Книга - Bevor Er Sieht

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Bevor Er Sieht
Blake Pierce


Ein Mackenzie White Krimi #2
Von Blake Pierce, der Bestsellerautorin von VERSCHWUNDEN (einem #1 Bestseller mit mehr als 600 Fünf-Sterne-Bewertungen), erscheint nun Buch #2 einer spannenden neuen Krimireihe. In BEVOR ER SIEHT (ein Mackenzie White Krimi – Buch 2), kämpft die in der Ausbildung zu FBI Agentin steckende Mackenzie White darum, sich in der FBI Academy in Quantico einen Namen zu machen und sich gleichzeitig sowohl als Frau als auch als Neuankömmling aus Nebraska zu beweisen. In der Hoffnung, dass sie das Zeug dazu hat, eine FBI Agentin zu werden, und ihr Leben im Mittleren Wesen für immer hinter sich zu lassen, will Mackenzie sich zurückhalten und ihre Vorgesetzten beeindrucken. Aber alles ändert sich, als die Leiche einer Frau in einer Mülltonne gefunden wird. Der Mord hat große Ähnlichkeit mit dem Fall des Vogelscheuchen-Mörders, durch den Mackenzie in Nebraska berühmt wurde. Im hektischen Kampf gegen die Zeit, um einen neuen Serienkiller zu stoppen, beschließt das FBI, sein Protokoll zu brechen und Mackenzie den Fall zu übertragen. Für Mackenzie ist es ihre Chance, das FBI zu beeindrucken, doch die Erwartungen waren noch nie so hoch. Nicht jeder will, dass sie den Fall leitet, und alles, was sie in Angriff nimmt, scheint schief zu gehen. Als der Druck am höchsten ist und der Mörder wieder zuschlägt, findet sich Mackenzie alleine in einem Heer erfahrener Agenten, und schon bald erkennt sie, dass sie bereits viel zu tief in der ganzen Sache verwickelt ist. Ihre gesamte Zukunft beim FBI steht auf dem Spiel. So hart und entschlossen Mackenzie auch ist, so brillant sie Mörder auch jagen kann, dieser neuer Fall entpuppt sich als unlösbares Rätsel, etwas, dem sie nicht gewachsen ist. Womöglich hat sie nicht einmal genug Zeit, es zu entschlüsseln, da ihr eigenes Leben über ihrem Kopf zusammenbricht. Als dunkler Psychothriller mit kaum auszuhaltender Spannung ist BEVOR ER SIEHT der zweite Teil einer fesselnden neuen Krimireihe – mit einem neuen, liebenswerten Charakter – das Sie bis spät in die Nacht fesseln wird. Buch #3 der Mackenzie White Krimireihe wird bald verfügbar sein.







B E V O R E R S I E H T



(EIN MACKENZIE WHITE KRIMI—BUCH 2)



B L A K E P I E R C E


Blake Pierce



Blake Pierce ist die Autorin der Bestseller RILEY PAIGE Krimi Serie, die bisher sechs Bücher umfasst. Blake Pierce ist außerdem die Autorin der MACKENZIE WHITE Krimi Serie, bestehend aus bisher drei Büchern; von der AVERY BLACK Krimi Serie, bestehend aus bisher drei Büchern; und der neuen KERI LOCKE Krimi Serie.

Blake Pierce ist eine begeisterte Leserin und schon ihr ganzes Leben lang ein Fan des Krimi- und Thriller-Genres. Blake liebt es von Ihnen zu hören, also besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com) und bleiben Sie in Kontakt!



Copyright © 2016 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Außer, wie gemäß dem U.S Copyright Gesetz von 1976 ausdrücklich erlaubt, darf kein Teil dieser Veröffentlichung ohne vorherige Erlaubnis der Autorin vervielfältigt, verbreitet oder in irgendeiner Weise oder in irgendeiner Form übertragen, in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses E-Book ist nur für den persönlichen Gebrauch zugelassen. Dieses E-Book darf nicht weiterverkauft oder an andere Menschen weitergegeben werden. Wenn Sie sich dieses E-Book mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie sich bitte eine zusätzliche Kopie für jeden weiteren Empfänger. Wenn Sie dieses Buch lesen, es jedoch nicht selbst gekauft haben und es auch nicht für ausschließlich Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie eine eigene Kopie. Vielen Dank für Ihren Respekt für die harte Arbeit dieser Autorin. Bei diesem Buch handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Veranstaltungen und Vorkommnisse sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder sind fiktiv eingesetzt. Jede Ähnlichkeit mit reellen Personen, lebend oder tot, ist reiner Zufall. Buchumschlagabbildung Copyright lassedesignen, unter Lizenz von Stutterstock.com.


BÜCHER VON BLAKE PIERCE



RILEY PAIGE KRIMIREIHE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)



MACKENZIE WHITE KRIMIREIHE

BEVOR ER TÖTET (Buch #1)

BEVOR ER SIEHT (Buch #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Buch #3)



AVERY BLACK KRIMIREIHE

DAS MOTIV (Buch #1)

GRUND ZU FLÜCHTEN (Band #2)

GRUND ZU VERSTECKEN (Band #3)



KERI LOCKE KRIMI SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)


INHALT



PROLOG (#u550ca6e3-62f0-561f-b209-2e4a229cc952)

KAPITEL EINS (#u8432e1fc-319b-500d-a2c9-e5c8b83d4435)

KAPITEL ZWEI (#uc95c33c6-45e5-5e8a-83a3-b99e48971227)

KAPITEL DREI (#uc8112761-eaf2-56f9-8cea-9afae2b73d09)

KAPITEL VIER (#u178b6698-0c23-5c22-9ab2-6627479e198f)

KAPITEL FÜNF (#u124127d3-2458-52c0-9004-3df4df143dbc)

KAPITEL SECHS (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBEN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHT (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ELF (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWÖLF (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL FÜNFZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDDREISSIG (#litres_trial_promo)




PROLOG


Susan Kellerman wusste, wie man sich schick zurechtmachte. Sie vertrat ihr Unternehmen und versuchte, neue Kunden zu gewinnen, weshalb sie sehr auf ihr Äußeres achtete. Was sie jedoch nicht verstand, war, warum zum Teufel sie hohe Schuhe tragen musste. Sie trug ein schönes Sommerkleid und hätte ein Paar flache Schuhe, die perfekt dazu passen würden. Aber nein…der Unternehmenskodex schrieb hohe Schuhe vor. Es hatte wohl etwas mit Eleganz und Vornehmheit zu tun.

Ich bezweifele, dass hohe Schuhe auch nur die geringste Auswirkung auf einen Kauf haben, dachte sie. Vor allem nicht, wenn der potentielle Kunde ein Mann war. Laut ihres Verkaufsblattes lebte in dem Haus, auf das sie gerade zuging, ein Mann. Deshalb überprüfte Susan den Kragen ihres Kleides. Sie zeigte ein wenig Ausschnitt, was sich jedoch im Rahmen der Schicklichkeit befand.

Das, dachte sie, zeigt Eleganz und Vornehmheit.

Mit ihrem recht großen und sperrigen Aktenkoffer in der Hand ging sie in ihren High Heels die Stufen hinauf und klingelte an der Tür. Während sie wartete, betrachtete sie die Vorderseite des Hauses. Es war ein kleines, einfaches Haus am Rande eines Mittelklasseviertels. Das Gras war vor kurzem gemäht worden, doch in den kleinen Blumenbeeten neben der schmalen Treppe, die zur Eingangstür führte, musste dringend Unkraut gejätet werden.

Es war eine ruhige Gegend, aber nicht unbedingt eine, in der Susan leben wollte. Die Häuser waren einstöckige Bungalows, die nebeneinander aufgereiht waren. Sie vermutete, dass die meisten von ihnen älteren Paaren gehörten oder Menschen, die Schwierigkeiten hatten, ihre Rechnungen zu zahlen. Insbesondere dieses Haus machte den Eindruck, beim nächsten Sturm oder der nächsten Finanzkrise Eigentum der Bank zu werden.

Sie streckte ihre Hand aus, um erneut zu klingeln, doch noch bevor sie ihren Finger auf die Klingel legen konnte, wurde die Tür geöffnet. Der Mann hatte eine durchschnittliche Statur und Größe. Sie schätzte ihn auf etwa vierzig. Er hatte etwas Weibliches an sich, was sie an seinem breiten Lächeln erkannte, dass er ihr beim Öffnen schenkte.

„Guten Morgen“, sagte der Mann.

„Guten Morgen“, erwiderte sie.

Sie kannte seinen Namen, doch sie war von ihren Trainern angewiesen worden, ihn nicht zu verwenden, bevor das Gespräch relativ locker war. Wenn man jemanden sofort mit seinem Namen begrüßte, dann fühlte sich dieser wie eine Zielscheibe und nicht wie ein Kunde – sogar, wenn der Termin zuvor vereinbart worden war.

Da sie ihm keine Möglichkeit geben wollte, ihr eine Frage zu stellen, bevor sie die Kontrolle über das Gespräch erlangt hatte, fügte sie schnell hinzu: „Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich mit mir für einen kurzen Moment über Ihre Ernährungsweise unterhalten möchten.“

„Ernährungsweise?“, fragte der Mann mit einem Grinsen. „Ich habe keine besondere Ernährungsweise. Ich esse eigentlich alles, was ich will.“

„Oh, das muss schön sein“, entgegnete Susan mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln und in ihrem fröhlichsten Tonfall. „Sie wissen bestimmt, dass nicht viele Menschen über dreißig von sich behaupten können, einen gesunden Körper zu haben.“

Zum ersten Mal schaute der Mann auf den großen Aktenkoffer in ihrer Hand. Er lächelte wieder, diesmal jedoch eher träge. Es erinnerte sie an die Art, wie Menschen lächelten, wenn sie erkannten, dass sie jemand übers Ohr hauen wollte.

„Also, was verkaufen Sie?“

Es war eine sarkastische Bemerkung, aber immerhin schlug er ihr nicht gleich die Tür vor der Nase zu. Sie interpretierte es als erstes Siegeszeichen, um ins Haus gelassen zu werden. „Nun ja, ich bin hier im Namen eines Selbstoptimierungsunternehmens“, sagte sie. „Wir bieten Erwachsenen über dreißig Jahren eine sehr einfache und systematische Methode, fit zu bleiben, ohne ins Fitnessstudio gehen oder ihre Lebensweise zu stark ändern zu müssen.“

Der Mann seufzte und legte seine Hand an die Tür. Er sah gelangweilt aus, bereit, sie abzuwimmeln. „Und wie erreichen Sie das?“

„Mithilfe einer Kombination aus Proteindrinks, die mit unseren eigenen Proteinpulvern gemacht werden, und mehr als vierzig gesunden Rezepten, die Ihrer täglichen Ernährung den Schwung gibt, den sie braucht.“

„Und das wäre?“

„Genau das ist der Punkt“, erwiderte sie.

Der Mann dachte einen Moment nach, während er Susan und dann den großen Aktenkoffer in ihren Händen betrachtete. Anschließend schaute er auf seine Uhr und zuckte mit den Schultern.

„Ich sag Ihnen was“, meinte er. „Ich muss in zehn Minuten los. Wenn Sie mich in dieser Zeit überzeugen können, haben Sie einen neuen Kunden gewonnen. Hauptsache, ich muss nicht wieder zurück ins Fitnessstudio.“

„Ausgezeichnet“, entgegnete sie, während sie beim Klang ihrer künstlich aufgedrehten Stimme innerlich zusammenzuckte.

Der Mann trat beiseite und winkte sie ins Haus. „Kommen Sie rein“, sagte er.

Sie ging hinein und betrat ein kleines Wohnzimmer. Ein antik wirkender Fernseher stand mit einem verkratzten Unterhaltungscenter in der Mitte. In den Ecken des Raumes gab es ein paar alte, staubige Sessel sowie ein ausgesessenes Sofa. Überall fanden sich Keramikfiguren und Zierdeckchen. Es schaute mehr wie das Haus einer alten Frau aus als das eines alleinstehenden Mannes in seinen Vierzigern.

Aus irgendeinem Grund läuteten ihre innerlichen Alarmglocken. Doch dann versuchte sie, ihre Angst mit unsicherer Logik zu vertreiben. Entweder er ist extrem seltsam, oder das hier ist nicht sein Haus. Vielleicht lebt er bei seiner Mutter.

„Ist hier in Ordnung?“, fragte sie, während sie auf den Kaffeetisch vor der Couch deutete.

„Ja, dort ist perfekt“, antwortete der Mann. Er lächelte sie an und schloss die Tür hinter sich.

Sobald diese ins Schloss fiel, spürte Susan, wie sich etwas in ihrem Magen rührte. Es fühlte sich so an, als wäre der Raum plötzlich kalt geworden und als ob all ihre Sinne darauf reagieren würden. Etwas stimmte nicht. Sie hatte ein seltsames Gefühl. Sie schaute die Keramikfigur an, die ihr am nächsten stand – es war ein kleiner Junge, der einen Wagen zog – als ob sie ihr eine Antwort geben könnte.

Sie beschäftigte sich damit, ihren Aktenkoffer zu öffnen, und nahm ein paar Packungen des Proteinpulvers sowie ein gratis Minimixer (mit einem Verkaufswert von $35, doch bei der ersten Bestellung bekam man einen kostenlos hinzu) heraus, um sich abzulenken.

