Книга - Von Drachen Geboren

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Von Drachen Geboren
Morgan Rice


Das Making of Riley Paige #3
„Hat alle Zutaten für sofortigen Erfolg: Verschwörungen, Gegenkomplotte, Geheimnisse, tapfere Ritter und jung erblühende Beziehungen voller gebrochener Herzen, Täuschung und Verrat. Es wird Ihnen stundenlange Unterhaltung verschaffen und alle Altersgruppen begeistern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Fantasy-Leser.“. – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (zu Ring der Zauberei). „Dies ist der Beginn von etwas Bemerkenswertem“. – San Francisco Book Review (zu Queste der Helden). Von der #1 Bestseller-Autorin Morgan Rice, Autorin von Queste der Helden (über 1.300 5-Sterne-Bewertungen) kommt eine packende neue Fantasy-Serie: . VON DRACHEN GEBOREN (Das Zeitalter der Magier – Buch Drei) erzählt die epische Geschichte über das Erwachsenwerden eines höchst ungewöhnlichen 16-jährigen Jungen – der Sohn eines Schmieds aus einer armen Familie, dem keine Chance geboten wird, seine Kampffähigkeiten unter Beweis zu stellen und in die Reihen der Adligen einzubrechen. Doch er besitzt eine Macht, die er nicht leugnen kann, und einen vom Schicksal bestimmten Weg, dem er folgen muss… Es erzählt die Geschichte einer 17-jährigen Prinzessin, der Großes vorherbestimmt ist, am Vorabend ihrer Hochzeit – und ihrer jüngeren Schwester, von ihrer Familie verschmäht und den Tod durch eine seltene Seuche vor Augen… Es erzählt die Geschichte ihrer drei Brüder, drei Prinzen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – alle wetteifern um die Macht… Es erzählt die Geschichte eines Königreichs im Wandel, von Invasion; von der aussterbenden Gattung der Drachen, deren Überlebende täglich vom Himmel herabfallen… Es erzählt die Geschichte zweier rivalisierender Königreiche, der Stromschnellen des Flusses, der sie trennt, einer Landschaft mit schlafenden Vulkanen und einer Hauptstadt, die nur während der Gezeiten zugänglich ist. Es ist eine Geschichte von Liebe, Leidenschaft, Hass und Geschwisterrivalität; von Schurken und verborgenen Schätzen; Geheimnissen; von Mönchen und Kriegern; von Ehre, Verrat und Täuschung… Es ist die Geschichte von Dragonfell, eine Geschichte von Ehre und Tapferkeit, von Magiern, Zauberei, Schicksal und Bestimmung. Es ist eine Geschichte, die Sie bis in die frühen Morgenstunden fesseln wird. Sie wird Sie in eine andere Welt entführen und Sie werden Figuren erleben, die Sie nie vergessen werden. Es ist großartige Unterhaltung, geschlechter- und generationenübergreifend für alle, die eine gute Fantasy-Saga zu schätzen wissen… Buch Vier wird bald zur Vorbestellung verfügbar sein… „Eine temperamentvolle Fantasy-Saga … Der Beginn einer epischen Serie für junge Erwachsene.“. – Midwest Book Review (zu Queste der Helden). „Aktionsgeladen … Rices Stil ist wasserdicht und die Prämisse faszinierend.“. – Publishers Weekly (zu Queste der Helden).





Morgan Rice

VON DRACHEN GEBOREN




VON DRACHEN GEBOREN




(DAS ZEITALTER DER MAGIER– BUCH DREI)




MORGAN RICE




INS DEUTSCHE ÜBERSETZT VON ANGELA LESSENIG



Morgan Rice

Morgan Rice ist #1 Bestseller-Autor und USA Today-Bestsellerautor der epischen Fantasy-Serie RING DER ZAUBEREI, die siebzehn Bücher umfasst; der Bestseller-Serie WEG DER VAMPIRE, bestehend aus zwölf Büchern; der Bestseller-Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, einem postapokalyptischen Thriller mit drei Büchern; der epischen Fantasy-Serie VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN, bestehend aus sechs Büchern; der epischen Fantasy-Serie FÜR RUHM UND KRONE, bestehend aus acht Büchern; der epischen Fantasy-Serie EIN THRON FÜR SCHWESTERN, bestehend aus acht Büchern; der neuen Science-Fiction-Serie CHRONIK DER INVASION mit vier Büchern; der Fantasy-Serie OLIVER BLUE UND DIE SCHULE FÜR SEHER, bestehend aus vier Büchern; der Fantasy-Serie DER WEG DES STAHLS, bestehend aus vier Büchern; und der neuen Fantasy-Serie DAS ZEITALTER DER MAGIER. Morgans Bücher sind in Audio- und Printausgaben erhältlich, und Übersetzungen sind in über 25 Sprachen erhältlich.



Morgan freut sich, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie also www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/), um sich in die E-Mail-Liste einzutragen, ein kostenloses Buch und kostenlose Werbegeschenke zu erhalten, die kostenlose App herunterzuladen, die neuesten exklusiven Nachrichten zu erhalten und sich auf Facebook und Twitter zu verbinden. Und bleiben Sie in Kontakt!



BÜCHER VON MORGAN RICE




DAS ZEITALTER DER MAGIER

REICH DER DRACHEN (BUCH #1)

THRON DER DRACHEN (BUCH #2)

VON DRACHEN GEBOREN (BUCH #3)


OLIVER BLUE UND DIE SCHULE FÜR SEHER

DIE ZAUBERFABRIK (BUCH #1)

DIE KUGEL VON KANDRA (BUCH #2)

DIE OBSIDIANE (BUCH #3)

DAS FEUERZEPTER (BUCH #4)


DIE INVASIONSCHRONIKEN

ÜBERMITTLUNG (BUCH #1)

ANKUNFT (BUCH #2)


DER WEG DES STAHLS

EHRE WEM EHRE GEBÜHRT (BUCH #1)

NUR DEN TAPFEREN (BUCH #2)

NUR DEN AUSERWÄHLTEN (BUCH #3)


EIN THRON FÜR SCHWESTERN

EIN THRON FÜR SCHWESTERN (BUCH #1)

EIN GERICHT FÜR DIEBE (BUCH #2)

EIN LIED FÜR WAISEN (BUCH #3)

EIN KLAGELIED FÜR DIE PRINZESSIN (BUCH #4)

EIN JUWEL FÜR KÖNIGE (BUCH #5)

EIN KUSS FÜR KÖNIGINNEN (BUCH #6)

EINE KRONE FÜR MÖRDER (BUCH #7)

EIN HÄNDEDRUCK FÜR THRONERBEN (BUCH #8)


FÜR RUHM UND KRONE

SKLAVIN, KRIEGERIN, KÖNIGIN (BUCH #1)

SCHURKIN, GEFANGENE, PRINZESSIN (BUCH #2)

RITTER, THRONERBE, PRINZ (BUCH #3)

REBELL, SCHACHFIGUR, KÖNIG (BUCH #4)

SOLDAT, BRUDER, ZAUBERER (BUCH #5)

HELD, VERRÄTER, TOCHTER (BUCH #6)

HERRSCHER, RIVALE, VERBANNTE (BUCH #7)

SIEGER, BESIEGTER, SOHN (BUCH #8)


VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN

DER AUFSTAND DER DRACHEN (BUCH #1)

DER AUFSTAND DER TAPFEREN (BUCH #2)

DAS GEWICHT DER EHRE (BUCH #3)

DIE SCHMIEDE DES MUTS (BUCH #4)

EIN REICH DER SCHATTEN (BUCH #5)

DIE NACHT DER VERWEGENEN (BUCH #6)


VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN: EINE KURZGESCHICHTE




DER RING DER ZAUBEREI

QUESTE DER HELDEN (BUCH #1)

MARSCH DER KÖNIGE (BUCH #2)

FESTMAHL DER DRACHEN (BUCH #3)

KAMPF DER EHRE (BAND #4)

SCHWUR DES RUHMS (BAND #5)

ANGRIFF DER TAPFERKEIT(BAND #6)

RITUS DER SCHWERTER (BAND #7)

GEWÄHR DER WAFFEN (BAND #8)

HIMMEL DER ZAUBER (BAND #9)

MEER DER SCHILDE (BAND #10)

REGENTSCHAFT DES STAHLS (BAND #11)

LAND DES FEUERS (BAND #12)

DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)

DER EID DER BRÜDER (BAND #14)

DER TRAUM DER STERBLICHEN (BAND #15)

DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)

DAS GESCHENK DER SCHLACHT (BAND #17)


DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS

ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)

ARENA ZWEI (BAND #2)


DER WEG DER VAMPIRE

GEWANDELT (BAND #1)

VERGÖTTERT (BAND #2)

VERRATEN (BAND #3)

BESTIMMT (BAND #4)

BEGEHRT (BAND #5)

VERMÄHLT (BAND #6)

GELOBT (BAND #7)

GEFUNDEN (BAND #8)

ERWECKT (BAND #9)

ERSEHNT (BAND #10)

BERUFEN (BAND #11)

BESESSEN (BAND #12)


GEFALLENE VAMPIRE

VOR DEM MORGENGRAUEN (BUCH #1)



Ausgewähltes Kritikerlob für Morgan Rice

"Wenn Sie glaubten, dass es nach dem Ende der Serie RING DER ZAUBEREI keinen Grund mehr zum Leben gäbe, haben Sie sich geirrt. Mit DER AUFSTAND DER DRACHEN hat Morgan Rice eine weitere brillante Serie entwickelt, die uns in eine Fantasy-Welt von Trollen und Drachen, von Tapferkeit, Ehre, Mut, Magie und Schicksal entführt. Morgan hat es wieder geschafft, starke Figuren zu kreieren, mit denen wir auf jeder Seite mitfiebern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Leser, die eine gut geschriebene Fantasystory lieben.“

– Books and Movie Reviews, Roberto Mattos



"Eine actiongeladene Fantasystory, die Fans von Morgan Rices früheren Romanen und Fans von Werken wie DIE ERAGON-TETRALOGIE von Christopher Paolini begeistern wird. Fans von Fiktion für junge Erwachsene werden diese neueste Arbeit von Rice verschlingen und um mehr bitten.“

– The Wanderer, A Literary Journal (zu Der Aufstand der Drachen)



