Книга - Das Geschenk der Schlacht

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Das Geschenk der Schlacht
Morgan Rice


Ring der Zauberei #17
DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten. – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos. DAS GESCHENK DER SCHLACHT (Buch #17) ist das Finale der Bestseller-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die mit QUESTE DER HELDEN (Buch #1) eingeleitet wurde! In DAS GESCHENK DER SCHLACHT, trifft Thor auf seine grösste und letzte Herausforderung, als er tiefer in das Land des Blutes vordringt, um zu versuchen, Guwayne zu retten. Während er Feinden begegnet, die weitaus mächtiger sind, als er es sich je vorgestellt hatte, bemerkt Thor bald, dass er einer Armee der Finsternis gegenübersteht, der selbst seine Kräfte nicht gewachsen sind. Als er erfährt, dass ein heiliges Objekt ihm die Kräfte verleihen kann, die er braucht – ein Objekt, das ihm die ganze Zeit verborgen war – muss er sich auf eine letzte Reise geben, um es zu erlangen, bevor es zu spät ist, denn das Schicksal der ganzen Welt steht auf dem Spiel. Gwendolyn hält ihr Versprechen gegenüber dem König des Jochs, betritt den Turm und konfrontiert den Anführer des Kults, um seine Geheimnisse zu erfahren. Das was sie erfährt, schockiert sie und die Enthüllung bringt sie zu Argon und letztendlich zu Argons Meister – wo sie das grösste aller Geheimnisse erfährt, eines das das Schicksal des Rings und ihrer Leute ändern wird. Als das Joch von der grössten Armee angegriffen wird, die die Menschheit je gesehen hat, fällt die Rolle, es zu verteidigen, Kendrick und den anderen zu – und Gwendolyn muss ihre Leute in einem letzten Massenexodus anführen. Thors Legionsbrüder sehen sich unvorstellbaren Risiken gegenüber, als Angel an ihrem Aussatz stirbt. Portrait. Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt. Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen. Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte morganricebooks. com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!





MORGAN RICE

DAS GESCHENK DER SCHLACHT BUCH #17 IM RING DER ZAUBEREI




Morgan Rice

Morgan Rice ist die #1 Besteller- und USA Today Bestseller-Autorin der 17 Bände umfassenden epischen Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, der neuen #1 Bestseller Fantasy-Serie VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN, der #1 Bestseller-Serie DER WEG DER VAMPIRE (bestehend aus derzeit 11 Bänden) und der #1 Bestseller-Serie DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptische Thriller-Serie. Morgans Bücher sind verfügbar als Hörbücher und Printeditionen und wurden bisher in mehr als 25 Sprachen übersetzt.



GEWANDELT (Buch #1 aus DER WEG DER VAMPIRE), ARENA EINS (Buch #1 aus der TRILOGIE DES ÜBERLEBENS), und QUESTE DER HELDEN (Buch #1 im RING DER ZAUBEREI) sind als kostenlose Downloads auf Amazon verfügbar! Das erste Buch aus Morgans neuer epischer Fantasy-Serie, DER AUFSTAND DER DRACHEN (VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN Buch #1) wurde gerade veröffentlicht!



Morgan freut sich, von Ihnen zu hören, darum zögern Sie nicht und besuchen Sie www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/), und melden Sie sich für den Email-Verteiler an. Erhalten Sie so Zugang zu kostenlosen Giveaways, der kostenlosen App und den neusten exklusiven Informationen. Folgen Sie Morgan auch auf Facebook und Twitter um nichts zu verpassen!



Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern

“DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten.”

–-Books and Movie Reviews, Roberto Mattos



“Rice hat das Talent den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzusaugen. Mit ihrer malerischen Sprache gelingt es ihr ein mehr als nur ein Bild zu malen – es läuft ein Film vor dem inneren Auge ab. Gut geschrieben und von wahnsinnig schnellem Erzähltempo.”

–-Black Lagoon Reviews (zu Verwandelt)



“Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice hat gute Arbeit beim Schreiben einer interessanten Wendung geleistet. Erfrischend und einzigartig, mit klassischen Elementen, die in vielen übersinnlichen Geschichten für junge Erwachsene zu finden sind. Leicht zu lesen, aber von extrem schnellem Erzähltempo… Empfehlenswert für alle, die übernatürliche Romanzen mögen.”

–-The Romance Reviews (zu Verwandelt)



“Es packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht los…. Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer voll rasanter Action ab der ersten Seite. Es gab nicht eine langweilige Seite.”

–-Paranormal Romance Guild (zu Verwandelt)



“Vollgepackt mit Aktion, Romantik, Abenteuer und Spannung. Wer dieses Buch in die Hände bekommt wird sich neu verlieben.”

–-vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Eine großartige Geschichte. Dieses Buch ist eines von der Art, das man auch nachts nicht beiseitelegen möchte. Das Ende war ein derart spannender Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte um zu sehen, was passiert.“

–-The Dallas Examiner (zu Geliebt)



“Ein Buch das den Vergleich mit TWILIGHT und den VAMPIRE DIARIES nicht scheuen muss. Eines, das Sie dazu verleiten wird, ununterbrochen Seite um Seite bis zum Ende zu lesen! Wer Abenteuer, Liebesgeschichten und Vampire gerne mag, für den ist dieses Buch genau das Richtige!”

–-Vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Morgan Rice hat sich wieder einmal als extreme talentierte Geschichtenerzählern unter Beweis gestellt… Dieses Buch spricht ein breites Publikum an, auch die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Es endet mit einem unerwarteten Cliffhanger der den Leser geschockt zurücklässt.

–-The Romance Reviews (zu Geliebt)



Bücher von Morgan Rice




VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN


DER AUFSTAND DER DRACHEN (BAND #1)




DER RING DER ZAUBEREI


QUESTE DER HELDEN (Band #1)


MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)


LOS DER DRACHEN (Band #3)


RUF NACH EHRE (Band #4)


SCHWUR DES RUHMS (Band #5)


ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)


RITUS DER SCHWERTER (Band #7)


GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)


HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)


MEER DER SCHILDE (Band #10)


REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)


LAND DES FEUERS (BAND #12)


A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)


AN OATH OF BROTHERS – DER EID DER BRÜDER (BAND #14)


A DREAM OF MORTALS – DER TRAUM DER STERBLICHEN(BAND #15)


A JOUST OF KNIGHTS – DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)


THE GIFT OF BATTLE – DAS GESCHENK DER SCHLACHT (BAND #17)




DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS


ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)


ARENA TWO – ARENA ZWEI (Band #2)




DER WEG DER VAMPIRE


GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)


VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)


VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)


BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)


BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)


BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)


VOWED – GELOBT (Band #7)


FOUND – GEFUNDEN (Band #8)


RESURRECTED – ERWECKT (Band #9)


CRAVED – ERSEHNT (Band #10)


FATED – BERUFEN (Band #11)



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Copyright © 2014 by Morgan Rice



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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebendig, ist rein zufällig



Copyright für das Bild auf dem Umschlag by Photosani, unter Lizenz von Shutterstock.com.


Für Jake Maynard.

Einen echten Krieger.





“Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des HERRN Zebaoth, des Gottes des Heeres Israels, das du gehöhnt hast.”

    – David zu Goliath
    I Samuel, 17:45






KAPITEL EINS


Thorgrin, der auf dem heftig schaukelnden Schiff stand, starrte ins Leere und begriff langsam geschockt, was er gerade getan hatte. Er blickte erschrocken auf seine eigene Hand herab, die immer noch das Schwert der Toten umklammert hielt, dann sah er Reece, seinen besten Freund, an, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Thors Hand bebte heftig als er begriff, dass er gerade seinen besten Freund das Schwert in die Brust gerammt hatte und zusah, wie er vor seinen Augen starb.

Thor konnte nicht verstehen, was geschehen war. Während das Schiff wild auf den Wellen hin und her geworfen wurde und die Strömung sie durch die Straße des Wahnsinns trieb – bis sie endlich auf der anderen Seite herauskamen. Die Wellen beruhigten sich, das Schiff dümpelte leise auf den sanften Wellen und die dicken Wolken lösten sich auf.

Im selben Augenblick lichtete sich der Nebel, der Thors Verstand umwölkt hatte, und er hatte das Gefühl, wieder er selbst zu sein, die Welt wieder klar zu sehen. Er sah Reece an, der vor ihm Stand und es brach ihm das Herz, keinen Feind vor sich zu sehen, sondern seinen besten Freund. Langsam begriff er, was er getan hatte, dass er von etwas besessen gewesen war, das stärker als er war, einem Wahnsinn, den er nicht kontrollieren konnte, der ihn dazu gezwungen hatte, diese schreckliche Tat zu begehen.

„NEIN!“, schrie Thorgrin, die Stimme gebrochen vor Schmerz.

Er zog das Schwert aus der Brust seines Freundes, und im selben Augenblick keuchte Reece und brach zusammen. Thor warf das Schwert von sich, denn er wollte es nicht mehr sehen, und es landete mit einem hohlen Klirren an Deck, als Thor Reece auffing und ihn in seinen Armen hielt, wild entschlossen, ihn zu retten.

„Reece!“, rief er, erdrückt von der Schuld.

Thor presste seine Hand auf die Wunde und versuchte die Blutung zu stoppen. Doch er konnte spüren, wie das heiße Blut über seine Finger rann und wie Reeces Lebensenergie schwand, während er ihn in Armen hielt.

Elden, Matus, Indra und Angel kamen angerannt, auch endlich frei vom Griff des Wahnsinns, und drängten sich um sie. Thor schloss die Augen und betete inbrünstig, dass sein Freund überleben würde und dass er, Thor, eine Chance bekam, diesen Fehler wiedergutzumachen.

Thor hörte Schritte und er blickte auf und sah Selese, die herbeigeeilt kam; ihre Haut war blasser denn je und ihre Augen schimmerten mit einem Leuchten, das nicht von dieser Welt war. Sie ließ sich vor Reece auf die Knie fallen, nahm ihn in die Arme, und als Thor ihn losließ, sah er ein Leuchten, das sie umgab und erinnerte sich an ihre Kräfte als Heilerin. Selese blickte mit loderndem Blick zu Thor auf.

„Nur du kannst ihn retten“, sagte sie eindringlich. „Leg deine Hand auf seine Wunde!“

Thor legte seine Hand auf Reeces Brust und Selese legte ihre darüber. Er konnte die Hitze und die Kraft spüren, die von ihrer zarten Hand durch seine hindurch in Reeces Wunde floss.

Sie schloss die Augen und begann zu summen und Thor spürte, wie der Körper seines Freundes plötzlich ganz heiß wurde. Thor betete von ganzem Herzen, dass sein Freund zu ihm zurückkommen würde und dass er ihm vergeben würde, wozu der Wahnsinn ihn getrieben hatte.

Zu Thors großer Erleichterung öffnete Reece seine Augen. Er blinzelte, blickte gen Himmel, und richtete sich langsam auf.

Thor sah erstaunt zu, wie Reece ein paarmal blinzelte und seine Brust ansah: die Wunde war vollkommen geheilt. Thor war sprachlos, überwältigt und voller Ehrfurcht vor Seleses Macht.

„Mein Bruder!“, rief Thor.

Er zog ihn in seine Arme und Reece, noch immer desorientiert, erwiderte seine Umarmung während Thor ihm auf die Beine half.

„Du lebst!“, rief Thor, der es kaum fassen konnte. Thor dachte an all die Schlachten, die sie gemeinsam geschlagen hatten, all die Abenteuer, und wusste, dass er es nicht hätte ertragen können, seinen Freund zu verlieren.

„Und warum sollte ich nicht leben?“, blinzelte Reece verwundert. Er sah die staunenden Gesichter der anderen und war irritiert. Auch die anderen umarmten ihn, einer nach dem anderen. Dabei sah Thor sich um und realisierte plötzlich, dass einer fehlte: O’Connor.

Thor rannte an die Reling und suchte panisch das Wasser ab, als er sich erinnerte, dass O’Connor im Wahnsinn vom Schiff in die tosende Strömung gesprungen war.

„O’Connor!“, schrie er.

Die anderen rannten herbei und suchten ebenfalls das Wasser ab. Thor starrte in die Tiefe und reckte den Hals, um zurück in die Meerenge zu blicken, in das tosende rote Wasser – und sah O’Connor, der um sich schlagend am Rand der Meerenge um sein Leben kämpfte.

Thor verschwendete keine Zeit. Er reagierte instinktiv und sprang über die Reling ins Wasser.

Beim Eintauchen in das erstaunlich warme Wasser, bemerkte Thor, wie dickflüssig es war, als würde er durch Blut schwimmen. Er richtete seinen Blick auf O’Connor, der immer wieder unterging, und konnte die Panik in dessen Augen sehen. Er konnte auch sehen, dass der Wahnsinn von O’Connor abfiel, als er über die Schwelle der Meerenge ins offene Wasser getrieben wurde.

Doch während er um sich schlug, begann er zu sinken, und Thor wusste, dass sein Freund auf den Grund des Meeres sinken würde, wenn er ihn nicht bald erreichte.

Thor schwamm noch schneller und überwand dabei die schrecklichen Schmerzen und die Erschöpfung, die er in seinen Schultern zu spüren begann. Und doch begann O’Connor unterzugehen, als er sich ihm näherte.

Thor spürte eine Welle Adrenalin durch seinen Körper fluten, als er zusah, wie sein Freund unter die Oberfläche sank, und wusste – jetzt oder nie. Er schoss voran, tauchte unter und starrte unter Wasser mit geöffneten Augen ins endlose Rot. Doch er konnte nichts sehen und es brannte zu sehr.

Er schloss die Augen und ließ sich von seinen Instinkten leiten. Er rief etwas aus der Tiefe seines Seins zur Hilfe, das sehen konnte, ohne zu sehen.

Mit einem weiteren verzweifelten Schwimmzug streckte Thor die Arme aus und tastete im Wasser vor sich, bis er etwas spürte: einen Ärmel.

Überglücklich packte er O’Connor und hielt ihm fest – erstaunt darüber, wie schwer er war.

Thor zerrte an seinem Arm und schwamm mit aller Kraft zurück a die Oberfläche. Er hatte fürchterliche Schmerzen, jeder Muskel seines Körpers protestierte, als er mit den Füßen trat und nach oben schwamm.

Das Wasser war so dickflüssig und fühlte sich so schwer an, dass er das Gefühl hatte, dass seine Lungen bersten wollten.

Jeder Schwimmstoß fühlt sich an, als zog er die Welt hinter sich her.

Gerade als er dachte, dass er es nicht schaffen und mit O’Connor in die Tiefe sinken würde, brach Thor durch die Oberfläche und war erleichtert zu sehen, dass er in offenem Gewässer aufgetaucht war. Als er sah wie O’Connors Kopf an die Oberfläche kam und auch er keuchte und nach Luft rang, war Thors Erleichterung vollkommen.

Thor konnte sehen, wie der Wahnsinn von seinem Freund abfiel und seine Augen wieder klar wurden.

O’Connor blinzelte ein paarmal, hustete und keuchte, dann sah er Thor fragend an.

„Was tust du hier?“, fragte er verwirrt. „Wo sind wir?“

„Thorgrin!“, rief eine Stimme.

Thor hörte ein Platschen und als er sich umdrehte, sah er ein dickes Tau im Wasser neben sich. An der Reling des Schiffs standen Angel und die anderen, die zurückgekommen waren, um sie wieder an Bord zu holen.

Thor nahm das Seil mit der einen Hand und hielt O’Connor mit der anderen fest, während Elden sie Zug um Zug an das Schiff heran zog. Die andern packten mit an und zogen sie langsam aus dem Wasser, bis sie aus eigener Kraft über die Reling klettern konnten und sich an Deck fallen ließen.

Erschöpft und außer Atem und immer noch Wasser aushustend, lag Thor neben O’Connor; dieser drehte sich um und sah ihn genauso erschöpft an, und Thor konnte die Dankbarkeit in seinem Blick spüren. Er spürte O’Connors Dank – Thor verstand ihn auch ohne Worte. Sie waren Legionsbrüder. Jeder würde sich ohne zu zögern für den anderen opfern. Dafür lebten sie.

Plötzlich fing O’Connor an zu lachen.

Zuerst war Thor besorgt, und fragte sich, ob der Wahnsinn zurückgekehrt war, doch dann sah er, dass O’Connor in Ordnung war. Er war wieder ganz der Alte und lachte erleichtert und aus Freude, am Leben zu sein.

Auch Thor lachte, als die Anspannung von ihm abfiel, und auch die anderen stimmten ein. Alle waren am Leben – auch wenn es unmöglich erschienen war, sie waren alle am Leben. Die andern ergriffen Thors und O’Connors Hände und halfen ihnen, aufzustehen. Sie umarmten sich glücklich – endlich war ihr Schiff in stillem Gewässer angekommen und sie konnten sich entspannen.

Thor sah sich um und sah erleichtert, dass sie immer weiter von der Meerenge fortgetrieben wurden und alle wieder bei klarem Verstand waren. Sie hatten es geschafft; sie hatten die Straße des Wahnsinns durchquert, auch wenn sie beinahe einen hohen Preis dafür bezahlt hätten. Thor glaubte jedoch nicht, dass sie es ein weiteres Mal überleben könnten.

„Da!“, rief Matus.

Thor drehte sich um und sah in die Richtung, in die Matus mit seinem Finger deutete. Er war sprachlos, als sich am Horizont vor ihm eine neue Landschaft im Land des Blutes auftat. Dicke Wolken hingen tief am Himmel, das Wasser war blutrot – und nun, wo sie näher kamen, konnte er die Küste besser erkennen. Das Ufer war schwarz, ohne jeden Baum oder auch nur das geringste Lebenszeichen, und sah aus, als bestünde es aus Asche und Schlamm.

Thors Herz schlug schneller, als er in der Ferne im Inland ein schwarzes Schloss entdeckte, das und sich aus dem Boden erhob, als wäre es aus Asche und Schlamm gewachsen. Thor konnte das Böse spüren, das von ihm ausging.

Ein enger Kanal führte zum Schloss, dessen Ufer von Fackeln gesäumt war. Am Ende war er von einer Zugbrücke blockiert. Thor sah, dass das Innere des Schlosses von Fackeln erhellt wurde, und plötzlich war er sich sicher: von ganzem Herzen wusste er, dass Guwayne in diesem Schloss war und war ihn wartete.

„Setzt die Segel!“, rief er, und hatte endlich wieder das Gefühl, die Kontrolle zu haben und eine neue Zielstrebigkeit in sich erwachen.

Seine Brüder beeilten sich, die Segel zu setzen und bald blähten sie sich unter der starken Brise die sie vorantrieb. Zum ersten Mal, seitdem sie die Grenze zum Land des Blutes überschritten hatten, spürte Thor so etwas wie Optimismus und das Gefühl, dass er wirklich seinen Sohn finden und retten konnte.

„Ich bin so froh, dass du am Leben bist“, sagte eine Stimme.

