchte Antworten.

Er packte ihn an den Schultern, drehte ihn herum und zog ihm den Handrücken gerade so fest übers Gesicht, dass er stockte. Endlich sammelte sich Firth.

„Erzähl mir alles“, befahl Gareth kühl. „Erzähl mir genau, was passiert ist. Warum hast du das getan?“

„Was meinst du, warum?“, fragte Firth verwirrt. „Du wolltest ihn töten. Dein Gift hat nicht funktioniert. Ich dachte, ich könne dir helfen. Ich dachte, das war es, was du wolltest.“

Gareth schüttelte den Kopf. Er packte Firth am Hemd und schüttelte ihn, wieder und wieder.

„Warum hast du das getan!?“, schrie Gareth.

Gareth fühlte, wie seine ganze Welt in Stücke brach. Er stellte schockiert fest, dass es ihm um seinen Vater tatsächlich leid tat. Er konnte es nicht verstehen. Nur wenige Stunden zuvor hatte er nichts mehr gewollt, als ihn vergiftet zu sehen, tot an der Tafel. Nun traf ihn der Gedanke an seine Ermordung wie der Tod eines besten Freundes. Er fühlte sich von Reue überwältigt. Ein Teil von ihm wollte überhaupt nicht, dass er starb—besonders nicht so. Nicht durch Firths Hände. Und nicht durch eine Klinge.

„Ich verstehe nicht“, quengelte Firth. „Erst vor ein paar Stunden hast du selbst versucht, ihn umzubringen. Dein Kelch-Komplott. Ich dachte, du würdest dankbar sein!“

Zu seiner eigenen Überraschung holte Gareth aus und zog Firth die Hand übers Gesicht.

„Ich habe dir nicht aufgetragen, das zu tun!“, fauchte Gareth. „Ich habe niemals erwähnt, dass du das tun sollst. Warum hast du ihn umgebracht? Sieh dich nur an. Du bist voll Blut. Jetzt sind wir beide erledigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Wachen uns erwischen.“

„Niemand hat es gesehen“, quengelte Firth. „Ich bin zwischen den Schichtwechsel gehuscht. Niemand hat mich bemerkt.“

„Und wo ist die Waffe?“

„Ich habe sie nicht zurückgelassen“, sagte Firth voll Stolz. „Ich bin nicht dumm. Ich habe sie entsorgt.“

„Und welche Klinge hast du verwendet?“, fragte Gareth, und seine Gedanken wirbelten um die möglichen Auswirkungen herum. Er war von Bedauern zu Sorge übergegangen. Sein Verstand brütete über jedem Detail der Spur, die dieser unbeholfene Narr möglicherweise zurückgelassen hatte; jedem Detail, das zu ihm führen könnte.

„Ich habe eine verwendet, die sich nicht zurückverfolgen lässt“, sagte Firth mit Stolz auf sich selbst. „Es war eine zierlose, anonyme Klinge. Ich habe sie im Stall gefunden. Da waren noch vier andere, die genau gleich aussahen. Sie kann nicht zurückverfolgt werden“, wiederholte er.

Gareth fühlte sein Herz in den Magen rutschen.

„War es ein kurzes Messer mit rotem Griff und geschwungener Klinge? In einer Halterung an der Wand neben meinem Pferd?“

Firth nickte als Antwort, Zweifel in den Augen.

Gareth starrte ihn finster an.

„Du Narr. Natürlich lässt sich diese Klinge zurückverfolgen!“

„Aber es waren keine Markierungen darauf!“, protestierte Firth mit ängstlich zitternder Stimme.

„Auf der Klinge sind keine Markierungen—aber der Griff trägt ein Zeichen!“, schrie Gareth. „Auf der Unterseite! Du hast es dir nicht sorgfältig angesehen. Du Idiot.“ Gareth trat mit rotem Gesicht vor. „Das Emblem meines Pferdes ist darunter hineingeschnitzt. Jeder, der die königliche Familie gut kennt, kann diese Klinge zu mir zurückverfolgen.“

Er starrte Firth an, der aus der Bahn geworfen schien. Er wollte ihn umbringen.

„Was hast du damit gemacht?“, forderte Gareth. „Sag mir, dass du sie bei dir hast. Sag mir, dass du sie mit zurückgebracht hast. Bitte.“

Firth schluckte.

„Ich habe sie sorgfältig entsorgt. Niemand wird sie je finden.“

Gareth verzog das Gesicht.

„Wo genau?“

„Ich warf sie den steinernen Abfluss hinunter in den Nachttopf der Burg. Der Topf wird jede Stunde entleert, in den Fluss hinein. Keine Sorge, mein Herr. Inzwischen ist das Messer tief im Fluss verschwunden.“

Die Burgglocken läuteten plötzlich, und Gareth rannte zum offenen Fenster, sein Herz von Panik erfüllt. Er blickte hinaus auf das Chaos und den Tumult unter ihnen. Menschenmeuten umringten die Burg. Dieses Glockenläuten konnte nur eines bedeuten: Firth hatte nicht gelogen. Er hatte den König umgebracht.

Gareth fühlte, wie sein Körper eiskalt wurde. Er konnte nicht fassen, dass er eine so üble Tat angezettelt hatte. Und dass ausgerechnet Firth sie ausgeführt hatte.

Plötzlich klopfte es an seiner Tür, sie barst auf und mehrere königliche Wachen eilten herein. Einen Moment lang war sich Gareth sicher, sie würden ihn verhaften.

Doch zu seiner Überraschung hielten sie an und standen stramm.