„Eine temperamentvolle Fantasy-Erzählung, die Elemente von Geheimnis und Intrige in ihre Handlung einbindet. Bei Queste der Helden geht es darum, den Mut zu finden, seiner Bestimmung zu folgen, die zu Wachstum, Reife und Brillanz führt. Wer kraftvolle Fantasy-Abenteuer sucht, wird von den Protagonisten und Aktionen dieser Erzählung mit packenden Begegnungen belohnt. Thors Entwicklung von einem verträumten Kind zu einem jungen Erwachsenen mit unmöglichen Überlebenschancen findet vor diesem mitreißenden Hintergrund statt. Der Beginn einer epischen Serie für junge Erwachsene.“

– Midwest Book Review (D. Donovan, eBook-Rezensent)



“Der Ring der Zauberei hat alle Zutaten für einen umgehenden Erfolg: Komplotte, Gegenkomplotte, Geheimnisse, tapfere Ritter und junge, erblühende Beziehungen voller gebrochener Herzen, Täuschung und Verrat. Es wird Ihnen stundenlange Unterhaltung verschaffen und alle Altersgruppen begeistern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Fantasy-Leser.“

– Books and Movie Reviews, Roberto Mattos



„In diesem actiongeladenen ersten Buch der epischen Fantasy-Reihe Ring der Zauberei (die derzeit 14 Bücher umfasst) stellt Rice den Lesern den 14-jährigen Thorgrin "Thor" McLeod vor, dessen Traum es ist, sich der Silberlegion anzuschließen, den Elite-Rittern des Königs. Rices Stil ist wasserdicht und die Prämisse faszinierend. “

– Publishers Weekly




KAPITEL EINS


Während um sie herum die Welt zusammenbrach, kniete Königin Aethe neben dem Bett ihres Mannes, und betrachtete seinen allzu regungslosen Körper durch einen Schleier von Tränen. Sie wusste nicht, wie viel Zeit sie dort verbracht hatte, denn sie hatte die Zeit völlig aus den Augen verloren und in ihrer Trauer verschwammen Tag und Nacht miteinander. Sie aß nur, wenn die Diener sie anflehten, sie möge doch essen, und selbst dann schmeckte es nach Asche.

Der Raum, in dem ihr Mann lag, war opulent eingerichtet, mit Wandteppichen und Möbeln aus dem Holz der üppigen Wälder von allen Ecken des Nordreichs. Nichts davon hatte irgendeine Bedeutung mehr, nicht die vergoldeten Kelche, nicht die Seide, nichts davon. Es schien alles grau und tot zu sein, während Godwin unbeweglich auf dem Bett lag.

„Wann wird er aufwachen?“, forderte sie von Medicus Jarran zu wissen, der jedoch nur den Kopf schüttelte und seine pummeligen Finger spreizte.

„Ich habe seine Wunden so gut ich kann behandelt“, sagte der Mann. „Darüber hinaus habe ich keine Antworten, es tut mir leid.“

„Wofür seid Ihr dann gut?“, fragte Königin Aethe zornig. Zorn war das Einzige, das sie derzeit durch ihre Trauer hindurch fühlte, und fühlte sich auch wie das Einzige an, was jetzt helfen würde. „Ihr konntet meiner Tochter nicht helfen. Ihr könnt meinem Mann nicht helfen. Wozu seid Ihr gut? Geht! Geht zurück zur Behandlung von Furunkeln und kleinen Schnittwunden!“

Es war hart, aber in diesem Moment fühlte sich alles hart an. Die Welt war ein unwirtlicher Ort geworden und voller Schatten, die ihr die Kraft entzogen und es ihr schwer machten, überhaupt noch aufrecht zu stehen. Es gab niemanden, der Aethe trösten konnte. Selbst wenn ihr Mann von Dienern und Wachen umgeben war, fühlte sich Aethe so einsam, als wäre sie mitten in einer offenen Ebene gestrandet.

„Warum kann ihm niemand helfen?“, forderte sie und kniete wieder am Bett, aber niemand antwortete. Niemand wagte es. In ihrer Verzweiflung kam ihr ein Gedanke in den Sinn. „Wo ist Meister Grey?“

Das war möglicherweise eine Frage, die ebenfalls keiner von ihnen beantworten konnte. Wer wusste schon, wo der Magier war oder was er gerade tat? Aethe ging zu einem der Fenster des Raumes, selbst das kostete sie Mühe. Sie starrte auf den Turm, der sich an die Burg lehnte, und versuchte, einen Blick auf den Mann zu erhaschen. Natürlich sah sie ihn nicht, niemand saß da und wartete darauf, Godwin zu retten.

Sie blickte über Royalsport hinaus, das sich unter ihr ausbreitete. Es war Flut und die Ströme der Stadt teilten sie jetzt in die verschiedenen Inseln auf, die jeweils einen eigenen Stadtbezirk umfassten. Mauern umschlossen den größten Teil der Stadt, aber ein Teil davon lief über sie hinaus, wie der Bauch eines dicken Mannes, der sich über die Grenzen seines Gürtels hinaus ausdehnte. Die armen Stadtteile drängten sich gegen die Stadtmauern und breiteten sich auf dem Land dahinter aus. Die großen Häuser thronten über den anderen: die klobige Form des Hauses der Kaufleute über dem Markt, die leuchtenden Farben des Hauses der Seufzer über dem Unterhaltungsviertel, das Haus der Gelehrten, dessen gewundene Türme sich erhoben, und das Haus der Waffen, das Rauch ausstieß, während seine Öfen mehr Waffen für die Gewalt herstellten.

Von ihrem Standpunkt aus konnte Aethe die Zeichen dieser Gewalt erkennen, die Ritter und Soldaten, die ihre Lager außerhalb der Stadt aufgebaut hatten, und die Menschenmengen auf den Straßen, unter denen sich mehr Männer der Gewalt als gewöhnlich befanden. Dort befanden sich die Streitkräfte der Adligen neben denen des Königs, denn selbstverständlich hatte jeder Herzog oder Graf seine Soldaten oder Wachen bei sich, die bereit waren, ihre Befehle auszuführen.

Aethe wandte sich ab; sie konnte es nicht länger ertragen, darauf zu schauen. Sie konnte nichts mehr ertragen.

„Wacht auf, Ehemann“, sagte sie leise, kehrte zum Bett zurück und setzte sich darauf. „Euer Königreich braucht Euch.“ Sie beugte sich vor und ihre Lippen strichen über seine Stirn. „Ich brauche Euch.“

Ihr Mann war nicht der Mann, der er einmal gewesen war, und das nicht nur in dem üblichen Sinne. Selbstverständlich war sein Haar mit dem Alter ergraut, hatten einige seiner Muskeln sich in Fett verwandelt. Aethe kannte diese Veränderungen in ihm ebenso gut wie jede Linie und jedes graue Haar, das sich in ihren eigenen Körper eingeschlichen hatte. Nein, es ging darum, wie blass er war, seine Haut war fast so grau wie sein Bart, sein Atem so flach, dass er kaum spürbar war. Es tat weh, ihn so zu sehen.

Gerade jetzt spürte sie wieder den Schmerz und glaubte, sie könnte nicht mehr davon ertragen.

„Wir dürfen Euch nicht verlieren“, sagte Aethe. „Rodry … Eurer Sohn ist tot, Godwin.“ Aethe hatte sich nie sehr für Godwins Söhne interessiert, weil sie sie an seine erste Ehe erinnerten und daran, wie sehr er seine erste Frau geliebt hatte. Aber von ihnen war Rodry der Beste gewesen. Greave war seltsam und besessen von seinen Büchern, während Vars … Aethe schauderte. „Und von meinen Töchtern ist Nerra fort und Erin wirft sich wie ein Mann in die Schlacht.“

Zumindest hatten sie Lenore zurückbekommen. Sie war zurück und sicher und verheiratet. Sie hätte auch gar nicht erst in Gefahr geraten und niemals gefangen genommen worden dürfen. Aethe konnte nur hoffen, dass Lenores Ehe mit Finnal glücklich wäre; Sie vertraute darauf, dass es so wäre, auch wenn ihre Tochter vor der Hochzeit solche Zweifel gehabt hatte.

Dafür müssten sie sich jedoch der Bedrohung durch das Südreich stellen. Aethe hatte immer geglaubt, dass keine Armee das rauschende Wasser des Slate überqueren könnte, aber jetzt hieß es, dass eine Streitmacht aus dem Osten über die Insel Leveros hereinkam.

„Bitte wacht auf“, sagte sie und hielt Godwins Hand. „Ich fürchte mich vor dem, was passieren wird, wenn Ihr es nicht tut.“

„Es gibt nichts zu befürchten“, sagte eine Stimme von der Tür. „Ich habe als Regent alles unter Kontrolle.“

Königin Aethe drehte sich um, als Vars den Raum betrat.

Es war schwer auszudrücken, wie der Sohn ihres Mannes nicht wie ein König aussah. Er trug einen goldenen Reif, aber er war kleiner als ihr Ehemann, wirkte viel schwächer, sein Haar war stumpf, von unattraktivem Braun und seine Gesichtszüge durchschnittlich. Er trug kostbare Kleidung, aber Aethe konnte Weinflecken darauf erkennen. Darüber hinaus hatte Vars etwas an sich, das sie einfach nie gemocht hatte. Godwin hätte sicherlich nie gewollt, dass er an seiner Stelle regierte.

„Wie ist es zu all dem gekommen?“, fragte Aethe und glaubte, dass Vars ihren Kummer teilen musste, auch wenn sie sonst so wenig gemeinsam hatten. „Wie konnte meine Tochter vom Süden entführt werden, dein Bruder getötet? Wie konnte dein Vater gerade in dem Moment fallen, in dem das südliche Königreich uns angreift?“

Das war der Teil, der Aethes Trauer noch schlimmer machte. Es wäre schlimm genug gewesen, wenn allein ihr Mann im Kampf gefallen wäre. Doch das so viele Dinge fast gleichzeitig geschehen waren, war einfach zu viel. Es fühlte sich an, als hätte es alles, was sie hatte, zerstört und nichts zurückgelassen. Als sie es aussprach, schien es auch Vars zu treffen, fast wie ein Schlag.

„Es ist unmöglich, diese Dinge einzuschätzen“, sagte Vars. Zu Aethes Überraschung stellte er sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Ich vermute, dass all dies vom Königreich im Süden geplant wurde. Ja, ich bin sicher, wenn irgendjemand Schuld an all dem trägt, müssen sie es sein.“

„Ich glaube, dass es ihre Schuld ist“, sagte Aethe und spürte, wie der Zorn hell in ihr brannte, wie eine Flamme, die die Macht hatte, sie völlig zu verzehren, wenn sie es zuließ. „Nach allem, was sie getan haben, würde ich liebend gern zusehen, wie sie alle ausgelöscht werden, wenn ich könnte!“

„Wir haben allen Grund, sie zu hassen“, sagte Vars.