Thor drehte sich um und sah Angel, die zu ihm aufsah und ihn anlächelte. Er lächelte, kniete neben ihr nieder und umarmte sie.

„Ich bin auch froh, Angel“, antwortete er.

„Ich verstehe nicht, was passiert ist“, sagte sie. „Im einen Augenblick war ich noch ich selbst, und dann… war es, als kannte ich mich selbst nicht mehr.“

Thor schüttelte langsam den Kopf. Er wollte es vergessen.

„Der Wahnsinn ist der schlimmste aller Feinde“, antwortete er. „Wir selbst sind der eine Feind, den wir nicht überwinden können.“

Sie legte besorgt die Stirn in Falten.

„Wird das wieder passieren?“, fragte sie. „Gibt es hier noch mehr solcher Orte?“, fragte sie mit Angst in der Stimme, und studierte dabei den Horizont.

Auch Thor blickte in diese Richtung und fragte sich dasselbe – als zu seinem großen Schrecken, die Antwort viel zu schnell kam.

Mit lautem Platschen, das klang, als würde ein Wal vor ihnen auftauchen, erhob sich die hässlichste Kreatur aus dem Wasser, die Thor je gesehen hatte. Sie sah aus wie ein riesiger Kalmar, fast zwanzig Meter groß, leuchtend rot in der Farbe des Blutes, und ragte über das Schiff, als er aus dem Wasser schoss. Seine Tentakel schienen nicht enden zu wollen und Dutzende breiteten sich in alle Richtungen auf dem Wasser aus. Mit wachsamen gelben Augen blickte er böse auf sie herab, voller Zorn, und sein riesiges Maul voller spitzer gelber Zähne öffnete sich, begleitet von einem grauenvollen Geräusch. Die Kreatur verdunkelte den Himmel, stieß einen unheimlichen Schrei aus und senkte sich auf sie herab, die Tentakel ausgestreckt, bereit, dass ganze Schiff zu vertilgen.

Thor stand wie gebannt im Schatten der Kreatur und wusste, dass sie einer Todesgefahr entgangen waren, nur jetzt dem sicheren Tod gegenüberzustehen.




KAPITEL ZWEI


Der Empire-Kommandant hieb immer wieder auf sein Zerta ein, als er durch die Große Wüste ritt und der Spur folgte, wie er es schon seit Tagen getan hatte. Hinter ihm ritten seine Männer, keuchend, am Rande des Zusammenbruchs, da er ihnen nicht einen Augenblick Pause gegönnt hatte, seitdem sie losgeritten waren – selbst nicht in der Nacht. Er verlangte alles von seinem Zerta und auch von seinen Männern.

Er kannte keine Gnade mit sich und schon gar nicht mit seinen Männern. Er wollte, dass sie unempfindlich waren gegen Erschöpfung, Hitze und Kälte – besonders, wenn sie auf einer Mission waren, die so heilig war, wie diese. Wenn diese Spur sie tatsächlich dorthin führte, wo er hoffte – zum legendären Königreich des Jochs – dann konnte das das Schicksal des ganzen Empire verändern.

Der Kommandant grub seine Fersen in die Flanken des Zertas bis es schrie und zwang es, immer schneller zu reiten, bis es beinahe gestolpert wäre. Er blinzelte in die Sonne und betrachtete die Spur. Er war sein Leben lang vielen Spuren gefolgt und hatte an ihrem Ende viele Menschen getötet – doch er war nie einer faszinierenderen Spur gefolgt als dieser. Er konnte spüren, dass er der größten Entdeckung in der Geschichte des Empire immer näher kam. Sein Name würde geheiligt werden und man würde noch in Generationen von ihm singen.

Sie kamen zu einer Düne und er begann, ein leises Geräusch zu hören, wie ein Sturm, der sich irgendwo über der Wüste zusammenbraute; als sie sie erklommen hatten, sahen er sich um, und rechnete damit, einen Sandsturm zu sehen, der auf sie zukam – doch stattdessen sah er ein paar hundert Meter vor sich eine Wand aus Sand, die sich gen Himmel erhob. Der Sand wirbelte herum und zischte und heulte wie ein Sturm, der jedoch auf einen Ort beschränkt zu sein schien.

Er blieb mit seinen Männern stehen und betrachtete neugierig den Sturm, der sich nicht zu bewegen schien. Er konnte es nicht verstehen. Es war ein wütender Sandsturm, doch er bewegte sich nicht. Er fragte sich, was auf der anderen Seite lag und ahnte, dass es das Joch sein musste.

„Deine Spur endet hier“, stellte einer seiner Krieger höhnisch fest.

„Wir können nicht durch diese Wand da gehen“, sagte ein anderer.

„Du hast uns nur zu noch mehr Sand geführt“, sagte ein weiterer.

Langsam schüttelte der Kommandant den Kopf und sah sie überzeugt an.

„Und was, wenn auf der anderen Seite ein Land liegt?“, gab er zurück.

„Auf der andren Seite?“, fragte ein Krieger. „Du bist vollkommen verrückt. Da ist nichts außer einer Wand aus Sand, und dahinter noch mehr Sand, eine endlose Wüste, wie die, die wir durchquert haben.“

„Gib zu, dass du versagt hast“, sagte ein anderer. „Kehr um – oder wir kehren ohne dich zurück.“

Der Kommandant drehte sich um und sah seine Krieger an, geschockt über ihre Dreistigkeit; er sah Verachtung und Trotz in ihren Augen. Er wusste, dass er schnell handeln musste, wenn er eine Rebellion verhindern wollte.

In einem plötzlichen Wutanfall zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn in den Hals eines seiner Männer. Der Krieger keuchte, dann viel er von seinem Zerta und blieb in einer Pfütze frischen Blutes im Sand liege. Innerhalb von wenigen Augenblicken tauchten aus dem Nichts Insekten auf und nagten den Körper bis auf die Knochen ab.

Die anderen sahen ihren Kommandant mit Angst im Blick an.

„Sonst noch jemand, der sich meinem Befehl widersetzen möchte?“, fragte er.

Die Männer starrten ihn nervös an, doch keiner wagte sich, ein Wort zu sagen.

„Entweder wird euch die Wüste töten, oder ich tue es“, sagte er. „Es ist eure Wahl.“

Er stieß einen Schrei aus und ritt mit gesenktem Kopf los, auf die Sandwand zu, und wusste, dass das sein Tod sein könnte. Er wusste, dass seine Männer folgen würden, und einen Augenblick später, als er das Schnauben ihrer Zertas hörte, lächelte er zufrieden. Manchmal musste man ihnen einfach zeigen, wer das Sagen hatte.

Er schrie, als er in den tosenden Sturm ritt. Es fühlte sich an, als drückten Tonnen von Sand ihn nieder; seine Haut wurde aus allen Richtungen aufgekratzt, als er weiter hineinritt. Es war unglaublich laut, wie ein gigantischer Hornissenschwarm in seinen Ohren und doch ritt er weiter, trat sein Zerta und zwang es, selbst als es sich sträubte, immer weiter hinein. Er spürte, wie der Sand seinen Körper, sein Gesicht und seine Augen zerkratzte, und hatte das Gefühl, in Stücke gerissen zu werden.

Doch er ritt weiter.

Gerade als er sich fragte, ob seine Männer Recht gehabt hatten, ob die Wand vielleicht doch ins Nichts führte, brach er plötzlich auf der anderen Seite hinaus und stand im hellen Tageslicht. Kein Sand kratzte ihn mehr, kein Hornissenschwarm in seinen Ohren, nichts als freier Himmel. Noch nie war er so glücklich gewesen, den wolkenlosen Himmel über sich zu sehen.

Neben ihm brachen auch seine Männer hindurch, alle von ihnen voller Kratzer und blutend wie er, alle eher tot als lebendig aussehen – doch alle hatten es geschafft.

Als er sich umsah, begann das Herz des Kommandanten plötzlich zu rasen, als seine Augen an einem unglaublichen Anblick hängenblieben. Ihm stockte der Atem, als er den Blick über die Landschaft schweifen ließ und sein Herz schwoll im plötzlichen Bewusstsein, dass er es gefunden hatte. Majestätische Hügel erhoben sich gen Himmel und schienen eine kreisrunde Grenze zu bilden. Das konnte nur eines bedeuten: er hatte es gefunden – das Königreich des Jochs.

Da lag es am Horizont vor ihm und erhob sich gen Himmel, wunderbar, riesengroß und schien kein Ende nehmen zu wollen. Und auf dem Gipfel des Plateaus sah er zu seiner Überraschung Tausende von Kriegern, die in glänzenden Rüstungen patrouillierten.

Er hatte es gefunden. Er allein hatte es gefunden.

Seine Männer blieben abrupt neben ihm stehen und er konnte sehen, dass auch sie staunend mit aufgerissenen Mündern in die Höhe blickten. Er wusste, dass sie dasselbe dachten wie er: dieser Augenblick war Geschichte. Sie alle würden Helden sein, und man würde noch in vielen Generationen von ihnen erzählen.

Mit breitem Lächeln drehte sich der Kommandant um und sah seine Männer an, die ihn nun ehrfürchtig ansahen. Dann riss er sein Zerta herum, bereit, zurück durch die Sandwand und zurück nach Hause zu reiten – den ganzen Weg, ohne Pause, bis er das nächste Fort erreichte und den Rittern der Sieben berichten konnte, was er entdeckt hatte. Innerhalb von Tagen, das wusste er, würde die ganze Armee des Empire sich auf diesen Ort stürzen, Millionen von Männern, die nur eines wollten – diesen Ort zu zerstören. Sie würden die Sandwand durchqueren, das Joch erklimmen, diese Ritter vernichten und das letzte verbliebene freie Land im Empire besetzen.

„Männer!“, rief er. „Unsere Zeit ist gekommen. Macht euch bereit, eure Namen in den Geschichtsbüchern zu lesen!“




KAPITEL DREI


Kendrick, Brandt, Atme, Koldo und Ludvig wanderten durch die Große Wüste auf die aufgehenden Sonnen des Wüstenmorgens zu. Sie waren die ganze Nacht gewandert, entschlossen, den jungen Kaden zu retten. Sie waren in einen stummen Rhythmus verfallen; jeder von ihnen hatte die Hände an den Waffen und alle hatten die Blicke gesenkt um den Spuren der Sandläufer zu folgen. Hunderte von Fußabdrücken führten sie immer tiefer in die öde Landschaft hinein.

Kendrick begann sich zu fragen, ob es jemals enden würde. Er staunte darüber, dass er wieder in dieser Situation war, zurück in dieser Wüste, von der er geschworen hatte, sie nie wieder zu betreten – und ganz besonders nicht zu Fuß, ohne Pferde, ohne Vorräte ohne zu wissen, wie er jemals zurückkommen sollte. Sie hatten ihr Vertrauen auf die anderen Ritter vom Joch gesetzt, in der Hoffnung, dass sie ihnen mit Pferden folgen würden – doch wenn sie es nicht taten, dann war dies eine Reise ohne Widerkehr.

Doch genau das war es, was Tapferkeit und Ehre ausmachte, das wusste Kendrick. Kaden, ein feiner junger Krieger mit einem gossen Herzen, hatte Wache gestanden und war tapfer in die Wüste vorgedrungen, um sich zu beweisen – und war von diesen wilden Kreaturen entführt worden. Koldo und Ludvig konnten ihren jüngeren Bruder nicht im Stich lassen, egal wie schlecht die Chancen standen – und Kendrick, Brandt und Atme konnten sie nicht im Stich lassen; ihr Pflicht- und Ehrgefühl trieben sie dazu, mit ihnen zu gehen. Diese feinen Ritter des Jochs hatten sie mit freundlich und gnädig aufgenommen als sie ihre Hilfe gebraucht hatten – und nun war es an der Zeit, ihnen dafür zu danken – koste es, was es wolle. Der Tod bedeutete ihnen nichts – doch Ehre bedeutete ihnen alles.

„Erzähl mir von Kaden“, sagte Kendrick Koldo zugewandt, um das Schweigen zu brechen.

Koldo blickte auf und seufzte.

„Er ist einer der besten jungen Krieger, die du dir vorstellen kannst“, sagte er. „Sein Herz und sein Mut waren schon immer weit seinem Alter voraus. Noch bevor er überhaupt ein Junge war, wollte er ein Manns ein, und wollte lernen, mit dem Schwert umzugehen, bevor er überhaupt eines halten konnte.“

Er schüttelte den Kopf.

„Es überrascht mich nicht, dass er zu weit vorgedrungen ist, dass er derjenige ist, der auf einer Patrouille gefangen genommen wurde. Nichts war ihm zu schwer oder zu viel – besonders dann nicht, wenn es darum ging, andere zu beschützen.“

Ludvig mischte sich ein.

„Wenn einer von uns entführt worden wäre“, sagte er, „dann wäre unser kleiner Bruder der erste gewesen, der sich freiwillig gemeldet hätte, demjenigen zu folgen. Er ist der jüngste von uns, doch er repräsentiert all unsere besten Eigenschaften.“

Kendrick hatte das schon angenommen, als er mit dem Jungen gesprochen hatte. Er hatte den Kriegergeist in ihm gesehen, selbst in seinem jungen Alter. Kendrick hatte schon immer gewusst, dass Alter nichts damit zu tun hatte, ob man ein Krieger war: man hatte den Geist eines Kriegers, oder man hatte ihn nicht. Dieser Geist konnte nicht lügen.

Sie marschierten weiter und verfielen wieder in Schweigen, als die Sonnen am Himmel emporkletterten, bis Brandt sich schließlich räusperte.

„Und was ist mit diesen Sandläufern?“, fragte Brandt.

Koldo wandte sich ihm zu.

„Eine Gruppe böser Nomaden“, antwortete er. „Mehr Tier als Mann. Sie sind dafür bekannt, dass sie sich in der Nähe der Sandwand herumtreiben.“

„Plünderer“, erklärte Ludvig. „Sie sind bekannt dafür, dass sie ihre Opfer tief in die Wüste hinein verschleppen.“

„Wohin?“, wollte Atme wissen.

Koldo und Ludvig tauschten einen vielsagenden Blick aus.

„Wo immer sie sich auch sammeln – dort vollziehen sie ein grausames Ritual und reißen ihre Opfer in Stücke.“

Kendrick zuckte zusammen, beim Gedanken an Kaden und das Schicksal, das ihn erwartete.

„Dann haben wir keine Zeit zu verlieren“, sagte Kendrick. „Lasst und laufen!“

Sie sahen einander an, denn sie wussten, wie groß die Wüste war und wie lang die Strecke war, die sie vor sich hatten – und in der Hitze des Tages und in voller Rüstung war sie noch viel länger. Sie wussten, wie gefährlich es war, sich in dieser unwirtlichen Gegend zu überfordern.

Doch sie zögerten nicht; gemeinsam verfielen sie in einen Trag. Sie rannten ins Nichts, Schweiß lief ihnen über das Gesicht, und sie wussten, dass die Wüste sie alle umbringen würde, wenn sie Kaden nicht bald fanden.


*

Kendrick rannte keuchend. Die zweite Sonne stand hoch am Himmel und ihr Licht blendete sie, die Hitze lähmte sie, und doch rannten sie keuchend und mit klirrenden Rüstungen weiter. Der Schweiß rann Kendrick über das Gesicht und brannte so sehr in seinen Augen, dass er kaum sehen konnte. Seine Lungen schienen bersten zu wollen. Kendrick hatte nie eine schlimmere Hitze gespürt als hier in der Wüste, so intensiv, dass er das Gefühl hatte, dass sie ihm die Haut verbrannte.

Er wusste, dass sie dieses Tempo bei dieser Hitze nicht mehr lange durchhalten konnten; bald würden sie zusammenbrechen und zum Futter für die Insekten werden. Im Laufen hörte Kendrick einen Schrei in der Höhe, und als er aufblickte, sah er die Aasfresser über sich kreisen, wie schon seit Stunden. Sie waren schlau: sie wussten genau, wenn der Tod nahte.

Als Kendrick die Spuren der Sandläufer betrachtete, die sich immer noch am Horizont verloren, konnte er nicht verstehen, wie sie sich so schnell soweit fortbewegen konnten. Er betete nur, dass Kaden noch am Leben und dass alles nicht umsonst gewesen war. Doch er fragte sich, ob sie ihn jemals einholen würden. Es war, als wollten die Spuren niemals enden.

Kendrick sah sich um und bemerkte, dass auch die anderen mehr stolperten, als dass sie liefen – doch alle waren genauso entschlossen wie er, nicht anzuhalten. Kendrick wusste – sie alle wussten – dass sie sterben würden, wenn sie anhielten.

Kendrick wollte die Monotonie der Stille brechen, doch er war zu erschöpft, um jetzt mit den anderen zu reden, und er zwang seine Beine weiterzugehen, wobei er sich fühlte, als lastete das Gewicht der Welt auf ihm.

Er wagte nicht, seine Kräfte zu verschwenden um zu Horizont zu blicken, denn er wusste, dass er nichts finden würde, er wusste, dass er schließlich doch dazu verdammt war, her zu sterben. Stattdessen hatte er den Blick gesenkt, verfolgte die Spur und versuchte, mit dem bisschen kostbarer Energie, das er noch hatte, zu haushalten.

Er hörte ein Geräusch, und zunächst war er sich nicht sicher, ob er es sich nur eingebildet hatte; doch da war es wieder, ein fernes Geräusch, wie das Summen von Bienen, und diesmal blickte er auf, auch wenn er wusste, dass es dumm war, dass da nichts sein konnte.

Doch diesmal schlug sein Herz vor Aufregung schneller Angesichts des Anblicks, der sich ihm bot. Dort vor ihm, vielleicht hundert Meter weit entfernt war eine Ansammlung von Sandläufern.

Kendrick stieß die anderen an, und auch sie blickten aus ihren Gedanken gerissen auf. Die Zeit zu kämpfen war gekommen.

Kendrick griff nach Hand und spürte die wohlbekannte Welle des Adrenalins durch seinen Körper rauschen.

Die Sandläufer, Dutzende von ihnen, drehten sich um und machten sich ebenso bereit, gegen sie zu kämpfen. Sie kreischten und rannten los.

Kendrick riss sein Schwert in die Hohe, stieß einen Kampfschrei aus, bereit, die Feinde zu töten oder beim Versuch zu sterben.




KAPITEL VIER


Gwendolyn ging ernst durch die Hauptstadt des Königreichs des Jochs. Krohn ging an ihrer Seite, Steffen folgte ihr, und in ihrem Kopf drehte sich alles, als sie über Argons Worte nachdachte. Einerseits war sie überglücklich zu sehen, dass er wieder gesund war – doch seine folgenschwere Prophezeiung hallte in ihrem Kopf wie ein Fluch, wie eine Glocke, die ihren Tod verkündete. Seinen entsetzlichen, kryptischen Worten nach, klang es, als sollte sie nie wieder mit Thor vereint sein.