„Mein Herr, auf Euren Vater wurde gestochen. Möglicherweise läuft ein Attentäter frei herum. Bleibt zu Eurer Sicherheit in Eurer Kammer. Er ist schwerstens verletzt.“

Bei diesem letzten Wort stellten sich Gareths Nackenhaare auf.

„Verletzt?“, wiederholte Gareth, und das Wort blieb ihm beinahe im Hals stecken. „Er ist also noch am Leben?“

„Das ist er, mein Herr. Und mit Gottes Beistand wird er überleben und uns sagen können, wer diese abscheuliche Tat begangen hat.“

Mit einer kurzen Verbeugung eilten die Wachen aus dem Zimmer und schlugen die Tür hinter sich zu.

Gareth wurde von Zorn überwältigt und packte Firth an den Schultern, schob ihn quer durchs Zimmer und knallte ihn gegen die steinerne Wand.

Firth starrte mit weit aufgerissenen Augen zurück; entsetzt, sprachlos.

„Was hast du angerichtet?“, schrie Gareth. „Jetzt sind wir beide erledigt!“

„Aber...aber...“, stammelte Firth, „...ich war mir sicher, dass er tot ist!“

„Du bist dir vieler Dinge sicher“, sagte Gareth, „und allesamt sind sie falsch!“

Da kam Gareth ein Gedanke.

„Der Dolch“, sagte er. „Wir müssen ihn finden, bevor es zu spät ist.“

„Aber ich habe ihn weggeworfen, mein Herr“, sagte Firth. „Er wurde den Fluss hinuntergespült!“

„Du hast ihn in einen Nachttopf geworfen. Das heißt noch lange nicht, dass er schon im Fluss ist.“

„Aber es ist wahrscheinlich!“, sagte Firth.

Gareth konnte die Stümperei dieses Idioten nicht länger ertragen. Er stürmte an ihm vorbei zur Tür hinaus, dicht gefolgt von Firth.

„Ich komme mit Euch. Ich werde Euch genau zeigen, wo ich ihn hingeworfen habe“, sagte Firth.

Gareth blieb im Korridor stehen, drehte sich um und starrte Firth an. Er war blutüberströmt, und Gareth war erstaunt, dass die Wachen es nicht bemerkt hatten. Das war pures Glück gewesen. Firth war mehr als je zuvor eine Belastung.

„Ich sage das jetzt genau einmal“, knurrte Gareth. „Geh sofort zurück auf mein Zimmer, zieh dich um und verbrenne deine Kleider. Entferne jede Spur von Blut. Dann verschwinde aus dieser Burg. Halte dich in dieser Nacht von mir fern. Hast du mich verstanden?“

Gareth gab ihm einen Stoß, dann drehte er sich um und rannte. Er lief den Korridor entlang, die Wendeltreppe ein Stockwerk nach dem anderen hinunter, zu den Dienstboten-Räumen.

Schließlich platzte er in das Untergeschoss, und die Köpfe einiger Diener drehten sich nach ihm um. Sie waren alle damit beschäftigt, enorme Töpfe zu schrubben und Eimer voll Wasser zu kochen. Riesige Feuer brannten in Ziegelöfen, und die Diener mit ihren fleckigen Schürzen waren schweißgebadet.

Am anderen Ende des Raumes erblickte Gareth einen enormen Nachttopf, darüber einen steinernen Abfluss, über den minütlich Ausscheidungen in den Topf hinuntertropften.

Gareth rannte zum nächsten Diener und packte ihn verzweifelt am Arm.

„Wann wurde der Topf zuletzt geleert?“, fragte Gareth.

„Er wurde vor wenigen Minuten erst zum Fluss gebracht, Herr.“

Gareth machte kehrt und stürmte aus dem Raum, die Burgflure entlang, wieder die Wendeltreppe hoch, und platzte hinaus in die kühle Nachtluft.

Er rannte über die Wiese, atemlos auf den Fluss zu.

Als er näherkam, fand er ein Versteck hinter einem großen Baum nahe am Ufer. Er beobachtete, wie zwei Diener den riesigen Eisentopf hoben und ihn in die reißende Strömung des Flusses kippten.

Er sah zu, bis der Topf kopfüber stand, sein gesamter Inhalt entleert, und sie mit dem Topf kehrtmachten und zurück zur Burg marschierten.

Endlich war Gareth zufriedengestellt. Niemand hatte eine Klinge entdeckt. Wo auch immer sie war, sie war nun in den Fluten des Flusses, fortgeschwemmt auf Nimmerwiedersehen. Sollte sein Vater in dieser Nacht sterben, würde es keine Beweise geben, die eine Spur zum Mörder liefern konnten.

Oder etwa doch?




KAPITEL FÜNF


Thor folgte Reece, mit Krohn auf den Fersen, auf ihrem Weg durch die hintere Passage zu den Gemächern des Königs. Reece hatte sie durch eine Geheimtür hereingelotst, die in den Steinmauern versteckt war, und führte sie nun mit einer Fackel in der Hand einen engen Schacht entlang durch die Eingeweide der Burg, in einer schwindelerregenden Folge von Kehrungen und Wendungen. Sie stiegen eine enge Steintreppe hinauf, die zu einer weiteren Passage führte, wandten sich um und fanden vor sich eine weitere Treppe. Thor war erstaunt darüber, wie verwinkelt eine Passage sein konnte.