„Sie haben deinen Bruder getötet, deine Schwester entführt …“

„Ja“, sagte Vars. „Zumindest ist sie jetzt mit Finnal verheiratet.“

„Das ist sie“, sagte Aethe, und das gab ihr etwas Erleichterung. Sie wusste, dass Lenore vor der Hochzeit Bedenken hatte, aber sie war sich sicher, dass ihre Tochter bald glücklich sein würde. „Und Godwin …“

„Wir werden alles tun, um zu helfen“, sagte Vars. „Alles was nötig sein wird.“

„Kannst du … kannst du Meister Grey finden?“, fragte sie. „Der Medicus unternimmt nichts, also vielleicht …“

„Ich werde veranlassen, dass nach ihm geschickt wird“, sagte Vars. „Und in der Zwischenzeit werde ich dafür sorgen, dass hier alles reibungslos laufen wird.“

„Ich werde dabei helfen“, sagte Aethe. „Was auch immer du brauchst. Wir werden das Königreich zusammen beschützen. Für Godwin.“

Sie konnte fühlen, wie die Tränen fielen, fühlte, wie sie selbst fast in ihrem unendlichen Kummer zusammenfiel.

„Das wird nicht nötig sein“, sagte Vars.

„Aber Vars …“ begann Aethe. Sie musste irgendwie helfen können, damit sie sich nützlich und als Teil des Ganzen fühlen könnte.

„Die Frau meines Vaters ist eindeutig verstört“, sagte Vars und wandte sich an zwei Wachen. Er nannte sie nicht die Königin, bemerkte Aethe. „Sie muss sich ausruhen. Bringt sie in ihre Zimmer und sorgt dafür, dass sie nicht gestört wird.“

„Wie bitte?“, fragte Aethe. „Ich muss nirgendwo hingehen.“

„Doch, das müsst Ihr“, beharrte Vars. „Ihr seid müde, Ihr seid verstört. Geht Euch ausruhen. Es ist zu Eurem Besten.“

Das Problem war, dass sie umso mehr den Eindruck vermittelte, sie sei nichts anderes als die verwirrte, trauernde Frau, je mehr sie protestierte. Die Wachen näherten sich ihr und nahmen sie bei den Armen. Sie entwand sich ihrem Griff, entschlossen, allein  zu gehen, aber sie konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihr über das Gesicht liefen. Sie starrte zurück zu Vars, der über ihrem Ehemann thronte. Wie konnte dies geschehen?

Und was noch wichtiger war, welche Katastrophe bedeutete dies für das Königreich?




KAPITEL ZWEI


Fast seit dem Tag ihrer Ankunft, als er noch ein Junge war, hatte Vars den Moment herbeigesehnt, an dem er Aethe einfach wegschicken konnte. Die Frau seines Vaters, sein Ersatz für Vars’ Mutter, war lange Zeit die Hauptquelle für so viele seiner Enttäuschungen im Leben gewesen. Sie hatte seinem Vater so lange ins Ohr geflüstert, wie er sich erinnern konnte, und ihm gesagt, dass Vars schwach oder feige oder unwürdig war und dass ihre Töchter herrschen sollten.

Selbst in den letzten Gesprächen hatte sie es unterstellt. Sie hatte Fragen darüber gestellt, wie Lenore zum Zeitpunkt des Angriffs hatte allein sein können, was offensichtlich darauf hindeutete, dass sie Vars verdächtigte, seine Pflichten als Wache nicht erfüllt zu haben. Sie hatte vorgeschlagen, dass ihre Brut helfen könnte, die Last der Regierung zu teilen, und Vars wusste sehr wohl, dass dies nur eine verschleierte Art war,  ihm zu sagen, dass sie ihm möglicherweise die Macht abnehmen könnten. Als die Wachen Aethe in ihre Zimmer brachten, riskierte Vars ein selbstzufriedenes Lächeln.

„Was macht Ihr alle hier?“, fragte er, als er sich im Raum nach den Dienern und Wachen umsah. Soweit er sehen konnte, standen sie da nur herum. „Glaubt Ihr, mein Vater wird sich aufsetzen und ein Glas Wein verlangen oder Euch alle in den Kampf führen?“

Die meisten von ihnen schauten bei seinen Worten weg, als wollten sie ihm nicht zuhören. Nun, Vars war jetzt der Regent und sie hatten keine Wahl, denn sie mussten zuhören.

„Wir bleiben aus Loyalität  beim König, Hoheit“, sagte einer der Diener. „Und für den Fall, dass er unsere Hilfe benötigt.“

„Welche Hilfe?“, forderte Vars. „Ich habe gesehen, wie Medicus Jarran wieder nach oben gegangen ist. Konnte er helfen? Nein. Selbst der gepriesene Magier meines Vaters hat bisher nur in seinem Turm vor sich hingemurmelt. Doch Ihr alle werdet ihm helfen können? Verlasst das Zimmer.“

„Aber Eure Hoheit –“

Vars drehte sich zum Diener. „Du hast gerade noch von Loyalität gesprochen. Ich bin der Regent des Königs. Ich spreche mit der Stimme des Königs. Wenn du einen Funken Loyalität in dir hast, wirst du gehorchen. Mein Vater muss nicht von Wachen oder Dienern umgeben sein. Du wirst gehen, oder ich werde dich mit Gewalt aus diesem Raum entfernen lassen.“

Vars konnte sehen, dass keinem von ihnen der Gedanke, seinen Vater sich selbst zu überlassen, gefiel, aber es war ihm egal. Er hatte vor langer Zeit schon festgestellt, dass die Leute nur das taten, was man von ihnen verlangte. Diejenigen, die über Ehre, Loyalität oder Patriotismus sprachen, waren nichts anderes als Lügner und gaben vor, so viel besser zu sein als Vars.

Als sie begannen, einer nach dem anderen den Raum zu verlassen, hielt eine der Wachen inne. „Was ist, wenn der König aufwacht, Hoheit? Sollte nicht einer von uns bleiben, um sich um ihn zu kümmern und Euch zu informieren, wenn es passiert?“

Vars schrie den Mann  nur deshalb nicht an, weil er nicht als Sohn gesehen werden wollte, der seinen Vater hasste, oder als Dummkopf, der sein Königreich nicht kontrollieren konnte. Was die Leute sahen, war schließlich weitaus wichtiger als die Wahrheit.

„Das ist kein Job für einen von Euch“, sagte er. „Es ist eine Aufgabe, die ein Kind erledigen könnte.“ Eine Idee kam ihm in den Sinn. „Wer ist der jüngste der Pagen hier?“

„Das wäre Merin, Hoheit“, sagte einer der Diener. „Er ist elf.“

„Elf ist alt genug, um darüber zu wachen, ob mein Vater aufwacht, und jung genug, um für nichts anderes nützlich zu sein“, sagte Vars. »Hol ihn hierher und begib dich dann an deine eigentlichen Pflichten. Wir sind doch mitten im Krieg!“

Diese Worte waren genug, um sie alle in Bewegung zu bringen, auch wenn Vars’ eigene Aura als Befehlshaber dies so offensichtlich nicht vermochte. Er hasste sie dafür. Es gab jedoch mehr zu hassen, als den Mangel an Respekt der königlichen Wachen und Bediensteten. Er ging zum Krankenbett seines Vaters und starrte auf die reglose Gestalt von König Godwin, der dort im Koma lag.

Er sah so gebrechlich und grau aus, sein Körper wirkte jetzt, da er auf dem Rücken lag, weniger muskulös und hart. Er sah für Vars älter aus als zuvor und weniger beängstigend.

„Dies ist wahrscheinlich das einzige Mal, solange ich mich erinnern kann, dass Ihr nicht über mir thront und mir sagt, wie nutzlos ich bin“, sagte Vars. Obwohl sein Vater die Worte nicht hören konnte, tat es gut, sie zu sagen. Er hätte niemals den Mut gehabt, sie zu sagen, wenn sein Vater wach wäre, hätte niemals die Worte herausgebracht.

Vars ging auf und ab und dachte an all die Dinge, die er seinem Vater immer hatte sagen wollte, all die Dinge, die in seinem Kopf steckten, gefangen hinter der Angst, die sie immer dort gehalten hatte. Selbst jetzt war es schwer, sie zu sagen, aber zu wissen, dass sein Vater sie nicht wirklich hören konnte, nichts dagegen tun konnte, half.

„Es heißt, dass Ihr leben oder sterben könntet“, sagte Vars. „Ich hoffe, Ihr werdet sterben. Es ist das, was ein Vater wie Ihr verdient hat.“  Er starrte voller Hass auf seinen Vater hinunter. Wenn er den Mut dazu gehabt hätte, hätte er vielleicht ein Kissen angehoben und es auf das Gesicht seines Vaters gedrückt.

„Wisst Ihr, wie es war, mit Euch als Vater aufzuwachsen?“, fragte er. „Nichts, was ich getan habe, war gut genug für Euch. Rodry war immer der Goldjunge. Oh, Ihr mochtet ihn, wenn er nicht gerade Botschafter attackierte. Ich bin froh, dass Ihr gehört habt, dass er tot ist, bevor sie Euch erstochen haben. Und Nerra … wie muss es sich angefühlt haben, als sie gehen musste?“

Es gab natürlich keine Antwort, keinen Hauch einer Reaktion von den schlaffen Gesichtszügen seines Vaters. In gewisser Weise reizte es Vars noch mehr.

„Als meine Mutter starb, habt Ihr so schnell eine neue Frau gefunden“, sagte er. „Eure Söhne brauchten Euch, ich brauchte Euch, aber Ihr habt Aethe geheiratet und sie gab Euch Eure kostbaren Töchter.“

Er dachte an all die Zeiten, in denen sein Vater ihn getadelt hatte, während er Nerra, Lenore und sogar Erin seine ganze Zuneigung schenkte.