„Also“, sagte sie, wobei sie versuchte, ruhig zu bleiben und das Schaudern zu ignorieren, dass sie immer noch verspürte. „Interessieren Sie sich mehr für das Abnehmen, die Gewichtszunahme oder möchten Sie Ihre aktuelle Körperform behalten?“

„Ich bin mir nicht sicher“, meinte der Mann, der sich die Waren auf dem Kaffeetisch anschaute. „Was würden Sie denn empfehlen?“

Susan hatte Schwierigkeiten, zu reden. Ihr Herz schlug schnell in ihrer Brust. Hatte er die Tür beim Zumachen abgeschlossen? Sie konnte es von ihrem Platz aus nicht erkennen.

Dann wurde ihr klar, dass der Mann immer noch auf eine Antwort wartete. Sie schüttelte die Spinnenweben ab und versuchte, zurück in ihre Verkäuferrolle zu schlüpfen.

„Nun ja, ich weiß nicht so recht“, sagte sie.

Sie wollte wieder zur Tür schauen. Plötzlich schien es ihr, als würden sich all die künstlichen Augen der Porzellanfiguren in dem Raum auf sie richten, genau wie die Augen eines Jägers auf seine Beute.

„Ich ernähre mich nicht allzu schlecht“, sagte der Mann. „aber ich habe eine Schwäche für Zitronenkuchen. Könnte ich den bei Ihrem Programm trotzdem noch essen?“

„Womöglich“, erwiderte sie, während sie ihre Utensilien durchwühlte und den Koffer näher zu sich heranzog. Zehn Minuten, dachte sie, wobei sie sich mit jeder Minute unwohler fühlte. Er sagte, dass er nur zehn Minuten hätte. So lange kann ich durchhalten.

Sie fand das kleine Heftchen, das dem Mann aufzeigen würde, was er mit dem Programm essen könnte, und schaute auf, um es ihm zu geben. Als er es nahm, berührten sich ihre Finger für einen kurzen Moment.

Wieder läuteten Alarmglocken in ihrem Kopf. Sie musste hier raus. Noch nie hatte sie beim Betreten der Wohnung eines potentiellen Kunden etwas Derartiges gespürt, aber das Gefühl war so überwältigend, dass sie an nichts Anderes mehr denken konnte.

„Es tut mir leid“, sagte sie, während sie ihre Utensilien zurück in den Koffer packte. „Aber mir fällt gerade wieder ein, dass ich in weniger als einer Stunde ein Meeting habe, und zwar am anderen Ende der Stadt.“

„Oh“, meinte er und sah sich das Heftchen an, das sie ihm gerade gegeben hatte. „Das verstehe ich. Ich hoffe, dass Sie es noch rechtzeitig schaffen.“

„Danke“, entgegnete sie schnell.

Er gab ihr das Heftchen zurück, das sie mit zitternder Hand entgegennahm, bevor sie es in den Koffer steckte und zur Eingangstür ging.

Doch diese war verschlossen.

Mit der Hand auf dem Türknauf drehte sich Susan um.

Sie sah den Schlag kaum kommen. Alles, was sie sah, war eine weiße Faust, die auf ihren Mund stieß. Sofort spürte sie, wie das Blut floss, denn sie konnte es auf der Zunge schmecken, und fiel direkt zurück auf die Couch.

Als sie ihren Mund zum Schreien öffnen wollte, hatte sie das Gefühl, als ob die rechte Seite ihres Kiefers blockiert wäre. Sie versuchte, zurück auf die Füße zu kommen, doch der Mann war schon wieder über ihr und stieß ihr diesmal ein Knie in den Bauch, was ihr den Atem aus den Lungen drückte. Sie konnte nichts weiter tun, außer sich zusammenzurollen und nach Luft zu schnappen. Währenddessen bekam sie am Rande mit, dass der Mann sie hochhob und über seine Schulter warf, als ob sie eine hilflose Neandertalerin wäre, die gerade zurück in seine Höhle geschleppt wurde.

Sie versuchte erneut, sich gegen ihn zu wehren, aber sie konnte immer noch nicht richtig einatmen. Sie fühlte sich gelähmt, wie eine Ertrinkende. Sowohl ihr Gehirn als auch ihr ganzer Körper waren schlaff und willenlos. Von ihrem Gesicht aus tropfte Blut auf die Rückseite seines T-Shirts und als er sie durch das Haus trug, konnte sie sich auf nichts Anderes konzentrieren.

Irgendwann bekam sie mit, dass er sie in ein anderes Gebäude getragen hatte – in ein Haus, das auf irgendeine Weise mit dem verbunden war, in welchem sie sich noch vor wenigen Augenblicken befunden hatte. Sie wurde wie ein Sack Mehl auf den Boden geworfen, wobei sie sich den Kopf an dem zerkratzten Linoleumboden anschlug. In ihren Augen tauchten vor lauter Schmerz weiße Punkte auf, als sie endlich in der Lage war, flach zu atmen. Sie rollte sich herum, aber gerade als sie es geschafft hatte, auf die Beine zu kommen, war er wieder da.

Seine Augen waren nun verhangen, doch sie konnte genug erkennen, um zu sehen, dass er eine Tür geöffnet hatte, die sich hinter einer falschen Wandvertäfelung versteckte. Der Raum war dunkel und mit Staub sowie einer bauschigen Dämmung, die in zerrissenen Streifen von der Decke hing, ausgekleidet. Als ihr klar wurde, dass er vorhatte, sie dort hinein zu bringen, schlug ihr Herz so stark gegen die Brust, als ob es durch ihre Rippen brechen wollte.

„Hier drinnen bist du sicher“, sagte der Mann, während er sich vorbeugte und sie in den niedrigen Raum zog.

Schließlich lag sie im Dunkeln auf dem harten Holzboden. Der Geruch nach Staub und ihrem eigenen Blut, das immer noch aus ihrer gebrochenen Nase rann, erfüllte den Raum. Dieser Mann…sie wusste, wie er hieß, konnte sich im Moment aber nicht mehr daran erinnern, denn sie wurde von Blut und Schmerz erfüllt – einem stechenden, beengenden Schmerz in ihrer Brust – während sie weiterhin um ihren Atem kämpfte.

Als sie es endlich schaffte, einzuatmen, wollte sie die Luft zum Schreien verwenden. Doch stattdessen floss sie in ihre Lungen und belebte ihren Körper. In diesem kurzen Moment der körperlichen Erleichterung hörte sie, wie die Tür der kleinen Kammer irgendwo hinter ihr geschlossen wurde, dann gab es nur noch Dunkelheit.

Das letzte, was sie hörte, bevor die Welt schwarz wurde, war sein Lachen direkt vor der Tür.

„Keine Sorge“, meinte er. „Es wird bald vorbei sein.“




KAPITEL EINS


Der Regen prasselte beständig hinab, gerade laut genug, sodass Mackenzie White ihre eigenen Schritte nicht hören konnte. Das war gut, denn es bedeutete, dass sie der Mann, den sie verfolgte, ebenfalls nicht hören konnte.

Trotzdem durfte sie sich nicht auf diesen Vorteil verlassen. Es regnete nicht nur, sondern es war auch spät abends. Der Verdächtigte konnte die Dunkelheit genauso gut zu seinem Vorteil nutzen wie sie. Und die schwachen, flackernden Straßenlaternen halfen ihr auch nicht weiter.

Mit klatschnassem Haar und einem Mantel, der aufgrund der Nässe praktisch an ihrem Körper klebte, überquerte Mackenzie schnellen Schrittes eine verlassene Straße. Vor ihr hatte ihr Partner das Zielgebäude bereits erreicht. Sie konnte seinen Umriss sehen, der tief gebeugt an der Seite des alten Betongebäudes stand. Als sie sich ihm näherte, mit dem Mondlicht und einer einzigen Straßenlaterne, die einen Häuserblock entfernt stand, als einzige Lichtquelle, schloss sie ihre Hände fester um die Glock, ihrer von der Polizeiakademie gestellten Waffe.

So langsam mochte sie das Gefühl, eine Waffe in den Händen zu halten. Es war mehr als nur ein Sicherheitsgefühl, sondern sogar schon eine Art persönliche Beziehung. Wenn sie eine Waffe in den Händen hielt und wusste, dass sie mit ihr schießen würde, dann spürte sie eine enge Bindung mit ihr. So etwas hatte sie bei ihrer Arbeit als ungeschätzte Detective in Nebraska nie gespürt, es war etwas Neues, das die FBI Academy in ihr erweckt hatte.

Sie erreichte das Gebäude und bückte sich neben ihren Partner. Zumindest prasselte hier der Regen nicht mehr auf sie nieder.

Ihr Partner hieß Harry Dougan. Er war zweiundzwanzig, gut gebaut und auf subtile und fast schön respektable Weise dreist. Sie war froh zu sehen, dass er auch ein wenig unsicher wirkte.

„Konntest du schon etwas sehen?“, fragte sie.

„Nein. Aber im Wohnzimmer ist niemand. So viel kann man durch das Fenster erkennen“, erwiderte er, während er geradeaus deutete. Dort gab es nur ein einziges Fenster und dieses war zerbrochen und scharfkantig.

„Wie viele Zimmer?“, wollte sie wissen.

„Drei weiß ich sicher.“

„Lass mich voran gehen“, meinte sie, wobei sie darauf achtete, es nicht wie eine Frage klingen zu lassen. Sogar hier in Quantico mussten Frauen bestimmt handeln, um ernst genommen zu werden.

Er bedeutete ihr, voran zu gehen. Als sie an ihm vorbeihuschte, ging sie um die Ecke zur Front des Gebäudes, um die sie herumlugte, um festzustellen, dass die Luft rein war. Diese Straßen waren auf unheimliche Weise leer und alles sah wie ausgestorben aus.

Schnell bedeutete sie Harry, ihr zu folgen, was er ohne zu zögern tat. Er hielt seine eigene Glock in den Händen und richtete sie, wie sie es in ihrem Training gelernt hatten, während der Verfolgung auf den Boden. Zusammen schlichen sie sich zur Eingangstür des Gebäudes, einem verlassenen Betongebilde, das vielleicht einmal ein altes Lagerhaus gewesen war, und auch an der Tür waren deutliche Zeichen des Alters zu sehen. Es war ebenfalls offensichtlich, dass sie nicht verschlossen war, denn durch einen dunklen Schlitz konnte man einen Blick auf den silbrig erscheinenden Innenraum des Gebäudes erhaschen.

Mackenzie schaute zu Harry und zählte mit den Fingern. Drei, zwei…eins!

Sie drückte ihren Rücken fest an die Betonwand, als sich Harry noch tiefer bückte, die Tür aufdrückte und hineinsprang. Sie folgte ihm auf den Schritt, die beiden arbeiteten wie eine gut geölte Maschine zusammen. Im Inneren des Gebäudes gab es jedoch so gut wie kein Licht. Schnell zog sie ihre Taschenlampe aus dem Gürtel. Doch gerade, als sie diese einschalten wollte, hielt sie inne. Das Licht würde ihre Position verraten. Der Verdächtige würde sie schon von Weitem sehen und könnte – wieder einmal – schnell entkommen.

Deshalb steckte sie die Taschenlampe wieder ein und ging voran. Sie schlich vor Harry durch den Raum, wobei ihre Waffe auf die Tür zu ihrer Rechten gerichtet war. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie mehr Details erkennen. Der Raum war größtenteils leer. An der gegenüberliegenden Wand standen feuchte Kartons und in der hinteren Ecke des Zimmers gab es einen Sägeblock und ein paar zurückgelassene, alte Kabel. Ansonsten war der Hauptraum komplett leer.

Mackenzie ging zu der Tür zu ihrer Rechten. Eigentlich war es nur ein Durchgang, denn die Tür an sich war schon vor langer Zeit entfernt worden. Das Innere des Raumes wurde von Schatten verdeckt, doch abgesehen von einer zerbrochenen Glasflasche und etwas, das wie Rattenkot aussah, war auch dieser Raum leer.

Sie hielt inne und war dabei sich umzudrehen, doch erkannte, dass ihr Harry zu dicht folgte. Als sie den Raum rückwärts verlassen wollte, wäre sie ihm fast auf die Füße getreten.

„Es tut mir leid“, flüsterte er in der Dunkelheit. „Ich dachte, es – “

Er wurde von dem Geräusch eines Pistolenschusses unterbrochen, der sofort von einem Stöhnen aus Harrys Mund begleitet wurde, während dieser zu Boden fiel.

Mackenzie presste sich dicht an die Wand, als ein weiterer Schuss ertönte. Dieser prallte auf der anderen Seite der Wand ab, sie konnte den Aufprall an ihrem Rücken spüren.

Sie wusste, dass sie den Täter überwältigen konnte, wenn sie schnell handelte, anstatt sich in ein Schießduell um die Wand herum verwickeln zu lassen. Sie schaute zu Harry und sah, dass er sich immer noch bewegte und die meiste Zeit bei Bewusstsein war, weshalb sie nach ihm griff und ihn vom Durchgang weg aus der Schusslinie zog. Dabei wurde ein weiterer Schuss abgefeuert. Sie spürte, wie die Patrone nur wenige Zentimeter über ihrer Schulter vorbeiflog und die Luft um ihren Regenmantel herum aufwirbelte.

Als sie Harry in Sicherheit gebracht hatte, verschwendete sie keine Zeit und beschloss, zu handeln. Sie schnappte sich ihre Taschenlampe, schaltete sie ein und warf sie auf den Boden. Sekunden später traf diese dort klappernd auf, ihr weißes Licht tanzte wild auf dem Boden des Raumes auf der anderen Seite des Durchganges umher.

Dem Geräusch folgend schwang sich Mackenzie auf die andere Seite des Durchgangs. Sie kauerte am Boden, den sie mit den Händen abtastete, während sie sich schnell zu einer engen Kugel zusammenzog. Als sie sich mit Schwung nach rechts rollte, sah sie den Umriss des Täters direkt vor ihr, der sich immer noch vollständig auf ihre Taschenlampe konzentrierte.