Gwendolyn kämpfte gegen die Tränen an während sie mit schnellen Schritten auf den Turm zuging. Sie versuchte seine Worte zu verdrängen, weigerte sich, ihr Leben von vagen Prophezeiungen bestimmen zu lassen. So war sie schon immer gewesen, und das brauchte sie jetzt auch, um stark zu bleiben. Die Zukunft mochte vielleicht irgendwo geschrieben stehen, doch sie hatte das Gefühl, dass man sie trotzdem ändern konnte. Das Schicksal war formbar – das spürte sie. Man musste es nur genug wollen, bereit sein, genug aufzugeben.

Das war so ein Moment. Gwendolyn weigerte sich, Thorgrin und Guwayne zu erlauben, ihr zu entgleiten, und eine wachsende Entschlossenheit stieg in ihr auf. Sie würde sich dem Schicksal widersetzen, egal was dazu nötig war, opfern, was auch immer das Universum von ihr verlangte. Unter keinen Umständen würde sie durchs Leben gehen ohne Thor und Guwayne wiederzusehen.

Als ob er ihre Gedanken spürte, winselte Krohn zu ihren Füßen und rieb sich im Gehen an ihrem Bein. Aus ihren Gedanken gerissen blickte Gwendolyn auf und sah den Turm vor ihr; rund und rot erhob er sich im Zentrum der Hauptstadt, und sie erinnerte sich: der Kult. Sie hatte dem König geschworen, dass sie in den Turm gehen und versuchen würde, seinen Sohn und seine Tochter aus den Fängen des Kults zu befreien, den Anführer wegen der alten Bücher zu konfrontieren und dem Geheimnis, das sie verbargen, das das Joch vor der Zerstörung retten konnte.

Gwendolyns Herz pochte, als sie sich dem Turm näherte. Sie wollte dem König und dem Joch helfen, doch viel mehr noch wollte sie es verlassen und nach Thor und Guwayne suchen, bevor es zu spät war. Wenn doch nur einen Drachen hätte, so wie früher; wenn doch nur Ralibar zurückkehren und sie auf seinen Schwingen durch die Lüfte tragen würde, weg von hier, weit weg von den Problemen des Empire auf die andere Seite der Welt, zurück zu Thorgrin und Guwayne. Wenn sie doch nur alle in den Ring zurückkehren und leben könnten, wie sie einst gelebt hatten.

Doch sie wusste, dass das kindische Träume waren. Der Ring war zerstört und das Joch war alles, was ihr geblieben war. Sie musste sich der Realität stellen und tun, was sie konnte, um diesen Ort zu retten.

„Mylady, darf ich Euch in den Turm begleiten?“

Aus ihren Tagträumen gerissen, drehte sich Gwen zu der Stimme um, und war erleichtert, ihren alten Freund Steffen an ihrer Seite zu sehen, der mit einer Hand am Schwert neben ihr herging, immer bemüht, sie zu beschützen. Er war der treuste Berater, den sie hatte. Dessen wurde sie sich bewusst, wenn sie an die langen Jahre dachte, die er an ihrer Seite war, und war ihm zutiefst dankbar dafür.

Als Gwendolyn vor der Zugbrücke stehenblieb, die zum Turm führte, starrte er ihn argwöhnisch an.

„Ich traue diesen Leuten nicht“, sagte er.

Beruhigend legte sie ihm eine Hand auf den Arm.

„Du bist ein treuer Freund Steffen“, antwortete sie. „Ich weiß deine Freundschaft und Loyalität zu schätzen, doch das hier muss ich alleine tun. Ich muss so viel wie möglich herausfinden, und wenn du mitkommst, dürfte sie das argwöhnisch werden lassen. Davon abgesehen“, fügte sie hinzu, als Krohn zu ihren Füßen winselte, „habe ich ja Krohn.“

Gwendolyn sah ihn an und Krohn blickte erwartungsvoll zu ihr auf.

Steffen nickte.

„Dann werde ich hier auf Euch warten“, sagte er. „Ruft nach mir, wenn es irgendwelchen Ärger im Turm gibt, ich komme dann sofort.“

„Wenn ich nicht finde, was ich im Turm suche“, antwortete sie, „fürchte ich, dass viel größerer Ärger auf uns alle zukommt.“


*

Gwendolyn ging langsam mit Krohn über die Zugbrücke. Ihre Schritte hallten auf dem Holz der Brücke, als sie das sanft plätschernde Wasser darunter überquerte. Dutzende von Mönchen in scharlachroten Roben standen auf der Brücke als hielten sie stumm Wache; ihre Hände waren in den Ärmeln versteckt und ihre Augen waren geschlossen. Das waren seltsame Wächter, unbewaffnet, mit geschlossenen Augen! Gwendolyn staunte über ihre unglaubliche Loyalität und Zuneigung ihrem Anführer gegenüber, und sie begriff, dass es so sein musste, wie der König gesagt hatte: sie verehrten sie als Gott. Sie fragte sich, auf was sie sich da eingelassen hatte.

Als sie näher kam, blickte Gwendolyn zu dem riesigen Eingangsportal vor ihr auf. Die Tür war aus Eiche gemacht und mit geschnitzten Symbolen verziert, die sie nicht verstand. Mehrere Mönche traten vor und zogen die Flügel der Tür für sie auf. Knarzend gaben sie den Blick frei auf das düstere Innere, das nur von wenigen Fackeln erleuchtet wurde. Ein kühler Windhauch traf sie, der leicht nach Weihrauch roch. Krohn neben ihr begann zu fauchen und nachdem sie eingetreten waren, wurden die Türen wieder hinter ihnen zugeschlagen. Das Donnern der Tür hallte durch die Flure, und es dauerte einen Augenblick, bis Gwendolyn sich orientiert hatte. Im Inneren war es düster, und die Wände wurden nur von ein paar Fackeln und dem gedämpften Sonnenlicht erhellt, das durch Bleiglasfenster hoch oben einfiel. In der Luft lag etwas Heiliges und es still – sie hatte das Gefühl, eine Kirche betreten zu haben.

Gwendolyn blickte auf und sah, dass ein System von Rampen und Treppen nach oben führte. Es gab so gut wie keine Fenster und von irgendwoher drang leiser Gesang an ihr Ohr. Der Duft von Weihrauch lag schwer in der Luft und Mönche huschten hin und her. Sie gingen wie in Trance von einer Kammer zur anderen. Manche von ihnen hielten Weihrauchgefäße in Händen und sangen, während andere still und nachdenklich umherwanderten und sie nicht einmal wahrzunehmen schienen. Gwendolyn fragte sich, was es mit diesem Kult auf sich hatte.

„Hat mein Vater dich geschickt?“, hallte eine Stimme durch den Turm.

Erschrocken wirbelte Gwendolyn herum und sah einen Mann, der nur ein paar Meter von ihr entfernt stehengeblieben war. Er trug eine lange scharlachrote Kutte und lächelte sie freundlich an. Sie konnte kaum fassen wie sehr er seinem Vater, dem König, ähnelte.

„Ich wusste, dass er früher oder später jemanden schicken würde“, sagte Kristof. „Seine Bemühungen, mich zurück unter seine Fittiche zu bekommen, sind schier endlos. Bitte, komm“, sagte er und machte eine einladende Geste.

Gwendolyn schloss zu ihm auf und sie gingen einen Flur mit Gewölbedecke entlang, eine Rampe hinauf, die auf zu den oberen Stockwerken des Turms führte. Gwendolyn war überrascht; sie hatte einen verrückten Mönch erwartet, einen religiösen Fanatiker, und war überrascht, einem liebenswerten und freundlichen Mann zu begegnen, der offensichtlich bei Verstand war. Kristof erschien ihr nicht wie der verlorene, verrückte junge Mann, als den sein Vater ihn beschrieben hatte.

„Dein Vater hat mit mir gesprochen“, sagte sie schließlich, und brach das Schweigen, nachdem ein Mönch in die entgegengesetzte Richtung an ihnen vorbeigegangen war, und dabei nicht einmal den Blick gehoben hatte. „Er möchte, dass ich dich nach Hause bringe.“

Kristof schüttelte den Kopf.

„Das ist das Problem mit meinem Vater“, sagte er. „Er denkt, dass es nur ein Zuhause auf der Welt gibt. Doch ich habe etwas gelernt“, erklärte er und sah sie an, „es gibt mehr als nur ein wirkliches Zuhause auf dieser Welt.“

Als sie weitergingen seufzte er und Gwendolyn schwieg, da sie nicht zu sehr bohren wollte.

„Mein Vater wird nie akzeptieren, wer ich bin“, fügte er schließlich hinzu. „Er wird es niemals lernen. Er ist so festgefahren in seinem alten, beschränkten Glaubenssystem – und er will es mir aufzwingen. Doch ich bin nicht er – auch wenn er das nicht akzeptieren kann.

„Vermisst du deine Familie nicht?“, fragte Gwen, überrascht, dass er sein Leben diesem Turm verschrieben hatte.

„Das tue ich“, sagte er ehrlich und überraschte sie damit. „Sehr sogar. Meine Familie bedeutet mir alles – doch meine spirituelle Berufung ist mir wichtiger. Mein Zuhause ist jetzt hier“, sagte er und bog in einen anderen Flur ab. „Ich diene jetzt Eldof. Er ist meine Sonne. Wenn du ihn kennen würdest“, sagte er und sah Gwendolyn mit einer Intensität an, die ihr Angst machte, „dann wäre er auch deine Sonne.“

Gwendolyn wandte sich ab, denn der fanatische Blick in seinen Augen missfiel ihr.

„Ich diene niemandem außer mir selbst“, antwortete sie.

Er lächelte sie an.

„Vielleicht ist das die Quelle all deiner irdischen Sorgen“, antwortete er. „Niemand kann in einer Welt leben, in der er niemand anderem dient. In diesem Augenblick dienst du nicht dir, sondern jemand anderem.“

Gwendolyn sah ihn argwöhnisch an.

„Wie denn?“, fragte sie.

„Selbst wenn du denkst, dass du dir selbst dienst“, antwortete er, „täuscht du dich. Die Person, der du dienst, bist nicht du, sondern die Person, die deine Eltern geschaffen haben. Wenn wirst du mutig genug sein, ihren Glauben abzuschütteln und dir selbst zu dienen?“

Gwendolyn runzelte die Stirn. Sie glaubte seiner Philosophie nicht.

„Und wessen Glauben soll ich stattdessen annehmen“, fragte sie. „Eldofs?“

Er schüttelte den Kopf.

„Eldof ist nur ein Kanal“, antwortete er. „Er hilft dir dabei, abzuwerfen, wer du warst. Er hilft dir dabei, dein wahres Selbst zu finden, das was du zu sein bestimmt bist. Diesem Selbst musst du dienen. Das ist die Person, die du niemals finden wirst, bis du dein falsches Selbst freilässt. Das ist das, was Eldof tut: er befreit uns alle.“

Gwendolyn blickte in seine glänzenden Augen, und sie konnte sehen, wie treu ergeben er war – und diese Hingabe machte ihr Angst. Sie konnte sofort sehen, dass man nicht mit ihm diskutieren konnte – er würde diesen Ort nie verlassen.

Das Netz, das Eldof gesponnen hatte, um all diese Menschen in seine Falle zu locken machte ihr Angst – eine billige Philosophie mit einer ganz eigenen Logik. Gwendolyn wollte nicht mehr hören; sie war fest entschlossen, dass sie sich nicht von diesem Netz einfangen lassen würde. Schaudern schüttelte sie das Gefühl ab und ging weiter neben Kristof die Rampe hinauf; im Kreis um den Turm herum, immer höher und höher, wo immer sie auch hinführte.

„Ich bin nicht gekommen, um die Errungenschaften deines Kults zu diskutieren“, sagte Gwendolyn. „Ich weiß, dass ich dich nicht dazu bringen kann, zu deinem Vater zurückzukehren. Ich habe ihm versprochen, dich zu bitten, und das habe ich getan. Wenn dir deine Familie nichts bedeutet, kann ich dich nicht dazu zwingen.“

Kristof sah sie ernst an.

„Und denkst du, dass meinem Vater seine Familie etwas bedeutet?“, fragte er.

„Sehr viel sogar“, antwortete sie. „Zumindest, soweit ich es beurteilen kann.“

Kristof schüttelte den Kopf.

„Lass mich dir etwas zeigen.“

Kristof hakte sie unter und führte sie in einen Flur, der nach links abbog, dann eine Treppe hinauf, bevor sie vor einer dicken Eichenholztür stehenblieben. Er sah sie bedeutungsvoll an, dann öffnete er sie und gab den Blick auf eine Gittertür frei.

Gwendolyns Neugier war geweckt und sie fragte sich, was er ihr zeigen wollte; dann trat sie vor und warf einen Blick durch die Gitterstäbe. Sie war geschockt, ein junges, wunderschönes Mädchen alleine in der Zelle sitzen zu sehen, deren langes Haar ihr ins Gesicht viel. Auch wenn ihre Augen geöffnet waren, schien sie ihre Gegenwart nicht wahrzunehmen.

„So kümmert sich mein Vater um seine Familie“, sagte Kristof.

Gwendolyn sah ihn fragend an.

„Seine Familie?“, fragte Gwendolyn irritiert.

Kristof nickte.

„Kathryn. Seine andere Tochter. Die, die er vor der Welt versteckt. Sie ist hierher verbannt worden, in diese Zelle. Warum. Weil sie verwirrt ist. Weil sie nicht perfekt ist wie er. Weil er sich für sie schämt.“

Gwendolyn schwieg und ihr Magen zog sich zusammen, als sie traurig das Mädchen ansah; sie wollte ihr helfen. Sie begann sich zu fragen, ob alles so schwarz und weiß war, wie es der König darstellte, und ob irgendetwas von dem, was Kristof gesagt hatte, wahr war.

„Eldof misst Familie eine große Bedeutung bei“, fuhr Kristof fort. „Er würde nie einen der Seinen im Stich lassen. Er weiß unser wahres Selbst zu schätzen. Niemand wird hier aus Scham abgewiesen. Das ist die Verkommenheit der Stolzen. Und jene, die verwirrt sind, sin ihrem wahren Selbst am nächsten.“

Kristof seufzte.

„Wenn du Eldof triffst“, sagte er, „wirst du es verstehen. Es gibt niemanden, der so ist wie er, und es wird auch niemals jemanden geben.

Gwendolyn sah wieder den Fanatismus in seinen Augen aufflackern sehen und konnte sehen, wie sehr er sich an diesen Ort verloren hatte, an diesen Kult, und sie wusste, dass er viel zu weit entrückt war, um jemals wieder zum König zurückzukehren. Sie wandte sich wieder der Tochter des Königs zu und empfand tiefe Trauer für sie, für diesen Ort, für die zerbrochene Familie. Ihr perfektes Bild des Königreichs, das der perfekten königlichen Familie, zerbröckelte. Dieser Ort hatte wie jeder andere eine dunkle Seite. Hier herrschte ein stiller Krieg des Glaubens.

Es war ein Krieg von dem Gwendolyn wusste, dass sie ihn nicht gewinnen konnte, und sie spürte ein immer dringenderes Bedürfnis ihren Gemahl und ihren Sohn zu retten. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, dieser Ort überforderte sie, und der Duft des Weihrauchs, der schwer in der Luft lag und das Fehlen von Fenstern ließ sie die Orientierung verlieren. Sie wollte so schnell wie möglich finden, was sie brauchte und den Turm verlassen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, weswegen sie überhaupt gekommen war, und es fiel ihr wieder ein: um das Königreich zu retten, so wie sie es dem König versprochen hatte.

„Dein Vater glaubt, dass hier im Turm ein Geheimnis verborgen liegt“, sagte Gwendolyn, „ein Geheimnis, dass das Königreich und das ganze Volk retten könnte.“

Kristof lächelte und verschränkte die Finger.

„Mein Vater und sein Glaube“, antwortete er.

Gwendolyn legte die Stirn in Falten.

„Willst du damit sagen, dass es nicht stimmt?“, fragte sie. „Dass es kein altes Buch gibt?“

Er hielt inne und wandte den Blick ab; dann seufzte er und schwieg eine ganze Weile.

Schließlich fuhr er fort: „Was dir offenbart wird und wann“, sagte er, „liegt nicht in meinem Ermessen. Nur Eldof kann deine Fragen beantworten.“

Gwendolyn spürte, wie ein Gefühl der Dringlichkeit in ihr aufstieg.

„Kannst du mich zu ihm bringen?“

Kristof lächelte, drehte sich um begann, den Flur hinunterzugehen.

„So sicher“, sagte er im Gehen, ihr bereits ein paar Schritte voraus, „wie Licht die Motten anzieht.“




KAPITEL FÜNF


Stara stand auf der wackligen Plattform und versuchte dabei, nicht nach unten zu blicken, während sie immer weiter hochgezogen wurde. Mit jedem Zug am Seil konnte sie weiter sehen. Die Plattform hob sich immer höher am Rand des Jochs entlang und Stara stand mit pochendem Herzen da, verkleidet, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter , als sie spürte, wie die Hitze der Wüste um sie herum aufstieg. Sie war schon so hoch oben unangenehm, und der Tag war kaum angebrochen. Um sie herum hörte sie die Taue knarzen und Räder quietschen, während die Krieger die an den Seilen zogen, und keiner von ihnen bemerkte, wer sie war.

Bald blieb sie stehen und alles war still als sie die Hochebene des Jochs erreichte. Alles, was zu hören war, war das Heulen des Windes. Die Aussicht war atemberaubend und gab ihr das Gefühl auf dem Gipfel der Welt zu stehen.

Erinnerungen wurden wach. Stara erinnerte sich daran, wie sie im Joch angekommen war, frisch aus der Großen Wüste, gemeinsam mit Gwendolyn und Kendrick und all den anderen. Die meisten von ihnen waren mehr tot als lebendig gewesen. Sie wusste, wie viel Glück sie gehabt hatte und zunächst war der Anblick des Jochs ihr wie ein Gottesgeschenk erschienen.

Und doch stand sie nun hier, bereit, es wieder zu verlassen und auf der anderen Seite abzusteigen, zurück hinaus in die Große Wüste zu gehen, dort, wo der Tod unter jedem Stein lauerte. Ihr Pferd neben ihr schnaubte und scharrte mit den Hufen. Sie strich ihm beruhigend über die Mähne. Das Pferd würde ihre Rettung sein, ihr Weg fort von hier; er würde sie über die Große Wüste bringen und diesmal würde alles ganz anders verlaufen.

„Ich erinnere mich nicht an einen Befehl unseres Kommandanten für diesen Besuch“, hörte sie die Stimme eines Kriegers.

Stara stand vollkommen still, denn sie wusste, dass er mit ihr sprach.

„Dann werde ich es mit deinem Kommandanten und meinem Cousin – dem Königs selbst – diskutieren“, antwortete Fithe, der neben ihr stand selbstbewusst.