„Ihr habt Lenore und ihrer dummen Hochzeit so viel Aufmerksamkeit geschenkt, nicht wahr? Ihr habt so viele Hoffnungen in sie gesetzt. Wisst Ihr, warum Ihr hier liegt? Wisst Ihr, warum sie überhaupt genommen wurde?“ Vars machte eine Pause, dann beugte er sich zu seinem Vater hinunter, nah genug, dass er flüstern konnte. „Sie haben sie genommen, weil ich meine Männer auf den falschen Weg geführt habe. Ich wollte meine Zeit nicht damit verschwenden, sie zu beschützen, wenn ich derjenige war, der vor ihr in der Thronfolge stand. Ich wollte nicht dort herumreiten und zusehen, während die perfekte Prinzessin durch das Königreich reiste und sich überall Bewunderung zollen ließ. Ich hatte sie verlassen, sodass Ravins Männer sie entführen konnten und Rodry ist gestorben, um sie zu retten.“

Vars richtete sich auf und fühlte die tiefe Befriedigung, seinem Vater endlich alles erzählen zu können, was er hatte zurückhalten müssen.

„Ihr habt mich immer nur herabgesetzt“, sagte Vars. „Aber seht mich jetzt an. Ich bin derjenige, der einfach getan hat, was er wollt. Ich habe meine Zeit im Haus der Seufzer und in den Gasthäusern verbracht hat und nicht in Eurem kostbaren Haus der Waffen. Dennoch bin ich jetzt derjenige, der das Kommando hat, und ich werde das Beste daraus machen.“

Es klopfte an der Tür der Kammer. Ein Diener kam herein und führte einen Jungen mit sandfarbenem Haar und molligem Gesicht, gekleidet in Hemd, Tunika und Hose in Königsblau und Gold herein. Er sah nervös aus, in Vars’ Gegenwart zu sein und verbeugte sich unsicher. Dabei sah Vars, dass eine seiner Hände verdreht und kleiner als die andere war, vielleicht eine Folge eines Unfalls vor langer Zeit. Vars kümmerte es nicht.

„Du bist Merin?“, forderte Vars.

„Ja, Hoheit“, sagte der Junge mit leiser, verängstigter Stimme.

„Weißt du, warum du hier bist?“, fragte Vars.

Der Junge schüttelte den Kopf, offensichtlich zu verängstigt, um zu sprechen.

„Du sollst auf meinen Vater aufpassen. Du sollst ihm seine Mahlzeiten bringen, ihn waschen und bei ihm bleiben, falls er aufwacht.“ Er fragte nicht, ob der Junge alles machen könnte oder nicht; es war ihm egal „Verstehst du das?“

„J-ja, Eure …“

„Gut“, sagte Vars und unterbrach ihn. Er hatte kein Interesse daran, was ein solcher Junge zu sagen hatte, nur daran, dass die Demütigung seines Vaters vollständig war. Leben oder sterben, das war egal. Entweder würde sein Vater leben und Vars würde die kleine Rache haben, ihm das angetan zu haben, oder er würde sterben, und Vars würde wissen, dass er die letzten Tage des alten Narren nur ein bisschen schlimmer gemacht hatte.

Er wandte seine Aufmerksamkeit dem anderen Diener zu, der hereingekommen war und nervös zappelte. „Was tust du hier?“, verlangte er zu wissen. „Ich dachte, ich hätte euch allen gesagt, dass ihr euch euren normalen Pflichten widmen sollt.“

„Ja, Hoheit“, sagte der Mann. „Ich bin gekommen, weil … weil Eure Anwesenheit verlangt wird.“

„Verlangt?“, fragte Vars. Er streckte die Hand aus und packte den Mann am Hemd. Es war leicht genug, da er wusste, dass der Diener es nicht wagen würde, zurückzuschlagen. Das wäre schließlich Verrat. „Ich bin der Regent des Königs. Die Leute verlangen keine Dinge von mir!“

„Vergib mir, Hoheit“, sagte der Mann. „Das … das war das Wort, das sie benutzt haben, als sie mich geschickt haben, um Euch zu holen.“

Ihn zu holen war fast so schlimm wie verlangen. Vars überlegte, den Mann zu schlagen und hielt sich nur zurück, weil er dadurch vergessen könnte, wo sein Platz war, und Vars wollte nicht zurückgeschlagen werden, oder die Vergeltung des Dieners erleben müssen.

„Wer hat dich geschickt und warum?“, fragte Vars. „Wer glaubt, dass er in meinem Schloss Befehle erteilen kann?“

„Die Adligen, Hoheit“, sagte der Diener. „Sie haben eine …“ Es schien, als versuche er sich an Worte zu erinnern, die er weitergeben sollte. „… Eine Konferenz einberufen, um die Invasion vonseiten des Südreichs zu erörtern und gemeinsam über eine Reaktion darauf zu entscheiden. Die Adligen sind da und die Ritter. Sie beginnt in der großen Halle in diesem Moment!“

Vars schob den Mann von sich weg, plötzlich flammte Wut in ihm auf. Welche Unverfrorenheit! Wie konnten sie es wagen, zu versuchen, ihn zu demütigen, in diesem Moment, in dem er die ganze Macht im Königreich hatte?

Er konnte sehen, was dies bedeutete, auch, ohne dass er den Rest gehört hatte. Seine Adligen prüften ihn und behandelten ihn, als wäre er kein wahrer König, kein mächtiger Herrscher wie sein Vater. Sie versuchten, ihn in eine Marionette zu verwandeln, der sie befehlen und die sie kontrollieren konnten, einen Diener ebenso wie einen Herrscher. Sie glaubten, sie könnten ihm sagen, wo er wann sein sollte, und die Dinge untereinander entscheiden, wobei Vars kaum mehr als eine Gestalt auf einem Thron mit einer Krone auf dem Kopf wäre.

Nun, sie würden schon sehen. Vars würde ihnen zeigen, wie sehr sie sich täuschten.




KAPITEL DREI


Fast ihr ganzes Leben lang war Lenore perfekt, sanftmütig und gehorsam gewesen. Sie war der Inbegriff einer Prinzessin gewesen, während ihre Schwestern um sie herum mehr oder weniger getan hatten, was sie wollten. Nerra war ständig in den Wald gerannt, während Erin Soldatin gespielt hatte. Lenore war diejenige gewesen, die alles tat, was eine Prinzessin tun sollte.

Jetzt tat sie jedoch, was sie wollte.

„Seid Ihr sicher, dass wir in die Stadt gehen sollten, meine Dame?“, fragte Orianne, als sie zum Eingang des Schlosses gingen. „Es ist möglicherweise nicht sicher, alleine zu gehen.“

Bei der Erinnerung an ihre Entführung lief Lenore ein Schauer über den Rücken, aber sie schüttelte den Kopf.

„Außerhalb der Stadt könnte es Gefahren geben“, sagte sie, „Aber Royalsport ist sicher. Außerdem werden wir eine Wache mitnehmen.“ Sie suchte einen der Männer aus. „Ihr, Ihr werdet uns in die Stadt bringen, oder?“

„Wie Ihr befehlt, Ihre Hoheit“, sagte der Mann und schloss sich den beiden an.

„Aber warum in die Stadt?“, fragte Orianne. „Ihr hattet noch nie große Lust, in die Stadt zu gehen.“

Das stimmte. Von ihrer ganzen Familie war Lenore diejenige gewesen, die am wenigsten Zeit außerhalb der geordneten Welt des königlichen Hofes verbracht hatte. Jetzt aber konnte sie es nicht ertragen, dort zu sein. Sie konnte es nicht ertragen, wenn noch mehr Menschen ihr zu ihrer Ehe gratulierten. Ihr Vater lag im Koma und ihre Mutter war kaum mehr als ein trauernder Schatten ihrer selbst. Sie konnte es nicht ertragen, mit Finnal dort zu sein, wie sehr er auch verlangen mochte, dass sie an seiner Seite blieb.

Es gab noch einen anderen Grund: Sie dachte, sie hätte Devin von Zeit zu Zeit in die Stadt fahren sehen und sie hoffte, dass er dort unten sein könnte. Der Gedanke, wieder mit ihm zu sprechen, ließ Lenores Herz höher schlagen, wie zurzeit sonst nichts anderes es tat. Allein der Gedanke an ihn und seine Freundlichkeit  brachten sie zum Lächeln, so wie es die Gedanken an ihren neuen Ehemann leider nicht vermochten.

„Wir werden dort hinuntergehen und die Leute sehen lassen, dass wir auch in einer Zeit der Trauer für sie da sind“, sagte Lenore.

Sie machte sich mit Orianne und der Wache auf den Weg, ging an den Wachen am Tor vorbei und dann auf die Stadt zu. Lenore nahm die Häuser zu beiden Seiten in sich auf, ihre Größe und ihre Pracht, nahm den reichen Duft der Stadtluft wahr, das Gefühl der Pflastersteine unter ihren Füßen. Sie hätte in einer Kutsche fahren können, aber das hätte sie von der Stadt um sie herum isoliert. Außerdem war das letzte Mal, dass sie das getan hatte, ihre Hochzeitsernte, und Lenore versuchte, diesen Erinnerungen zu entkommen und nicht, sie zu forcieren.

Sie lief durch ein charmantes Gartenviertel in der Nähe des Schlosses hinunter, die Häuser in dem Viertel waren eindeutig die von Adligen, die Straßen sauber und nicht zu voll mit Menschen. Für Lenore war es nicht genug. Sie wusste, dass Devin wahrscheinlich aus einer viel ärmeren Gegend stammte, und sie wollte nun mit eigenen Augen sehen, was das in Royalsport bedeutete.

„Seid Ihr sicher, dass Ihr diesen Weg gehen wollt, Lenore?“, fragte Orianne sie, als sie eine Brücke zu einem Gebiet überquerten, das eindeutig etwas ärmer war. Die Häuser standen dichter nebeneinander und mehr Menschen schienen einer Arbeit nachzugehen als einer Freizeitbeschäftigung. Der Rauch des Hauses der Waffen stieg über ihnen auf.

„Genau hier will ich sein“, sagte Lenore. „Ich muss die echte Stadt sehen, ich will alles sehen.“

Und wenn ihnen Devin über den Weg laufen würde, wäre das sogar noch besser. Lenore gab nun zu, dass ihr Herz jedes Mal einen Schlag aussetzte, wenn sie ihn sah. Selbstverständlich hatte es bei Finnal dasselbe getan, aber es gab einen Unterschied. Devin war kein Kandidat für eine Ehe, die sie bereichern würde, und es gab keine hässlichen Gerüchte über ihn. Alles, was Lenore von ihm gesehen oder gehört hatte, zeigte, dass er mutig und gütig war … die Art von Mann, die sie hätte heiraten sollen, wäre es nicht unmöglich.