Sie entrollte sich und streckte ihr rechtes Bein schwunghaft aus. Damit traf sie den Täter an der Rückseite der Beine, knapp unter dem Knie. Der Verdächtige beugte sich ein wenig vor, doch das war alles, was sie brauchte. Sie sprang auf und schlang ihren rechten Arm um seinen Hals, als er zusammensackte, und schmiss ihn hart auf den Boden. Mit einem Knie zwischen seinen Schulterblättern und einer schnellen Bewegung ihres linken Armes, war der Täter gefasst, bewegungsunfähig gemacht und entwaffnet, da seine Pistole zu Boden gefallen war.

Irgendwo in dem alten Gebäude rief eine laute Stimme: „Halt!“

Eine Reihe weißer Glühlampen ging mit einem hörbaren Klicken an, kurz darauf wurde das Innere des Gebäudes in Licht geflutet.

Mackenzie stand auf und sah zu dem Verdächtigen hinab. Er lächelte sie an. Es war ein bekanntes Gesicht – eines, das sie in ihren Trainingsmodulen oft zu sehen bekommen hatte, normalerweise schrie es Befehle und Anweisungen an die Agenten in Ausbildung.

Sie streckte ihre Hand aus, die er nahm, um vom Boden aufzustehen. „Verdammt gute Arbeit, White.“

„Danke“, erwiderte sie.

Hinter ihr stolperte Harry vor, während er seinen Bauch hielt. „Sind Sie sicher, dass wir nur Beanbags verwenden?“, fragte er.

„Nicht nur das, sie waren sogar ganz schwach“, erwiderte der Ausbilder. „Das nächste Mal verwenden wir Riotbags.“

„Wunderbar“, brummte Harry.

Mehrere Menschen betraten den Raum, nun, da die Verfolgung in der Hogan Alley beendet war. Es war Mackenzies dritte Übung in der Alley gewesen, einer Nachbildung einer verlassenen und heruntergekommenen Straße, die von den FBI Trainern, die zukünftige Agenten ausbildeten, gerne genutzt wurde, um eine Situation aus dem echten Leben zu simulieren.

Während zwei Ausbilder bei Harry standen und ihm erklärten, was er falsch gemacht hatte und wie er es hätte verhindern können, angeschossen zu werden, ging ein Ausbilder direkt auf Mackenzie zu. Er hieß Simon Lee und war ein älterer Mann, der aussah, als hätte er im Leben schon viel durchgemacht und sich aus all dem rausgeboxt.

„Tolle Arbeit, Agent White“, sagte er. „Diese Rolle war so verdammt schnell, dass ich sie kaum gesehen habe. Aber trotzdem war es ein wenig leichtsinnig. Wenn mehr als nur ein Verdächtiger im Raum gewesen wäre, hätte die Sache ganz anders ausgehen können.“

„Ja, Sir. Das verstehe ich.“

Lee lächelte sie an. „Das weiß ich doch“, erwiderte er. „Jetzt, da Ihr Training halb abgeschlossen ist, bin ich mehr als zufrieden mit Ihrem Fortschritt. Sie werden ein ausgezeichneter Agent werden. Gute Arbeit.“

„Danke, Sir“, entgegnete sie.

Lee ging davon, in einen anderen Bereich des Gebäudes, um mit einem weiteren Ausbilder zu sprechen. Als alle begannen, hinauszugehen, kam Harry zu ihr, sein Gesicht war immer noch leicht schmerzhaft verzogen.

„Gut gemacht“, sagte er. „Es tut nur halb so sehr weh, wenn die Siegerin so außergewöhnlich hübsch ist.“

Sie verdrehte die Augen und steckte ihre Glock ins Holster. „Schmeichelei bringt nichts“, entgegnete sie. „Wie sagt man so schön? Mit Schmeichelei kommt man nicht weiter.“

„Ich weiß“, sagte Harry. „Aber reicht es, um dich wenigstens zu einem Drink zu überreden?“

Sie grinste. „Wenn du zahlst.“

„Ja, ich zahle“, stimmte er zu. „Ich will ja schließlich nicht, dass du mir in den Hintern trittst.“

Sie verließen das Gebäude und liefen zurück in den Regen. Jetzt, da die Anspannung vorüber war, empfand sie den Regen schon fast als erfrischend. Und da mehrere der Ausbilder und Berater die Gegend absuchten, um für heute Schluss zu machen, erlaubte sie sich endlich, stolz auf sich selbst zu sein.

Nach elf Wochen hatte sie den Großteil des Theorieteils ihres Trainings an der Akademie abgeschlossen. Sie hatte es fast geschafft…es waren noch etwa neun Wochen, bis sie den Kurs beendete und sie womöglich zu einem Außenagenten des FBI, einem sogenannten Field Agent, werden würde.

Plötzlich fragte sie sich, warum sie so lange gebraucht hatte, um Nebraska zu verlassen. Es war praktisch ihr goldenes Ticket gewesen, dass Ellington sie für die Akademie vorgeschlagen hatte, quasi der Schub, den sie brauchte, um sich selbst zu beweisen und um aus dem Gewohnten, in dem sie sich sicher fühlte, auszubrechen. Sie hatte sich von ihrem Job, ihrem Freund und ihrer Wohnung befreit und ein neues Leben begonnen.

Sie dachte an das weite, flache Land, die Maisfelder und den endlosen, blauen Himmel, die sie zurückgelassen hatte. Auch wenn diese Dinge eine eigene Schönheit in sich trugen, so hatten sie sie doch auf gewisse Weise gefangen gehalten.

All das lag jetzt hinter ihr.

Jetzt, da sie frei war, gab es nichts, das sie zurückhielt.



*



Den Rest des Tages verbrachte sie mit körperlichem Training: Liegestützen, Sprints, Crunches, weitere Sprints und Gewichtheben. In den ersten Tagen an der Akademie hatte sie diese Art des Trainings gehasst. Doch als sich ihr Körper und Geist daran gewöhnt hatten, schien es ihr nun so, als ob sie sich sogar danach sehnte.

Alles baute auf Geschwindigkeit und Präzision. Sie erledigte fünfzig Liegestützen so schnell, dass sie das Brennen in ihren Oberarmen erst bemerkte, als sie schon fertig war und sich zu dem schlammbeschmutzten Hindernislauf begab. Bei so gut wie jeder körperlichen Aktivität hatte sie die Einstellung entwickelt, dass sie sich selbst nicht weit genug herausforderte, wenn ihre Arme und Beine nicht zitterten und sich ihre Bauchmuskeln nicht wie Stücke geripptes Fleisch anfühlten.

In ihrer Einheit gab es sechzig Auszubildende und sie war eine von gerade einmal neun Frauen. Das machte ihr nichts aus, wahrscheinlich, weil sie durch ihre Zeit in Nebraska gelernt hatte, sich nicht um das Geschlecht der Menschen zu sorgen, mit denen sie arbeitete. Sie hielt einfach den Kopf gesenkt und erledigte die Aufgaben zu ihrem besten Können, welches, ohne angeben zu wollen, ziemlich bemerkenswert war.

Nachdem der Ausbilder die Zeit ihrer letzten Trainingseinheit gemessen hatte, einem zwei Meilen Lauf durch matschige Pfade und den Wald, löste sich die Klasse auf und jeder ging seiner Wege. Mackenzie setzte sich auf eine der Bänke am Rande der Laufbahn und streckte ihre Beine. Da sie an diesem Tag nichts mehr vorhatte und durch ihren Erfolg in der Hogan Alley immer noch voller Energie war, entschied sie sich dazu, noch einmal laufen zu gehen.

So ungern sie es auch zugab, sie war zu einem dieser Menschen geworden, denen es Spaß machte, joggen zu gehen.

Und auch wenn sie in nächster Zeit an keinem ausgeschriebenen Marathon teilnehmen würde, so hatte sie doch Gefallen an dieser Sportart gefunden. Neben den vorgeschriebenen Läufen, die zu ihrem Training gehörten, fand sie auch noch Zeit, auf den Waldwegen außerhalb des Campusgeländes, das sich sechs Meilen vom FBI Hauptquartier und etwa acht Meilen ihrer neuen Wohnung in Quantico befand, zu joggen.

Mit schweißgetränktem Top und rotem Gesicht beendete sie den Tag mit einem letzten Sprint über den Hindernisparcours, wobei sie die Hügel, die herumliegenden Stämme und die Netze ausließ. Dabei bemerkte sie, dass sie von zwei Männern beobachtet wurde –zwar nicht wie in einem lüsternen Tagtraum, aber trotzdem mit gewisser Bewunderung, die sie um ehrlich zu sein anspornte.

In Wirklichkeit würden ihr der ein oder andere lustvolle Blick nichts ausmachen. Ihr neuer, schlanker Körper, für den sie so hart gearbeitet hatte, verdiente es, geschätzt zu werden. Es kam ihr seltsam vor, sich in ihrer eigenen Haut so wohl zu fühlen, aber so langsam fand sie Gefallen daran. Sie wusste, dass es auch Harry Dougan gefiel, aber bisher hatte her noch nichts gesagt. Selbst wenn er dies tun würde, war sich Mackenzie nicht sicher, was sie ihm entgegnen würde.

Als ihr letzter Lauf (knapp unter zwei Meilen) beendet war, duschte sie im Trainingsgebäude und schnappte sich auf dem Weg nach draußen ein paar Kekse aus dem Automaten. Sie hatte den restlichen Tag frei, das bedeutete, dass sie vier Stunden lang tun und lassen konnte, was sie wollte, bevor sie sich im Fitnesscenter auf das Laufband begab. Das war eine kleine Routine, die sie sich angeeignet hatte, um den anderen immer einen Schritt voraus zu sein.

Was sollte sie mit dem restlichen Tag anstellen? Vielleicht könnte sie endlich fertig auspacken. In ihrer Wohnung standen immer noch sechs Kartons, deren Klebeband sie noch nicht einmal entfernt hatte. Das wäre eine gute Entscheidung. Aber sie fragte sich auch, was Harry heute Abend wohl tat, ob er an seiner Einladung zu einem Drink festhalten würde. Meinte er heute Abend oder an einem anderen Abend?

Und darüber hinaus fragte sie sich auch, was Agent Ellington wohl gerade tat.

Sie und Ellington hätten sich ein paar Mal schon fast getroffen, aber es hatte nie geklappt, was Mackenzies Meinung nach wahrscheinlich besser so war. Sie konnte gut damit leben, nie mehr an den peinlichen Zwischenfall erinnert zu werden, der in Nebraska geschehen war.

Während sie versuchte, sich zu entscheiden, was sie mit ihrem Nachmittag anstellen würde, lief sie zu ihrem Auto. Als sie den Schlüssel in die Tür steckte, sah sie ein bekanntes Gesicht vorbeijoggen. Der Jogger, eine weitere Agentin in Ausbildung namens Colby Stinson, sah sie an und lächelte. Sie joggte mit einer Energie zu Mackenzies Wagen, die Mackenzie zu dem Schluss kommen ließ, dass Colby gerade erst mit dem Laufen angefangen hatte und nicht schon am Ende war.

„Hallo“, sagte Colby. „Haben dich die anderen aus der Klasse zurückgelassen?“

„Nein. Ich habe ein Extratraining absolviert.“

„Natürlich hast du das.“

„Was soll das heißen?“, wollte Mackenzie wissen. Sie und Colby kannten sich recht gut, auch wenn sie sich nicht gerade als Freunde bezeichnen würde. Sie war sich nie sicher, wann Colby lustig sein oder sie provozieren wollte.

„Es heißt, dass du sehr ehrgeizig bist und immer mehr tust als von dir verlangt wird“, erklärte Colby.

„Ertappt.“

„Was hast du vor?“, fragte Colby. Dann deutete sie auf die Kekse in Mackenzies Hand. „Ist das etwa dein Mittagessen?“

„Ja“, erwiderte sie. „Erbärmlich, nicht wahr?“

„Nur ein wenig. Warum gehen wir nicht zusammen etwas essen? Pizza hört sich toll an.“

Auch Mackenzie hatte Hunger auf Pizza, doch sie hatte keine Lust auf Small Talk, vor allem nicht mit einer Frau, die sich zu sehr auf Tratsch konzentrierte. Aber auf der anderen Seite wusste sie auch, dass sie mehr in ihrem Leben als nur Training, Extratraining und die Einsamkeit in ihrem Apartment brauchte.

„Ja, warum nicht“, entgegnete Mackenzie.

Es war ein kleiner Sieg, sie verließ ihre Komfortzone und versuchte, an diesem neuen Ort, in diesem neuen Kapitel ihres Lebens Freunde zu finden. Doch mit jedem Schritt öffnete sich ihr eine neue Seite und sie konnte es kaum abwarten, diese auszufüllen.



*



Donnie’s Pizza Place war nur halbvoll, als Mackenzie und Colby am Nachmittag eintraten, da die Mittagskundschaft so langsam wieder aufbrach. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Bereich des Lokals und bestellten Pizza. Mackenzie ließ es zu, sich zu entspannen und ihre schmerzenden Arme und Beine auszuruhen, doch das würde sie nicht lange genießen können.

Colby rutschte auf ihrem Stuhl nach vorne und seufzte. „Können wir bitte den Elefanten im Raum aus dem Weg schaffen?“

„Es gibt einen Elefanten?“, fragte Mackenzie.