Stara wusste, dass er log, und sie wusste, was er für sie riskierte – und war ihm unendlich dankbar dafür. Fithe hatte sie überrascht, als er sein Wort eingelöst hatte, indem er alles getan hatte, was in seiner Macht stand – ganz so wie er es versprochen hatte – um ihr zu helfen, das Joch zu verlassen, damit sie sich auf die Suche nach Reece machen konnte, dem Mann, den sie liebte.

Reece. Staras Herz schmerzte beim Gedanken an ihn. Sie würde diesen Ort verlassen, egal wie sicher sie hier war, würde die Große Wüste durchqueren, die Welt umrunden, allein für die Chance ihm sagen zu können, wie sehr sie ihn liebte.

So sehr Stara es auch missfiel, Fithe in Gefahr zu bringen – sie brauchte ihn. Sie musste dieses Risiko eingehen um den Mann zu finden, den sie liebte. Sie konnte nicht einfach hier in Sicherheit herumsitzen, egal wie prachtvoll, wie reich und wie sicher das Königreich des Jochs war, bis sie wieder mit Reece vereint war.

Das eiserne Tor der Plattform schwang quietschend auf; Fithe nahm sie am Arm und begleitete sie. Sie verließen die Plattform und betraten das Steinplateau des Jochs. Der Wind heulte, und eine Böe hätte sie fast umgestoßen. Sie klammerte sich an die Mähne des Pferdes und ließ mit pochendem Herzen den Blick über die endlose Weite schweifen.

„Halt deinen Kopf gesenkt und zieh dir die Kapuze ins Gesicht“, zischte Fithe ihr zu. „Wenn sie dich sehen, wenn sie bemerken, dass du ein Mädchen bist, werden sie wissen, dass du nichts hier oben zu suchen hast. Sie werden dich zurückschicken. Warte, bis wir auf der anderen Seite des Plateaus sind. Da ist eine weitere Plattform, die dich auf der anderen Seite hinunterbringen wird. Sie wird nur dich transportieren.“

Staras Atem ging schneller, als die das breite Plateau überquerten und schnell an den Rittern vorbeigingen. Sara hielt den Kopf gesenkt und verbarg ihr Gesicht vor den neugierigen Blicken der Krieger.

Schließlich blieben sie stehen und er flüsterte:

„Gut. Du kannst deinen Kopf heben.“

Als Stara die Kapuze zurück schob und sich die schweißnassen Haare aus dem Gesicht wischte, war sie sprachlos über den Anblick, der sich ihr bot: zwei riesengroße, wunderschöne Sonnen, noch immer rot, hoben sich über die noch schlafende Wüste. Sie tauchten den Himmel in zahllose Schattierungen von Rosa und Violett. Es war als wurde die Welt neu geboren.

Als sie sich umsah, sah sie die Große Wüste, die vor ihr lag und sich bis ans Ende der Welt zu erstrecken schien. In der Ferne lag die tosende Sandwand, und ohne es zu wollen, blickte sie nach unten. Die Höhe machte sie schwindelig und sie wünschte sich sofort, dass sie es nicht getan hatte.

Zu ihren Füßen sah sie den steilen Abhang, der sich vom Boden der Wüste bis hoch zum Plateau erhob. Und vor ihr war die einsame Plattform, die auf sie wartete.

Stara drehte sich um und blickte zu Fithe auf, der sie bedeutungsvoll ansah.

„Bist du dir sicher?“, fragte er leise. Sie konnte sehen, dass er Angst um sie hatte.

Stara spürte die Angst in sich aufsteigen, doch dann dachte sie an Reece und nickte.

Er sah sie liebevoll an.

„Danke“, sagte sie. „Ich weiß, dass ich dir das nie vergelten kann.“

Er lächelte.

„Finde den Mann, den du liebst“, antwortete er. „Wenn ich es schon nicht sein kann, dann will ich wenigstens, dass du den Mann findest, dem dein Herz gehört.“

Er nahm ihre Hand, küsste sie, deutete eine Verbeugung an und ging. Stara sah zu, wie er sich entfernte und war voller Dankbarkeit für ihn. Wenn sie Reece nicht so lieben würde, wäre er vielleicht ein Mann, den sie lieben könnte.

Stara drehte sich um, und machte den ersten Schritt auf die Plattform. Sie versuchte, nicht in die Große Wüste hinauszublicken, nicht an die Reise zu denken, die wahrscheinlich ihren Tod bedeuten würde – doch es gelang ihr nicht.

Die Seile knarzten, die Plattform schwankte, und als die Krieger sie langsam senkten, begann ihr Abstieg, ganz allein, ins Nichts.

Reece, dachte sie, vielleicht sterbe ich dabei, doch für dich werde ich um die Welt reisen.




KAPITEL SECHS


Erec stand am Bug des Schiffs, Alistair und Strom an seiner Seite, und blickte hinab in das wilde Wasser des Flusses unter ihm. Er beobachtete, wie sich der wütende Strom teilte und das Schiff nach links trieb, weg von dem Kanal, der sie nach Volusia zu Gwendolyn und den anderen gebracht hätte – und er fühlte sich hin und hergerissen. Natürlich wollte er Gwendolyn retten; und doch musste er auch seinem heiligen Eid folgen, den er diesen Dorfbewohnern geschworen hatte: ihr Nachbardorf zu befreien und den Standort des Empire in der Nähe zu zerstören. Wenn er es nicht tat, würden die Empirekrieger bald das befreite Dorf überfallen und alle töten- und alle Bemühungen, sie zu befreien, wären umsonst gewesen.

Erec blickte auf und studierte den Horizont. Ihm war sehr wohl bewusst, dass jeder Augenblick der verstrich, jeder Windstoß, jeder Ruderschlag sie weiter von Gwendolyn und ihrer ursprünglichen Mission wegbrachte; und doch wusste er, dass man manchmal von der Mission abweichen musste, um zu tun, was richtig und ehrenhaft war. Manchmal war die Mission etwas anderes, als er gedacht hatte. Manchmal änderte sie sich; manchmal war es nur ein Ausflug auf dem Weg, der zur wirklichen Mission wurde.

Doch Erec war immer noch fest entschlossen den Stützpunkt des Empire so schnell wie möglich zu vernichten und wieder den Weg nach Volusia einschlagen, um Gwendolyn zu retten bevor es zu spät war.

„Sir!“, rief eine Stimme.

Erec blickte auf und sah einen seiner Krieger, hoch oben auf dem Mast, in Richtung Horizont deuten. Er drehte sich um, und als das Schiff um eine Biegung des Flusses kam und die Strömung stärker wurde, schlug Erecs Herz schneller, als er das Fort des Empire am Ufer sah, das von Kriegern nur so wimmelte. Es war ein tristes, niedriges Gebäude aus Stein, um das Zuchtmeister des Empire aufgereiht waren – doch keiner von ihnen beobachtete den Fluss. Stattdessen sahen sie alle hinunter zum Sklavendorf, das voller Menschen war. Sie quälten sich in den Straßen mit harter Arbeit ab, während die Krieger sich über sie lustig machten.

Erec wurde rot vor Empörung; diese Ungerechtigkeit brachte ihn zur Weißglut. Er hatte das Gefühl, dass seine Entscheidung, hierher zu kommen gerechtfertigt war, und war entschlossen, das Empire für alles bezahlen zu lassen. Vielleicht war es nur ein Tropfen auf den heißen Stein für das Empire, doch man durfte nie unterschätzen, was Freiheit bedeutete, selbst wenn sie nur für ein paar wenige Menschen erlangt werden konnte.

Erec sah, dass das Ufer von Schiffen des Empire gesäumt war. Sie waren jedoch kaum bewacht, da niemand mit einem Angriff rechnete. Natürlich nicht: es gab hier keine feindlich Macht, die das Empire hätte fürchten müssen.

Keine außer Erecs.

Erec wusste, dass sie, auch wenn er und seine Männer in der Unterzahl wahren, immer noch den Vorteil des Überraschungsmoments hatten. Wenn sie schnell genug zuschlagen konnten, könnten sie vielleicht alle töten.

Erec wandte sich seinen Männern zu und auch Strom an seiner Seite erwartete voller Tatendrang seinen Befehl.

„Übernimm das Kommando des Schiffs neben mir“, befahl Erec seinem jüngeren Bruder. Dieser rannte sofort los, sprintete über Deck und über die Reling auf das Schiff neben Erecs. Dort ging er eilig zum Bug und übernahm das Kommando.

Erec drehte sich wieder zu seinen Kriegern um, die sich um ihn drängten und seinen Befehl erwarteten.

„Ich will sie nicht zu früh alarmieren“, sagte er. „Wir müssen so nah wie möglich an sie herankommen. Bogenschützen – macht euch bereit!“, rief er. „Und alle anderen – nehmt eure Speere und kniet nieder!“

Die Krieger nahmen ihre Positionen ein und gingen entlang der Reling in die Hocke, Reihe um Reihe, mit Speeren und Bögen bewaffnet, wohl diszipliniert und geduldig auf seinen Befehl wartend. Die Strömung wurde stärker. Erec sah das Fort näherkommen, und spürte den wohlbekannten Rausch in seinen Adern: ein Kampf lag in der Luft.

Sie kamen immer näher, nun kaum mehr als hundert Meter entfernt, und Erecs Herz raste, in der Hoffnung, dass sie nicht entdeckt würden. Er spürte die Unruhe der Männer um sich herum, die kaum abwarten konnten anzugreifen. Sie mussten nur in Reichweite ihrer Pfeile und Speere kommen.

Komm schon, dachte Erec. Nur ein klein wenig näher.

Erec erschrak, als ein Empire-Krieger sich eher zufällig in Richtung Fluss umdrehte und verwirrt blinzelte. Er war im Begriff, sie zu entdecken – viel zu früh, denn sie waren noch nicht in Reichweite.

Auch Alistair, die neben Erec stand, hatte ihn gesehen. Bevor Erec den Befehl geben konnte, den Angriff verfrüht zu starten, hob sie mit einem ruhigen, selbstbewussten Ausdruck im Gesicht ihre rechte Hand und eine Kugel aus gelbem Licht materialisierte darin.

Erec sah staunend zu, wie sich die Kugel in die Luft erhob und sich dann wie ein Regenbogen über ihnen ergoss. Mit dem Regenbogen zog Nebel auf, der sie vor den Blicken des Empire schützte.

Der Krieger spähte nun irritiert in den Nebel und konnte nichts entdecken. Erec wandte sich um und lächelte Alistair an. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass er ohne sie verloren wäre.

Erecs Flotte segelte weiter, nun im Schutz des Nebels und er sah sie dankbar an.

„Deine Hand ist stärker als mein Schwert, Mylady“, sagte er und verneigte sich vor ihr.

Sie lächelte.

„Es ist immer noch deine Aufgabe, den Kampf zu gewinnen“, antwortete sie.

Der Wind trug sie weiter durch den Nebel und Erec konnte sehen, dass seine Männer darauf brannten, loszuschlagen. Er verstand sie: auch er konnte es nicht erwarten.

„Noch nicht“, flüsterte er ihnen zu.

Durch den Nebel konnte Erec die Empire-Krieger sehen: sie standen auf den Wällen und ihre muskulösen Körper glänzten in der Sonne während sie mit ihren Peitschen auf die Dorfbewohner einschlugen. Andere Krieger hatten sich dem Fluss zugewandt – offensichtlich herbeigerufen von dem Mann, der sie beinahe entdeckte hätte. Argwöhnisch beobachteten sie den Nebel, als hätten sie einen Verdacht.

Erec war jetzt unglaublich nah. Seine Schiffe waren nicht mehr als dreißig Meter vom Ufer entfernt, und sein Herz pochte in seinen Ohren. Alistairs Nebel begann sich aufzulösen, und er wusste, dass die Zeit gekommen war.

„Bogenschützen“, befahl Erec. „Feuer!“

Dutzende von Bogenschützen auf allen seinen Schiffen standen auf, zielten und schossen. Die Luft wurde erfüllt vom Geräusch der Pfeile, die die Sehnen verließen. Sie verdunkelten den Himmel als sie in hohem Bogen aufstiegen und dann auf das Ufer zuflogen.

Einen Augenblick später waren Schreie zu hören, als ein Regen tödlicher Pfeile auf die Empire Krieger herniederging. Der Kampf hatte begonnen.

Hörner erklangen als das ganze Fort alarmiert wurde und die Männer sich sammelten, um es zu verteidigen.

„SPEERE!“, rief Erec.

Strom war der erste, der aufsprang und seinen Speer schleuderte, einen schön verzierten silbernen Speer, der pfeifend durch die Luft flog und einen überraschten Kommandanten er feindlichen Truppen ins Herz traf.

Erec warf seinen goldenen Speer und tötete damit einen anderen Kommandanten auf der anderen Seite der Festung. Seine Männer auf allen Schiffen folgten seinem Beispiel und töten viele der überraschten Empire-Krieger, die kaum Gelegenheit hatten, sich zu sammeln.

Dutzende von ihnen fielen und Erec sah, dass die erste Angriffswelle ein voller Erfolg war; doch es waren immer noch Hunderte von Kriegern übrig, und als sein Schiff am Ufer anlegte, wusste er, dass die Zeit für den Kampf Mann gegen Mann gekommen war.

„ANGRIFF!“, schrie er.

Erec zog sein Schwert und schwang sich über die Reling, die fünf Meter hinab ans sandige Ufer. Mehrere hundert seiner Männer folgten ihm, rannten über das Ufer und wichen dabei Pfeilen und Speeren aus. Die Empire-Krieger sammelten sich hektisch und stürmten ihnen entgegen.

Erec wappnete sich, als ein riesiger Empire-Krieger direkt auf ihn zu gerannt kam. Brüllend riss er seine Axt in die Höhe und schwang sie seitlich in Richtung von Erecs Kopf. Dieser wich aus, rammte ihm sein Schwert in die Eingeweide und rannte weiter. Erec, dessen Reflexe die Kontrolle übernahmen, stach einem weiteren Krieger ins Herz, wich dem Axthieb eines anderen aus und wirbelte herum, um ihm die Brust aufzuschlitzen. Ein weiterer Krieger griff ihn von hinten an, und ohne sich umzudrehen, rammte Erec ihm den Ellbogen in den Magen, sodass er vor Schmerzen auf die Knie fiel.

Erec rannte durch die Reihen von Kriegern – schneller, beweglicher und stärker als jeder andere auf dem Feld – und führte seine Männer, die auf dem Weg zum Fort einen Empire-Krieger nach dem anderen töteten. Das Getümmel wurde immer dichter, und die Männer des Empire waren starke Gegner im Kampf Mann gegen Mann. Es brach Erec das Herz zu sehen, dass viele seiner Männer beim Angriff starben.

Doch Erec drang entschlossen weiter vor und wich blitzschnell immer wieder Hieben aus. Er stürmte über das Ufer wie ein Dämon, der aus der Hölle ausgebrochen war.

Bald war niemand mehr übrig. Alles war still am Ufer, das vom Blut rot gefärbt wurde. Die meisten der Toten waren Empire-Krieger, doch unter ihnen waren auch zu viele seiner eigenen Männer.

Voller Zorn stürmte Erec auf das Fort zu, in dem es immer noch von Kriegern wimmelte. Seinen Männern voran rannte er die steinernen Stufen am Rand entlang, und rammte dabei dem ersten Krieger, der ihn angriff, seinen Dolch ins Herz – gerade noch rechtzeitig bevor dieser seinen Kriegshammer auf seinen Kopf heruntersausen lassen konnte. Erec zog seinen Dolch heraus und der tote Krieger fiel neben ihm die Treppen hinunter. Ein weiterer Mann tauchte auf und hieb nach Erec, bevor dieser reagieren konnte. Doch Strom sprang dazwischen, und mit lautem Klirren und Funkenregen wehrte er den Hieb ab, bevor er seinen Bruder treffen konnte. Dann versetzte er dem Krieger einen Tritt, der ihn über die Kante und in den Tod stürzen ließ.

Erec stürmte vier Stufen auf einmal nehmend weiter, bis er den oberen Rand der Wehranlagen erreichte. Dutzende von Kriegern, die sich noch auf den Zinnen befanden waren jetzt, wo sie all ihre Brüder tot sahen – gelähmt vor Angst. Beim Anblick von Erecs Männern, die die Wehrgänge stürmten, ergriffen sie die Flucht. Sie rannten die Stufen auf der gegenüberliegenden Seite der Festung hinunter in die Straßen des Dorfes – und mussten dort eine Überraschung erleben; die Dorfbewohner hatten durch den Angriff Mut geschöpft. Ihre verängstigten Mienen machten einem Ausdruck blinder Wut Platz und sie erhoben sich gegen ihre Peiniger. Sie rissen den Zuchtmeistern die Peitschen aus den Händen und verfolgten die übriggebliebenen Krieger.

Die Empire-Krieger hatten nicht damit gerechnet und einer nach dem anderen fiel unter den Peitschenhieben der Sklaven. Auch wenn sie schon am Boden lagen schlugen die Sklaven weiter auf sie ein bis sie sich nicht mehr rührten. Der Gerechtigkeit war genüge getan.

Schwer atmend stand Erec mit seinen Männern auf den Mauern des Forts und nahm schweigend Bestand auf. Der Kampf war vorbei. Unten brauchten die schockierten Dorfbewohner eine Weile, um zu begreifen, was geschehen war.

Einer nach dem anderen begann zu jubeln bis sich der Jubel über das ganze Dorf ausbreitete. Freudestrahlend begrüßten sie ihre neu gewonnene Freiheit. Erec wusste, dass es das wert gewesen war. Genau das war wahrer Heldenmut.




KAPITEL SIEBEN


Godfrey saß am Boden der unterirdischen Kammer von Silis Palast. Akorth, Fulton, Ario und Merek saßen neben ihm, Dray zu seinen Füßen, während Silis und ihre Männer ihnen gegenüber saßen. Alle waren niedergeschlagen und saßen mit gesenkten Köpfen da, denn sie wussten, dass dies eine Totenwache war. Die Kammer bebte von der Verwüstung über ihnen, der Invasion Volusias, und der Krach der Zerstörung hallte in ihren Ohren. Sie alle saßen wartend im Halbdunkel, während die Ritter der Sieben über ihren Köpfen die Stadt in Grund und Boden stampften.

Godfrey nahm einen langen Schluck aus seinem Weinschlauch, dem wohl letzten Weinschlauch, der in der ganzen Stadt übrig war, um den Schmerz zu betäuben, und die Gedanken an den sicheren Tod, der ihnen allen bevorstand.

Er starrte seine Füße an und fragte sich, wie es dazu hatte kommen können. Vor wenigen Monden noch war er sicher im Ring gewesen, hatte getrunken und gefeiert, und keine anderen Sorgen gehabt, als sich zu entscheiden, welche Schenke oder welches Bordell er am nächsten Abend aufsuchen sollte. Jetzt war er hier, auf der anderen Seite des Meeres, gefangen unter den Ruinen einer Stadt, wie in einem Sarg.