„Wenn wir noch viel weiter laufen, werden wir in der Nähe des Hauses der Seufzer sein“, sagte Orianne. Lenore konnte es in der Ferne über den Dächern sehen, mit seinen leuchtenden Farben, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ihr kam eine Idee.

„Du solltest dorthin gehen“, sagte sie zu ihrer Zofe. „Sprich mit … unserer Freundin dort. Versichere sie unseres guten Willens!“

„Seid Ihr sicher?“, fragte Orianne. „Es ist kein Ort, mit dem eine Prinzessin in Verbindung gebracht werden sollte.“

„Ich bin sicher“, sagte Lenore. Sie hatte jetzt erkannt, wie Finnal wirklich war. Sie brauchte alle Verbündeten, die sie bekommen konnte, auch wenn sie von Orten kamen, die ihr einst die Schamröte ins Gesicht getrieben hatten, wenn sie nur an sie dachte.

»Wie Ihr wollt, meine Dame«, sagte Orianne, machte einen Knicks und eilte davon.

Das ließ Lenore und die Wache allein zurück, als sie durch die Straßen gingen. Lenore hatte keine bestimmte Richtung im Sinn; der Spaziergang war genug, die Freiheit, in jede Richtung zu gehen, die sie wollte.

Sie spazierte immer noch, als sie Schritte hinter sich hörte. Lenore runzelte die Stirn und sah zur Wache.

„Hört Ihr das?“, fragte sie.

„Höre ich was, Hoheit?“

Vielleicht waren es nur ihre Ängste, die ihr einen Streich spielten, hier draußen an einem Ort zu sein, der ihr hätte vertraut sein sollen, aber alles andere als das war. Trotzdem war sie sich sicher, dass sie wieder Schritte hören konnte, glaubte, dass sie irgendwo über ihre Schulter einen Blick auf eine Gestalt erhascht hatte. Sie war verschwunden, als sie wieder belebtere Straßen passierten und mehr Menschen vorbeigingen. Lenore begann schneller zu gehen.

Sie schritt völlig ziellos um die nächsten paar Häuserecken und fluchte, als sie und ihre Wache eine Sackgasse in einem ruhigen Hof landeten, der von Häusern umgeben war. Sie blickte zurück und nun näherte sich ein Mann in dunkler Kleidung mit einem Messer an seiner Hüfte, das Insignien trug, die ihn als einen von Herzog Viris’ Männern kennzeichneten: Finnals Männern.

Lenore hätte beim Anblick des Mannes aufatmen sollen, da er zu ihrem Ehemann gehörte und so zumindest kein Grobian war, der sie berauben wollte. Stattdessen spürte Lenore, wie sich Ärger in ihr aufbaute.

„Was tut Ihr?“, forderte sie. „Wer seid Ihr?“

„Mein Name ist Higgis, Hoheit“, sagte der Mann und verbeugte sich. „Ich bin ein Diener, der mit Anweisungen von Eurem Ehemann geschickt wurde.“

„Welche Anweisungen?“, fragte Lenore.

Der Mann erhob sich mit dem Messer bereits in der Hand von seiner Verbeugung, trat näher an die Wache heran, die Lenore mitgebracht hatte, und stieß zu, einmal und dann noch einmal. Lenore schnappte nach Luft und presste sich gegen das nächste Gebäude, aber mit dem Mann zwischen ihr und dem Ausgang vom Hof gab es kein Entrinnen.

„Ich wurde geschickt, um Euch vor Rüpeln zu retten, die Euch angegriffen haben“, sagte der Mann. Er wischte sein Messer ab und steckte es weg. „Sie haben Eure Wache getötet und Euch geschlagen, bevor sie Euch bestohlen haben. Alles nur, weil Ihr die Anweisungen Eures Mannes nicht befolgt habt, dort zu bleiben, wo er Euch zurückgelassen hat. Infolgedessen wird er gezwungen sein, Euch aus der Stadt zu bringen, damit Ihr Euch erholen könnt.“

Der Diener trat vor und streckte seine Finger, bis die Knöchel knackten.

„Ihr wollt wirklich eine Prinzessin schlagen?“, fragte Lenore. „Ich werde Euren Kopf fordern.“

„Nein, Hoheit“, sagte der Mann. „Das werdet Ihr nicht, Euer Mann hingegen wird mich belohnen, wie er es zuvor getan hat. Nun würde ich sagen, dass dies für Sie einfacher wäre, wenn Ihr stillhieltet, aber das wäre eine Lüge.“

Er zog eine Faust zurück und für einen Moment war Lenore sicher, dass es in ihrer Zukunft nichts als Schmerz geben würde. Dann eilte eine zweite, kleinere Gestalt an dem Mann vorbei in den Hof und trat zwischen Lenore und ihren Angreifer.

„Erin!“, rief Lenore.

Ihre Schwester stand da, den Stab in den Händen, und drehte ihn beiläufig vor sich, während sie wartete. Finnals Diener zögerte nicht, sondern sprang auf sie zu. Erin wartete bis zum allerletzten Moment, trat dann zur Seite und schlug mit dem Stab gegen den Bauch des Mannes, sein Knie, seinen Schädel. Die Waffe schien in diesem Moment überall auf einmal zu sein in einer verschwommenen Bewegung, die nur durch das Schlagen von Holz auf Fleisch unterbrochen wurde.

Der Diener trat zurück und zog wieder sein Messer. Erin schlug mit ihrem Stab auf sein Handgelenk, Lenore hörte, wie der Knochen knackte, als die Waffe auf ihn traf. Der Mann schrie auf, stolperte zurück, drehte sich um und rannte weg. Für einen Moment dachte Lenore, ihre Schwester würde ihm nachjagen, aber sie blieb stehen und wandte sich wieder Lenore zu.

„Geht es dir gut?“, fragte sie. „Hat er dir weh getan?“

Lenore schüttelte den Kopf. „Nicht mir, sondern meiner Wache …“ Sie starrte geschockt auf die toten Augen des Gardisten hinunter. Sie waren denen, die sie zuvor gesehen hatte, viel zu ähnlich. „Was machst du hier, Erin?“

„Ich dachte, ich würde dir in die Stadt folgen. Ich hatte eine Pause vom Training mit Odd. Aber dann sah ich, wie dieser da dir gefolgt ist, und ich wollte wissen, was los ist.“ Sie fixierte Lenore mit einem ernsten Blick. „Was geht hier vor, Schwester?“

„Es …“ Lenore zwang ihre Stimme, ruhig zu bleiben. Sie wäre nicht schwach, würde nicht zittern und hysterisch sein, würde nichts von all dem sein, was Finnal wahrscheinlich von ihr dachte. „Es ist mein neuer Ehemann.“

„Finnal?“, fragte Erin.

„Er ist genauso schlecht wie sie gesagt haben, Erin“, sagte Lenore. „Er kümmert sich nur darum, was er aus unserer Ehe herausschlagen kann, nicht um mich. Und das … er hat einen Mann geschickt, um mich zu schlagen, nur weil ich das Schloss ohne seine Erlaubnis verlassen habe.“

Erins Gesicht verhärtete sich. „Ich werde ihn töten. Ich werde ihn ausnehmen und seinen Kopf aufspießen.“

„Nein“, sagte Lenore. „Das kannst du nicht. Herzog Viris’ Sohn töten? Es würde einen Bürgerkrieg auslösen.“

„Glaubst du, dass mich das interessiert?“, fragte Erin.

„Ich denke, mir darf es nicht egal sein“, sagte Lenore. „Nein, wir müssen schlauer vorgehen.“

„Wir?“, fragte Erin.

„Meine Zofe Orianne weiß, wie Finnal ist. Sie wird helfen. Andere werden auch helfen, so wie Devin.“

Lenore wusste nicht, warum ihr sein Name gerade jetzt in den Sinn kam, aber er war da.

„Das ist alles?“, fragte Erin. Sie schüttelte den Kopf. „Nun, es ist ein Anfang. Wir könnten mit Vars reden.“

„Es wäre ihm egal“, sagte Lenore. „Ich würde einen Weg finden, mich von Finnal scheiden zu lassen, wenn ich glaubte, Vars würde zuhören.“

„Dann werden wir etwas finden, das er anhören muss“, beharrte Erin.

Lenore schüttelte den Kopf. „Das wird nicht einfach sein.“

Erin seufzte. „Ich weiß. Aber ich verspreche dir, Lenore, dass Finnal dich nicht länger verletzen wird. Niemand wird es tun. Von jetzt an gehe ich dorthin, wo du hingehst, und wenn dich jemand angreift … werde ich an deiner Seite stehen und ihnen das Herz aus der Brust schneiden, wenn sie es versuchen.“




KAPITEL VIER


Nerra kniete am Wasser des Tempelbrunnens zwischen den Knochen der Toten, die es zuvor versucht hatten. Über ihr schienen die Hänge des Vulkans wütend nach unten zu schauen und verboten ihr, zu versuchen, was sie versuchen wollte. Als sie auf ihre Arme schaute, konnte sie die Zeichen der Schuppenkrankheit sehen, die dunklen Linien auf ihren Armen.

Sie würde nicht wie Lina sterben. Selbst wenn diese Gewässer den Tod bedeuteten, war es besser, als hier auf der Insel, zu der ihr Drache sie gebracht hatte, darauf zu warten, dass die Krankheit ihr Leben forderte. Ihre Freundin sterben zu sehen, war es, was ihr Vorhaben ausgelöst, und sie den ganzen Weg zum Tempel getrieben hatte, zu dem Brunnen, den sie dem Inselwächter Kleos versprochen hatte, nicht aufzusuchen.

Und jetzt trank sie sein Wasser. In einem einzigen langen Schluck nahm sie das Wasser aus ihren hohlen Händen auf. Es schien sinnlos zu sein, nur zu nippen, wenn eine Berührung des Wassers schon den Tod bedeuten sollte.

Sie wagte nicht zu hoffen, was es sonst noch bedeuten könnte.

„Sie würden es nicht sinnlos einen Heilbrunnen nennen“, sagte Nerra laut, als ob dadurch wahr würde. „Sie würden das alles nicht bauen.“

Warum sollte man einen Tempel bauen, wenn das einzige Ziel darin bestand, diejenigen zu töten, die herkamen? Warum sollte man sich überhaupt um einen Brunnen kümmern und was bedeutete der seltsame Druck, der sie von dem Ort zurückgedrängt zu haben schien, als sie die Hänge des Vulkans entlanggegangen war? Kleos, der Hüter der Kranken, hatte ihr gesagt, dass das Trinken den Tod bedeute, dass alles nur ein Ausweg sei, die Menschen mit der Drachenkrankheit sich selbst töten zu lassen, aber Nerra musste hoffen, dass er sich geirrt oder gelogen hatte oder beides.