„Ja“, erwiderte Colby. „Aber er ist ganz schwarz angezogen und passt sich die meiste Zeit gut an.“

„Okay“, meinte Mackenzie. „Dann erklär mir diesen Elefanten. Und sag mir, warum du ihn bis jetzt noch nicht erwähnt hast.“

„Ich habe dir nie gesagt, dass ich wusste, wer du warst, als du hier ankamst. Genau wie jeder andere. Es wurde viel darüber getuschelt. Und deshalb habe ich dir bis jetzt noch nichts gesagt. Doch jetzt, da unser Training so langsam zu Ende geht, weiß ich nicht, wie es die Dinge beeinflussen wird.“

„Was für ein Gerede?“, wollte Mackenzie wissen, obwohl sie sich schon ziemlich sicher war, dass sie wusste, in welche Richtung es ging.

„Nun ja, größtenteils geht um den Vogelscheuchen-Mörder und die bescheidene, kleine Frau, die ihn zur Strecke gebracht hat. Eine kleine Frau, die solch ein guter Detective in Nebraska war, dass sie vom FBI persönlich rekrutiert wurde.“

„Das ist zwar eine recht glorifizierte Version, aber ja…ich erkenne den Elefanten. Du hast gesagt, größtenteils. Gibt es denn noch mehr?“

Plötzlich schien sich Colby nicht sehr wohl zu fühlen. Sie steckte sich nervös eine Strähne ihres braunen Haares hinter das Ohr. „Nun ja, es gibt Gerüchte. Ich habe gehört, dass ein Agent sein Wort für dich im Vorstand eingelegt hat. Und…naja, wir befinden uns nun einmal in einer Umgebung, die von Männern dominiert wird. Du kannst dir vorstellen, in welche Richtung die Gerüchte gehen.“

Mackenzie verdrehte die Augen, die Situation war ihr peinlich. Sie hatte sich immer gefragt, welche Gerüchte hinter vorgehaltener Hand über sie und Ellington, dem Agenten, der eine große Rolle bei ihrer Aufnahme ins FBI gespielt hatte, im Umlauf waren.

„Tut mir leid“, sagte Colby. „Hätte ich besser nichts sagen sollen?“

Mackenzie zuckte mit den Schultern. „Es ist in Ordnung. Ich schätze, wir alle haben unsere Vergangenheit.“

Colby, die spürte, dass sie womöglich zu viel gesagt hatte, schaute auf den Tisch und nippte nervös an ihrem Getränk. „Tut mir leid“, erwiderte sie leise. „Ich dachte nur, dass du davon wissen solltest. Du bist die erste richtige Freundin, die ich hier gemacht habe, und ich wollte so offen wie möglich sein.“

„Das geht mir genauso“, entgegnete Mackenzie.

„Dann ist zwischen uns also alles in Ordnung?“, fragte Colby.

„Ja. Wie wäre es, wenn wir jetzt über ein anderes Thema reden?“

„Oh, kein Problem“, meinte Colby. „Erzähl mir von dir und Harry.“

„Harry Dougan?“, versicherte sich Mackenzie.

„Ja. Der zukünftige Agent, der dich jedes Mal, wenn ihr in einem Raum seid, mit den Augen ausziehen will.“

„Da gibt es nichts zu erzählen“, wehrte Mackenzie ab.

Colby lächelte und verdrehte die Augen. „Wenn du meinst.“

„Nein, wirklich. Er ist nicht mein Typ.“

„Vielleicht bist du auch nicht sein Typ“, spekulierte Colby. „Vielleicht will er dich einfach nur nackt sehen. Ich frage mich…was für ein Typ bist du eigentlich? Ich wette auf tief und psychologisch.“

„Wie kommst du darauf?“, wollte Mackenzie wissen.

„Wegen deiner Interessen und deiner Neigung, in allen Profiling-Kursen und Übungsszenarien hervorzustechen.“

„Ich glaube, das ist ein häufiger Irrglaube über jeden, der sich für Profiling interessiert“, erwiderte Mackenzie. „Wenn du einen Beweis brauchst, kann ich dir mindestens drei ältere Männer der Staatspolizei Nebraskas nennen.“

Danach unterhielten sie sich über banale Dinge – ihren Unterricht, ihre Ausbilder und so weiter. Doch die ganze Zeit über schmorte Mackenzie innerlich. Die Gerüchte, die Colby erwähnt hatte, waren genau der Grund, warum sie sich möglichst unauffällig verhielt. Sie hatte sich nicht bemüht, Freunde zu finden – eine Entscheidung, durch die sie eigentlich mehr als genug Zeit gehabt hatte, ihre Wohnung fertig einzurichten.

Und alles nur wegen Ellington…dem Mann, der nach Nebraska gekommen und ihre Welt verändert hatte. Es hörte sich wie ein Klischee an, aber genau das war geschehen. Und die Tatsache, dass sie ihn immer noch nicht aus dem Kopf bekam, war etwas erschreckend.

Sogar als sie sich mit Colby nett unterhielt und sie zusammen aßen, fragte sich Mackenzie, was Ellington wohl gerade tat. Sie fragte sich auch, was sie jetzt tun würde, wenn er bei ihrem Versuch, den Vogelscheuchen-Mörder zu fassen, nicht nach Nebraska gekommen wäre. Das war keine schöne Vorstellung, wahrscheinlich würde sie immer noch diese qualvoll geraden Straßen entlangfahren, die entweder vom Himmel, den Feldern oder Mais umgeben waren. Außerdem würde sie vermutlich mit einem chauvinistischen Idioten ein Team bilden, der einfach nur eine jüngere und dickköpfigere Version Porters, ihres ehemaligen Teampartners war.

Sie vermisste Nebraska nicht. Sie vermisste nicht die Routine ihres Jobs, den sie dort ausgeübt hatte, und sie vermisste definitiv nicht die dort vorherrschende Geisteshaltung. Was sie jedoch vermisste war das Wissen, dass sie dazu passte. Sogar mehr noch, in Nebraska hatte sie zu den hochrangigsten Mitarbeitern in der Polizeiwache gehört. Hier in Quantico war das anders. Hier hatte sie eine riesige Konkurrenz und sie musste darum kämpfen, ganz oben zu bleiben.

Glücklicherweise war sie für diese Herausforderung mehr als bereit und war froh, den Vogelscheuchen-Mörder und ihr Leben vor dessen Festnahme hinter sich zu lassen.

Wenn sie nur noch diese Alpträume verhindern könnte.




KAPITEL ZWEI


Der nächste Morgen begann schon früh mit Waffentraining, einer Disziplin, in der Mackenzie recht begabt war. Sie hatte schon immer gut schießen können, aber mit der richtigen Anleitung und einer Klasse, in der zweiundzwanzig weitere ehrgeizige Anwärter mit ihr konkurrierten, war sie unheimlich gut geworden. Sie zog immer noch die Sig Sauer vor, die sie in Nebraska verwendet hatte, und hatte sich gefreut, dass die Standartwaffe des FBI eine Glock war, die sich nicht zu sehr von ihr unterschied.

Sie starrte auf das Papierziel am Ende des Schießkorridors. Ein langer Streifen Papier hing von einer mechanischen Stange fast zwanzig Meter von ihr entfernt. Sie zielte, feuerte dreimal schnell hintereinander ab und legte ihre Waffe nieder. Das Vibrieren der Schüsse vibrierte in ihren Händen nach, ein Gefühl, dass sie mittlerweile genoss.

Als das grüne Lichte am Ende des Korridors aufleuchtete, drückte sie einen Knopf auf dem Steuerkasten, um sie das Papierziel zu sich heran zu holen, das den Torso eines Menschen darstellte. Zwei Schüsse hatten den oberen Bereich der Brust getroffen, während der dritte die linke Schulter gestreift hatte. Die Schüsse waren ganz in Ordnung (jedoch nicht perfekt) und obwohl sie mit den über die Brust verstreuten Schüssen nicht zufrieden war, wusste sie, dass das Ergebnis nun viel besser war als bei ihrem ersten Schießtraining.

Elf Wochen. Sie war schon seit elf Wochen hier und lernte immer noch dazu. Sie war mit den verteilten Schüssen unzufrieden, weil diese fatal sein könnten. Sie war darauf trainiert worden, nur zu schießen, um einen Verdächtigen festnehmen zu können und um ihm unter schlimmsten Umständen mit einem Schuss in die Brust oder den Kopf das Leben zu nehmen.

Ihre Instinkte verbesserten sich. Sie lächelte das Papierziel an, dann schaute sie auf das kleine Schaltkästchen vor ihr, wo eine Schachtel voller Munition auf sie wartete. Sie lud die Glock nach und ließ ein neues Ziel herunter. Diesmal stellte sie die Entfernung auf etwa zweiundzwanzig Meter ein.

Sie wartete, bis das rote Licht an der Schalttafel grün wurde, bevor sie sich umdrehte. Sie holte tief Luft, wirbelte herum und feuerte wieder dreimal ab.

Diesmal waren eine glatte Reihe von drei Eintrittslöchern knapp unterhalb der Schulter zu sehen.

Viel besser, dachte Mackenzie.

Zufrieden nahm sie ihre Schutzbrille und Ohrschützer ab. Dann räumte sie ihre Station auf und drückte auf einen anderen Knopf des Schaltboards, wodurch das Ziel mithilfe des elektrischen Zugsystems nach vorne gezogen wurde. Sie nahm das Papier ab, faltete es und steckte es in den kleinen Rucksack, den sie so ziemlich überall mit hinnahm.

Sie hatte ihre Freizeit dazu genutzt, um ihre Fähigkeiten, bei denen sie das Gefühl hatte, den anderen in ihrer Klasse nachzustehen, im Übungsbereich zu schulen. Sie war eine der ältesten unter den Auszubildenden und es hatten sich bereits Gerüchte verbreitet, dass sie persönlich aus einer miserablen und kleinen Polizeistation in Nebraska hierhergeholt worden war, kurz nachdem sie den Fall um den Vogelscheuchen-Mörder gelöst hatte. Im Moment befanden sich ihre Leistungen was die Handhabung von Waffen anging im mittleren Bereich ihrer Klasse, doch sie war entschlossen, am Ende ihrer Ausbildung die Beste zu sein.

Sie musste sich selbst beweisen. Aber das machte ihr nichts aus.



*



Nach ihrer morgendlichen Schießübung ging Mackenzie direkt zu ihrem letzten Kurs, den sie in einem Klassenverband absolvieren musste. Es war ein Psychologieunterricht, der von Samuel McClarren, einem sechzig Jahre alten früheren Agenten und Bestseller-Autoren, der bereits sechs New York Times Bestseller über das psychologische Profil einiger der grausamsten Serienkiller des vergangenen Jahrhunderts veröffentlicht hatte, gehalten wurde. Mackenzie hatte alles, was dieser Mann geschrieben hatte, gelesen und konnte seinen Vorträgen stundenlang zuhören. Es war mit Abstand ihr Lieblingskurs und auch obwohl sie von dem stellvertretenden Direktor aufgrund ihres Lebenslaufes und ihres beruflichen Werdeganges von der Teilnahme des Kurses befreit worden war, hatte sie begeistert die Chance ergriffen, seinen Unterricht zu besuchen.

Wie immer war sie eine der ersten in der Klasse und saß weit vorne. Als sie ihr Notizheft und einen Stift herausholte, kamen immer mehr ihrer Kollegen herein und schalteten ihre MacBooks an und Samuel McClarren betrat das Podium. Hinter Mackenzie warteten zweiundvierzig Auszubildende eifrig auf den Beginn des Vortrags, jeder einzelne von ihnen schien von seinen Worten fasziniert zu sein.

„Gestern haben wir uns, sehr zur Freude der Teilnehmer unter Ihnen mit einem schwachen Magen, bereits mit den psychologischen Windungen beschäftigt, von denen wir ausgehen, dass sie Ed Gein angetrieben haben,“, begann McClarren. „Und heute wird es nicht viel besser werden, da wir uns mit der oft unterschätzten und doch unwiderstehlich verqueren Denkweise des John Wayne Gacy auseinandersetzen werden. Sechsundzwanzig nachgewiesene Opfer, die entweder stranguliert oder mithilfe eines Stauschlauches erstickt wurden. Er verteilte die Opfer, nachdem er sie ermordet hatte, an verschiedenen Stellen zwischen den Brettern unter seinem Haus bis hin zum Des Plaines Fluss. Und natürlich, daran denken die meisten Menschen, wenn sie seinen Namen hören, das Clown Make-up. Der Fall Gacy strotzt nur so vor psychologischer Störungen.“

Der Rest der Vorlesung folgte diesem Muster, was bedeutete, dass McClarren sprach und die Schüler eifrig mitschrieben. Wie immer vergingen die eineinviertel Stunden wie im Flug und Mackenzie sehnte sich danach, noch mehr zu hören. Hin und wieder hatten McClarrens Vorlesungen Erinnerungen an die Jagd auf den Vogelscheuchen-Mörder geweckt, vor allem an die Zeit, als sie während der Ermittlungen die Tatorte noch einmal besucht hatte, um sich in den Kopf des Mörders zu versetzen. Sie wusste, dass sie eine gewisse Neigung für so etwas hatte, was sie jedoch niemanden wissen ließ. Manchmal jagte ihr diese Neigung selber Angst ein und sie wusste, wie makaber sie war, weshalb sie niemandem davon erzählte.

Als die Vorlesung vorüber war, packte Mackenzie ihre Sachen zusammen und ging zur Tür. Als sie hinaus in den Gang trat und immer McClarrens Worte verarbeitete, sah sie den Mann nicht, der neben der Tür stand. Sie bemerkte ihn sogar erst dann, als er ihren Namen rief.

„Mackenzie! Hey, warten Sie.“

Sie blieb stehen, als sie ihren Namen hörte, und als sie sich umdrehte, entdeckte sie ein bekanntes Gesicht in der Menge.