„Dieser Durchgang wurde vor hunderten von Jahren in die Burg gebaut“, erklärte Reece flüsternd, während sie weitergingen. Er war von ihrem Aufstieg außer Atem. „Sie wurde vom Urgroßvater meines Vaters erbaut, dem dritten König MacGil. Er hat sie nach einer Belagerung bauen lassen—es ist ein Fluchtweg. Ironischerweise sind wir seither nicht wieder belagert worden, und diese Geheimgänge sind seit Jahrhunderten nicht mehr verwendet worden. Sie wurden zugenagelt, und ich habe sie entdeckt, als ich ein Kind war. Ich benutze sie gerne von Zeit zu Zeit, um durch die Burg zu kommen, ohne dass irgendjemand weiß, wo ich bin. Als wir klein waren, spielten Gwen und Godfrey und ich hier Verstecken. Kendrick war zu alt, und Gareth spielte nicht gerne mit uns. Keine Fackeln, das war die Regel. Pechschwarz. Damals war das echt gruselig.“

Thor versuchte, mit Reece Schritt zu halten, während der mit beeindruckender Gewandtheit durch die Passagen steuerte. Es war offensichtlich, dass er jeden Schritt auswendig kannte.

„Wie kannst du dir bloß all diese Kehrungen merken?“, fragte Thor beeindruckt.

„Es kann ganz schön einsam sein, als Junge in dieser Burg aufzuwachsen“, fuhr Reece fort, „besonders, wenn alle anderen älter sind und du noch zu jung bist für die Legion, und es sonst nichts anderes zu tun gibt. So habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, jeden Winkel dieses Baus zu erkunden.“

Sie machten eine weitere Kehrtwendung, stiegen dann drei Steinstufen hinunter, zwängten sich durch eine enge Öffnung in der Mauer und stiegen dann eine lange Treppe hinab. Schließlich brachte sie Reece an eine dicke, staubige Tür aus Eichenholz. Er legte ein Ohr an sie und lauschte. Thor stellte sich zu ihm.

„Was ist das für eine Tür?“, fragte Thor.

„Pssst“, sagte Reece.

Thor verstummte, legte selbst ein Ohr an die Tür und lauschte. Krohn stand hinter ihm und blickte zu ihm hoch.

„Dies ist die Hintertür zur Kammer meines Vaters“, flüsterte Reece. „Ich will hören, wer gerade bei ihm ist.“

Thor lauschte mit pochendem Herzen auf die gedämpften Stimmen hinter der Tür.

„Klingt, als wäre der Raum recht voll“, sagte Reece.

Reece warf Thor einen gewichtigen Blick zu.

„Du wanderst hier in einen Feuersturm hinein. Seine Generäle werden da sein, seine Ratsherren und Ratgeber, seine Familie—einfach alle. Und ich bin mir sicher, dass jeder Einzelne von ihnen auf der Suche nach dir, seinem angeblichen Mörder, sein wird. Es wird sein, als würdest du in einen Lynch-Mob hineinspazieren. Falls mein Vater immer noch denkt, du hättest versucht, ihn zu ermorden, dann bist du erledigt. Bist du dir ganz sicher, dass du das hier durchziehen möchtest?“

Thor schluckte schwer. Dies war seine Chance, jetzt oder nie. Sein Hals wurde trocken, als ihm klar wurde, dass dies ein Wendepunkt in seinem Leben war. Es wäre ein Leichtes, jetzt umzukehren und zu fliehen. Er konnte anderswo ein Leben in Sicherheit führen, weit weg von Königshof. Oder er konnte durch diese Tür treten und möglicherweise den Rest seines Lebens bei diesen Unholden im Kerker verbringen—oder gar hingerichtet werden.

Er holte tief Luft und traf seinen Entschluss. Er würde die Dämonen am Schopf packen müssen. Er konnte jetzt nicht mehr zurück.

Thor nickte. Er hatte Angst, den Mund zu öffnen—Angst, dass er dann seine Meinung ändern würde.

Reece nickte anerkennend zurück, drückte dann die eiserne Klinke nach unten und seine Schulter gegen die Tür.

Thor blinzelte ins grelle Fackellicht, als die Tür sich weit öffnete. Er befand sich inmitten der privaten Gemächer des Königs, mit Krohn und Reece an seiner Seite.

Mindestens zwei Dutzend Menschen waren um den König gedrängt, der auf seinem Bett lag; einige standen über ihm, andere knieten. Um den König herum standen seine Ratgeber und Generäle, zusammen mit Argon, der Königin, Kendrick, Godfrey—und sogar Gwendolyn. Es war eine Totenwache, und Thor war ein Eindringling in die private Angelegenheit dieser Familie.

Die Stimmung im Raum war bedrückt, die Mienen voller Ernst. MacGil lag auf Kissen aufgestützt, und Thor stellte erleichtert fest, dass er am Leben war—zumindest jetzt noch.

Alle Köpfe drehten sich gleichzeitig um, aufgeschreckt durch Thors und Reeces plötzliches Erscheinen. Thor wurde klar, was für ein Schreck es sein musste: ihr plötzliches Erscheinen mitten im Raum, aus einer Geheimtür in der Steinmauer heraus.

„Das ist der Junge!“, schrie jemand aus der Menge, stand auf und zeigte hasserfüllt auf Thor. „Er hat versucht, den König zu vergiften!“

Aus allen Ecken des Raumes traten Wachen auf ihn zu. Thor wusste kaum, was er tun sollte. Ein Teil von ihm wollte umkehren und fliehen, aber er wusste, er würde sich dieser wütenden Menge stellen müssen, er musste seinen Frieden mit dem König machen. Also blieb er ruhig stehen, während mehrere Wachen auf ihn zustürmten, um ihn zu fassen. An seiner Seite knurrte Krohn eine Drohung an die Angreifer.

Plötzlich fühlte Thor eine Hitze in ihm aufwallen, eine Kraft ihn erfüllen; er hob ohne es zu wollen eine Hand und streckte eine Handfläche aus, um seine Energie auf sie zu richten.