Sein Kopf dröhnte, und er versuchte sich zu konzentrieren. Er spürte, was seine Freunde dachten, konnte es in der Verachtung in ihren Blicken fühlen: sie hätten nie auf ihn hören sollen; sie hätten fliehen sollen, als sie noch die Gelegenheit dazu gehabt hatten. Wenn sie nicht wegen Silis zurückgekehrt wären, hatten sie den Hafen erreichen und auf einem Schiff aus Volusia fliehen können. Godfrey versuchte in der Tatsache Trost zu finden, dass er damit seine Schuld beglichen und das Leben der Frau gerettet hatte. Wenn er sie nicht rechtzeitig erreicht hätte, wäre sie jetzt wahrscheinlich schon tot. Das musste für etwas zählen, selbst, wenn es so gar nicht seiner Natur entsprach.

„Und was jetzt?“, fragte Akorth.

Godfrey wandte sich ihm zu und sah den anklagenden Blick, mit dem er die Frage stellte, die allen auf der Seele brannte.

Godfrey sah sich in der kleinen, spärlich beleuchteten Kammer um. Sie hatten kaum Vorräte und nicht mehr als ein kleines Fass Bier, das in einer Ecke stand. Es war eine Totenwache. Sie konnten immer noch den Krach der Schlacht über sich hören, selbst durch diese dicken Wände, und er fragte sich, wie lange sie hier unten ausharren konnten. Stunden? Tage? Wie lange, bis die Ritter der Sieben Volusia eingenommen hatten? Würden sie sich damit zufrieden geben und wieder abziehen?

„Sie sind nicht hinter uns her“, bemerkte Godfrey. „Hier kämpft Empire gegen Empire. Sie sind auf einem Rachefeldzug gegen Volusia. Mit uns haben sie keinen Probleme.“

Silis schüttelte den Kopf.

„Sie werden Volusia besetzen“, sagte sie ernst. „Die Ritter der Sieben ziehen sich nicht zurück.“

Schweigen.

„Wie lange können wir dann hier unten überleben?“, fragte Merek.

Silis betrachtete die Vorräte.

„Eine Woche vielleicht“, antwortete sie.

Plötzlich war von oben ein lautes Rumpeln zu hören, und Godfrey zuckte zusammen, als der Boden unter seinen Füßen bebte.

Silis stand auf und ging nervös hin und her, wobei sie immer wieder einen Blick an die Decke warf, aus der der Mörtel zu regnen begann. Es klang, als ginge eine Gerölllawine auf sie nieder, und sie beobachtete besorgt die Wände.

„Sie sind in meinen Palast eingedrungen“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu den anderen.

Godfrey sah den gequälten Ausdruck in ihrem Gesicht und er erkannte, dass das der Ausdruck eines Menschen war, der alles verlor, was er besessen hatte.

Sie drehte sich um und sah Godfrey dankbar an.

„Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt da oben“, sagte sie. „Du hast unser aller Leben gerettet.“

„Und wozu?“, fragte er. „Was haben wir schon erreicht? Jetzt sitzen wir hier unten und warten auf den Tod.“

Silis sah niedergeschlagen aus.

„Wenn wir hier bleiben“, fragte Merek, „werden wir dann alle sterben?“

Silis nickte beklommen.

„Ja“, antwortete sie ehrlich. „Nicht heute oder morgen, doch in ein paar Tagen mit Sicherheit. Sie können nicht nach hier unten kommen – doch wir können auch nicht nach oben gehen. Bald werden uns die Vorräte ausgehen.“

„Und was dann?“, fragte Ario. „Willst du etwa, hier unten zu sterben? Also ich für meinen Teil, habe das nicht vor.“

Silis ging mit gerunzelter Stirn hin und her, und Godfrey konnte sehen, dass sie angestrengt nachdachte.

Dann blieb sie schließlich stehen.

„Es gibt eine Chance“, sagte sie. „Es ist riskant, aber vielleicht funktioniert es ja.“

Sie sah sie an und Godfrey hielt voller Hoffnung erwartungsvoll den Atem an.

„Zu Zeiten meines Vaters gab es einen unterirdischen Gang, der unter dem Palast hindurch führte“, sagte sie. „Er führt unter den Mauern hindurch. Wenn er noch existiert, können wir ihn finden, und im Schutz der Dunkelheit fliehen. Wir können versuchen, durch die Stadt zum Hafen zu kommen. Wenn noch eines meiner Schiffe übrig ist, können wir damit fliehen.“

Eine lange, verunsicherte Stille legte sich über den Raum.

„Riskant“, sagte Merek schließlich mit ernster Stimme. „Die Stadt wird von Empire-Kriegern nur so wimmeln. Wie sollen wir da durchkommen, ohne getötet zu werden?“

Silis zuckte mit den Schultern.

„Stimmt“, antwortete sie. „Wenn sie uns erwischen, bringen sie uns um. Doch wenn wir warten, bis es dunkel genug ist, und jeden töten, der sich uns in den Weg stellt, können es vielleicht bis zum Hafen schaffen.“

„Und was, wenn wir den Geheimang finden und es bis zum Hafen schaffen, und deine Schiffe sind fort?“, fragte Ario.

Sie wandte sich ihm zu.

„Kein Plan ist vollkommen unfehlbar“, sagte sie. „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir da draußen sterben – genau wie hier.“

„Der Tod ist unausweichlich“, mischte Godfrey sich ein, in dem eine neue Zielstrebigkeit erwachte, als er aufstand und die anderen ansah. „Die Frage ist nur, wie wir sterben wollen; wollen wir uns hier unten verkriechen wie Ratten und darauf warten, dass der Tod uns holen kommen? Oder wollen wir rausgehen und versuchen, uns unsere Freiheit zurückzuholen?“

Langsam, einer nach dem anderen, standen alle anderen auf. Sie sahen ihn an und nickten ernst.

In diesem Augenblick wusste er, dass sie einen Plan hatten. Heute Nacht würden sie fliehen.




KAPITEL ACHT


Loti und Loc gingen Seite an Seite unter der brennend heißen Wüstensonne. Sie waren aneinander gefesselt und wurden von einem peitschenschwingenden Zuchtmeister des Empire vorangetrieben. Als sie durch das Ödland wanderte, fragte sich Loti wieder einmal, warum ihr Bruder sich für diese gefährliche und anstrengende Arbeit freiwillig gemeldet hatte. War er verrückt geworden?

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, flüsterte sie ihm zu. Sie wurden von hinten angestoßen und als Loc das Gleichgewicht verlor und stolperte, fing Loti ihn an seinem gesunden Arm auf.

„Warum hast du dich freiwillig gemeldet?“, fügte sie hinzu.

„Sieh dich um“, sagte er, während er sich wieder aufrappelte. „Was siehst du?“

Loti sah sich um und sah nichts außer der Einöde der Wüste vor ihnen. Sie war voller Sklaven, der Boden steinhart gebacken; dahinter lag eine Steigung zu einer Anhöhe, auf der ein Dutzend weitere Sklaven arbeiteten. Überall waren Zuchtmeister und das Knallen ihrer Peitschen hallte durch die Luft.

„Ich sehe nichts“, antwortete sie ungeduldig. „Nur immer das gleiche: Sklaven, die von ihren Zuchtmeistern zu Tode geschunden werden.“

Plötzlich spürte Loti einen brennenden Schmerz quer über ihrem Rücken und sie schrie auf, als die Peitsche ihre Haut aufriss.

Sie drehte sich um und blickte in das böse Gesicht des Zuchtmeisters hinter ihr.

„Halt den Mund!“, befahl er.

Loti war durch die Schmerzen zum Weinen zumute, doch sie biss sich auf die Zunge und lief weiter mit rasselnden Ketten neben Loc her. Sie schwor all diese Empire-Schergen zu töten, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.

Sie wanderten schweigend weiter und Loc kam dichter zu ihr heran.

„Es ist nicht, was du siehst“, flüsterte er. „Es ist, was du nicht siehst. Schau genau hin, da oben auf der Anhöhe.“

Sie studierte die Landschaft, doch sie sah nichts.

„Da oben ist nur ein Zuchtmeister. Ein einziger – für zwei Dutzend Sklaven. Sieh dich um und schau, wie viele hier unten sind.“

Loti warf unauffällig einen Blick über ihre Schulter und zählte Dutzende von Zuchtmeistern im Tal unter sich. Sie wandte ihren Blick wieder der Anhöhe zu und begriff schließlich, was ihr Bruder vorhatte. Dort oben war nicht nur ein einziger Zuchtmeister, er hatte auch noch ein Zerta bei sich. Ein Fluchtmittel.

Sie war beeindruckt und nickte

„Das dort oben auf der Anhöhe ist die gefährlichste Arbeit“, flüsterte er. „Der heißeste und am meisten verabscheute Ort – für Sklaven genauso wie für Zuchtmeister. Doch das, liebe Schwester, ist unsere Chance.“

Loti wurde plötzlich in den Rücken getreten und als sie stolperte, zog sie Loc mit sich. Sie rappelten sich auf und gingen weiter die Anhöhe hinauf. Sie keuchte unter der Hitze und Anstrengung des Aufstiegs. Doch als sie diesmal aufblickte, schwoll ihr Herz mit Optimismus und schlug schneller: endlich hatten sie einen Plan.

Loti hatte nie gedacht, dass ihr Bruder so viel Mut aufbringen konnte und so sehr bereit war, ein Risiko einzugehen und sich dem Empire entgegen zu stellen. Doch wenn sie ihn ansah, sah sie die Verzweiflung in seinen Augen und sie konnte sehen, dass er endlich so dachte wie sie. Sie sah ihn in neuem Licht, und bewunderte ihn sehr. Dieser Plan hätte auch von ihr stammen können.

„Und was ist mit unseren Fesseln?“, flüsterte sie, nachdem sie sich umgesehen hatte und sicher war, dass der Zuchtmeister außer Hörweite war.

Loc nickte mit dem Kopf in Richtung des Zertas.

„Der Sattel“, antwortete er. „Schau genau hin.“

Loti warf einen Blick in Richtung des Sattels und sah, dass ein langes Schwert in einer Scheide steckte, die daran befestigt war: damit konnten sie ihre Ketten zerschlagen.

Sie konnten es wirklich schaffen.

Zum ersten Mal, seitdem ihre Mutter sie ausgeliefert hatte, spürte Loti, wie ihr Optimismus zurückkehrte. Sie betrachtete die Sklaven oben auf der Anhöhe: sie waren alle gebrochene Männer und Frauen, die gedankenverloren ihrer Arbeit nachgingen. Keiner von ihnen schien auch nur einen Funken Widerstand in den Augen übrig zu haben, was Loti bewusst machte, dass ihnen niemand bei der Flucht helfen würde. Das störte sie jedoch nicht – sie brauchte ihre Hilfe nicht. Sie brauchten nur eine Gelegenheit, und hoffte, dass all die anderen Sklaven für genug Abwechslung sorgen würden.

Loti bekam wieder einen Tritt in den Rücken und landete mit dem Gesicht voran im Dreck auf dem Gipfel der Anhöhe. Grobe Hände packten sie und zerrten sie auf die Beine, danach versetzte der Zuchtmeister ihr einen Stoß und ging wieder zurück ins Tal.

„An die Arbeit!“, schrie der Zuchtmeister, der für die Sklaven auf der Anhöhe zuständig war.

Seine schwieligen Hände packten sie am Nacken und schoben sie vor sich her; ihre Ketten rasselten als er sie vor sich her trieb und sie in das Arbeitsfeld mit den anderen Sklaven stolperte.

Jemand reichte ihr eine lange Hacke mit einem eisernen Ende, und sie wurde mit einem letzten Stoß ihrer Arbeit überlassen.

Loti drehte sich um und als sie sah, wie Loc ihr bedeutungsvoll zunickte, spürte, wie ein Feuer in ihren Adern brannte; jetzt oder nie.

Sie stieß einen Schrei aus, hob die Hacke, schwang sie herum und schlug mit aller Kraft zu. Geschockt sah sie, wie das eiserne Ende im Hinterkopf des Zuchtmeisters stecken blieb.

Loti hatte die Hacke so schnell herumgeschwungen, dass er sie nicht einmal hatte kommen sehen. Natürlich ging niemand davon aus, dass ein Sklave hier versuchen würde einen Zuchtmeister anzugreifen, geschweige denn davonzulaufen.

Der Einschlag der Hacke vibrierte durch Lotis Hände und Arme, und sie beobachtete erst geschockt, dann zufrieden, wie der Wächter zusammenbrach. Da ihr Rücken von dem Peitschenhieb des anderen immer noch brannte, spürte sie das süße Gefühl der Rache.

Als der Zuchtmeister sich wieder aufrappeln wollte, trat Loc vor, hob seine eigene Hacke und schlug zu.

Schließlich rührte sich der Mann nicht mehr.

Schwer atmend, verschwitzt und mit pochendem Herzen ließ Loti ihre blutverschmierte Hacke fallen und tauschte einen Blick mit ihrem Bruder aus. Sie hatten es geschafft.

Loti spürte die neugierigen Blicke der anderen Sklaven um sie herum. Als sie sich umdrehte sah sie, dass alle sie mit offenem Mund anstarrten. Niemand arbeitete mehr. Alle standen auf ihre Hacken gestützt da und starrten sie ungläubig an.

Loti wusste, dass sie keine Zeit zu verlieren hatten. Gemeinsam mit Loc, der immer noch an sie gekettet war, rannte sie zum Zerta, zog das Schwert aus der Scheide, hob es hoch und drehte sich um.

„Pass auf!“, rief sie.

Loc hob schützend die Arme vors Gesicht als sie es mit aller Kraft auf die Fußfessel heruntersausen ließ, die sie verband. Zufrieden sah sie, wie die Kette unter heftigem Funkenregen brach.

Sie wollte gerade auf das Zerta springen, als jemand schrie.

„Und was ist mit uns?“

Sie sah, dass andere Sklaven angerannt kamen und ihr ihre Fesseln entgegenstreckten. Sie drehte sich nach dem wartenden Zerta um, und wusste, dass ihre Zeit kostbar war. Sie wollte so schnell wie möglich nach Osten nach Volusia aufbrechen, dem Ort, an dem sie Darius vermutete. Vielleicht konnte sie ihn dort finden. Doch sie konnte es auch nicht ertragen, die anderen Sklaven gefesselt zu sehen.

Loti begann, eine Kette nach der anderen zu zerschlagen, bis alle auf der Anhöhe befreit waren. Sie wusste nicht, was sie tun und wo sie hingehen würden, nun, wo sie frei waren – doch zumindest waren sie frei und konnten tun, was sie wollten.

Loti rannte zurück und sprang auf das Zerta, dann streckte sie Loc eine Hand entgegen und zog ihn hinauf. Mit einem heftigen Tritt in die Flanken lief das Zerta los.

Als sie losritten, atmete Loti durch, hocherfreut über ihre neu gewonnene Freiheit. In der Ferne konnte sie bereits die Schreie der anderen Zuchtmeister hören, die sie gesehen hatten. Doch sie hatte nicht vor, auf sie zu warten. Sie lenkte das Zerta auf der ihnen abgewandten Seite den Abhang hinunter und als sie unten angekommen waren, trat sie ihm in die Flanken und sie ritten im Galopp in die Wüste, von den Zuchtmeistern weg in die Freiheit.




KAPITEL NEUN


Darius blickte erschrocken auf und starrte dem Mann, der über ihm kniete, in die Augen.

Seinem Vater.

Während Darius ihm in die Augen sah, verlor er jedes Zeitgefühl; sein ganzes Leben schien in diesem Augenblick zu erstarren. Plötzlich ergab alles einen Sinn: das Gefühl, das Darius vom ersten Augenblick an gehabt hatte. Das vertraute Gesicht, dieses unbestimmte Gefühl, das in seinem Unterbewusstsein genagt und ihn beschäftigt hatte, seitdem er ihm das erste Mal begegnet war.

Sein Vater.

Das Wort erschien ihm surreal.

Da war er und kniete über ihm, nachdem er gerade eben Darius Leben gerettet hatte, indem er den tödlichen Schlag abgewehrt hatte. Er hatte sein Leben riskiert, indem er in dem Augenblick, in dem Darius hätte sterben sollen allein in die Arena gekommen war.

Er hatte alles für ihn riskiert. Für ihn, seinen Sohn. Doch warum>

„Vater“, sagte Darius – doch es war eher ein ehrfürchtiges Flüstern.

Darius spürte eine Welle des Stolzes in sich aufbranden, als er begriff, dass er mit diesem Mann, einem feinen Krieger, verwandt war. Er war vielleicht der beste Krieger, dem er je begegnet war. Es gab ihm Hoffnung, dass auch er eines Tages ein großer Krieger sein konnte.

Sein Vater nahm mit festem Griff Darius Hand. Er half ihm auf die Beine und Darius fühlte sich wie neu geboren. Jetzt hatte er einen Grund zu kämpfen, einen Grund weiterzuleben.

Sofort hob Darius sein Schwert vom Boden auf, dann drehte er sich um und gemeinsam mit seinem Vater stellte er sich der neuen Welle von Empire-Kriegern in der Arena. Da sein Vater all diese schrecklichen Kreaturen getötet hatte, waren die Hörner erklungen und eine neue Welle von Angreifern in die Arena gestürmt.

Die Menge tobte, und Darius sah den widerlichen Fratzen der Empire-Krieger entgegen, die mit langen Speeren auf sie zu stürzten. Darius konzentrierte sich, und er hatte das Gefühl, dass die Zeit langsamer vor seinen Augen ablief, als er sich auf den Kampf um sein Leben vorbereitete.

Ein Krieger warf einen Speer nach seinem Gesicht und Darius gelang es, ihm gerade noch rechtzeitig auszuweichen; dann wirbelte er herum und als der Krieger näher kam, um ihn umzureißen, rammte er ihm den Griff seines Schwertes gegen die Schläfe. Darius duckte sich, um einem weiteren Angreifer auszuweichen, der mit seinem Schwert nach seinem Kopf schlug, dann hechtete er der Krieger entgegen und rammte ihm das Schwert in den Bauch.

Ein weiterer Krieger griff von der Seite an und zielte mit seinem Speer nach Darius Rippen. Er bewegte sich jedoch viel zu schnell und Darius konnte nicht rechtzeitig reagieren; da hörte er den Klang von Holz, das auf Metall traf und war dankbar seinen Vater zu sehen, der den Speer mit seinem Stab abwehrte, bevor er Darius treffen konnte. Dann rammte er dem Krieger den Speer zwischen die Augen und schlug ihn zu Boden.

Darius Vater wirbelte seinen Stab herum und stellte sich der Gruppe von Angreifern. Das Schwirren des Stabs lag in der Luft als er einen Speer nach dem anderen wegschlug. Er tanzte zwischen den Kriegern hindurch wie eine Gazelle und es war unglaublich schön, zu sehen, wie er seinen Stab schwang, ihn herumwirbelte und den Kriegern meisterhafte Treffer zwischen die Augen, gegen die Kehle oder in die Magengrube versetzte. Wie der Blitz schlug er zwischen ihnen ein.