Es würde funktionieren. Es musste funktionieren.

Nerra stand auf und blickte über die Insel, so nah am Kontinent Sarras und doch nicht ganz ein Teil davon. Sie blickte auf die feurige Vulkanlandschaft, die sie durchquert hatte, und auf den Dschungel auf der anderen Seite. Von hier aus konnte sie das kleine Dorf nicht sehen, das die Kranken und Sterbenden eingrenzen wollte, die sich durch ihre Krankheit langsam in monströse Dinge verwandelten, die nur Hunger und Tod kannten. War es nicht besser, dies hier zu versuchen, als dort zu sitzen und auf die bittere Gnade von Kleos’ Messer zu warten, wenn sie sich verwandelte?

Nerra stand da und wartete und versuchte sich das Wasser vorzustellen, das in ihr wirkte. Sollte sie jetzt etwas fühlen? Sie kannte sich gut genug mit Kräutern aus, um zu wissen, dass die Auswirkungen selten sofort zu erkennen waren, aber irgendwie hatte sie erwartet, dass das Heilwasser –

Nerra schrie, als der Schmerz sie traf, so scharf und so verzehrend, dass er sie in die Knie zwang. Sie klammerte sich an ihren Bauch, als sich ihr Körper vor Qual krümmte und ihre Schreie kamen so schnell, dass sie nicht einmal den Atem dafür hatte.

Kleos hatte nicht gelogen; der Brunnen war Gift für diejenigen, die daraus tranken. Nerra konnte jetzt das Wasser in sich spüren, das sich wie eine stachlige Schlange durch sie drehte und durch sie brannte, als hätte sie die Lava des Vulkans selbst verschluckt und nicht nur Wasser. Sie versuchte es herauszuwürgen, aber sie konnte es nicht. Dafür hatte sie nicht mehr genug Kontrolle über sich.

„Bitte …“, schrie Nerra.

Sie hatte das Gefühl, als würde sich ihr ganzer Körper selbst auseinanderreißen, Muskel für Muskel, Knochen für Knochen. Es fühlte sich an, als ob jeder Teil von ihr mit den anderen im Konflikt war und einen Krieg führte, in dem sie sowohl das Schlachtfeld, als auch die Krieger und die karge Ebene war, die sie zurücklassen würden, alles Leben von ihr gerissen.

„Nein …“, schrie Nerra. In diesem Moment dachte sie an alles, was sie im Nordreich zurücklassen musste, an alles, was sie nie wieder sehen würde, während das tödliche Wasser qualvoll in ihr tobte. Sie dachte an ihre Brüder und Schwestern, an die elegante Lenore und an die burschikose Erin, Rodry, der immer so schnell eingriff, um andere zu verteidigen, und an Greave, der so ruhig und nachdenklich war. Sie dachte sogar an Vars.

Vor allem aber dachte sie an den Drachen, den sie gefunden hatte. In ihrer Vorstellung war er unglaublich schnell gewachsen, seine Schuppen leuchteten mit einem Regenbogenglanz, seine Flügel breiteten sich weit aus, als er in den Himmel hinaufstieg. Das Bild war so klar, dass Nerra aufblickte und halb erwartete, ihn am Himmel kreisen zu sehen, wie es gewesen war, als die Banditen im Wald sie angegriffen hatten. Er hatte sie hierher getragen, warum sollte er dann nicht hier sein?

Sie war jedoch allein; mehr als jemals zuvor. Sogar im Wald hatte es Tiere und ein Gefühl des Friedens gegeben. Jetzt … jetzt gab es nur den Schmerz, der sie erfüllte, verkrampfte, brach. Nerra spürte, wie ihr Arm schnappte, und sie schrie auf. Sie spürte, wie sich die Muskeln ihrer Finger so stark zusammenzogen, dass sie die Knochen darin zerquetschten.

Irgendwann musste sie vor Schmerzen ohnmächtig geworden sein, denn sie sah den Drachen wieder, sah noch mehr Drachen, die sich auf Sarras erhoben, sah ganze Herden fliegen, die den Himmel erfüllten. Sie drehten sich über ihr und dann war sie mitten unter ihnen und nahm die Vielzahl ihrer Farben auf, schwarz und rot, golden und smaragdfarben und viele mehr.

Jetzt war sie am Boden und bewegte sich durch die Überreste von Gebäuden, die viel älter waren als alles andere im Nordreich, Dinge, die aussahen, als wären sie gewachsen und nicht gebaut worden. Sie glaubte andere Figuren zu sehen, die sich zwischen diesen Gebäuden bewegten, sie flackerten am Rande ihres Sichtfelds, doch jedes Mal, wenn sie versuchte, den Kopf zu drehen, um eine bessere Sicht zu erhalten, schienen sie sich zu zerstreuen und in die Ferne zu verschwinden, unmöglich einzuholen.

Nerra versuchte sie zu jagen, aber sie stieß auf Tunnel, in denen sich die Wände zu verschieben und zu dehnen schienen, noch in dem Moment, als Nerra in sie eintauchte. Es war dieser scheinbar lebende Stein, der nach ihr griff, sie packte und sie wie Lehm verdrehte, bis Nerra außer Atem geriet und in ihren Träumen noch lauter schrie.

Dann tat sie das, was sie nicht mehr erwartet hatte: Sie wachte auf.

Es war unmöglich zu sagen, wie viel Zeit vergangen war. Die Sonne stand immer noch am Himmel, aber nach allem, was Nerra wusste, hätte ein Dutzend Tage vergangen sein können. Ihr Körper schmerzte von der Erinnerung an all die Qualen, die das Wasser ihr verursacht hatte, und sie fühlte sich so schwach, dass…

Nein, Moment mal; Sie fühlte sich nicht schwach. Sie fühlte sich durstig und hungrig und müde, aber nicht schwach. Wenn überhaupt, fühlte sie sich stark. Sie stand auf und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich dabei nicht schwindlig. Trotzdem wäre Nerra fast gefallen. Die Muskeln ihrer Beine fühlten sich … irgendwie falsch an. Anders.

Sogar die Welt um sie herum schien anders zu sein, irgendwie verändert. Die Farben schienen sich auf subtile Weise zu verändern, als könnte sie sie intensiver sehen als jemals zuvor, während die Gerüche des Dschungels in der Nähe so stark zu sein schienen, dass sie sie fast schmecken konnte.

Im Moment war das jedoch egal. Was zählte war, dass sie überlebt hatte. Bedeutete das …, dass sie geheilt worden war? Hatte der Brunnen sie geheilt?

Nerra wagte kaum zu hoffen, dass es wahr sein könnte, dass sie überlebt haben könnte, wenn so viele andere gestorben waren, aber die Hoffnung regte sich wieder in ihr. Sie war definitiv am Leben und all die schrecklichen Empfindungen zerquetschter Knochen in ihrem Körper waren verschwunden. Wenn sie heil war, war es zu viel, zu hoffen, dass sie auch geheilt worden sein könnte?

Dann sah Nerra ihren Arm. Es war immer noch ein menschlicher Arm, er war nicht in die abscheulichen, unförmigen Dinge verdreht worden, die sie unten im Dorf gesehen hatte, aber er war vollständig mit schillernden Schuppen von tiefem Blau bedeckt. Muskeln bewegten sich unter der Haut, viel dicker als zuvor, und Nerra sah schockiert zu, wie sich Krallen aus ihren Fingern streckten, die boshaft scharf aussahen.

Sie schrie auf, als sie ihren Arm so sah und griff nach den Schuppen und sie tat es mit Krallen, was es nur noch schlimmer machte. Was geschah mit ihr, was war aus ihr geworden? Sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können, und das hatte nichts mit der Krankheit zu tun, dafür aber alles mit der Seltsamkeit des Geschehens. Sie trat einen Schritt zurück, aber das führte sie nur zum Wasser. Sie durfte nicht zögern; sie musste schauen.

Das Wesen, das von der Wasseroberfläche zurückstarrte, hatte sich grundlegend verändert, von dem, was sie gewesen war, und doch war es nicht das zerbrochene, verzerrte Ding, vor dem sie solche Angst gehabt hatte. Nerra konnte es ein paar lange Sekunden nur anstarren, unfähig, es zu begreifen. Entsetzen, Schock und pure Faszination kämpften in ihr darum, die Oberhand zu gewinnen.

Ihre Haut war schuppig, ihre Augen gelb wie die einer Schlange, ihre Gesichtszüge dehnten sich zu etwas Drakonischem aus, doch diese Gesichtszüge hatten eine unbestreitbare Symmetrie und Schönheit. Trotzdem hätte Nera alles abgelehnt, wäre da nicht immer noch etwas an dem Wesen, das Nerra an sich selbst erinnerte. Sie fand sogar ein Überbleibsel ihre Haare, in fächerartigen Strähnen, wie der Kamm einer Eidechse. Ihr Körper war genauso schuppig und noch viel muskulöser. Dank der Neuanordnung ihrer Gelenke konnte sie sich auf eine geschmeidige Weise bewegen, sah aber nicht wie ein Monster aus.

„Selbstverständlich bin ich ein Monster!“, sagte sie laut und ihre Stimme war der einzige Teil von ihr, der sich nicht verändert zu haben schien. Das machte es allerdings irgendwie schlimmer, nicht besser. Wie konnte dieser Teil von ihr der gleiche sein, wenn so viel von dem Rest von ihr so verzerrt war? Ihr kam der Gedanke, dass niemand in ihrer Familie sie jetzt noch erkennen würde, dass sie alles verloren hatte. Wut stieg in ihr auf, schnell und plötzlich und erschütternd. Sie nahm einen Klumpen Tempelstein und zerdrückte ihn zwischen ihren Händen. Erst als sie es tat, wurde ihr klar, wie stark diese neue Gestalt geworden war.

Die Wut war immer noch da und Nerra konnte fühlen, wie sie darum kämpfte, hervorzusprudeln, Besitz von ihr zu ergreifen, so wie sie über alle Verwandelten im Dorf Besitz ergriffen und sie in scheinbar sinnlose Dinge verwandelt hatte. Nerra wehrte sich dagegen, gegen den Schock, gegen den puren Kummer, den diese Verwandlung auslöste, zwang alles in sich hinein und weigerte sich, so zu werden. Sie klammerte sich an die Seite des Beckens, starrte ins Wasser und zwang sich, diese veränderte Version von ihr anzusehen, bis sie glaubte, sie ertragen zu können.