Thor sah verblüfft zu, wie sie alle mitten im Laufschritt innehielten, nur wenige Fuß entfernt, wie angefroren. Seine Kräfte, was immer sie waren, wallten in ihm und hielten sie in Schach.

„Du wagst es, hier hereinzuspazieren und deine Hexerei einzusetzen, Junge!“, schrie Brom—der höchste General des Königs—und zog sein Schwert. „Hat es dir nicht gereicht, einmal zu versuchen, unseren König zu töten?“

Brom ging mit gezogenem Schwert auf Thor los; da fühlte Thor, wie etwas von ihm Macht ergriff, ein stärkeres Gefühl, als er je gehabt hatte. Er schloss einfach nur die Augen und konzentrierte sich. Er fühlte die Energie in Broms Schwert, seine Form, sein Metall, und irgendwie wurde er eins mit dem Schwert. Er befahl ihm vor seinem geistigen Auge, stehenzubleiben.

Brom stand mit weiten Augen wie angewurzelt da.

„Argon!“, wirbelte Brom herum und schrie. „Gebiete dieser Hexerei sofort Einhalt! Halte diesen Jungen auf!“

Argon trat aus der Menge hervor und senkte langsam seine Kapuze. Er starrte mit intensiven, brennenden Augen auf Thor.

„Ich sehe keinen Grund, ihn aufzuhalten“, sprach Argon. „Er ist nicht hier, um Böses zu tun.“

„Bist du von Sinnen? Er hat beinahe unseren König ermordet!“

„Das ist deine Annahme“, sprach Argon. „Es ist nicht, was ich sehe.“

„Lasst ihn in Ruhe“, ertönte eine gebrechliche, tiefe Stimme.

Alle drehten sich um, als MacGil sich aufrichtete. Er blickte herüber, sehr schwach erscheinend. Es war klar, dass es eine Anstrengung für ihn war, zu sprechen.

„Ich will den Jungen sehen. Er war es nicht, der auf mich gestochen hat. Ich konnte das Gesicht des Mannes sehen, und er war es nicht. Thor ist unschuldig.“

Langsam entspannten sich die anderen, und Thor entspannte seinen Geist und ließ sie frei. Die Wachen zogen sich zurück, Thor misstrauisch beäugend, als wäre er aus einer anderen Welt, und steckten langsam ihre Schwerter zurück in die Scheiden.

„Ich will ihn sprechen“, sagte MacGil. „Alleine. Ihr alle. Lasst uns alleine.“

„Mein König“, sagte Brom. „Meint ihr wirklich, dass es sicher ist? Nur Ihr und der Junge, allein?“

„Niemand hat Thor anzurühren“, sagte MacGil. „Und jetzt lasst uns allein. Ihr alle. Auch meine Familie.“

Ein dickes Schweigen legte sich über den Raum, als sie alle unsichere Blicke austauschten und nicht wussten, was sie tun sollten. Thor stand wie angewurzelt auf der Stelle, kaum in der Lage, alles zu verarbeiten.

Einer nach dem anderen verließen sie das Zimmer, auch die königliche Familie, und Krohn ging mit Reece. Die Kammer, die noch vor wenigen Momenten so voller Leute gewesen war, war plötzlich leer.

Die Tür schloss sich. Nun waren da nur noch Thor und der König, allein in der Stille. Er konnte es kaum glauben. MacGil so da liegen zu sehen, so blass, so schmerzerfüllt, tat Thor mehr weh, als er sagen konnte. Er wusste nicht, warum, aber es war beinahe so, als würde ein Teil von ihm selbst sterben, da, auf diesem Bett. Mehr als alles andere wollte er, dass der König gesund würde.

„Komm her, mein Junge“, sagte MacGil schwach, mit krächzender Stimme, die kaum mehr war als ein Flüstern.

Thor senkte den Kopf, eilte an die Seite des Königs und kniete vor ihm nieder. Der König streckte einen schwachen Arm aus; Thor nahm seine Hand und küsste sie.

Thor blickte hoch und sah MacGil schwach auf ihn hinunterlächeln. Überrascht stellte Thor fest, dass heiße Tränen seine Wangen hinunterliefen.

„Mein Herr“, fing Thor hastig an, nicht mehr länger in der Lage, es zurückzuhalten, „ich bitte Euch, vergebt mir. Ich habe Euch nicht vergiftet. Ich wusste nur durch einen Traum von dem Anschlag. Durch eine Kraft, die ich nicht begreife. Ich wollte Euch nur warnen. Bitte glaubt mir—“

MacGil hob die Hand, und Thor verstummte.

„Ich habe mich in dir getäuscht“, sagte MacGil. „Ich musste erst durch die Hand eines anderen Mannes abgestochen werden, um zu erkennen, dass du es nicht warst. Du hast bloß versucht, mich zu retten. Vergib mir. Du hast Loyalität bewiesen. Als vielleicht Einziger an meinem Hof.“

„Wie sehr ich wünschte, ich hätte mich geirrt“, sagte Thor. „Wie sehr ich wünschte, dass Ihr in Sicherheit wärt. Dass meine Träume nur Einbildung waren; dass niemals jemand einen Anschlag auf Euch verübt hätte. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht überlebt Ihr ja.“

MacGil schüttelte den Kopf.

„Meine Zeit ist gekommen“, sagte er zu Thor.

Thor schluckte; hoffte, dass es nicht stimmte, doch er spürte, dass es so war.

„Wisst Ihr, wer diese schreckliche Tat begangen hat, mein Herr?“, stellte Thor die Frage, die schon in ihm brannte, seit er den Traum gehabt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wer den König töten wollte, oder warum.

MacGil blickte zur Decke hoch und musste vor Anstrengung blinzeln.