Agent Ellington folgte ihr. Ihn zu sehen war solch eine Überraschung, dass sie einen Moment lang praktisch regungslos dastand und versuchte, eine Erklärung für sein Auftauchen zu finden. Da sie wie versteinert stehen blieb, schenkte er ihr ein schüchternes Lächeln und trat schnell an sie heran. Ein weiterer Mann folgte ihm.

„Agent Ellington“, sagte Mackenzie. „Wie geht es Ihnen?“

„Gut“, antwortete er. „Und selbst?“

„Ziemlich gut. Was tun Sie hier? Machen Sie einen Auffrischungskurs?“, fragte sie in dem Versuch, der Situation ein wenig Humor zu verleihen.

„Nein, nicht wirklich“, erwiderte Ellington. Er schenkte ihr ein weiteres Lächeln, das sie wieder daran erinnerte, warum sie sich vor drei Monaten an ihn herangemacht und sich blamiert hatte. Er deutete auf den Mann und sagte: „Mackenzie White, ich würde Ihnen gerne Special Agent Bryers vorstellen.“

Bryers trat vor und streckte ihr die Hand entgegen. Mackenzie schüttelte sie und nutzte den Moment, um den Mann zu mustern. Er sah aus, als wäre er in seinen frühen Fünfzigern, hatte einen größtenteils grauen Schnurrbart und freundliche, blaue Augen. Sie erkannte sofort, dass er vermutlich sanftmütig und ein echter Südstaaten-Gentleman war, von denen sie schon so viel gehört hatte, seit sie nach Virginia gezogen war.

„Schön, Sie zutreffen“, sagte Bryers, während er ihre Hand schüttelte.

Nun, da sie einander vorgestellt waren, kam Ellington wieder zur Sache. „Haben Sie gerade viel zu tun?“, fragte er Mackenzie.

„Im Moment nicht“, antwortete sie.

„Nun ja, wenn Sie einen Augenblick Zeit hätten, würden Agent Bryers und ich gerne etwas mit Ihnen besprechen.“

Bei diesen Worten sah Mackenzie, wie sich ein Funke Zweifel auf Bryers Gesicht schlich. Bei näherer Betrachtung machte er sogar den Eindruck, als würde er sich nicht ganz wohl fühlen. Vielleicht wirkte er deshalb so zurückhaltend.

„Natürlich“, sagte sie.

„Kommen Sie“, meinte Ellington und deutete auf einen kleinen Studienraum im hinteren Teil des Gebäudes. „Ich gebe Ihnen einen Kaffee aus.“

Mackenzie erinnerte sich an das letzte Mal, als Ellington solch ein Interesse an ihr gezeigt hatte. Es hatte sie hierhergeführt, sie ihrem Traum, ein FBI Agent zu sein, mit allem, was dazu gehörte, nähergebracht. Deshalb ergab es Sinn, ihm jetzt zu folgen. Dabei warf sie einen Seitenblick auf Agent Bryers und fragte sich, warum er so einen unbehaglichen Eindruck machte.



*



„Sie sind bald fertig, nicht wahr?“, fragte Ellington, als sich die drei mit ihren Kaffeebechern, die Ellington in dem winzigen Café gekauft hatte, hinsetzen.

„Es dauert noch acht Wochen“, erwiderte sie.

„Dann fehlen noch Terrorismusbekämpfung, fünfzehn Simulationsstunden und etwa zwölf Stunden Schießübungen, nicht wahr?“, fragte.

„Und woher genau wissen Sie das alles?“, entgegnete Mackenzie besorgt.

Ellington zuckte nur mit den Schultern und grinste sie an. „Es ist gewissermaßen zu einem Hobby von mir geworden, Sie im Auge zu behalten, seit Sie hier angefangen haben. Ich habe Sie vorgeschlagen, weshalb es auch um meinen Kopf geht. Sie haben praktisch alle wichtigen Leute hier beeindruckt. Im Moment ist das alles hier sowieso mehr eine Formalität. Ich würde sagen, wenn Sie in den nächsten acht Wochen nichts gegen die Wand fahren oder abbrennen lassen, gehören Sie dazu.“

Er holte tief Luft und schien sich zu wappnen.

„Was uns zu dem Grund bringt, warum ich mit Ihnen sprechen wollte. Agent Bryers hier befindet sich in einer etwas prekären Lage und bräuchte eventuell Ihre Hilfe. Aber ich werde ihn das erklären lassen.“

Bryers schien sich der Sache immer noch nicht sicher zu sein. Das zeigte sich darin, dass er einige Sekunden verstreichen ließ, nachdem er seinen Kaffeebecher auf den Tisch gestellt hatte, bevor er anfing zu sprechen.

„Nun ja, wie Agent Ellington bereits gesagt hat, haben Sie die wirklich wichtigen Leute tatsächlich beeindruckt. In den vergangenen zwei Tagen habe ich Ihren Namen schon dreimal gehört.“

„In welchem Zusammenhang?“, wollte sie leicht nervös wissen.

„Ich arbeite gerade an einem Fall, der meinen Teampartner, mit dem ich nun schon seit dreizehn Jahre gemeinsam ermittle, aus dem Dienst treibt“, erklärte Bryers. „Er geht sowieso bald in den Ruhestand, weshalb das nicht sehr überraschend ist. Ich liebe den Kerl wie einen Bruder, aber er hat einfach genug. Er hat während seiner achtundzwanzig Jahre als Agent genug gesehen und will keine weiteren Alpträume, die ihm in den Ruhestand folgen. Das lässt natürlich eine Lücke frei, die ein neuer Partner füllen und der in seine Fußstapfen treten muss. Es wäre keine dauerhafte Zusammenarbeit – nur lange genug, um diesen aktuellen Fall hoffentlich zu lösen.“

Mackenzie spürte einen Stich Aufregung in ihrem Herzen und wusste, dass sie sich kontrollieren musste, bevor ihr Verlangen, sich zu beweisen, Überhand gewann. „Und in diesem Zusammenhang wurde mein Name genannt?“, vergewisserte sie sich.

„Das stimmt“, bestätigte ihr Bryers.

„Aber es gibt doch bestimmt genügend erfahrenere Agents, die diese Position besser füllen könnten als ich.“

„Es gibt vermutlich passendere Agents“, gab Ellington nüchtern zu. „Aber soweit wir das beurteilen können, ähnelt dieser Fall in vielen Punkten dem Fall des Vogelscheuchen-Mörders. Zudem denken viele Höhergestellte, dass der Fall perfekt für Sie ist, weil Ihr Name die Runde macht.“

„Aber ich bin doch noch gar kein Agent“, widersprach Mackenzie. „Ich meine, kann man bei so etwas wirklich noch acht Wochen warten?“

„Wir würden nicht warten“, sagte Ellington. „Und ohne hochnäsig klingen zu wollen, aber das FBI macht solche Angebote nicht gerade jedem. Eine Chance wie diese – nun ja, ich wette, dass jeder in Ihrer Klasse alles dafür tun würde. Es ist unglaublich unkonventionell und ein paar wichtige Leute scheinen die Sache auch aus dieser Perspektive zu sehen.“

„Es scheint mir nur…unethisch“, meinte Mackenzie.

„Das ist es auch“, stimmte ihr Ellington zu. „Auf gewisse Weise ist es technisch gesehen sogar illegal. Aber wir können die Ähnlichkeiten zwischen diesem Fall und dem, den Sie in Nebraska aufgeklärt haben, nicht ignorieren. Entweder, wir lassen Sie unbemerkt an dem Fall mitarbeiten, oder wir warten noch einmal drei bis vier Tage und hoffen, dass wir einen neuen Partner für Agent Bryers finden. Und Zeit ist von größter Bedeutung.“

Natürlich wollte sie die Chance ergreifen, aber es fühlte sich übereilt an, fast schon gehetzt.

„Kann ich ein wenig Bedenkzeit haben?“, fragte sie.

„Nein“, erwiderte Ellington. „Tatsächlich würde ich die den Fall betreffenden Unterlagen nach diesem Gespräch in Ihre Wohnung schicken lassen. Ich werde Ihnen ein paar Stunden geben, um sie sich anzuschauen und Sie dann heute Abend nach Ihrer Antwort fragen. Aber Mackenzie…ich rate Ihnen definitiv, diesen Fall anzunehmen.“

Sie wusste, dass sie es tun würde, aber sie wollte weder zu begierig noch zu anmaßend wirken. Außerdem setzte so langsam nun doch die Nervosität ein. Das war ihre große Chance. Und dass ihr ein so erfahrener Agent wie Bryers helfen wollte…nun ja, das war einfach unglaublich.

„Also“, begann Bryers, wobei er sich über den Tisch beugte und seine Stimme senkte. „Bis jetzt haben wir zwei Leichen, die auf derselben Mülldeponie gefunden wurden. Beide waren junge Frauen, die eine zweiundzwanzig, die andere neunzehn. Sie wurden nackt und mit Blutergüssen bedeckt gefunden. Das letzte Opfer zeigt zwar Spuren sexueller Misshandlung, jedoch keine Körperflüssigkeiten. Die Leichen tauchten in einem Abstand von etwa zweieinhalb Monaten auf, doch die Tatsache, dass beide auf derselben Müllhalde und mit der gleichen Art der Verletzungen gefunden wurden…“

„Das ist kein Zufall“, bemerkte Mackenzie, während sie darüber nachdachte.

„Nein, wahrscheinlich nicht“, erwiderte Bryers. „Nehmen wir also einmal an, dass das Ihr Fall wäre, dass sie ihn gerade erst zugeteilt bekommen hätten. Was würden Sie als erstes tun?“

Sie brauchte weniger als drei Sekunden, um eine Antwort zu finden. Als sie sie erklärte, spürte sie, wie sie in eine Art Zone rutschte – einem Gefühl, durch das sie wusste, dass sie Recht hatte. Wenn es je einen Zweifel gegeben hatte, dass sie diese Gelegenheit ablehnen könnte, dann wurde sie bei ihrer Antwort vernichtet.

„Ich würde bei der Mülldeponie beginnen“, sagte sie. „Ich würde mir die Gegend selber, mit meinen eigenen Augen anschauen wollen. Anschließend würde ich mit den Familienangehörigen sprechen. War eine der beiden verheiratet?“

„Die Zweiundzwanzigjährige“, sagte Ellington. „Sie war seit sechzehn Monaten verheiratet.“

„Dann ja“, erwiderte Mackenzie. „Ich würde bei der Mülldeponie anfangen und mich danach mit dem Ehemann unterhalten.“

Ellington und Bryers tauschten wieder einen wissenden Blick aus. Dann nickte Ellington und trommelte mit den Händen auf den Tisch. „Bist du dabei?“, wollte er wissen.

„Ja, ich bin dabei“, antwortete sie, unfähig, ihre Begeisterung noch länger zu kontrollieren.

„Gut“, sagte Bryers. Er griff in seine Tasche und schob ein paar Schlüssel über den Tisch. „Wir sollten keine Zeit verlieren. Lassen Sie uns anfangen.“




KAPITEL DREI


Als sie die Mülldeponie erreichten, war es 13:35 Uhr. Die dreißig Grad Celsius, die draußen herrschten, verschlimmerten den Gestank des Ortes, und die Fliegen brummten so laut, dass sie wie eine Art bizarre Musik klangen. Mackenzie war gefahren, während Bryers auf dem Beifahrersitz gesessen und sie über die Details des Falles informiert hatte.

Als sie aus dem Auto ausstiegen und sich den Müllbergen näherten, dachte Mackenzie, dass sie Bryers durchschaut hatte. Er war größtenteils ein Mann, der sich an Vorschriften hielt. Er kam nicht gerade aus sich heraus und sagte nur wenig, aber er war extrem nervös, dass sie mit ihm in demselben Auto fahren würde, obwohl seine Vorgesetzten dieser Sache mit verschlossenen Augen ihre Zustimmung gegeben hatten. All das konnte sie deutlich an seiner Körperhaltung und den flüchtigen Blicken, die er ihr zuwarf, erkennen.

Mackenzie ging langsam, während Bryers sich den großen, grünen Tonnen näherte. Er lief auf sie zu, als ob er hier arbeiten würde und sie musste sich daran erinnern, dass er bereits hier gewesen war. Er wusste, was ihn erwarten würde, was ihr das Gefühl gab, eine Anfängerin zu sein – was sie ja eigentlich auch war.

Sie ließ sich einen Moment Zeit, die Umgebung in sich aufzunehmen, denn sie hatte sich noch nie die Mühe gemacht, sich mit Mülldeponien zu beschäftigen. Der Bereich, in dem sie und Bryers sich zurzeit befanden – der Teil des Geländes, in dem Fahrzeuge erlaubt waren – war nichts weiter als eine Müllkippe. Er bestand aus sechs großen Metallcontainern, die nebeneinander aufgereiht waren, jeder von ihnen saß in einem Loch im Boden. Hinter den Müllgruben konnte sie einen Bereich sehen, an dem die Ausbeute auf LKWs geladen wurde. Um diese Gruben zu ermöglichen, in denen ein Großteil der Müllberge verschwand, war die gepflasterte Einfahrt und der Parkplatz wie ein Hügel geformt, auf dessen oberstem Punkt sie und Bryers nun standen, während die Straße durch die Mülldeponie und darüber hinaus führte und sich schlängelte, bis man am anderen Ende des Abladeplatzes wieder auf die Schnellstraße gelangte.