Der Brunnen hatte sie nicht getötet und nicht geheilt, er hatte sie verändert. Das Wasser war wie ein Katalysator für die Transformation gewesen, die die Krankheit mit sich gebracht hatte, aber es hatte sie scheinbar direkt an den verzerrten Formen vorbeigeführt, die sie normalerweise während der Verwandlungsphase auslöste und stattdessen etwas  gleichzeitig Schlankes und Geschmeidiges, Eidechsenartiges und Menschliches zu schaffen.

Nerra wusste nicht, was sie mit diesem Gedanken anfangen sollte, wusste nicht, wie sie den Schock überwinden sollte, angesichts dessen, was sie geworden war. Sie konnte es nicht begreifen und wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte. Sie musste wissen, was vorging und was mit ihr passiert war, aber es gab nur einen Ort, an dem sie Antworten bekommen könnte, und an diesem Ort könnte man sie für das, was sie war, auch direkt töten.

Nerra schritt über die Fläche des Vulkans hinaus und machte sich auf den Weg zurück in Richtung Dorf.




KAPITEL FÜNF


Sich Finnal und seinen Leuten an die Fersen zu heften war für Erin leicht genug. Schließlich konnte sie als Prinzessin überall im Schloss hingehen, und das sie auch ein Ritter war, sah niemand genauer hin, wenn sie es mit ihrem kurzen Speer an ihrer Seite tat, dessen Kopf immer noch so umhüllt war, dass er wie ein Stab aussah.

Was würde jemand wirklich sehen, wenn er in ihre Richtung blicken würde? Ein Mädchen, das kleiner als ihre Schwestern war, in Ketten- und Panzerrüstung, dunkles Haar, kurz geschnitten, damit es im Kampf nicht störte, mit entschlossenen Gesichtszügen. Sie würden nicht ergründen können, worum es ihr ging, würden nicht in der Lage sein, den Teil zu erraten, in dem sie früher oder später vorhatte, ihren Speer in Finnals Herz zu stoßen. Niemand wollte eine Prinzessin ansehen und denken, dass sie so etwas tun könnte.

Die Leute waren dumm.

Im Moment beschattete Erin nur. Sie bewegte sich geschickt zwischen den verschiedenen Gruppen von Leuten, die zurzeit das Schloss bevölkerten und schlenderte von den versammelten Rittern zu den Gruppen von Dienern, während Finnal über den Hof in Richtung der großen Halle ging. Im Schlosshof standen im Moment Zelte, im Schatten der hohen Mauern lagerten dort Soldaten, während sie auf neue Befehle warteten. Einige saßen im Freien und kochten Feuer, und Finnal blieb bei einigen stehen, scherzte mit ihnen und lachte. Bei einigen verteilte er Münzen und versuchte wahrscheinlich, Zuneigung zu kaufen.

Erin konnte nicht erkennen, was ihre Schwester jemals in ihm gesehen hatte. Oh, er war hübsch, sicher, diese elegante Anmut, hohen Wangenknochen und dem stetigen Lächeln. Er trug dunkle, mit Silber abgesetzte Kleidung, um besser auf den glanzvollen Rest seiner Erscheinung aufmerksam zu machen. Und natürlich reagierten alle um ihn herum auf ihn, als ob die Sonne selbst gerade hinter einer Wolke hervorgekommen wäre, wenn er vorbeiging. Doch Lenore hatte mehr verdient. Sie verdiente jemanden, der sie wirklich liebte.

Ganz sicherlich jemanden, der nicht versuchen würde, sie in ihrer Ehe quasi als Geisel zu halten, und Schläger nach ihr aussandte, nur weil sie es gewagt hatte, nach draußen zu gehen. Finnal würde dafür bezahlen, und zwar teuer.

Erin lächelte, als sie sah, wie Finnals Weg zu den Ställen auf seinem Weg zur großen Halle führte. Bei so vielen Leuten im Schloss war es im Moment schwierig, einen guten Platz für einen Hinterhalt zu finden, aber Erin war sich sicher, dass es dort einen Platz geben würde. Sie kannte genau die richtige Stelle.

Erin gab ihren Versuch auf, ein stiller Schatten hinter ihm zu sein, und rannte in schrägem Winkel von Finnal über den Hof. Am anderen Ende des Hofs schlug sie einen Haken und rannte eine Steintreppe hinauf, bis sie sich auf der untersten Ebene der Mauern befand. Sie schlüpfte an einer der Wachen vorbei, die über die Inseln der Stadt blickten und sprang leichtfüßig hinunter, bis sie das Dach der Stallgebäude erreicht hatte

Sie hatte sich hier oft versteckt, als sie jünger war, teils weil es ein guter Ort war, um sich zu verstecken, wenn sie den Etiketteunterricht vermeiden wollte, den ihre Mutter für sie geplant hatte, und teils weil es einen Raum gab, von dem aus man runter in den Stall schauen konnte. Erin hatte es benutzt, um Jagdgesellschaften oder Ritter auszuspionieren, die sich darauf vorbereiteten, im Königreich auszugehen, und war immer eifersüchtig gewesen, dass sie all das tun durften, wenn man es ihr nicht erlaubte. Jetzt lag sie hier auf der Lauer, den Griff ihres Speers fest in der Hand.

Würde sie das wirklich tun? Während sie wartete, wurde sie nervös, denn auch wenn sie zuvor bereits getötet hatte, hatte sie es nie kaltblütig getan. Würde sie wirklich den Ehemann ihrer Schwester niederschlagen und ihn im Stall dem Tod überlassen?

Die Antwort darauf war einfach: Wenn nicht sie, wer dann? Oh, Lenore hatte darüber gesprochen, dass ihre Zofe etwas unternehmen und Informationen finden würde, die die Leute davon überzeugen würden, Finnal auf eine saubere Art loszuwerden, aber wie hoch standen die Chancen, das dies wirklich geschehen würde? Selbst, wenn sie Informationen bekämen, die die meisten Menschen überzeugen könnten, würde Vars der Annullierung der Ehe zustimmen? Er war derjenige, der überhaupt darauf gedrängt hatte, dass es schnell über die Bühne gebracht wurde.

Vielleicht, wenn ihr Vater aufwachte … aber dies hier war schneller und sauberer, und … nun, Finnal hatte es verdient. Niemand bedrohte Erins Schwester ungestraft.

Sie wartete dort oben, bis sie unten Stimmen hören konnte.

„… der größte Braune“, sagte Finnal irgendwo unten.

„Aber Sir, dieses Pferd ist Eigentum von Prinz Rodry.“

„Und ich möchte sein Andenken ehren, indem ich es in den Dienst seiner Schwester stelle“, sagte Finnal. Er kam unten in Sicht, sein Kopf mit den vollen Locken sichtbar. „Denk daran, dass ich ihr Ehemann bin und dass das Land, das ich jetzt besitze, auch die Gegend um … hmm, woher, hast du gesagt, stammt deine Familie?“

Die Bedrohung war dort in seinem Tonfall und alles trug nur dazu bei, Erins Wut zu schüren. Dieser Mann wurde in dem Moment grausam, als er Macht erhielt, eine Schlange in einer hübschen Hülle. Darüber hinaus versuchte er jetzt, von ihrem toten Bruder zu stehlen und ihre Schwester zu bedrohen. Erin konnte keines von beiden zulassen.

„Vielleicht sollte ich mit dem Stallmeister sprechen“, sagte der Pferdepfleger, mit dem Finnal sprach.

„Das scheint eine hervorragende Idee zu sein“, sagte Finnal. „Ich werde genau hier warten.“

Nun wurde offensichtlich, dass der Pferdepfleger es gar nicht vorgehabt hatte, mit dem Stallmeister zu reden, aber als Finnal beteuerte, er würde warten, hatte er keine Wahl. Darin bot sich ein Vorteil: Finnal war allein im Stall, bis auf die Pferde, direkt in Erins Sichtlinie. Erin nahm die Scheide vom Kopf ihres Speers und spürte, wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte. Sie konnte das tun, sie musste das für ihre Schwester tun.

Der Winkel war nicht ganz richtig, also veränderte Erin ihre Position auf dem Dach oder zumindest versuchte sie es. Sie spürte, wie sie den Halt verlor, als ihr Fuß durch den Strohteil des Daches brach, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut nach Luft zu schnappen, als sie fast fiel. Nur indem sie ihren Speer in das Stroh grub, konnte sie das Gleichgewicht halten und verhindern, dass sie hinunterstürzte.

Erin duckte sich einige Sekunden lang außer Sicht. Sie konnte Schritte oben an der Mauer hören, aber sie wusste, dass die Wachen sie von dort aus nicht sehen konnten. Mehr Sorge machte ihr die Möglichkeit, dass sie Finnal aufgeschreckt haben könnte. Doch er stand immer noch am selben Platz, als sie es endlich wagte, wieder durch die Lücke im Dach in die Ställe zu blicken, und schaute immer noch über die Pferde, als wollte er festlegen, welches von ihnen er als Nächstes nutzen würde.

Erin hob ihren Speer, korrigierte ihren Griff und war bereit zu werfen. Der Speer war kurz, aber von hier aus hatte sie keinen Zweifel daran, dass sie ihn direkt durch Finnals Herz treiben konnte. Erin holte Luft, wartete, bis ihre Hand völlig ruhig war, spürte die Spannung und … –.

Eine Hand schloss sich um den Griff des Speers und hielt sie davon ab, ihn zu schleudern.

„Ihn am helllichten Tag töten?“, flüsterte Odd mit einem missbilligenden Kopfschütteln.

Erin wirbelte zu ihm herum. Der ehemalige Ritter trug immer noch sein Schwert über den Rücken geschnallt, die Gewohnheit eines Mönchs, die er auf der Insel Leveros erlangt hatte. Sie hätte nicht geglaubt, dass er sich so leise bewegen könnte.

„Er muss sterben“, zischte Erin zurück, aber als sie durch die Lücke blickte, sah sie, dass Finnal sich aus ihrer Sichtlinie entfernte.