„Ich konnte sein Gesicht sehen. Es war ein Gesicht, das ich gut kenne. Doch aus irgendeinem Grund kann ich es nicht zuordnen.“

Er blickte Thor an.

„Es macht keinen Unterschied mehr. Meine Zeit ist gekommen. Ob durch seine Hand oder die eines anderen, der Ausgang ist der gleiche. Was jetzt wichtig ist“, sagte er und fasste Thors Handgelenk mit einer Kraft, die ihn überraschte, „ist, was passiert, nachdem ich gegangen bin. Unser Königreich wird ohne König sein.“

MacGil blickte Thor mit einer Eindringlichkeit an, die er nicht verstand. Thor wusste nicht genau, was er damit sagen wollte—was, wenn überhaupt, er von ihm wollte. Thor wollte nachfragen, doch er konnte sehen, wie schwer es MacGil fiel, Atem zu holen, und er wollte nicht riskieren, ihn zu unterbrechen.

„Argon hatte recht, was dich betrifft“, sagte er und lockerte langsam seinen Griff. „Dein Schicksal ist weit größer als meines.“

Thor fühlte, wie die Worte des Königs einen elektrischen Schlag durch seinen Körper schickten. Sein Schicksal? Größer als das des Königs? Der reine Gedanke daran, dass der König auch nur erwägen würde, Thor mit Argon zu besprechen, war mehr, als Thor begreifen konnte. Und dass er sagte, dass Thors Schicksal größer war als das des Königs—was konnte er bloß damit meinen? Hatte MacGil so nahe am Ende etwa schon Wahnvorstellungen?

„Ich habe dich erwählt... Ich habe dich in meine Familie aufgenommen, aus gutem Grund. Weißt du, was dieser Grund ist?“

Thor schüttelte den Kopf; er wollte es dringend wissen.

„Weißt du nicht, warum ich dich hier haben wollte, nur dich, in meinen letzten Atemzügen?“

„Es tut mir leid, mein Herr“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

MacGil lächelte leise, während ihm die Augen zufielen.

„Fern von hier liegt ein großes Land. Hinter den Wildlanden. Sogar hinter dem Land der Drachen. Es ist das Land der Druiden. Die Heimat deiner Mutter. Dorthin musst du reisen, um die Antworten zu suchen.“

MacGils Augen öffneten sich weit, und er starrte Thor mit einer Eindringlichkeit an, die Thor nicht verstehen konnte.

„Unser Königreich hängt davon ab“, fügte er hinzu. „Du bist nicht wie die anderen. Du bist etwas Besonderes. Solange du nicht verstehst, wer du bist, wird unser Königreich nie zur Ruhe kommen.“

MacGils Augen schlossen sich und sein Atem wurde flach. Jeder Atemzug fiel ihm schwer. Sein Griff um Thors Handgelenk wurde langsam schwächer, und Thor spürte, wie ihm die Tränen aufstiegen. In seinen Gedanken wirbelten die Dinge, die der König gesagt hatte, und er versuchte, den Sinn in seinen Worten zu finden. Er konnte sich kaum konzentrieren. Hatte er alles richtig gehört?

MacGil flüsterte etwas, doch es war so leise, dass Thor es kaum hören konnte. Thor lehnte sein Ohr nahe zu MacGils Lippen.

Der König hob seinen Kopf ein letztes Mal, und mit letzter Anstrengung brachte her hervor:

„Räche mich.“

Dann, plötzlich, versteifte sich MacGil. Einige Augenblicke lang lag er so da, dann rollte sein Kopf auf die Seite und seine Augen öffneten sich weit, erstarrt.

Tot.

„NEIN!“, klagte Thor auf.

Sein Klagen muss laut genug gewesen sein, um die Wachen zu alarmieren, denn einen Augenblick später hörte er, wie eine Tür hinter ihm aufflog, hörte den Aufruhr von dutzenden Menschen, die ins Zimmer stürmten. In einer Ecke seines Bewusstseins war ihm klar, dass um ihn herum Bewegung herrschte. Dumpf hörte er die Burgglocken läuten, wieder und wieder. Die Glocken dröhnten, gleich dem Dröhnen des Bluts in seinen Schläfen. Doch alles verschwamm, und Augenblicke später drehte sich der Raum um ihn.

Thor verlor das Bewusstsein und sackte auf dem Boden zusammen.




KAPITEL SECHS


Ein Windstoß traf Gareth ins Gesicht und er blickte hoch in das blasse Licht der ersten aufgehenden Sonne, die Tränen wegblinzelnd. Der Tag brach gerade erst an, und schon hatten sich an diesem abgelegenen Ort hier am Rande der Kolvian-Klippen hunderte Verwandte, Freunde und enge Untertanen des Königs versammelt, die sich mit dem Wunsch zusammendrängten, an der Bestattung teilzunehmen. Direkt hinter ihnen, zurückgehalten von einem Heer an Soldaten, konnte Gareth die hereinströmenden Massen sehen, tausende Menschen, die der Zeremonie von Ferne beiwohnten. Die Trauer auf ihren Gesichtern war aufrichtig. Sein Vater war geliebt gewesen, soviel war sicher.

Gareth stand mit dem Rest der direkten Familie im Halbkreis um den Leichnam seines Vaters, der auf Brettern über einer Grube im Boden aufgebahrt war; bereit, hinabgelassen zu werden. Argon stand vor der Menge, in die tiefroten Roben gehüllt, die für Bestattungen vorbehalten waren, mit einem unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht, das von einer Kapuze verdunkelt wurde, und blickte auf den Leichnam des Königs hinab. Gareth versuchte verzweifelt, dieses Gesicht zu lesen; zu entziffern, wie viel Argon wusste. Wusste Argon, dass er seinen Vater umgebracht hatte? Und wenn ja, würde er es den anderen berichten—oder dem Schicksal seinen Lauf lassen?