Davon inspiriert kämpfte Darius wie besessen an der Seite seines Vaters; er schlug, schlitzte und stieß zu und unter Funkenregen schlug sein Schwert gegen das anderer Krieger als er sich furchtlos in eine ganze Gruppe warf. Sie waren größer als er, doch Darius hatte die Inspiration – und anders als sie kämpfte er um sein Leben – und für seinen Vater. Er wehrte mehr als nur einen Hieb ab, der für seinen Vater bestimmt war und rettete ihn vor dem Tod.

Der letzte Empire-Krieger stürmte auf Darius zu und riss sein Schwert mit beiden Händen hoch über seinen Kopf – als Darius einen Satz nach vorn machte, und ihm ins Herz stach. Der Mann riss die Augen auf und fiel unendlich langsam zu Boden.

Darius stand schwer atmend Rücken an Rücken mit seinem Vater und betrachtete, was sie geleistet hatte. Um sie herum lagen alle Angreifer tot am Boden. Sie hatten gesiegt.

Darius hatte das Gefühl, dass er an der Seite seines Vaters in der Lage war, sich allem zu stellen, was die Welt ihm in den Weg werfen konnte. Gemeinsam waren sie eine unaufhaltsame Macht.

Es war ein unwirkliches Gefühl gemeinsam mit seinem Vater zu kämpfen, seinem Vater von dem er immer geträumt hatte, dass er ein großer Krieger war. Seinem Vater, der wirklich alles andere als ein normaler Sklave war.

Ein Chor von Hörnern erklang und die Menge jubelte. Zuerst hatte Darius gehofft, dass sie ihren Sieg bejubelten, doch dann öffneten sich die riesigen eisernen Tore am anderen Ende der Arena und er wusste, dass das erst der Anfang gewesen war.

Eine Trompete hallte durch die Arena, lauter als Darius je zuvor gehört hatte, und er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es nicht die Trompete eines Mannes war, sondern ein Elefant. Als er das Tor mit pochendem Herzen beobachtete, tauchten plötzlich zu seinem großen Schrecken zwei pechschwarze Elefanten mit leuchtend weißen Stoßzähnen auf, deren Gesichter sich wütend verzerrten, als sie den Kopf in den Nacken warfen und trompeteten. Das Geräusch ließ die Luft erzittern. Sie erhoben sich auf die Hinterbeine und ließen sich donnernd wieder auf die Vorderbeine fallen, so hart, dass der Boden bebte und Darius und sein Vater das Gleichgewicht verloren. Auf den Elefanten ritten mit Schwertern und Speeren bewaffnete Empire-Krieger, die von Kopf bis Fuß in schwarzen Rüstungen steckten.

Als Darius sie betrachtete, wusste er, dass er und sein Vater unmöglich gegen sie gewinnen konnten. Doch als er sich umdrehte, sah er seinen Vater furchtlos wartend. Stoisch blickte er dem Tod ins Gesicht – und das gab Darius Stärke.

„Wir können nicht siegen, Vater“, sagte Darius, als die Elefanten auf sie zu stampften.

„Das haben wir schon, Sohn“, sagte sein Vater. „Indem wir hier stehen und uns ihnen stellen anstatt davonzulaufen, haben wir sie bereits besiegt. Unsere Körper mögen vielleicht heute sterben, doch die Erinnerung an uns wird weiterleben –wir werden mit Heldenmut sterben!“

Ohne ein weiteres Wort stieß sein Vater einen Schrei aus und rannte los. Darius, inspiriert, folgte ihm. Sie rannten den Elefanten ohne einen Augenblick zu zögern entgegen.

Der Zusammenstoß jedoch war anders, als Darius es erwartet hatte. Er wich einem Speer aus, den der Krieger, der auf dem Elefanten saß, nach ihm geworfen hatte, dann hob er sein Schwert und schlug auf das Bein des ersten Elefanten ein. Er wusste nicht, wie man einen Elefanten besiegen konnte oder ob der Treffer überhaupt eine Wirkung haben würde.

Natürlich hatte er keine. Darius Hieb hinterließ kaum einen Kratzer auf der Haut des Elefanten. Wütend schleuderte das riesige Tier seinen Rüssel und traf Darius gegen die Rippen. Dieser flog gut zehn Meter durch die Luft, und landete atemlos auf dem Rücken. Er rollte im Staub ab und versuchte zu Atem zu kommen, als er den gedämpften Aufschrei der Menge hörte.

Er drehte sich besorgt um und versuchte, einen Blick auf seinen Vater zu erhaschen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie er einen Speer in die Höhe stieß, direkt in ein Auge des Elefanten; dann rollte er aus dem Weg.

Es war ein perfekter Treffer. Der Speer drang tief in das Auge ein. Der Elefant warf seinen Rüssel in die Höhe und trompetete, bevor seine Knie nachgaben, er zu Boden stürzte und den anderen Elefanten in einer riesigen Staubwolke mit sich umriss. Darius sprang auf, inspiriert und entschlossen, und konzentrierte sich auf den einen Empire-Krieger, der vom Elefanten gestürzt war. Der Mann rappelte sich auf die Knie auf, dann fuhr er herum und zielte mit seinem Speer auf den Rücken von Darius Vater. Arglos stand dieser da, und Darius wusste, dass er im nächsten Augenblick sterben würde, wenn er nichts unternahm.

Darius stürmte los: er rannte auf den Krieger zu und schlug ihm mit seinem Schwert den Speer aus den Händen – dann wirbelte er herum und enthauptete ihn.

Die Menge johlte.

Doch Darius konnte seinen Triumph nicht genießen; er hörte lautest Getöse und als er sich umdrehte sah er, dass der andere Elefant wieder aufgestanden war – und jetzt auf ihn zustürmte. Da er nicht genug Zeit hatte, ihm auszuweichen, ließ Darius sich auf den Rücken fallen und hielt seinen Speer senkrecht in die Höhe während sich der Fuß des Elefanten auf ihn herab senkte. Er wartete bis zum letzten Augenblick um aus dem Weg zu rollen, bevor der Elefant zutrat.

Darius spürte den Wind, als der Fuß des Elefanten ihn um Zentimeter verfehlte; dann hörte er den Schrei des Tiers, als sich der Speer in sein Fleisch bohrte. Der Speer bohrte sich tief in das Bein des Elefanten und das Tier bäumte sich auf und begann, wild im Kreis zu rennen. Dabei verlor der Krieger auf seinem Rücken die Balance, und brach sich beim Aufprall auf den Boden der Arena das Genick.

Der Elefant, immer noch wahnsinnig vor Wut, versetzte Darius einen Schlag mit seinem Rüssel und warf ihn erneut durch die Luft, wobei er das Gefühl hatte, dass alle seine Rippen brachen.

Als Darius sich auf Hände und Knie aufrappelte und versuchte, zu Atem zu kommen, blickte er auf und sah seinen Vater, der heldenhaft mit mehreren Empire-Kriegern kämpfte, die unerwartet durch eines der Tore gekommen waren. Er wirbelte herum und schlug und stach mit seinem Stab auf sie ein, wobei er mehrere von ihnen zu Fall brachte.

Der erste Elefant, der gestürzt war, kam wieder auf die Beine – den Speer noch immer im Auge – angetrieben von einem Empire-Krieger, der auf seinen Rücken gesprungen war. Unter seiner Führung stürmte der Elefant auf Darius Vater zu, der immer noch mit den anderen Kriegern beschäftigt war.

Darius sah hilflos zu, denn sein Vater war viel zu weit entfernt, als dass er ihn rechtzeitig erreichen konnte. Die Zeit schien langsamer zu fließen, als er zusah, wie der Elefant auf ihn zusteuerte.

„NEIN!“, schrie Darius.

Mit Schrecken sah er zu, wie der Elefant auf seinen abgelenkten Vater zustürmte. Darius stürzte los, quer durch die Arena, doch er wusste, dass es umsonst war. Der Elefant senkte seine Stoßzähne und durchbohrte den Rücken seines Vaters.

Dieser schrie auf und Blut rann aus seinem Mund, als der Elefant ihn in die Luft hob.

Darius spürte, wie sein eigenes Herz stockte, als er sah, wie sein Vater, der tapferste Krieger, dem er je begegnet war, von einem Stoßzahn aufgespießt hoch in der Luft sterbend versuchte, sich zu befreien.

„Vater!“, schrie Darius.




KAPITEL ZEHN


Thorgrin stand am Bug des Schiffes und umfasste den Griff seines Schwertes fester als er mit Schrecken zu dem riesigen Seeungeheuer aufblickte, das sich aus dem Wasser erhob. Es war genauso rot wie das Wasser, aus dem es kam, und als es sich immer höher über sie erhob, warf es einen Schatten über das ohnehin schwache Licht im Land des Blutes. Es öffnete sein riesiges Maul und entblößte dabei Dutzende Reihen scharfer Zähne und ließ seine Tentakel in alle Richtungen wandern. Manche davon wanden sich um das Schiff, als ob eine Kreatur aus den Tiefen der Hölle sie umarmen wollte.

Dann stürzte es sich auf das Schiff, bereit, sie alle zu verschlingen.

Neben Thorgrin standen Reece, Selese, O’Connor, Indra, Matus, Elden und Angel mit ihren Waffen und starrten dem Biest furchtlos ins Angesicht. Thors Entschlossenheit wuchs, als er das Schwert der Toten in seiner Hand vibrieren spürte, und er wusste, dass er handeln musste. Er musste Angel und die anderen schützen und wusste, dass er nicht warten konnte, bis das Biest sie erreichte.

Thorgrin sprang auf die Kreatur zu, auf die Reling und hob sein Schwert hoch über seinen Kopf und als einer der Tentakel seitlich auf ihn zu schwang, wirbelte er herum und schlug ihn ab. Der riesige abgetrennte Tentakel fiel mit einem hohlen Schlag an Deck und ließ das Boot erzittern.

Auch die anderen zögerten nicht. O’Connor schoss eine ganze Salve von Pfeilen auf die Augen der Kreatur ab, während Reece einen Tentakel abschlug, der nach Selese greifen wollte. Indra warf ihren Speer in die Brust des Tiers und Matus schwang seinen Flegel, mit dem es ihm gelang einen weiteren Tentakel zu durchtrennen. Elden schaffte es sogar mit seiner Axt zwei in einem Hieb abzuhacken. Gemeinsam stürzten sie sich auf die Kreatur wie eine fein abgestimmte Maschine.

Wütend über den Verlust von mehreren Tentakeln und durchbohrt von Pfeilen und Speeren schrie das Tier auf, sichtlich überrascht über den wohlkoordinierten Gegenangriff. Sein erster Angriff war abgewehrt; frustriert kreischte es noch lauter und fuhr wieder hoch in die Luft, um dann so schnell wie es gekommen war mit großen Wellen wieder ins Wasser einzutauchen, die das Schiff heftig hin und her warfen.

Thor starrte erstaunt in die plötzliche Stille, und einen Augenblick lang glaubte er, dass sich das Tier zurückgezogen hatte, dass sie es besiegt hatte, besonders als er sah, wie sein Blut an die Oberfläche sprudelte. Doch dann hatte er das ungute Gefühl, dass alles zu schnell zu still geworden war.

Thor begriff zu spät, was das Tier im Begriff war zu tun.

„FESTHALTEN!“, schrie er den anderen zu.

Thor hatte das Wort kaum ausgesprochen, als er spürte, wie das Schiff hochgehoben wurde und immer höher und höher aufstieg und sah, dass die Tentakel das Schiff vom Bug bis zum Heck fest umschlungen hielten. Er wappnete sich für den Einschlag, der folgen würde.

Das Biest warf das Schiff und es flog wie ein Kinderspielzeug durch die Luft, wobei alle an Bord sich verzweifelt irgendwo festklammerten, bis es schließlich wild schaukelnd wieder auf den Wellen landete.

Thor und die anderen verloren de Halt und rutschten in alle Richtungen über Deck. Thor sah Angel, die auf die Reling zu rutschte und fürchtete, dass sie über Bord gehen würde; es gelang ihm, ihre kleine Hand zu packen und sie festzuhalten, während sie ihn panisch ansah.

Endlich richtete sich das Schiff wieder aus. Thor und die anderen rappelten sich auf und bereiteten sich auf den nächsten Angriff vor. Bald sah er das Tier mit wild wedelnden Tentakeln wieder auf sie zu schwimmen. Es packte das Schiff von allen Seiten, und seine Tentakeln krochen über Deck auf sie zu.

Thor hörte einen Schrei. Als er sich umsah, sah er Selese, die von einem Tentakel, der sich um ihren Knöchel gewickelt hatte, über Deck gezerrt wurde. Reece wirbelte herum und hackte den Tentakel ab, doch im selben Augenblick packte en weiterer Tentakel Reece am Arm. Immer mehr Tentakel krochen über die Reling und als Thor einen an seiner Wade spürte, sah er, all seine Waffenbrüder wild um sich schlagen. Doch für jeden Tentakel, den sie Abschlugen, tauchten zwei mehr auf. Das ganze Schiff war voll davon und Thor wusste, dass sie alle in die Tiefe gerissen werden würden, wenn er nicht bald etwas unternahm. Er hörte ein Kreischen hoch am Himmel und sah einen der Dämonen, die aus der Hölle entlassen worden waren, der hoch über ihren Köpfen vorbeiflog und höhnisch auf sie hinabblickte.

Thor schloss die Augen, denn er wusste, dass dies eine seiner Prüfungen war – einer der monumentalen Augenblicke seines Lebens. Er versuchte, die Welt auszublenden, den Blick nach innen zu richten uns sich auf das Gelernte zu konzentrieren, auf Argon, seine Mutter, seine Kräfte. Er war stärker als das Universum, das wusste er. Tief in ihm lagen Kräfte, die weitaus stärker waren, als die physische Welt. Diese Kreatur war gigantisch, doch Thors Kräfte waren stärker. Er konnte die Macht der Natur zur Hilfe rufen, die Macht, die dieses Tier geschaffen hatte, und es in die Hölle zurückschicken, aus der es gekommen war.

Thor spürte, wie die Zeit plötzlich langsamer ablief. Seine Hände begannen zu glühen und die Hitze breitete sich prickelnd in seine Arme, Schultern und seinen Rücken aus. Thor fühlte sich unbesiegbar, als er seine Augen öffnete. Er spürte die unglaubliche Macht, die aus ihnen schien, die Macht des Universums.

Thor legte eine Hand auf einen Tentakel des Tiers und verbrannte ihn. Sofort zog es sich von seinem Bein zurück.

Thor stand auf und sah, wie sich der Kopf der Kreatur über den Rand des Schiffs erhob und sie das Maul öffnete, bereit sie alle zu verschlucken.

Thor stieß einen wilden Schrei aus und stürzte sich auf das Biest. Ohne sein Schwert stürmte er an den anderen vorbei und streckte seine glühenden Arme aus. Er packte das Gesicht der Kreatur und spürte, wie seine Hände es verbrannten.

Thor hielt sich fest, während das Biest kreischte und sich windend aus seinem Griff zu befreien versuchte. Einen Tentakel nach dem anderen begann es, das Boot loszulassen, während Thor spürte, wie die Macht in ihm aufstieg. Mit beiden Händen hob er es in die Höhe und spürte sein Gewicht, doch es störte ihn nicht. Bald schwebte es über Thor, gehalten von seiner unglaublichen Macht.

Dann, als das Biest gut zehn Meter über ihm war, wandte Thor sich um und stieß es von sich.

Die Kreatur flog über das Schiff hinweg gut dreißig Meter durch die Luft, bis es mit lautem Platschen ins Wasser fiel und unterging. Es war tot.

Thor stand in der plötzlichen Stille; sein ganzer Körper glühte noch, während sich die anderen langsam aufrappelten und irritiert auf das rote Wasser hinausblickten. Thor hatte seine Augen auf das schwarze Schloss am Horizont gerichtet. Er wusste, dass dort sein Sohn war.

Die Zeit war gekommen. Nichts würde ihn mehr aufhalten und er würde endlich seinen Sohn zurückholen.




KAPITEL ELF


Volusia stand vor ihren vielen Beratern in den Straßen der Hauptstadt des Empire und starrte schockiert in den Spiegel in ihrer Hand. Sie betrachtete ihr Gesicht von allen Seiten. Die eine Hälfte war schön wie eh und je, die andere entstellt, geschmolzen – und eine Welle der Abscheu stieg in ihr auf. Die Tatsache, dass eine Seite noch immer schön war, machte alles noch schlimmer. Für sie wäre es einfacher gewesen, wenn sie vollkommen entstellt gewesen wäre – dann wäre sie nicht andauernd an ihre frühere Schönheit erinnert worden.

Volusia erinnerte sich an ihre atemberaubende Schönheit, die Wurzel ihrer Macht, die sie durch ihr ganzes Leben getragen hatte, die ihr erlaubt hatte, Männer wie Frauen zu manipulieren und ihnen mit einem einzigen Blick die Knie weich werden zu lassen. All das war nun Vergangenheit. Nun war sie nicht mehr als jedes andere siebzehnjährige Mädchen – viel schlimmer noch, eine Hälfte von ihr sah aus wie ein Monster. Sie konnte den Anblick ihres eigenen Gesichts nicht ertragen.

In einem Ausbruch von Wut und Verzweiflung zertrümmerte sie den Spiegel. Ihre Berater standen schweigend mit gesenkten Blicken da. Sie alle wussten, dass es besser war, sie jetzt nicht anzusprechen. Als sie ihre Gesichter sah wurde ihr klar, dass sie sie nicht ansehen wollten, um dem Schrecken ihres neuen Anblicks zu entgehen.

Volusia sah sich nach den Voks um, begierig, sie zu zerreißen – doch sie waren schon fort. Sie waren in dem Augenblick verschwunden, in dem Vokin seinen schrecklichen Zauber über sie gebracht hatte. Man hatte sie gewarnt, sich mit ihnen zu verbünden, und nun erkannte sie, dass die Warner Recht behalten hatten. Sie hatten einen hohen Preis dafür gezahlt. Einen Preis, den sie nie ungeschehen machen konnte.

Volusia hatte das Bedürfnis, ihren Zorn an jemandem auszulassen, und ihr Blick fiel auf Brin, ihrem neuen Kommandanten, einem statuesken Krieger, der nur wenige Jahre älter als sie war und ihr seit vielen Monden den Hof machte. Jung, groß, muskulös, sah er unglaublich gut aus und hatte seit ihrer ersten Begegnung nach ihr gegiert. Doch jetzt, in ihrem Zorn, konnte sie ihn nicht einmal ins Gesicht sehen.

„Du!“, zischte sie ihn an, und konnte sich dabei kaum beherrschen. „Nicht einmal du willst mich mehr ansehen?“

Sie wurde rot als er aufblickte, dabei jedoch ihren Augen auswich. Das war nun ihr Schicksal – für den Rest ihres Lebens entstellt zu sein.