Mackenzie musterte den Boden. Dort, wo sie stand, gab es nichts außer zusammengedrücktem Dreck, der erst in Kiesel und dann auf der anderen Seite der großen Tonnen in Teer überging. Sie stand im dreckigen Bereich, auf dem Reifenspuren wie geisterhafte Abdrücke auf dem Boden zu sehen waren. Aufgrund der überkreuzten und verwischten Reifenabdrücke wäre es äußerst schwierig, eine verlässliche Spur zu identifizieren. In letzter Zeit war es trocken und heiß gewesen und es hatte zuletzt vor einer Woche geregnet, doch selbst das war nur ein leichtes Nieseln gewesen. Der trockene Boden würde die Sache noch zusätzlich erschweren.

Weil sie ahnte, dass es nahezu unmöglich war, nützliche Abdrücke aus dem Spurenchaos zu entnehmen, trat sie zu Bryers, der neben einer Müllgrube stand.

„Die Leiche wurde hier drinnen gefunden“, sagte Bryers. „Die Gerichtsmediziner haben bereits Blutproben und Fingerabdrücke des Opfers genommen. Sie hieß Susan Kellerman, war einundzwanzig Jahre alt, und kam aus Georgetown.“

Mackenzie nickte, doch schwieg. Als sie in die Grube schaute, verschoben sich ihre Prioritäten. Sie arbeitete jetzt direkt mit dem FBI zusammen, was ihr das Gefühl gab, ein paar Schritte zu überspringen. Sie würde ihre Zeit nicht damit verschwenden, etwas Offensichtliches zu suchen. Diejenigen, die vor ihr an dem Fall gearbeitet hatten – dazu gehörte wahrscheinlich auch Bryers – hatten diese Arbeit schon erledigt. Deshalb versuchte sich Mackenzie, auf das zu konzentrieren, was noch schleierhaft und womöglich übersehen worden war.

Nachdem sie sich die unmittelbare Umgebung etwa eine Minute lang angesehen hatte, war Mackenzie der Meinung, dass sie alles wusste, was es zu wissen gab. Bis jetzt war das allerdings nicht sonderlich viel.

„Sagen Sie mir“, forderte Bryers sie auf. „Was meinen Sie, warum der Mörder die Leichen hier ablegt? Welche Bedeutung hat das für ihn?“

„Ich glaube nicht, dass es reine Bequemlichkeit ist“, antwortete Mackenzie. „Ich denke, er versucht, auf Nummer sicher zu gehen. Er lässt die Leichen hier zurück, weil er sie loswerden will. Ich schätze auch, dass er in der Nähe lebt…nicht weiter als zwanzig oder dreißig Meilen entfernt. Ich glaube nicht, dass er so weit fahren würde, um eine Leiche loszuwerden…vor allem bei Nacht.“

„Warum bei Nacht?“, fragte Bryers.

Mackenzie wusste, dass er sie testete, aber das machte ihr nichts aus. Im Angesicht der unglaublichen Chance, die ihr gegeben worden war, hatte sie schon mit ein paar Sticheleien gerechnet.

„Weil es für ihn praktisch nur nachts möglich gewesen ist. Es wäre ziemlich dumm, hier bei Tageslicht eine Leiche abzulegen, wenn es nur so von Arbeitern wimmelt.“

„Dann denken Sie also, dass er schlau ist?“

„Nicht unbedingt. Er ist vorsichtig und sorgsam. Das ist nicht das Gleiche wie schlau.“

„Ich habe bemerkt, dass Sie sich nach Reifenabdrücken umgesehen haben“, meinte er. „Das haben wir bereits versucht und nichts gefunden. Es gibt einfach zu viele von ihnen.“

„Ja, das wäre schwierig“, entgegnete sie. „Wie gesagt, der Körper muss außerhalb der Betriebszeiten hier abgelegt worden sein. Ist das auch Ihre Annahme?“

„Ja, das ist sie.“

„Dann gibt es also keine brauchbaren Abdrücke“, fasste Mackenzie noch einmal zusammen.

Er lächelte sie an. „Das stimmt“, meinte er. „Zumindest keine Reifenabdrücke. Aber Fußabdrücke vielleicht. Nicht, dass das von Bedeutung wäre, es gibt einfach zu viele von ihnen.“

Mackenzie nickte und fühlte sich dumm, solch offensichtliche Fakten übersehen zu haben. Aber jetzt gerade brachte sie das auf einen neuen Gedanken.

„Nun ja, er wird die Leiche wohl kaum über der Schulter getragen haben“, bemerkte Mackenzie. „Seine Reifenabdrücke müssen irgendwo sein. Nicht hier, aber vielleicht direkt vor dem Tor. Wir könnten dann versuchen, die Abdrücke, die vor dem Tor aufhören, mit denen hier zu vergleichen. Wir könnten sogar direkt am Rand des Zaunes nachschauen, ob es irgendwelche Hinweise gibt, wo er den Körper möglicherweise hinübergeworfen hat.“

„Das ist ein guter Gedanke“, entgegnete Bryers offensichtlich amüsiert. „Dieses Detail haben die Leute der Spurensicherung erkannt, ich jedoch übersehen. Aber ja, Sie haben Recht. Er hätte sein Auto vor dem Tor abstellen müssen. Dann denken Sie also, dass die Spur, die vor dem Tor aufhört und dann wieder in die entgegengesetzte Richtung davonfährt, von unserem Täter stammen könnte.“

„Das könnte sein“, antwortete Mackenzie.

„Sie denken schon in die richtige Richtung, haben allerdings noch nichts Neues entdeckt. Was haben Sie sonst noch drauf?“

Er war nicht unhöflich oder respektlos, das erkannte sie schon an seinem Ton. Er wollte sie einfach nur anstacheln und zum Weitermachen motivieren.

„Wissen wir, wie viele Fahrzeuge jeden Tag hier durchfahren?“

„Ungefähr eintausendeinhundert oder so“, antwortete Bryers. „Trotzdem, wenn wir die Abdrücke abgleichen, die sich dem Tor nähern und dann einfach aufhören…“

„Es wäre ein Anfang.“

„Das hoffen wir“, meinte Bryers. „Seit gestern Nachmittag arbeitet ein Team daran, doch bis jetzt haben wir immer noch keine neuen Spuren.“

„Ich könnte mich einmal umschauen, wenn Sie möchten“, bot sich Mackenzie an.

„Das wäre viel zu anstrengend“, widersprach Bryers. „Sie arbeiten jetzt mit dem FBI, Ms. White. Überanstrengen Sie sich nicht, wenn es ein anderes Team gibt, das sich mit der Sache besser auskennt.“

Mackenzie schaute zurück in die Grube und versuchte, in dem Berg aus zusammengepresstem Müll die Lösung zu finden. Eine junge Frau war hier vor kurzem nackt und mit leichten Hämatomen gelegen. Sie war an demselben Ort abgelegt worden, an dem die Menschen ihren Müll sowie Dinge entsorgten, die sie nicht mehr brauchten. Vielleicht dachte der Mörder, dass die Frauen, die er umgebracht hatte, nicht mehr Wert waren als gewöhnlicher Hausmüll.

Sie wünschte sich fast, hier gewesen zu sein, als Bryers und sein bald in den Ruhestand gehender Freund angekommen waren. Vielleicht hätte sie dann mehr Ansatzpunkte. Vielleicht könnte sie Bryers dann dabei helfen, einen Verdächtigen ausfindig zu machen. Aber für jetzt hatte sie fürs Erste ihr Können recht schnell bewiesen, da ihr die Situation mit den Reifenabdrücken aufgefallen war.

Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah, dass er still dastand und zum Tor schaute. Zuerst betrachtete sie ebenfalls das Tor, durch das die Autos hindurch fuhren, dann wandte sie ihren Blick nach links. Als sie die untere Stelle des Zaunes musterte, schoss ihr ein weiterer Gedanke durch den Kopf.

Er hatte über den Zaun klettern müssen, dachte die.

Dann begann sie damit, den Zaun absuchen, obwohl sie sich nicht sicher war, was sie eigentlich zu finden hoffte. Vielleicht Dreck, der nicht dort sein sollte, oder Stofffasern an dem Zaungitter. Wenn sie etwas fand, musste das zwar nicht unbedingt etwas mit dem Fall zu tun haben, aber immerhin wäre es ein Anfang.

Sie brauchte weniger als zwei Minuten, bis sie auf etwas stieß, dass ihre Aufmerksamkeit erregte. Es war so winzig, dass sie es fast übersehen hätte. Aber als sie näher herantrat, sah sie, dass es hilfreicher sein könnte, als gedacht.

Etwa eineinhalb Meter auf der linken Seite neben dem Eingangstor hing eine weiße Stofffaser an einem der diamantförmigen Maschen des Zaunes. Das Stück Stoff selber würde wahrscheinlich keine Ergebnisse liefern, aber immerhin zeigte es ihnen eine Stelle, an der es sich lohnen würde, nach Fingerabdrücken zu suchen.

„Agent Bryers?“, sagte sie.

Er trat langsam an sie heran, als ob er nichts Besonderes erwarten würde. Als er näherkam, hörte sie ihn einen brummenden Laut ausstoßen, während er das Stück Stoff musterte.

„Gute Arbeit, Ms. White“, lobte er.

„Bitte, nennen Sie mich Mackenzie“, bestand sie. „Oder Mac, wenn Sie abenteuerlustig sind.“

„Was denken Sie ist das?“, fragte er sie.

„Wahrscheinlich gar nichts. Aber vielleicht gehört der Stoffrest zu jemandem, der vor kurzem über den Zaun geklettert ist. Das Stück selbst mag vielleicht nutzlos sein, aber es zeigt uns zumindest, auf welchen Bereich wir die Suche nach Fingerabdrücken konzentrieren sollten.“

„Im Wagen gibt es ein kleines Beweismittel-Set. Könnten Sie es bitte holen, während ich Bescheid sage?“

„Natürlich“, erwiderte sie und ging zum Auto zurück.

Als sie wieder zurückkehrte, beendete er gerade das Telefonat. Bei Bryers schien alles schnell und effizient zu sein. Das war eines der Dinge, die sie schon an ihm schätzte.

„Okay, Mac“, begann er. „Lassen Sie uns jetzt auf die Spur konzentrieren, auf die Sie zuerst gekommen sind. Der Ehemann des Opfers lebt etwa zwanzig Minuten von hier entfernt. Haben Sie Lust, ihm einen Besuch abzustatten?“

„Definitiv“, entgegnete Mackenzie.

Sie gingen zurück zum Auto und verließen die immer noch geschlossene Müllkippe. Über ihren Köpfen erfüllte ein Schwarm Aasfresser seine Aufgabe gewissenhaft, indem er das Drama mit gefühllosen Augen beobachtete.



***



Caleb Kellerman hatte bereits zwei Polizisten zu Besuch, als Mackenzie und Bryers an seinem Haus ankamen. Er lebte am Rande von Georgetown in einem kleinen zweistöckigen Haus, das perfekt als erstes gemeinsames Heim diente. Der Gedanke daran, dass die Kellermans gerade einmal etwas länger als ein Jahr miteinander verheiratet gewesen waren, als seine Frau umgebracht worden war, erweckte in Mackenzie Mitleid für den Mann, aber gleichzeitig auch Wut über das, was geschehen war.

Das erste gemeinsame Heim, das nie die Chance gehabt hatte, zu sehen, was die Zukunft bringen würde, dachte Mackenzie, als sie eintraten. Wie unglaublich traurig.

Sie gingen zur Tür hinein, wobei sie direkt in einen kleinen Eingangsbereich kamen, der ins Wohnzimmer führte. Mackenzie spürte die aufkommende Einsamkeit und Stille, die in den meisten Wohnungen kurz nach einem Todesfall herrschten. Sie hoffte, dass sie sich irgendwann daran gewöhnen würde, doch es fiel ihr schwer zu glauben, dass das jemals geschehen könnte.

Bryers erteilte den Polizisten draußen Befehle und diese schienen erleichtert zu sein, dass er sich nun um die Sache kümmerte. Während die beiden davon gingen, betraten Bryers und Mackenzie das Wohnzimmer. Sie sah, dass Caleb Kellermann unglaublich jung aussah, mit seinem glatt rasierten Gesicht, dem T-Shirt, auf dem die Band Five Finger Death Punch abgebildet war, und der weiten kurzen Hose im Tarnmuster könnte er durchaus für achtzehn durchgehen. Mackenzie ließ sich jedoch nicht von seinem Aussehen ablenken, sondern konzentrierte sich stattdessen auf die unbeschreibliche Trauer, die auf dem Gesicht des jungen Mannes lag.

Er schaute zu ihnen auf und wartete darauf, dass einer von ihnen sprach. Mackenzie bemerkte, dass Bryers ihr den Vortritt ließ, indem er kaum merklich in Caleb Kellermans Richtung nickte. Sie trat vor, obwohl sie große Angst hatte und sich doch zugleich geschmeichelt fühlte, dass eine so große Verantwortung übertragen worden war. Entweder hatte Bryers eine hohe Meinung von ihr oder er wollte, dass sie sich unbehaglich fühlte.

„Mr. Kellerman, ich bin Agent White und das ist Agent Bryers.“ An dieser Stelle zögerte sie einen Moment. Hatte sie sich gerade tatsächlich Agent White genannt? Das hörte sich wirklich gut an. Schnell machte sie weiter. „Ich weiß, dass Sie gerade mit einem Verlust zu kämpfen haben und werde auch gar nicht vorgeben, zu verstehen, wie Sie sich fühlen“, begann sie. Dabei sprach sie mit weicher, warmer aber auch fester Stimme weiter: „Aber um denjenigen zu finden, der das getan hat, müssen wir Ihnen ein paar Fragen stellen. Sind Sie dazu in der Lage?“

Caleb Kellerman nickte. „Ich werde alles dafür tun, dass der Mann, der ihr das angetan hat, gefunden wird“, sagte er. „Ich werde alles tun.“

In seiner Stimme lag eine Wut, die Mackenzie hoffen ließ, dass Caleb in den kommenden Tagen eine Art Therapie bekam. In seinen Augen lag etwas Verstörtes.