Zu Gareths Unglück war dieser lästige Junge, Thor, von allen Vorwürfen freigesprochen worden; klarerweise hätte er den König nicht erstechen können, während er im Kerker saß. Nicht zu vergessen, dass sein Vater selbst allen anderen erklärt hatte, dass Thor unschuldig war. Was die Sache für Gareth nur noch schlimmer machte. Ein Rat war bereits gebildet worden, um die Sache zu untersuchen, jedes einzelne Detail seines Mordest genauestens unter die Lupe zu nehmen. Gareths Herz pochte, während er mit den anderen zusammen dastand und auf den Leichnam starrte, der bald in das Erdreich hinuntergelassen werden würde; er wollte mit ihm mit versinken.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Spur zu Firth führte—und sobald das geschah, würde Gareth mit ihm zusammen fallen. Er würde schnell handeln müssen, um die Aufmerksamkeit abzulenken und die Schuld jemand anderem zuzuschieben. Gareth fragte sich, ob sein Umfeld ihn verdächtigte. Wahrscheinlich war er nur paranoid, und als er auf die Gesichter um ihn herum blickte, war da niemand, der ihn ansah. Da standen seine Brüder, Reece, Godfrey und Kendrick; seine Schwester Gwendolyn; und seine Mutter, ihr Gesicht von Trauer zerfurcht, wie erstarrt; tatsächlich war sie seit dem Tod seines Vaters wie verändert, kaum fähig, zu sprechen. Er hatte gehört, dass etwas mit ihr passiert war, als sie die Nachricht erhielt, in ihr drin; eine Art Lähmung. Ihr halbes Gesicht war wie erstarrt; wenn sie ihren Mund öffnete, kamen die Worte zu langsam hervor.

Gareth betrachtete die Gesichter des Königlichen Rats hinter ihr—sein führender General Brom und der Hauptmann der Legion, Kolk, standen vorne, und hinter ihnen die endlose Masse der Ratgeber seines Vaters. Sie alle täuschten Trauer vor, doch Gareth wusste es besser. Er wusste, dass es all diese Leute, all die Ratgeber und Ratsmitglieder und Generäle—und all die Adeligen und Lords hinter ihnen—kaum bekümmerte. In ihren Gesichtern sah er Ehrgeiz. Gier nach Macht. Während sie alle auf die Leiche des Königs starrten, fühlte er, wie jeder unter ihnen sich fragte, wer wohl als Nächstes den Thron besteigen würde.

Es war derselbe Gedanke, der Gareth beschäftigte. Was würde in den Nachwehen eines solch chaotischen Attentats geschehen? Wäre es sauber und einfach gewesen, und würde der Verdacht auf jemand anderem liegen, dann wäre Gareths Plan perfekt gewesen—der Thron würde in seine Hände fallen. Immerhin war er der erstgeborene legitime Sohn. Sein Vater hatte die Macht Gwendolyn überlassen, doch niemand außer seinen Geschwistern war bei jener Besprechung anwesend gewesen, und sein Wunsch war nie beurkundet worden. Gareth kannte den Rat und er wusste, wie ernst sie es mit dem Gesetz nahmen. Ohne eine Beurkundung konnte seine Schwester nicht regieren.

Was wiederum zu ihm führte. Falls alles mit rechten Dingen zugehen würde—und Gareth war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass dem so war—dann würde der Thron auf ihn übergehen müssen. So wollte es das Gesetz.

Seine Geschwister würden ihn anfechten, da hatte er keine Zweifel. Sie würden ihre Besprechung mit ihrem Vater vorbringen und wahrscheinlich darauf bestehen, dass Gwendolyn regieren soll. Kendrick würde nicht versuchen, die Macht für sich zu ergreifen—dafür war er zu aufrichtig. Godfrey war teilnahmslos. Reece war zu jung. Gwendolyn war seine einzige wahre Bedrohung. Doch Gareth war optimistisch: er dachte nicht, dass der Rat bereit dafür war, dass eine Frau—noch dazu ein jugendliches Mädchen—den Ring regieren solle. Und ohne Beurkundung durch den König hatten sie die perfekte Ausrede, sie zu übergehen.

Die einzig wirkliche Gefahr in Gareths Augen war Kendrick. Immerhin war er, Gareth, weithin verhasst, während Kendrick unter dem gemeinen Volk und den Soldaten beliebt war. Unter den Umständen bestand stets die Chance, dass der Rat Kendrick den Thron überlassen würde. Je eher Gareth die Macht übernehmen konnte, umso eher konnte er sie dazu nutzen, Kendrick unschädlich zu machen.

Gareth fühlte einen Ruck in seiner Hand und blickte auf das geknotete Seil hinunter, das über seine Handfläche brannte. Er erkannte, dass sie begonnen hatten, den Sarg seines Vaters abzusenken; er blickte zu seinen anderen Geschwistern hinüber, die wie er alle ein Seil hielten und es langsam absenkten. Gareths Ende begann zu kippen, da er verzögert mit dem Absenken anfing, und er musste vorgreifen und das Seil mit der anderen Hand packen, bis er endlich aufgeholt hatte und der Sarg eben lag. Es war ironisch: sogar im Tod konnte er seinem Vater nicht gerecht werden.

In der Ferne läuteten Glocken von der Burg herüber, und Argon trat vor und hob eine Hand.