„Findest du mich jetzt so abstoßend?“, fragte sie mit vor Verzweiflung brüchiger Stimme.

Er ließ den Kopf hängen, antwortete jedoch nicht.

„Nun gut“, sagte sie schließlich nach langem Schweigen, entschlossen, an irgendjemandem Rache zu üben. „Dann befehle ich es dir: du wirst mir ins Gesicht sehen. Du wirst mir beweisen, dass ich schön bin, und mit mir schlafen!“

Der Kommandant hob den Blick und sah ihr das erste Mal in die Augen, und Angst und Schrecken lagen in seiner Miene.

„Meine Göttin?“, fragte er mit brüchiger Stimme, denn er wusste, dass sie ihn umbringen würde, wenn er sich ihrem Befehl widersetzte.

Volusia lächelte. Es bereitete ihr eine perverse Freude, als sie erkannte, dass das die perfekte Rache war: mit dem Mann zu schlafen der sie einst begehrt hatte und sie nun abstoßend fand.

„Nach dir“, sagte sie und machte eine einladende Geste in Richtung ihres Palasts.


*

Volusia stand vor dem hohen offenen Fenster im obersten Stockwerk ihres Palasts in der Hauptstadt des Empire. Während die Sonne aufging und eine sanfte Brise die Vorhänge in ihr Gesicht wehten, weinte sie stumm. Sie spürte, wie die Tränen über die schöne Seite ihres Gesichts rollten, doch die andere Seite war taub.

Leises Schnarchen drang an ihr Ohr. Volusia blickte über die Schulter und sah Brin schlafend im Bett liegen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich selbst im Schlaf noch immer ein angewiderter Ausdruck ab.

Er hatte jeden Augenblick verabscheut, als er mit ihr geschlafen hatte, das wusste sie, und es hatte ihr zumindest ein leises Gefühl der Genugtuung gegeben. Doch sie war noch nicht zufrieden. Sie konnte ihren Zorn nicht an den Voks auslassen, und ihr Bedürfnis nach Rache war noch immer nicht gestillt.

Ihre Rache war schwach und entsprach kaum der, nach der sie sich sehnte. Schließlich waren die Voks verschwunden, während sie am Morgen danach immer noch am Leben war, für immer in ihrem Körper gefangen. Gefangen in diesem Gesicht, dessen Anblick sie nicht einmal selbst ertragen konnte.

Volusia wischte die Tränen ab und blickte über die Stadt und ihre Mauern hinweg zum Horizont. Als die Sonnen aufgingen, sah sie die ersten schwarzen Banner der Armee der Ritter der Sieben in der Ferne. Sie lagerten und sammelten sich dort. Sie umzingelten sie langsam, sammelten Millionen von Männern aus allen Ecken des Empire, und ließen sich Zeit, einzumarschieren. Sie zu vernichten.

Sie freute sich auf die Konfrontation. Sie wusste, dass sie die Voks nicht brauchte. Sie brauchte ihre Männer nicht. Sie konnte sie ganz alleine töten. Schließlich war sie eine Göttin. Sie hatte das Reich der Lebenden vor langer Zeit verlassen und war nun eine Legende, eine Legende, die niemand, keine Armee der Welt, aufhalten konnte. Sie würde sie alleine begrüßen und sie würde sie alle töten.

Dann endlich gäbe es niemanden mehr, der ihr die Stirn bieten konnte. Dann hätte sie die höchste Macht erlangt.

Volusia hörte ein Rascheln hinter sich und nahm aus dem Augenwinkel Bewegung wahr. Sie sah, wie Brin sich aus dem Bett erhob und begann, sich anzuziehen. Sie sah, wie er vorsichtig umherschlich, und realisierte, dass er sich davonmachen wollte, bevor sie ihn sah – damit er ihr nicht wieder ins Gesicht blicken musste.

Das machte alles nur noch schlimmer.

„Oh, Kommandant“, sagte sie beiläufig, und sah, wie er vor Angst erstarrte. Als er sich widerwillig zu ihr umdrehte, lächelte sie ihn mit ihren grotesk geschmolzenen Lippen an und genoss es, ihn damit zu quälen.

„Komm her, Kommandant“, sagte sie. „Bevor du gehst, möchte ich dir noch etwas zeigen.“

Langsam kam er zu ihr herüber und wartete, ohne sie dabei anzusehen.

„Hast du keinen süßen Abschiedskuss für mich?“, fragte sie.

Sie konnte sehen, wie er kaum merklich zusammenzuckte, und der Zorn begann wieder in ihr zu brodeln.

„Macht nichts“, fügte sie hinzu, und ihre Miene verfinsterte sich. „Doch da ist etwas, was ich dir zumindest zeigen möchte. Schau. Siehst du da draußen am Horizont? Schau genau hin. Sag mir, was du siehst.“

Er trat ans Fenster und sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Angestrengt betrachtete er den Horizont und legte seine Stirn dabei irritiert in Falten.

„Ich kann nichts sehen, meine Göttin“, sagte er. „Zumindest nichts Ungewöhnliches. Was meinst du?“

Volusia lächelte über das gesamte Gesicht, und spürte, wie ihre alte Rachgier wieder in ihr aufstieg, das alte Bedürfnis nach Gewalt, nach Grausamkeit.

„Schau genauer hin, Kommandant“, sagte sie.

Er beugte sich ein wenig vor, und in einer schnellen Bewegung packte sie sein Hemd und warf ihn mit aller Kraft aus dem Fenster.

Brin kreischte, als er um sich schlagend in die Tiefe stürzte, bis er mit dem Kopf voran auf der Straße aufschlug. Sein Schrei hallte durch die sonst vollkommen stillen Straßen.

Volusia lächelte breit und blickte auf den Leichnam hinab.

„Dich, du Idiot“, antwortete sie. „Wer von uns ist jetzt der Groteskere?“




KAPITEL ZWÖLF


Gwendolyn wanderte durch die schwach beleuchteten Flure des Turms der Lichtsucher. Krohn wich nicht von ihrer Seite, als sie langsam die Rampe an den äußeren Mauern des Gebäudes hochging. Ihr Weg war gesäumt von Fackeln und Betenden, die schweigend dastanden, die Hände in ihren Kutten verborgen. Gwendolyns Neugier wuchs, je weiter sie nach oben kam. Der Sohn des Königs, Kristof, hatte sie den halben Weg begleitet, danach war er umgekehrt und hatte ihr erklärt, dass sie alleine weitergehen musste, um Eldof zu sehen. Nur alleine durfte sie ihm gegenübertreten.

Er sprach von ihm, als wäre er ein Gott.

Leiser Gesang klang durch die vom Weihrauch schwere Luft und Gwendolyn fragte sich, welches Geheimnis Eldof hütete. Würde er ihr das Wissen anvertrauen, das sie brauchte, um den König und das Königreich zu retten? Konnte sie es jemals schaffen, die Familie des Königs aus diesem Turm zu befreien?

Als Gwendolyn um eine Ecke bog, öffnete sich der Korridor plötzlich in einen riesigen Saal. Staunend betrat die den Raum mit der dreißig Meter hohen Decke, dessen Wände von oben bis unten aus Bleiglasfenstern bestanden. Gedämpftes Licht fiel durch sie hinein, und ließ rote und violette Streifen durch den Raum wandern, was ihm eine ätherische Atmosphäre verlieh. Es gab dem Mann, der allein inmitten des Saals saß und auf den eine gleißende Lichtseite fiel ein fast surreales Aussehen.

Eldof.

Gwendolyns Herz pochte, als sie ihn sah. Im Lichtkegel saß er da, wie ein Gott, der vom Himmel gefallen war. Er hatte seine Hände in seiner glänzenden goldenen Kutte verborgen, sein Kopf war kahlgeschoren, und er saß auf einem riesigen geschnitzten Thron aus Elfenbein, der von Fackeln auf beiden Seiten erleuchtet wurde. Diese Kammer, der Thron, und die Rampe, die zu ihm hinaufführte war ehrfurchtgebietender, als sich einem König zu nähern. Sie verstand sofort, warum sich der König von Eldofs Gegenwart bedroht fühlte. Alles, der Turm, diese Kammer, der Mann waren darauf ausgelegt, Ehrfurcht und Unterwürfigkeit zu erwecken.

Weder winkte sie nicht zu sich heran noch schien er ihre Anwesenheit wahrzunehmen, darum ging Gwendolyn, die nicht wusste, was sie sonst tun sollte, langsam die goldene Rampe zu seinem Thron hinauf. Als sie hinaufging bemerkte sie, dass er doch nicht allein war, denn im Schatten standen Reihen Anhängern im Schatten der Rampe Sie fragte sich, wie viele tausend Anhänger er wohl hatte.

Schließlich blieb sie wenige Meter vor dem Thron stehen und sah hinauf.

Er blickte mit eisblau leuchtenden Augen auf sie herab, die ihr uralt erschienen, doch auch wenn er sie anlächelte, lag keine Wärme in seinen Augen. Sie waren hypnotisch. Seine Präsenz erinnerte sie an Argon.

Sie wusste nicht was sie sagen sollte, als er sie anstarrte; es fühlte sich an, als starrte er in ihre Seele. Schweigend stand sie vor ihm und wartete darauf, dass er bereit war. Krohn neben ihr war ebenso starr und nervös wie sie.

„Gwendolyn aus dem Westlichen Königreich des Rings, Tochter von König MacGil, letzte Hoffnung und Retterin ihres – und unseres – Volkes“, sagte er langsam, als ob er aus einer Schriftrolle vorlas. Seine Stimme war tief und klang, als sprächen die Steine, aus denen der Turm erbaut war. Sein Blick bohrte sich in ihren, und seine Stimme hypnotisierte sie. Während er sie ansah, verlor sie jegliches Zeitgefühl und schon spürte Gwendolyn, wie sie von seiner Persönlichkeit in den Kult hineingesaugt wurde. Sie fühlte sich wie in Trace und konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Sofort hatte sie das Gefühl, dass er das Zentrum ihrer Welt war, und sie verstand, wie es dazu kam, dass all diese Leute ihn verehrten und ihm folgten.

Gwendolyn erwiderte sprachlos seinen Blick, etwas, was ihr selten passierte. Sie war noch nie auf Anhieb so sehr von jemandem fasziniert gewesen – und sie war schon vielen Königen und Königinnen gegenübergestanden; sie, die selbst eine Königin war; sie, die Tochter eines Königs. Dieser Mann hatte etwas an sich, das sie nicht beschreiben konnte; einen Augenblick lang hatte sie sogar vergessen, warum sie gekommen war.

Schließlich erlangte sie lange genug die Kontrolle über ihren Verstand zurück, um zu sprechen.

„Ich bin gekommen“, begann sie, „weil…“

Er unterbrach sie mit einem Lachen.

„Ich weiß, warum du gekommen bist“, sagte er. „Ich wusste es lange bevor du es wusstest. Ich wusste es von deiner Ankunft an diesem Ort, bevor du die Große Wüste durchquert hast. Ich wusste von deiner Abreise aus dem Ring, deiner Reise zu den Oberen Inseln und von deiner Reise über das Meer. Ich weiß von deinem Gemahl, Thorgrin, und deinem Sohn, Guwayne. Ich habe dich mit großem Interesse beobachtet, Gwendolyn, und das schon seit Jahrhunderten.“

Gwendolyn liefen bei seinen Worten kalte Schauer über den Rücken. Ihr ganzer Körper kribbelte, und sie fragte sich, woher er so viel über sie wusste. Sie hatte das Gefühl, dass er sie in seinen Bann zog. Wenn er sie einmal eingefangen hätte, gäbe es kein Entkommen mehr.

„Woher weißt du all das?“, fragte sie.

Er lächelte.

„Ich bin Eldof. Ich bin der Anfang und das Ende allen Wissens.“

Er stand auf, und erschrocken bemerkte sie, dass er doppelt so groß wie jeder andere Mann war, dem sie je begegnet war. Er ging auf sie zu und sein Blick war so fesselnd, dass Gwendolyn das Gefühl hatte, sich in seiner Gegenwart nicht bewegen zu können. Es war so schwer, sich vor ihm zu konzentrieren und auch nur einen unabhängigen Gedanken zu fassen.

Gwendolyn zwang sich, sich zu konzentrieren.

„Dein König braucht dich“, sagte sie. „Das Königreich braucht dich.“

Er lachte.

„Mein König?“ widerholte er voller Abscheu.

Gwendolyn zwang sich, nicht nachzugeben.

„Er glaubt, dass du das Wissen hast, das Königreich zu retten. Er glaubt, dass du ein Geheimnis vor ihm bewahrst, das diesen Ort und alle Menschen darin retten könnte.“

„Das tue ich“, antwortete er schlicht.

„Das tust du?“, fragte sie irritiert.

Er lächelte, antwortete jedoch nicht.

„Aber warum?“, fragte sie. „Warum willst du das Geheimnis nicht teilen?“

„Warum sollte ich?“, fragte er.

„Warum?“, wiederholte sie sprachlos. „Natürlich um das Königreich und sein ganzes Volk zu retten.“

„Und warum sollte ich das tun?“

Gwendolyn kniff verwirrt ihre Augen zusammen; sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Schließlich seufzte er.

„Dein Problem ist“, sagte er, „dass du glaubst, dass alle gerettet werden sollten. Doch damit liegst du falsch. Du betrachtest die Zeit durch die Linse von Jahrzehnten; ich betrachte sie über die Jahrhunderte. Du betrachtest Menschen als unverzichtbar; ich sehe sie lediglich als Rädchen im großen Rad des Schicksals und der Zeit.“

Er trat mit loderndem Blick näher.

„Manchen Menschen, Gwendolyn, ist es bestimmt, zu sterben. Manche Menschen müssen sterben.“

„Müssen sterben?“, wiederholte sie schockiert.

„Manche müssen sterben, um andere zu befreien“, sagte er. „Manche müssen fallen, damit sich andere erheben können. Was macht einen Menschen wichtiger als den anderen? Einen Ort wichtiger als den anderen?“

Sie dachte mit wachsender Verwirrung über seine Worte nach.

„Ohne Zerstörung, ohne Verlust, kann es kein Wachstum geben. Ohne den leeren Wüstensand gäbe es kein Fundament, auf das man die großen Städte bauen könnte. Was ist wichtiger: Die Zerstörung, oder das Wachstum, das folgt? Kannst du es nicht verstehen? Was mehr ist Zerstörung als ein Fundament?“

Gwendolyn war verwirrt und versuchte, ihn zu verstehen, doch seine Worte ließen ihre Verwirrung nur noch wachsen.

„Dann willst du zusehen wie das Königreich und sein Volk sterben?“, fragte sie. „Warum? Was bringt dir das?“

Er lachte.

„Warum sollte es für alles immer einen Nutzen geben?“, fragte er. „Ich werde sie nicht retten, weil es ihnen nicht bestimmt ist, gerettet zu werden“, sagte er mitfühlend. „Diesem Ort, dem Königreich des Jochs, ist es nicht bestimmt, gerettet zu werden. Ihm ist bestimmt, zerstört zu werden. Diesem König ist es bestimm, zerstört zu werden. Und es ist nicht meine Aufgabe, mich dem Schicksal in den Weg zu stellen. Mir ist das Geschenk zuteil geworden, das ich in die Zukunft sehen kann – doch es ist ein Geschenk, das ich nicht missbrauchen darf. Ich darf nicht ändern, was ich sehe. Wer bin ich schon, dass ich mich dem Schicksal in den Weg stellen dürfte?“

Gwendolyn konnte nicht umhin an Thorgrin und Guwayne zu denken.

Eldof lächelte.

„Ah ja“, sagte er, und sah sie direkt an. „Dein Gemahl, dein Sohn.“

Gwendolyn sah ihn erschrocken an und fragte sich, wie er ihre Gedanken gelesen hatte.

„Du willst sie unbedingt zurück“, fügte er hinzu und schüttelte den Kopf. „Doch manchmal kannst du das Schicksal einfach nicht ändern.“

Sie wurde rot und schüttelte entschlossen seine Worte ab.

„Ich werde das Schicksal ändern“, sagte sie entschlossen. „Egal was dazu nötig ist. Selbst wenn ich meine Seele dafür aufgeben müsste.“

Eldof betrachtete sie lange und eingehend.

„Ja“, sagte er. „Das würdest du, nicht wahr? Ich kann diese Stärke in dir sehen. Du hast den Geist eines Kriegers.“

Er musterte sie, und um ersten Mals sah sie so etwas wie Gewissheit in seinem Blick.

„Ich habe nicht damit gerechnet, das in dir zu finden“, sagte er mit bescheidener Stimme. „Es gibt ein paar wenige Auserwählte wie dich, die die Macht haben, das Schicksal zu ändern. Doch der Preis den du dafür zahlen musst, ist hoch.“

Er seufzte und schüttelte den Kopf, als wollte er eine Vision verscheuchen.

„Jedenfalls“, fuhr er fort, „wirst du das Schicksal hier nicht ändern – nicht im Joch. Der Tod kommt hierher. Was sie brauchen ist keine Rettung – sie brauchen einen Exodus. Sie brauchen einen neuen Anführer, der sie durch die Große Wüste führen wird, und ich denke, du weißt bereits, dass du dieser Anführer bist.“

Gwendolyn schickten seine Worte kalte Schauer über den Rücken. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie das alles noch einmal durchstehen sollte.

„Wie kann ich sie führen?“, fragte sie, und als er sich umwandte und von ihr wegging, verspürte sie plötzlich das brennende Bedürfnis, mehr zu erfahren.

„Sag es mir“, bat sie ihn und hielt ihn am Arm fest.

Er drehte sich um und sah ihre Hand an, als berührte ihn eine Schlange, bis sie sie schließlich zurückzog. Einige seiner Mönche waren aus dem Schatten getreten und warteten ganz in der Nähe. Sie sahen sie böse an bis Eldof ihnen zunickte und sie sich zurückzogen.

„Sag mir“, sagte er zu ihr. „Ich werde dir nur einmal antworten, nur ein einziges Mal. Was ist es, das du wissen möchtest?“

Gwendolyn atmete verzweifelt durch.

„Guwayne“, sagte sie atemlos. „Mein Sohn. Wie bekomme ich ihn zurück? Wie verändere ich mein Schicksal?“

Er sah sie lange an.

„Die Antwort ist schon die ganze Zeit vor dir, doch du siehst sie nicht.“

Gwendolyn zermarterte sich das Gehirn. Sie wollte es unbedingt wissen, doch konnte nicht verstehen, was es war.

„Argon“, sagte er. „Es gibt noch ein Geheimnis. Er fürchtet sich, es dir zu verraten. Darin liegt deine Antwort.“

„Argon?“, fragte sie. „Argon weiß es?“

Eldof schüttelte den Kopf.

„Er weiß es nicht. Sein Meister jedoch schon.“

In Gwendolyns Kopf drehte sich alles.

„Sein Meister?“, fragte sie.

Sie hatte nie in Betracht gezogen, dass Argon einen Meister hatte.