„Nun, zu allererst muss ich wissen, ob Susan irgendwelche Feinde hatte…zum Beispiel einen Rivalen.“

„Ein paar Mädchen, mit denen sie auf der High School war, machten sie auf Facebook dumm an“, entgegnete Caleb. „Aber es ging hauptsächlich um Politik. Und außerdem würde keine der jungen Frauen so etwas machen. Es waren einfach nur beleidigende Streitereien.“

„Und was ist mit ihrer Arbeit?“, fragte Mackenzie. „Hatte sie ihr gefallen?“

Caleb zuckte mit den Schultern. Er lehnte sich zurück und versuchte, sich zu entspannen. Jedoch schien der finstere Ausdruck auf seinem Gesicht festgefroren zu sein. „Sie mochte ihre Arbeit genauso gerne wie jede andere Frau, die studiert hat, und anschließend einen Job bekommt, der gar nichts mit ihrem Abschluss zu tun hat. Es zahlte die Rechnungen und die Boni waren manchmal echt gut. Allerdings waren die Arbeitszeiten schlecht.“

„Wussten Sie, mit welchen Menschen sie zusammenarbeitete?“, wollte Mackenzie wissen.

„Nein. Sie hat mir zwar Geschichten von ihnen erzählt, aber das war alles.“

Nun schaltete sich Bryers wieder ein. Seine Stimme klang in der Stille des Hauses ganz anders, als ob er mit Absicht eine düstere Tonlage verwendete. „Sie war Verkäuferin, nicht wahr? Für ein Selbstoptimierungsunternehmen?“

„Ja. Ich habe der Polizei schon die Nummer ihres Vorgesetzten gegeben.“

„Mitarbeiter des FBI sprechen gerade schon mit ihm“, bestätigte Bryers.

„Das spielt keine Rolle“, entgegnete Caleb. „Keiner ihrer Kollegen hat sie getötet. Das kann ich garantieren. Ich weiß, dass es sich dumm anhört, aber ich habe es im Gefühl. Jeder auf ihrer Arbeit ist nett…sie alle befinden sich in der gleichen Situation wie wir, sie müssen ihre Rechnungen zahlen und versuchen, durch den Monat zu kommen. Es sind ehrliche Leute, wissen Sie?“

Einen Moment lang sah es so aus, als ob er gleich anfangen würde zu weinen. Er versuchte sich zu beherrschen und schaute zu Boden, während er sich sammelte, dann schaute er wieder auf. Die Tränen, die er zuvor kaum hatte unterdrücken können, flossen ihm nun aus den Augenwinkeln.

„Okay, was wäre Ihrer Meinung nach dann die richtige Spur?“, fragte Bryers.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Caleb. „Sie hatte ein Blatt, auf dem alle Kunden standen, die sie an jenem Tag besuchen wollte, aber es ist unauffindbar. Die Polizisten meinten, dass er Mörder es wahrscheinlich genommen und vernichtet hat.“

„Das kann gut sein“, sagte Mackenzie.

„Ich kann es immer noch nicht glauben“, meinte Caleb. „Es fühlt sich gar nicht echt an. Ich warte darauf, dass sie jeden Moment zur Tür hereinkommt. Der Tag, an dem sie starb…er fing genauso an wie jeder andere. Sie küsste mich auf die Wange, während ich mich für die Arbeit fertig machte, und verabschiedete sich von mir. Sie ging zur Bushaltestelle und das war es. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.“

Mackenzie bemerkte, dass Caleb am Rande eines Nervenzusammenbruches stand, und auch wenn es ihr falsch erschien, musste sie ihm dennoch eine letzte Frage stellen, bevor er komplett zusammenbrach.

„Bushaltestelle?“, bohrte sie nach.

„Ja, sie fuhr jeden Tag mit dem Bus ins Büro, sie nahm den Bus um zwanzig nach acht, um rechtzeitig auf die Arbeit zu kommen. Unser Auto ging vor zwei Monaten kaputt.“

„Wo ist diese Bushaltestelle?“, wollte Bryers wissen.

„Zwei Straßen von hier“, antwortete Caleb. „Es ist so eine kleine Überdachung.“ Dann schaute er Mackenzie und White an, plötzlich blühte in seinen Augen unter dem Schmerz und dem Hass auch Hoffnung auf. „Warum? Glauben Sie, dass es wichtig ist?“

„Das können wir nicht mit Sicherheit sagen“, entgegnete Mackenzie. „Aber wir werden Sie auf dem Laufenden halten. Vielen Dank für ihre Zeit.“

„Natürlich“, erwiderte Caleb. „Hey…Leute?“

„Ja?“, sagte Mackenzie.

„Es ist jetzt schon länger als drei Tage her, nicht wahr? Drei Tage, seitdem ich sie zum letzten Mal gesehen habe, und fast zwei ganze Tage, seitdem ihr Leichnam gefunden wurde.“

„Das stimmt“, bestätigte Bryers.

„Dann ist es also zu spät? Wird dieser Bastard davonkommen?“

„Nein“, entgegnete Mackenzie. Das Wort war ihr aus dem Mund gerutscht, bevor sie es aufhalten konnte, und sie wusste sofort, dass sie sich gerade ihren ersten Fehler in Bryers Gegenwart geleistet hatte.

„Wir geben unser Bestes“, versicherte ihm dieser, während er seine Hand sanft aber bestimmt auf Mackenzies Schulter legte. „Bitte rufen Sie uns an, wenn Ihnen noch etwas Nützliches einfällt.“

Mit diesen Worten gingen sie hinaus. Mackenzie überlief ein Schauder, als sie hörte, wie Caleb weinend zusammenbrach, noch bevor sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.

Das Geräusch löste etwas in ihr aus…etwas, das sie an ihr Zuhause erinnerte. Das letzte Mal, als sie so etwas verspürt hatte, war der Moment, in dem sie in Nebraska vollkommen in die Aufgabe, den Vogelscheuchen-Mörder zu fassen, eingetaucht war. Nun, als sie die Stufen vor Caleb Kellermans Haus hinabging, spürte sie dieses alleinnehmende Bedürfnis wieder, und so langsam wurde ihr klar, dass sie nicht stillstehen würde, bis sie diesen Mörder gefasst hatte.




KAPITEL VIER


„So etwas dürfen Sie nicht tun“, sagte Bryers, sobald sie wieder im Auto saßen, diesmal war er hinter dem Steuer.

„Was darf ich nicht tun?“

Er seufzte und versuchte, ernst statt tadelnd zu wirken. „Ich weiß, dass Sie vermutlich noch nie in einer solchen Situation gewesen sind, aber Sie dürfen der Familie eines Opfers nicht versprechen, dass der Täter nicht davonkommen wird. Sie dürfen Ihnen keine Hoffnung machen, wenn es keine gibt. Verdammt, selbst wenn es eine Hoffnung gibt, dürfen Sie so etwas nicht sagen.“

„Ich weiß“, erwiderte sie enttäuscht. „Das wurde mir in demselben Moment klar, in dem das Wort meinen Mund verließ. Es tut mir leid.“

„Kein Grund, sich zu entschuldigen. Versuchen Sie einfach, einen kühlen Kopf zu bewahren, Verstanden?“

„Verstanden.“

Weil Bryers sich in der Stadt besser auskannte als Mackenzie, fuhr er zu der Zentrale der Öffentlichen Verkehrsmittel. Er fuhr schnell und bat Mackenzie, schon einmal dort anzurufen, damit sie sofort mit jemandem sprechen konnten, der wusste, worum es ging und der die Sache schnell abwickelte. Es war zwar eine einfache Methode, aber trotzdem war Mackenzie von ihrer Effizienz überrascht. Es war auf jeden Fall Welten von dem entfernt, was sie in Nebraska erlebt hatte.

Während der halbstündigen Fahrt unterhielt sich Bryers mit ihr. Er wollte alles über ihre Zeit auf der Polizeiwache in Nebraska wissen, vor allem über den Fall des Vogelscheuchen-Mörders. Er fragte sie nach dem College und wofür sie sich interessierte. Sie erzählte ihm gerne oberflächliche Informationen, doch sie gab nicht zu viel von sich Preis – wahrscheinlich, weil er auch nichts von sich erzählte.

Bryers schien sogar sehr reserviert zu sein. Als Mackenzie ihn nach seiner Familie fragte, behielt er seine Antworten so allgemein wie möglich, ohne unhöflich zu sein. „Ich habe eine Frau, zwei Söhne, die auf dem College sind, und ein Hund, der ein Bein verloren hat.“

Nun ja, dachte Mackenzie. Es ist immerhin unser erster Tag zusammen und er kennt mich überhaupt nicht – alles, was er über mich weiß, stammt aus sechs Monate alten Zeitungsberichten und meiner Akte in der Akademie. Ich kann es ihm nicht verübeln, dass er sich mir noch nicht öffnet.

Als sie an der Zentrale der Öffentlichen Verkehrsmittel ankamen, hatte Mackenzie war immer noch eine gute Meinung von dem älteren Agenten, doch es lag eine Spannung zwischen ihnen, die sie nicht fassen konnte. Vielleicht spürte er sie nicht, vielleicht ging es nur ihr so. Die Tatsache, dass er praktisch all ihre Fragen über seine Arbeit abgewehrt hatte, gab ihr ein ungutes Gefühl. Es erinnerte sie auch schnell wieder daran, dass das hier eigentlich noch gar nicht ihre Arbeit war. Sie machte das nur als Gefallen für Ellington, es war sozusagen ein Test, um zu sehen, wie sie sich anstellte.

Ein weiterer Grund für ihre Mitarbeit waren irgendwelche mysteriöse Gespräche in Hinterkammern, in denen die hohen Tiere mit ihr ein Risiko eingingen. Dieses war jedoch nicht nur für sie hoch, sondern auch für die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete – und dazu gehörten auch Bryers und Ellington.

Die Zentrale der Öffentlichen Verkehrsmittel befand sich in einem Gebäude, in dem noch etwa zehn weitere Behörden untergebracht waren. Mackenzie folgte Agent Bryers so gut es ging durch die Flure. Er lief schnell, wobei er hin und wieder jemandem zunickte, so als ob er sich hier auskennen würde. Ein paar Menschen schienen ihn zu erkennen, denn sie warfen ihm ein schnelles Lächeln zu und winkten vereinzelt. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen, weshalb die Menschen hektisch ihre Arbeit erledigten und auf fünf Uhr warteten.

Als sie vor dem Teil des Gebäudes stehen blieben, das sie suchten, erlaubte es sich Mackenzie, den Moment zu genießen. Vor gerade einmal vier Stunden hatte sie McClarrens Vorlesung verlassen und nun steckte sie plötzlich bis zum Hals in einem Mordfall zusammen mit einem sehr gut ausgebildeten Agenten, der bei seiner Arbeit verdammt gut war.

Am Empfangsschalter beugte sich Bryers leicht nach vorne und beäugte die junge Frau, die direkt vor ihm hinter einem Schreibtisch saß. „Wir haben wegen dem Busfahrplan angerufen“, erklärte er ihr. „Agenten White und Bryers.“

„Oh, ja“, erwiderte die Rezeptionistin. „Sie werden mit Mrs. Percell sprechen. Sie ist draußen in der Buswerkstatt. Sie müssen bis zum Ende des Flures, dann die Treppe hinunter und hinausgehen.“

Sie folgten den Anweisungen und verließen das Gebäude zum Hinterausgang, wo Mackenzie bereits das Brummen der Motoren und der Maschinerie hören konnte. Das Gebäude war so konstruiert, dass der Lärm in den geschäftigeren und schöneren Bereichen nicht auffiel, hier draußen hörte es sich jedoch fast wie in einer Autowerkstatt an.

„Wenn wir diese Mrs. Percell treffen“, sagte Bryers. „Möchte ich, dass Sie die Führung übernehmen.“

„Okay“, erwiderte Mackenzie, die immer noch das Gefühl hatte, gerade mitten in einer seltsamen Prüfung zu stecken.

Sie gingen die Stufen hinab und folgten einem Schild, auf dem Werkstatt / Busparkplatz stand. Am Ende der Treppe führte ein schmaler Flur in ein kleines offenes Büro. Dort stand ein Mann in Mechanikerkleidung hinter einem antiquierten Computer und tippte vor sich hin. Durch ein großes Fenster konnte Mackenzie in die riesige Werkstatt schauen, in der mehrere Busse standen und gewartet wurden. Während sie zusah, öffnete sich eine Tür im hinteren Bereich des Büros und eine fröhlich aussehende, übergewichtige Frau kam aus der Werkstatt herein.

„Sind Sie die Leute vom FBI?“

„Ja, die sind wir“, antwortete Mackenzie. Neben ihr holte Bryers seine Polizeimarke heraus – wahrscheinlich, weil sie keine hatte, die sie vorzeigen konnte. Percell gab sich damit zufrieden und schoss sofort los.

„Soweit ich weiß, haben Sie Fragen über die Busfahrpläne und die Schichten der Fahrer“, sagte sie.