“Itso ominus domi ko resepia…”

Die lange verlorene Sprache des Rings, die königliche Sprache, die seine Vorfahren vor tausend Jahren gesprochen hatten. Es war eine Sprache, die Gareths Privatlehrer ihm als Kind eingetrichtert hatten—und eine, die er brauchen würde, sobald er seine königliche Pflicht aufnahm.

Plötzlich hielt Argon inne, blickte auf und starrte direkt auf Gareth. Es jagte Gareth einen Schauer über den Rücken, wie Argons durchscheinende Augen sich direkt durch ihn durch zu brennen schienen. Gareths Gesicht errötete und er fragte sich, ob das gesamte Königreich es gesehen hatte, und ob irgendjemand wusste, was es bedeutete. Mit diesem Blick bekam er das Gefühl, dass Argon von seiner Beteiligung wusste. Und doch war Argon ein Rätsel; er hielt sich stets aus den Drehungen und Wendungen der menschlichen Schicksale heraus. Würde er schweigen?

„König MacGil war ein guter, gerechter König“, sprach Argon bedächtig mit tiefer, unirdischer Stimme.

„Er machte seinen Vorfahren Ehre und Stolz, und brachte diesen Königreich Reichtum und Frieden, wie wir sie selten gesehen haben. Sein Leben fand ein verfrühtes Ende, wie es Gottes Wille war. Doch er hinterließ ein tiefes und reiches Erbe. Nun ist es an uns, dieses Erbe anzutreten.“

Argon hielt inne.

„Unser Königreich des Rings ist auf allen Seiten umringt von dunklen und bedrohlichen Gefahren. Hinter dem Canyon, rein von unserem Energie-Schild abgehalten, liegt eine Nation von Wilden und Kreaturen, die uns zerreißen möchte. Innerhalb unseres Rings, auf der anderen Seite unserer Hochlande, liegt ein Clan, der uns nicht wohlgesinnt ist. Wir leben in unvergleichlichem Wohlstand und Frieden; und doch ist unsere Sicherheit vergänglich.

Warum nehmen die Götter jemanden in der Blüte seines Lebens von uns—einen guten und weisen und gerechten König? Warum war es sein Schicksal, auf solche Art ermordet zu werden? Wir alle sind nichts als Spielfiguren, Puppen in den Händen des Schicksals. Auch am Gipfel unserer Kräfte können wir unter der Erde enden. Die Frage, mit der wir uns plagen müssen, ist nicht, wonach wir streben—sondern wer wir sein wollen.“

Argon senkte den Kopf, und Gareth fühlte, wie seine Hände brannten, als sie den Sarg zur Gänze absenkten; endlich stieß er mit einem Ruck am Boden auf.

„NEIN!“, ertönte ein Schrei.

Es war Gwendolyn. Hysterisch rannte sie auf den Grubenrand zu, als wolle sie sich hineinwerfen; Reece rannte vor und packte sie, hielt sie zurück. Kendrick trat vor, um zu helfen.

Doch Gareth empfand kein Mitgefühl für sie; am ehesten fühlte er sich bedroht. Wenn sie unter die Erde wollte, konnte er das arrangieren.

Ja, in der Tat: das konnte er.

*

Thor stand nur wenige Fuß von König MacGils Leichnam entfernt, als er zusah, wie er in die Erde abgesenkt wurde. Der Anblick überwältigte ihn. Am Rande der höchsten Klippen des Königreichs gelegen, hatte der König einen atemberaubenden Ort als letzte Ruhestätte gewählt, einen luftigen Ort, der bis in die Wolken selbst zu reichen schien. Die Wolken waren in Orange und Grün und Gelb und Rosa getaucht, als die erste der aufgehenden Sonnen höher in den Himmel kletterte. Doch der Tag war mit einem Nebel bedeckt, der sich nicht lichten wollte; als würde das Reich selbst trauern. Neben ihm winselte Krohn.

Thor hörte ein Kreischen und blickte zu Estopheles hinauf, die hoch oben ihre Kreise zog und auf sie hinunterspähte. Thor fühlte sich immer noch taub. Er konnte die Ereignisse der letzten Tage kaum fassen; dass er nun hier stand, inmitten der Familie des Königs, und zusah, wie dieser Mann, den er so schnell ins Herz geschlossen hatte, im Erdreich versenkt wurde. Es schien unmöglich. Er hatte kaum begonnen, ihn zu kennen, den ersten Mann, der je wie ein richtiger Vater zu ihm gewesen war, und nun wurde er ihm weggenommen. Mehr als alles andere konnte Thor nicht aufhören, über die letzten Worte des Königs nachzudenken.

Du bist nicht wie die anderen. Du bist etwas Besonderes. Und solange du nicht verstehst, wer du bist, wird unser Königreich nie zur Ruhe kommen.

Was hatte der König damit gemeint? Wer genau war er? Wie war er anders? Woher wusste der König das? Was hatte das Schicksal des Königreichs mit Thor zu tun? War der König nur bereits im Wahn gewesen?

Fern von hier liegt ein großes Land. Hinter dem Imperium. Sogar hinter dem Land der Drachen. Es ist das Land der Druiden. Die Heimat deiner Mutter. Dorthin musst du reisen, um die Antworten zu suchen.

Woher wusste MacGil von seiner Mutter? Woher wusste er, wo sie lebte? Und welche Antworten sollte sie haben? Thor hatte stets angenommen, dass sie tot war—der Gedanke daran, dass sie am Leben sein könnte, elektrisierte ihn. Er fühlte sich fest entschlossen, mehr als je zuvor, sie zu suchen und zu finden. Die Antworten zu finden; zu entdecken, wer er war und was an ihm so besonders war.