Eldof nickte.

„Verlange, dass er dich zu ihm bringt“, sagte er, und in seiner Stimme lag etwas Endgültiges. „Die Antworten die du er erhalten wirst, werden sogar dich überraschen.“




KAPITEL DREIZEHN


Mardig marschierte entschieden durch die Flure des Schlosses. Sein Herz pochte, als er darüber nachdachte, was er im Begriff war zu tun. Er tastete mit feuchten Händen nach dem Dolch, den er in den Falten seines Gewands verborgen trug. Er ging dieselben Flure entlang, durch die er schon zahllose Male gewandert war um seinen Vater zu sehen.

Die Kammer des Königs war nicht mehr weit, und Mardig ging an den Wachen vorbei, die sich beim Anblick des Sohnes des Königs ehrfürchtig verbeugten. Mardig fürchtete sich nicht vor ihnen. Keiner hatte eine Ahnung, was er im Begriff war zu tun, und lange Zeit würde keiner herausfinden, was geschehen war – bis das Königreich ihm gehörte.

Mardig fühlte einen Wirbelsturm gegensätzlicher Emotionen, als er sich zwang, mit zitternden Knien weiterzugehen, und auszuführen, worüber er schon sein ganzes Leben lang nachgedacht hatte. Sein Vater war für ihn immer ein Unterdrücker gewesen, hatte ihn immer abgelehnt, während er seine anderen Söhne, die Krieger, schätzte. Er schätzte sogar seine Tochter mehr als ihn. Und nur, weil er, Mardig, sich entschlossen hatte, nicht an dieser Kultur des Rittertums teilzunehmen, weil er lieber Wein und Frauen genoss, als andere Männer umzubringen.

In den Augen seines Vaters machte ihn das zum Versager. Sein Vater missbilligte alles, was Mardig tat; sein scheeler Blick folgte ihm überall hin, und Mardig hatte immer von einem Tag der Abrechnung geträumt. Gleichzeitig konnte Mardig die Macht an sich reißen. Jeder rechnete damit, dass der Thron einem seiner Brüder, Koldo, dem ältesten, zufallen würde, oder wenn schon nicht ihm, dann Mardigs Zwilling, Ludvig. Doch Mardig hatte andere Pläne.

Als Mardig um die Ecke bog, verbeugten sich die Wachen und öffneten ihm ohne Fragen zu stellen die Tür.

Doch plötzlich wandte sich einer von ihnen um und sah ihn an.

„Mylord“, sagte er. „Der König hat uns nicht gesagt, dass er heute Morgen Besucher erwartet.“

Mardigs Herz begann zu rasen, doch er zwang sich, seine selbstbewusste Erscheinung zu bewahren. Er drehte sich um und starrte den Krieger an, bis dieser schließlich verunsichert aussah.

„Bin ich denn nicht mehr als nur ein einfacher Besucher?“, antwortete Mardig kühl, und gab sich Mühe, nicht nervös zu wirken.

Der Wächter wich zurück und Mardig marschierte durch die Tür, die die Wächter hinter ihm wieder schlossen.

Mardig marschierte in den Raum, und sah den überraschten Blick seines Vaters, der am Fenster stand und nachdenklich auf sein Königreich herabgeblickt hatte. Er sah ihn irritiert an.

„Mardig“, sagte er. „Welchem Anlass habe ich diese Ehre zu verdanken? Ich habe dich nicht gerufen, noch hast du dir die Mühe gemacht, mich in den vergangenen Monden zu besuchen – es sei denn du wolltest etwas.“

Mardigs Herz schlug ihm bis zum Hals.

„Ich bin nicht gekommen, um dich um irgendetwas zu bitten“, antwortete Mardig. „Ich bin gekommen, um mir etwas zu nehmen.“

Sein Vater sah ihn verwirrt an.

„Dir etwas zu nehmen?“, fragte er.

„Mir zu nehmen, was mir gehört“, antwortete Mardig.

Mardig ging mit großen Schritten durch die Kammer während sein Vater ihn irritiert ansah.

„Und was hier gehört dir?“, fragte er.

Mardig spürte, wie seine Hände schwitzten. Er hielt den Dolch umklammert und wusste nicht, ob er es durchziehen konnte.

„Nun, das Königreich“, sagte er.

Mardig zog langsam den Dolch aus seinem Gürtel, wollte, dass sein Vater ihn sah, bevor er zustach, wollte, dass er sah, wie sehr er ihn hasste. Er wollte den Ausdruck von Angst, Schock und Wut in den Augen seines Vaters sehen.

Doch als sein Vater den Blick senkte, war es nicht so, wie Mardig es erwartet hatte. Er hatte damit gerechnet, dass sein Vater sich wehren würde; doch stattdessen sah er ihm voller Trauer und Mitgefühl an.

„Mein Junge“, sagte er. „Du bist immer noch mein Sohn, trotz allem, und ich liebe dich. Ich weiß, dass du es tief in deinem Herzen nicht tun willst.“

Mardig kniff verwirrt die Augen zusammen.

„Ich bin krank, mein Sohn“, fuhr der König fort, „und werde ohnehin bald sterben. Und wenn es soweit ist, wird das Königreich an deine Brüder vererbt, nicht an dich. Selbst wenn du mich jetzt tötest, hast du nichts davon. Du bist immer noch der Dritte in der Thronfolge. Also leg deine Waffe nieder, und nimm mich in den Arm. Ich liebe dich immer noch, so wie jeder Vater es täte.“

In einem plötzlichen Anflug von Zorn sprang er mit zitternden Händen auf seinen Vater zu und rammte ihm den Dolch ins Herz.

„Deine Krankheit hat dich schwach werden lassen, Vater“, sagte er. „Vor fünf Jahren noch wäre das hier vollkommen unmöglich gewesen. Und ein Königreich hat keinen schwachen König verdient. Ich weiß, dass du bald sterben wirst – doch das ist mir nicht schnell genug.“

Schließlich sank der König zu Boden und blieb regungslos liegen.

Er war tot.

Mardig blickte schwer atmend auf ihn herab, immer noch schockiert über das, was er gerade getan hatte. Er wischte seine Hand an seiner Robe ab und ließ das Messer fallen, das klappernd auf den steinernen Boden fiel.

„Mach dir keine Sorgen über meine Brüder, Vater“, fügte er hinzu. „Für sie habe ich auch schon Pläne.“

Danach stieg er über den Leichnam seines Vaters und ging ans Fenster. Zufrieden ließ er den Blick über die Hauptstadt gleiten. Seine Stadt.

Jetzt gehörte all das ihm.




KAPITEL VIERZEHN


Kendrick hob sein Schwert und wehrte den Hieb eines Sandläufers ab, der mit seinen messerscharfen Krallen nach seinem Gesicht schlug. Klirrend und funkenstiebend blockte er ihn und wich ihm aus, als die Kreatur ihre Krallen von seiner Klinge gleiten ließ und wieder nach seinem Kopf schlug.

Kendrick wirbelte herum und schlug zu, doch die Kreatur war erstaunlich schnell. Sie wich zurück und Kendricks Schwert verfehlte sie knapp. Dann machte sie einen Satz nach vorn und sprang hoch in die Luft, um sich auf Kendrick zu stürzen; doch diesmal war er wohl vorbereitet. Beim ersten Angriff hatte er ihre Geschwindigkeit unterschätzt, doch diesen Fehler würde er kein zweites Mal machen. Er ging in die Hocke, hob sein Schwert senkrecht über seinen Kopf – und sah zu, wie die Kreatur sich selbst aufspießte.

Nachdem er sie abgeschüttelt hatte, ging er in die Knie und schwang sein Schwert auf niedriger Höhe über dem Boden. Dabei schlug er zwei Sandläufern gleichzeitig die Beine ab, die auf ihn zukamen; dann drehte er sich um und stieß sein Schwert nach hinten, wobei er dem einen in den Magen stach, bevor er auf seinem Rücken landen konnte.

Die Kreaturen griffen ihn aus allen Richtungen an und Kendrick fand sich inmitten einer heißen Schlacht wieder, Brandt und Atme auf der einen, Koldo und Ludvig auf der anderen Seite. Instinktiv kehrten die fünf einander den Rücken zu und bildeten einen engen Kreis; Rücken an Rücken schlugen, stachen und traten sie, und hielten die Kreaturen auf Abstand während sie einander gegenseitig Deckung gaben. Im gleißenden Sonnenlicht kämpften sie immer weiter. Kendricks Schultern schmerzten, und überall war Blut. Alle waren von der langen Wanderung und dem endlosen Kampf erschöpft. Sie hatten keine Kraftreserven mehr, keinen Ort, an den sie fliehen konnten und kämpften ums nackte Überleben. Die wütenden Schreie der Kreaturen hallten über die Ebene während sie überall um die Männer herum fielen. Kendrick wusste, dass sie vorsichtig sein mussten; es war ein langer Weg zurück, und wenn auch nur einer von ihnen verwundet werden würde, wäre das fatal.

Während er kämpfte, konnte Kendrick in der Ferne einen Blick auf den jungen Kaden erhaschen, und war erleichtert zu sehen, dass er noch am Leben war. Er sträubte sich an Händen und Füßen gefesselt und von mehreren Sandläufern festgehalten. Sein Anblick motivierte Kendrick und erinnerte ihn daran, wofür sie überhaupt hierhergekommen waren. Er kämpfte wütend, verdoppelte seine Bemühungen, und versuchte sich den Weg durch die Kreaturen zu bahnen, um zu Kaden zu gelangen. Es gefiel ihm nicht, wie sie mit ihm umgingen, und er wusste, dass er ihn erreichen musste, bevor sie ihm etwas Schreckliches antaten.

Kendrick stöhnte vor Schmerzen, als er plötzlich einen Treffer an seinem Arm spürte. Er wirbelte herum und sah, wie die Kreatur wieder ausholte, diesmal direkt in Richtung seines Kopfes. Er konnte nicht rechtzeitig reagieren und wappnete sich für den Treffer, der ihm das Gesicht zerfetzen würde – als plötzlich Brandt dazwischen hechtete, sein Schwert in die Brust der Kreatur rammte und Kendrick im letzten Augenblick rettete.

Gleichzeitig schlitzte Atme eine Kreatur auf, bevor sie ihre Fangzähne in Brandts Hals bohren konnte.

Dann wirbelte Kendrick herum und schlitzte zwei Kreaturen auf, bevor sie sich auf Atme stürzen konnten.

So ging es immer weiter, wirbelnd, stoßend, schlagend kämpften sie gegen die Sandläufer. Die Kreaturen fielen zu ihren Füßen und stapelten sich im Sand, der vom Blut rot gefärbt wurde.

Aus dem Augenwinkel sah Kendrick, dass ein paar der Sandläufer Kaden gepackt hatten und sich davonmachen wollten. Sein Herz raste; es war eine fast ausweglose Situation: wenn er sie aus den Augen verlor, würden sie in der Wüste verschwinden und sie würden Kaden niemals wiedersehen.

Kendrick wusste, dass er ihnen folgen musste. Er trat einige Kreaturen aus dem Weg und rannte dem Jungen hinterher. Einige der Sandläufer folgten ihm, doch Kendrick wirbelte herum und trat und schlug auf sie ein. Kendrick hatte das Gefühl, von allen Seiten zerkratzt zu werden, doch er blieb nicht stehen. Er musste Kaden erreichen.

Er sah ihn und wusste, dass er sie aufhalten musste; er wusste, dass er der einzige war, der eine Chance dazu hatte.

Kendrick griff an seinen Gürtel, nahm ein Messer und warf es. Es landete zielgenau im Hals einer Kreatur, gerade noch rechtzeitig, bevor sie ihre Fangzähne in Kadens Hals graben konnte. Kendrick stürmte auf ihn zu und rammte einem anderen sein Schwert in die Brust bevor er sich über Kaden hermachen konnte.

Kendrick baute sich über Kaden auf, der gefesselt auf dem Boden lag. Immer mehr der Kreaturen, die ihm gefolgt waren erreichten sie und Kendrick musste ihre Angriffe aus allen Richtungen abwehren. Er war umzingelt, und schlug und hieb in alle Richtungen, fest entschlossen, Kaden zu retten. Er sah, dass die anderen selbst zu sehr beschäftigt waren, um ihm zur Hilfe zu kommen.

Kendrick schnitt mit seinem Schwert die Fesseln des Jungen durch.

„Nimm das Schwert an meinem Gürtel!“, schrie Kendrick.

Kaden ergriff das Kurzschwert, und stellte sich mit Kendrick den Kreaturen. Auch wenn er noch sehr jung war, konnte Kendrick sehen, dass der Junge schnell und tapfer war, und war dankbar, ihn im Kampf gegen die Sandläufer an seiner Seite zu haben.

Sie kämpften gut miteinander und töteten die viele der Kreaturen um sie herum. Doch so sehr sie sich auch bemühten, waren es einfach zu viele und bald waren sie von einer erdrückenden Überzahl umzingelt.

Kendrick hatte mit seinen müden Schultern kaum noch Kraft, als sich plötzliche die Reihen zu lichten schienen. Hinter ihnen ertönte gewaltiges Geschrei, und Kendrick war überglücklich zu sehen, wie Koldo, Ludvig, Brandt und Atme durch die Reihen brachen. Davon ermutigt kämpfte Kendrick mit letzter Kraft an Kadens Seite. Gemeinsam kämpfend waren die sechs Männer unaufhaltsam und töteten auch die letzte der Kreaturen.

Kendrick stand schwer atmend in der plötzlichen Stille und sah sich um: er konnte kaum fassen, was sie gerade getan hatten. Überall um sie herum türmten sich die toten Körper der Kreaturen und färbten den Sand rot. Er und die anderen waren übersät mit Wunden, verkratzt – doch alle hatten überlebt. Und Kaden, der über das ganze Gesicht strahlte, war frei.

Nacheinander umarmte er die Männer und sah vor allem Kendrick bedeutungsvoll an. Seine letzte Umarmung galt Koldo, seinem ältesten Bruder.

„Ich kann nicht glauben, dass ihr mir gefolgt seid!“, sagte Kaden.

„Du bist mein Bruder“, sagte Koldo, „was hätte ich sonst tun sollen?“

Kendrick hörte ein Geräusch und fuhr herum, um sechs Pferde zu finden, die von den Kreaturen entführt worden waren. Er und die anderen tauschten wissende Blicke aus.

Gemeinsam rannten sie zu ihnen hinüber, sprangen in die Sättel, und waren schon auf dem Weg zurück durch die Wüste in Richtung des Jochs – endlich nach Hause.




KAPITEL FÜNFZEHN


Erec stand am Heck des Schiffes am Ende der Flotte und warf wieder einmal einen nervösen Blick über seine Schulter. Einerseits war er froh, dass es ihnen gelungen war, den Stützpunkt des Empire auszulöschen und sie zurück auf dem Weg nach Volusia waren; andererseits hatte er einen hohen Preis zahlen müssen, nicht nur dadurch, dass er gute Männer verloren hatte, sondern durch den Verlust kostbarer Zeit – damit hatte er den Vorsprung verloren, den er auf die Empireflotte auf seinen Fersen gehabt hatte. Als er einen Blick hinter sich warf, sah er, wie sie ihm viel zu dicht flussaufwärts folgten. Nur ein paar hundert Meter hinter sich sah er die schwarz-goldenen Banner des Empire. Er hatte den ganzen Vorsprung verloren und sie folgten ihm nun in Sichtweite, wie ein Hornissenschwarm, der seine Beute jagte. Ihre überlegenen Schiffe mit erfahrenen Seeleuten kamen mit jedem Windstoß näher.

Erec drehte sich um und betrachtete den Horizont. Durch seine Kundschafter wusste er, dass Volusia nicht mehr weit war – doch so schnell wie die Flotte des Empire aufholte, fragte er sich, ob er es noch rechtzeitig erreichen konnte. Langsam begriff er, dass sie sich ihren Verfolgern stellen mussten, wenn es ihnen nicht gelingen sollte, die Stadt rechtzeitig zu erreichen; und so derart in der Unterzahl konnten sie nicht gewinnen.

Erec hörte ein Geräusch, das ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, und als er sich umdrehte sah er, dass das Empire die erste Salve von Pfeilen losgelassen hatte, die nun in ihre Richtung flogen. Erec sah erleichtert zu, wie die erste Salve im Wasser hinter ihm landete, vielleicht zwanzig Meter von seinem Schiff entfernt.

„ACHTUNG PFEILE!“, schrie Erec um seine Männer zu warnen.

Die meisten gingen in Deckung und das keinen Augenblick zu früh. Eine weitere Salve folgte, diesmal von Armbrüsten abgeschossen, die eine größere Reichweite hatten. Erec musste mit Schrecken zusehen, wie ein Pfeil tatsächlich sein Schiff erreichte und einer seiner Männer aufschrie. Der Pfeil ragte aus dem Bein des Mannes, der sich vor Schmerzen am Boden wand.

In Erec stieg eine Welle der Empörung und des Schocks auf. Das Empire war in Reichweite; bald würden sie sie eingeholt haben und sie hatten keine Chance, Tausende von Schiffen zu besiegen. Erec wusste, dass er sich schnell etwas einfallen lassen musste.





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DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten. – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos. DAS GESCHENK DER SCHLACHT (Buch #17) ist das Finale der Bestseller-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die mit QUESTE DER HELDEN (Buch #1) eingeleitet wurde! In DAS GESCHENK DER SCHLACHT, trifft Thor auf seine grösste und letzte Herausforderung, als er tiefer in das Land des Blutes vordringt, um zu versuchen, Guwayne zu retten. Während er Feinden begegnet, die weitaus mächtiger sind, als er es sich je vorgestellt hatte, bemerkt Thor bald, dass er einer Armee der Finsternis gegenübersteht, der selbst seine Kräfte nicht gewachsen sind. Als er erfährt, dass ein heiliges Objekt ihm die Kräfte verleihen kann, die er braucht – ein Objekt, das ihm die ganze Zeit verborgen war – muss er sich auf eine letzte Reise geben, um es zu erlangen, bevor es zu spät ist, denn das Schicksal der ganzen Welt steht auf dem Spiel. Gwendolyn hält ihr Versprechen gegenüber dem König des Jochs, betritt den Turm und konfrontiert den Anführer des Kults, um seine Geheimnisse zu erfahren. Das was sie erfährt, schockiert sie und die Enthüllung bringt sie zu Argon und letztendlich zu Argons Meister – wo sie das grösste aller Geheimnisse erfährt, eines das das Schicksal des Rings und ihrer Leute ändern wird. Als das Joch von der grössten Armee angegriffen wird, die die Menschheit je gesehen hat, fällt die Rolle, es zu verteidigen, Kendrick und den anderen zu – und Gwendolyn muss ihre Leute in einem letzten Massenexodus anführen. Thors Legionsbrüder sehen sich unvorstellbaren Risiken gegenüber, als Angel an ihrem Aussatz stirbt. Portrait. Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt. Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen. Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte morganricebooks. com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!

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