„Das stimmt“, erwiderte Mackenzie. „Wir hoffen, herauszufinden, wo ein bestimmter Bus vor drei Tagen angehalten und, wenn möglich, wer ihn gefahren hat.“

„Natürlich“, meinte die Frau. Sie ging zu dem kleinen Schreibtisch, an dem der Mechaniker tippte, und stupste ihn spielerisch an. „Doug, lass mich mal ran, ja?“

„Aber gerne doch“, entgegnete dieser mit einem Lächeln. Er trat vom Schreibtisch weg und ging in die Werkstatt, während sich Mrs. Percell hinter den Computer setzte. Sie drückte ein paar Tasten und schaute dann stolz zu ihnen auf, offenbar froh, dass sie helfen konnte.

„Um welche Bushaltestelle geht es?“

„Die an der Ecke zwischen Carlton und Queen Street“, sagte Mackenzie.

„Um welche Zeit ist die Person eingestiegen?“

„Um zwanzig nach acht Uhr morgens.“

Mrs. Percell tippte die Informationen schnell ein und überflog den Bildschirm für einen Moment, bevor sie antwortete: „Das war die Nummer 2021, gefahren von Michael Garmond. Der Bus hält dreimal an, bevor er um viertel vor zehn zu derselben Bushaltstelle zurückkehrt.“

„Wir müssen mit Mr. Garmond sprechen“, sagte Mackenzie. „Könnten wir bitte seine Kontaktdaten bekommen?“

„Sogar noch viel besser“, erwiderte Mrs. Percell. „Michael ist gerade in der Werkstatt und macht für heute Feierabend. Lassen Sie mich nachschauen, ob ich ihn noch erwische.“

„Danke“, entgegnete Mackenzie.

Mrs. Percell huschte durch die Tür zur Werkstatt mit einer Geschwindigkeit, die nicht zu ihrem Umfang passte. Mackenzie und Bryers beobachteten, wie sie auf der Suche nach Michael Garmond erfahrenen Schrittes durch die Werkstatt ging.

„Wenn nur jeder dem FBI so gerne helfen würde“, bemerkte Bryers grinsend. „Vertrauen Sie mir…gewöhnen Sie sich nicht daran.“

In weniger als einer Minute kehrte Mrs. Percell gefolgt von einem älteren, afroamerikanischen Mann zurück. Er schaute müde aus, aber genau wie Mrs. Percell schien er sich darüber zu freuen, helfen zu können.

„Hi Leute“, sagte er mit einem müden Lächeln. „Wie kann ich euch helfen?“

„Wir brauchen Informationen über eine Frau, die vor drei Tagen um zwanzig vor acht Uhr morgens an der Ecke Carlton und Queen Street in Ihren Bus gestiegen ist“, erklärte Mackenzie. „Glauben Sie, Sie können uns weiterhelfen?“

„Wahrscheinlich“, erwiderte Michael. „Morgens steigen dort nicht gerade viele Menschen ein. Es sind nie mehr als vier oder fünf.“

Bryers holte sein Handy hervor und tippte ein wenig darauf herum, bis er das Foto von Susan Kellerman fand. „Das ist sie“, sagte er. „Kommt sie Ihnen bekannt vor?“

„Ja, auf jeden Fall“, antwortete Michael, obwohl er in Mackenzies Ohren ein wenig zu aufgeregt klang. „Süßes Mädchen. Sie ist immer sehr nett.“

„Wissen Sie noch, wo sie vor drei Tagen ausgestiegen ist?“

„Na klar“, erwiderte Michael. „Ich dachte mir schon, dass das seltsam ist, weil sie seit etwa zwei Wochen jeden Morgen an einer anderen Bushaltestelle ausgestiegen ist. Ich habe mich einmal ein wenig mit ihr unterhalten und herausgefunden, dass sie von der Bushaltestelle, an der sie normalerweise immer ausstieg, zwei Blocks zu dem Büro laufen muss, in dem sie arbeitet. Aber vor drei Tagen stieg sie am Bahnhof aus. Ich sah, wie sie in einen anderen Bus einstieg und hatte gehofft, dass sie vielleicht einen besseren Job oder so bekommen hatte, weshalb sie eine andere Route nahm.“

„Wo war das?“, fragte Mackenzie nach.

„Dupont Circle.“

„Um wie viel Uhr stieg sie dort etwa aus?“

„Wahrscheinlich um viertel vor neun oder so“, antwortete Michael. „Auf keinen Fall später als neun.“

„Das können wir überprüfen“, sagte Mrs. Percell.

„Das wäre großartig“, warf Bryers ein.

Mrs. Percell ging zurück zu dem kleinen, schmuddeligen Schreibtisch, während Michael die Agenten mit tristem Gesichtsausdruck anschaute. „Ist ihr etwas Schlimmes zugestoßen?“, wollte er wissen.

„Ja“, erwiderte Mackenzie. „Es wäre also großartig, wenn Sie uns etwas über die Frau an diesem Morgen erzählen könnten.“

„Nun ja, sie hatte eine Art Aktenkoffer bei sich, so eine, wie Verkäufer sie manchmal mit sich herumtragen. Es war keine Aktentasche, sondern ein echter Koffer, verstehen Sie? Sie lebte von dem Verkauf – zum Beispiel von Gesundheits-Ergänzungsstoffen und solchen Dingen. Ich schätze, dass sie auf dem Weg zu einem Kunden war.“

„Wissen Sie, in welchen Bus sie anschließend stieg?“, fragte Mackenzie.

„Also, ich kann mich nicht mehr an die Nummer des Buses erinnern, aber ich weiß noch, dass in der Windschutzscheibe Black Mill Street als Ziel angegeben war. Das kam mir sehr verdächtig vor…warum sollte ein hübsches, kleines Ding wie sie in so einen Stadtteil fahren?“

„Und warum genau ist das so ungewöhnlich?“

„Nun ja, das Viertel an sich ist ganz in Ordnung. Die Häuser sind nicht allzu schlecht und ich glaube, die meisten Bewohner sind anständige Leute. Aber es ist einer der Orte, an denen keine Menschen herumhängen und Geschäfte machen. Als ich vor sechs Jahren für diesen Job ausgebildet wurde, bekamen alle Fahrer gesagt, in welchen Gegenden man nach Gefahren Ausschau halten sollte. Black Mill Street gehörte dazu.“

Mackenzie nahm all diese Informationen in sich auf und erkannte, dass sie alle wertvollen Details aus Michael Garmond herausgeholt hatten. Sie wollte vor Bryers effizient erscheinen, aber sie wollte ihm auch nicht den Eindruck vermitteln, dass sie die Zeit mit Unwichtigkeiten vergeudete.

„Vielen Dank, Mr. Garmond“, sagte Mackenzie.

Vom Schreibtisch her fügte Mrs. Percell hinzu. „Der Bus hielt am Dupont Circle um acht Uhr fünfundvierzig an.“

Als sie sich umdrehten und hinausgingen, schwiegen beide, bis sie wieder auf der Treppe waren. Als sie diese hinaufstiegen, brach Bryers die Stille.

„Wie lange sind Sie schon in Quantico?“, wollte er wissen.

„Elf Wochen.“

„Dann kennen Sie sich also noch nicht mit den Randgebieten der Stadt aus, hm?“

„Nein.“

„Sie waren noch nie in der Black Mill Street?“

„Nein, dort war ich noch nicht“, bestätigte Mackenzie.

„Dann haben Sie auch nicht viel verpasst. Aber hey, vielleicht müssen wir ja gar nicht so weit gehen. Fangen wir am Dupont Circle an und sehen uns um. Vielleicht entdecken wir ja etwas auf den Videokameras.“

„Jetzt?“

„Ja, jetzt“, beschloss Bryers. In seiner Stimme lag ein Hauch Verärgerung, das erste Anzeichen, dass er so langsam die Nase voll hatte, egal, wie vielversprechend sie war. „Wenn ein Mörder frei herumläuft, können wir uns nicht an geregelte Arbeitszeiten halten.“

Ihr lagen zwar mehrere Antworten auf der Zunge, doch sie beherrschte sich. Er hatte ja sowieso Recht. Wenn sie bei der quälenden Suche nach dem Vogelscheuchen-Mörder etwas gelernt hatte, dann war es die Tatsache, dass bei der Jagd nach einem Mörder, dessen Vorgehensweise unbekannt war, jede Minute zählte.




KAPITEL FÜNF


Als Mackenzie und Bryers am Dupont Circle Bahnhof ankamen, begann die Hektik

der Fünf-Uhr-Stoßzeit gerade abzuflauen. Ihre Unterhaltung auf dem Weg hierher war wieder einmal sehr oberflächlich gewesen, da Bryers nichts von sich preisgab, sondern es stattdessen vorzog zu schweigen. Als sie aus dem Auto stiegen und zum Bahnhof liefen, fühlte sich Mackenzie zum ersten Mal wirklich unwohl. Sie glaubte zwar nicht, dass er sie bereits nicht mehr mochte, aber er war wahrscheinlich von dem Plan, den er und Ellington sich ausgedacht hatten, nicht mehr überzeugt.

Bryers brach endlich die Stille, als sie den Bahnhof betraten. Er stellte sich an die Tür und beobachtete, wie die vielen Menschen durch das Gebäude gingen.

„Kennen Sie sich hier aus?“, fragte er.

„Nein“, antwortete Mackenzie. „Ich benutze immer die Union Station.“

Bryers zuckte mit den Schultern. „Es ist egal, an welchem Bahnhof man ist, es gibt immer eine Ecke, die ein bisschen schäbiger ist als der Rest. Das Schwierige an der Sache ist, dass diese Stelle immer gut versteckt ist.“

„Dann denken Sie also, dass sie auf dem Heimweg entführt wurde? Sie denken, dass sie von jemandem geschnappt wurde, als sie den Bus wechselte?“

„Es ist eine Möglichkeit. Was denken Sie denn?“

„Ich denke, wir sollten die Black Mill Street überprüfen. Sie selbst und der Busfahrer haben gesagt, dass diese Straße keine gute Gegend ist.“

„Und wir werden dort wahrscheinlich auch hingehen“, meinte Bryers. „Aber ich folge hier meinem Bauchgefühl. Wenn man in dieser Stadt lange genug gearbeitet hat, entwickelt man bei bestimmten Dingen eine Intuition.“

Seine mysteriöse Art zu reden war nervig, aber ihr wurde klar, dass sie auch etwas lernen konnte, wenn sie einfach nur den Mund hielt und zusah. Nachdem sie eine Minute lang herumgestanden und die Menschenmenge angeschaut hatten, bewegte sich Bryers langsam vorwärts und bedeutete Mackenzie, ihm zu folgen. Sie blieb ihm dicht auf den Fersen, jedoch nicht so dicht, dass sie ihn eingeengt hätte. Er ging lässig durch die Menschen, als ob er aus keinem bestimmten Grund hier wäre. Dabei verschwand er so gut in der Menge, dass nur jemand, der sehr genau hinschaute, annehmen würde, dass er zur Polizei gehörte.

Sie bahnten sich ihren Weg durch das Gedränge und gingen zu der Stelle, an der sechs Busse warteten. Aus zwei von ihnen stiegen gerade ein paar Fahrgäste aus, während andere Busse auf neue Fahrgäste warteten. Als näherkamen, schaute sich Mackenzie die Zieltafeln über den Windschutzscheiben an. Soweit sie sagen konnte, hielten all diese Busse als nächstes innerhalb der Altstadt oder in Georgetown.





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Von Blake Pierce, der Bestsellerautorin von VERSCHWUNDEN (einem #1 Bestseller mit mehr als 600 Fünf-Sterne-Bewertungen), erscheint nun Buch #2 einer spannenden neuen Krimireihe. In BEVOR ER SIEHT (ein Mackenzie White Krimi – Buch 2), kämpft die in der Ausbildung zu FBI Agentin steckende Mackenzie White darum, sich in der FBI Academy in Quantico einen Namen zu machen und sich gleichzeitig sowohl als Frau als auch als Neuankömmling aus Nebraska zu beweisen. In der Hoffnung, dass sie das Zeug dazu hat, eine FBI Agentin zu werden, und ihr Leben im Mittleren Wesen für immer hinter sich zu lassen, will Mackenzie sich zurückhalten und ihre Vorgesetzten beeindrucken. Aber alles ändert sich, als die Leiche einer Frau in einer Mülltonne gefunden wird. Der Mord hat große Ähnlichkeit mit dem Fall des Vogelscheuchen-Mörders, durch den Mackenzie in Nebraska berühmt wurde. Im hektischen Kampf gegen die Zeit, um einen neuen Serienkiller zu stoppen, beschließt das FBI, sein Protokoll zu brechen und Mackenzie den Fall zu übertragen. Für Mackenzie ist es ihre Chance, das FBI zu beeindrucken, doch die Erwartungen waren noch nie so hoch. Nicht jeder will, dass sie den Fall leitet, und alles, was sie in Angriff nimmt, scheint schief zu gehen. Als der Druck am höchsten ist und der Mörder wieder zuschlägt, findet sich Mackenzie alleine in einem Heer erfahrener Agenten, und schon bald erkennt sie, dass sie bereits viel zu tief in der ganzen Sache verwickelt ist. Ihre gesamte Zukunft beim FBI steht auf dem Spiel. So hart und entschlossen Mackenzie auch ist, so brillant sie Mörder auch jagen kann, dieser neuer Fall entpuppt sich als unlösbares Rätsel, etwas, dem sie nicht gewachsen ist. Womöglich hat sie nicht einmal genug Zeit, es zu entschlüsseln, da ihr eigenes Leben über ihrem Kopf zusammenbricht. Als dunkler Psychothriller mit kaum auszuhaltender Spannung ist BEVOR ER SIEHT der zweite Teil einer fesselnden neuen Krimireihe – mit einem neuen, liebenswerten Charakter – das Sie bis spät in die Nacht fesseln wird. Buch #3 der Mackenzie White Krimireihe wird bald verfügbar sein.

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