Während eine Glocke ertönte und MacGils Leichnam sich zu senken begann, wunderte sich Thor über die grausamen Drehungen und Wendungen des Schicksals; warum war es ihm gestattet, die Zukunft zu sehen, diesen großen Mann sterben zu sehen—und doch war er machtlos gewesen, etwas dagegen zu unternehmen? In gewisser Weise wünschte er, er hätte nie etwas davon gesehen, nie im Voraus gewusst, was passieren würde; er wünschte, er hätte einfach nur ein unbeteiligter Außenstehender sein können wie die anderen, einfach nur eines Tages aufwachen und erfahren, dass der König tot war. Nun fühlte er sich, als hätte er etwas damit zu tun. Irgendwie fühlte er sich schuldig, als hätte er mehr unternehmen sollen.

Thor fragte sich, was nun aus dem Königreich werden würde. Es war ein Königreich ohne König. Wer würde regieren? Würde es Gareth sein, wie jeder es dachte? Thor konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen.

Thor blickte durch die Menge und sah die ernsten Gesichter der Adeligen und Lords, die hier aus allen Ecken des Rings versammelt waren; er wusste von Reece, dass sie mächtige Männer waren, in einem unruhigen Königreich. Er musste sich fragen, wer der Mörder sein könnte. Diesen Gesichtern nach zu schließen schien es, als wäre jeder von ihnen verdächtig. Jeder dieser Männer würde nach Macht eifern. Würde das Königreich in Stücke brechen? Würden ihre Streitkräfte miteinander uneins sein? Wie würde sein eigenes Schicksal verlaufen? Und was würde aus der Legion werden? Würde sie aufgelöst werden? Oder die Armee? Würden die Silbernen sich auflehnen, falls Gareth zum König ernannt werden sollte?

Und nach allem, was passiert war: würden die anderen wirklich glauben, dass Thor unschuldig war? Würde er gezwungen sein, in sein Heimatdorf zurückzukehren? Er hoffte nicht. Er liebte alles, was er hatte; mehr als alles andere wollte er hierbleiben dürfen, an diesem Ort, in der Legion. Er wolle, dass alles so bleiben würde, wie es war; dass sich nichts ändern würde. Vor nur wenigen Tagen noch hatte das Königreich so standfest gewirkt, so dauerhaft; MacGil schien, als würde er den Thron noch eine Ewigkeit halten. Wenn etwas so Sicheres, so Stabiles, so plötzlich zusammenbrechen konnte—welche Hoffnung gab es dann für den Rest von ihnen? Nichts fühlte sich für Thor mehr von Dauer an.

Thors Herz brach, als er zusehen musste, wie Gwendolyn versuchte, ihrem Vater ins Grab nachzuspringen. Während Reece sie zurückhielt, traten Bedienstete vor und begannen, den Erdhaufen in die Grube zu schaufeln, während Argon mit seinem Zeremonien-Gesang fortfuhr. Eine Wolke zog über den Himmel und bedeckte einen Moment lang die erste Sonne, und Thor fühlte einen kalten Wind durch den rasch warm werdenden Sommertag peitschen. Er hörte ein Winseln und sah, wie Krohn zu ihm aufblickte.

Thor wusste kaum, wie es mit irgendetwas weitergehen sollte, doch eines wusste er: er musste mit Gwen sprechen. Er musste ihr sagen, wie leid es ihm tat, wie sehr auch ihm der Tod ihres Vaters ans Herz ging; ihr sagen, dass sie nicht alleine war. Selbst wenn sie beschließen würde, Thor nie wieder zu sehen, musste er sie wissen lassen, dass er fälschlich beschuldigt war; dass er in jenem Freudenhaus nichts getan hatte. Er brauchte eine Chance, nur eine Gelegenheit, die Sache richtigzustellen, bevor sie ihn auf immer abschrieb.





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MARSCH DER KÖNIGE nimmt uns mit auf die nächste Etappe von Thors epischer Reise durch sein Schicksal, auf der er nach und nach mehr darüber erfährt, wer er ist, was seine Kräfte sind, und auf der er beginnt, ein Krieger zu werden. Nachdem er den Kerkern entkommt, erfährt Thor entsetzt von einem weiteren Mordanschlag auf König MacGil. Der Tod von MacGil versetzt das Königreich in Aufruhr. Während alle es auf den Thron abgesehen haben, ist Königshof mehr denn je von Familiendramen, Machtkämpfen, Ehrgeiz, Eifersucht, Gewalt und Verrat erfüllt. Ein Erbe muss aus den Reihen der Kinder ernannt werden, und das uralte Schicksalsschwert, die Quelle all ihrer Macht, erhält erneut eine Gelegenheit, von jemandem erhoben zu werden. Doch all dies kann noch umgestürzt werden: die Mordwaffe wird gefunden, und die Schlinge zieht sich enger, den Mörder ausfindig zu machen. Zugleich droht den MacGils neue Gefahr von den McClouds, die wieder einmal planen, von innerhalb des Ringes anzugreifen. Thor kämpft darum, Gwendolyns Liebe zurückzuerobern, doch möglicherweise bleibt dafür keine Zeit: er wird angewiesen, seine Sachen zu packen und sich mit seinen Waffenbrüdern auf die Hundert vorzubereiten, einhundert höllische, aufreibende Tage, die jeder Legionär durchleben muss. Die Legion muss zum Eintritt ins Mannesalter den Canyon überqueren, den Schutz des Rings verlassen und in die Wildlande reisen. Sie segeln über die Tartonische See zur Insel der Nebel, von der gesagt wird, dass ein Drache sie bewacht. Werden sie es zurück nach Hause schaffen? Wird der Ring in ihrer Abwesenheit überleben? Und wird Thor endlich das Geheimnis seines Schicksals lüften?

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