„Und wenn Ihr ihn tötet, was dann?“, fragte Odd. Er hatte ihre Waffe immer noch nicht losgelassen. „Zunächst würde Euer Speer aus seiner Brust herausragen. Prinzessin oder nicht, Ihr könnt nicht einfach ungestraft den Sohn eines Herzogs töten. Sie würden Euch hängen!“

„Selbst Vars würde nicht zulassen, dass man mich hängt“, sagte Erin. „Und um Lenore zu beschützen –“

„Um Eure Schwester zu beschützen, müsst Ihr da sein!“, schnappte Odd zurück. Er schob Erin von sich weg. „Verrottet also bitte nicht in einem Verlies und beginnt keinen Bürgerkrieg, der uns alle töten würde.“

„Ihn zu töten … würde die Dinge beenden, nicht beginnen“, beharrte Erin.

„Nicht, wenn die Hälfte der Adligen ihn und seinen Vater unterstützt“, sagte Odd. „Es würde dem Königreich zeigen, dass die Monarchie unbeherrscht und nach eigenem Gutdünken regiert. Tut das Vernünftige, Erin.“

„Und das sagt Ihr, weil Ihr so viel darüber wisst?“, schnappte Erin. Sie schaute von Odd zu den Rittern. „Glaubt Ihr, ich weiß nicht, wer Ihr seid und wer Ihr wart? Man nennt Euch nicht Sir Oderick, den Vernünftigen!“

„Nein, sie nennen mich den Verrückten“, sagte er. Sofort zog er sein Schwert aus der Scheide. Es blitzte auf und Erin parierte es kaum rechtzeitig mit ihrem Speer. „Sie sagten, ich sei verrückt. Sie sagten, ich sei ein Monster.“

Er schlug immer wieder zu und zwang Erin zurück, einen Schritt, dann noch einen.

„Ihr glaubt, Eure Wut ist alles, was wichtig ist? Nun, ich weiß, was Wut ist“, sagte er. Er schlug erneut zu, und jetzt war Erin so genervt, dass sie zurückschlagen wollte. Sie stellte sich in Kampfstellung, ihre Füße ungefähr 30 Zentimeter voneinander entfernt …

… nur, wie sich herausstellte, hatte Erin in 30 Zentimeter Entfernung kein Dach mehr, wo sie ihren Fuß platzieren konnte. Stattdessen fiel sie hin und ihr Speer drehte sich aus ihrer Hand. Für einen Moment war sie sich sicher, dass sie sich auf dem Kopfsteinpflaster sämtliche Knochen brechen würde. Doch es schien, als hätte Odd sie nicht nur zum Rand des Daches gedrängt, sondern sie dort zu Fall gebracht, wo der einzige Wasserbehälter stand. Erin schlug mit einem Spritzer auf, tauchte kurz ein und kam spuckend hoch.

Odd war schon da unten und hielt ihr ihren Speer hin.

„Fühlt Ihr Euch besser?“, fragte er.

„Ich habe das Gefühl, ich sollte Euch genauso erstechen wie ihn“, sagte Erin. Sie spürte die Schwere seines Blicks auf sich. „Aber noch nicht. Ihr habt recht. Ich kann ihn nicht einfach töten, oder?“

Odd schüttelte den Kopf und warf ihr ihren Speer zu. „Wir müssen einen anderen Weg finden. Im Moment ist Eure Schwester in einer Ehe, die ihr Leben gefährdet und sie hat weniger Freunde als sie gedacht hatte.“

„Sie hat mich“, sagte Erin und zog sich aus dem Wasser.

„Uns“, korrigierte Odd sie.

Erin stellte das nicht infrage. Sie war einfach dankbar, dass ein so begnadeter Krieger bereit war, zu helfen. Finnal hatte Ressourcen auf seiner Seite und er hatte eine hohe Position und sogar Vars’ Freundschaft. Alles, was Erin dem entgegenzusetzen hatte, um ihre Schwester in Sicherheit zu bringen, war ein möglicherweise verrückter ehemaliger Ritter. Trotzdem würde sie Lenore beschützen, selbst wenn es Erin das Leben kosten würde.




KAPITEL SECHS


Devin stand in Meister Greys Quartier zwischen all den Kuriositäten, die nur ein Magier sammeln konnte, und starrte auf eine Karte des Königreichs, während Meister Grey auf Punkte darauf zeigte.

„Meine Forschung hat Orte identifiziert, an denen sich Fragmente des unvollendeten Schwertes befinden werden“, sagte er. „Ein Familiengrab am Fuße des hohen Nordens, ein Schrein außerhalb eines Dorfes im Herzen des Königreichs.“ Er zeigte nacheinander auf ein weiteres halbes Dutzend Stellen.

Devin versuchte, das alles in sich aufzunehmen. „Warum sollte jemand die Fragmente eines Schwertes so zerstreuen?“

„Weil es eine Waffe der Macht ist“, antwortete der Magier. „Eine, die zu gefährlich ist, um in Friedenszeiten in den Händen von Männern zu bleiben.“

„Gab es in letzter Zeit Zeiten des Friedens?“, fragte Sir Twell der Planer vom anderen Ende des Raums. Sir Halfin der Flinke stand neben ihm, die beiden Ritter des Sporns trugen einen halben Panzer und eine Kette, die von Mänteln bedeckt waren. Ihre Schilde waren schlicht und trugen nicht die Insignien, die sie zu erkennen gäben. Sir Twell hatte eine bandagierte Wunde aus der Schlacht, schien sich aber immer noch gut zu bewegen. Sir Halfin verlagerte ständig sein Gewicht, als könne er nicht stillstehen.

„Die Kriege der Menschen sind nicht das, worüber ich mir Sorgen mache“, sagte Meister Grey.

„Worüber macht Ihr Euch dann Sorgen?“, fragte Devin. Nicht, dass er eine Antwort erwartet hätte. Er bekam auch keine.

„Es ist wichtig, dass Ihr die Fragmente des Schwertes einsammelt“, sagte Meister Grey. „Viele sind in Sichtweite versteckt, einige an … etwas gefährlicheren Orten. Du hast mit der Klinge, die du für die Hochzeit gemacht hast, bewiesen, dass du Sternenmetall schmieden kannst!“

„Wunderbar“, sagte Sir Halfin. „Wir reisen zusammen, um das Zeug einzusammeln. Es wird genau wie unsere Reise nach Clearwater Deep sein.“

„Außer dass Rodry diesmal nicht bei uns sein wird“, sagte Sir Twell in einem düsteren Ton. „Ihr sagt, dass all dies benötigt wird, Magier?“

Meister Grey nickte. „Wenn Ihr die Dinge gesehen hättet, die ich gesehen habe, müsstet Ihr nicht fragen.“

„Aber ich muss fragen“, sagte Sir Twell. „Weil Ihr mitten im Krieg zwei Ritter vom Schloss entfernen wollt.“

„Ich würde mehr von Euch nehmen“, sagte Meister Grey. „Aber da wären jene, die Euch folgen würden, wenn sie wüssten, was vorgeht. Ihr beide und Devin, das ist unauffälliger.“

Der Ritter seufzte, weil es eindeutig nicht das war, was er gemeint hatte. „Und Ihr habt alles richtig darauf vorbereitet?“

Meister Grey sah ihn seltsam an. „Länger als Ihr Euch vorstellen könnt, Planer. Aber wenn Ihr es im unmittelbaren Sinne des Wortes meint … Pferde, Vorräte, Waffen und Gold werden unten auf Euch warten. Alles, was selbst Ihr verlangen könntet.“

Das schien den Ritter, wenn auch nicht glücklich, zumindest zufrieden zu machen.

Sir Halfin wandte sich an Devin. „Und was ist mit dir? Hältst du das für eine gute Idee? Vertraust du dem Magier des Königs?“

Devin war sich nicht sicher, wie er eine dieser Fragen beantworten sollte. Meister Grey war kein Mann, der Vertrauen erweckte, Antworten gab oder auf eine Weise handelte, die nicht auf seine eigenen unergründlichen Prophezeiungen zurückzuführen war. Er glaubte sicherlich nicht, dass diese Mission sicher oder einfach sein würde. Doch er hatte selbst Dinge gesehen, die er nicht hätte sehen sollen, er hatte einen Teil von Meister Greys Schriften darüber gelesen, dass ein am Drachenmond geborenes Kind lebenswichtig ist. Wenn ja, hatte er nicht die Pflicht zu handeln?

„Ich denke, wir müssen das tun“, sagte Devin. Er streckte den anderen die Hand entgegen. „Wenn dies dem Königreich helfen kann, müssen wir es zumindest versuchen. Werdet Ihr helfen?“

Sir Halfin war der erste, der seine Hand über Devins legte. „Ich werde helfen. Wenn wir nicht dafür da sind, wofür sind die Ritter des Sporn dann da?“

Sir Twell brauchte einen Moment länger, legte aber dann seine Hand auf ihre. „Sehr gut“, sagte er. „Ich verspreche es. Ich habe jedoch noch eine Frage: Wie werden wir diese Fragmente finden?“

„Devin wird das Sternenmetall spüren, wenn er sich ihm nähert“, sagte Meister Grey. „Aber von weiter weg …“ Er nahm eine Karte heraus und breitete sie aus. Es zeigte das Königreich und die Fragmente, auf die er vorher schon gezeigt hatte, aber da war noch etwas anderes … mindestens eines von ihnen bewegte sich.

„Magie“, sagte Devin ehrfürchtig. Selbst nachdem er gedacht hatte, alles gesehen zu haben, was Meister Grey tun konnte, schien er ihn immer noch in Erstaunen zu versetzen.

„Die Karte wird die Fragmente verfolgen“, sagte der Magus. „Damit solltet Ihr in der Lage sein, Euch ihnen zu nähern. Ich würde vermuten, dass das, was sich bewegt, derzeit von einem Händler besessen wird, der es als Schmuckstück zum Verkauf anbietet!“

„Dann bekommen wir es zurück“, versprach Devin. „Und alle anderen.“

„Beeilt Euch“, sagte Meister Grey. Er legte eine Hand auf Devins Schulter. „Vielleicht ist für uns alle nicht mehr viel Zeit übrig.“

„Das werde ich“, sagte Devin, dachte dann aber einen Moment nach. „Es gibt nur eine Sache, die ich zuerst tun muss.“


***

Als Devin sich Lenores Gemächern näherte, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt sehen, geschweige denn mit ihr sprechen durfte oder … oder was? Alles ausdrücken, was er empfand? Ihr alles sagen, obwohl sie jetzt verheiratet war?

Devin wusste es nicht. Er wusste nicht, was er sagen sollte oder wie weit er gehen durfte. Er wusste nur, dass er irgendetwas tun musste. Also hatte er ihre Gemächer aufgesucht, weil sie sich dort befand. Was an sich schon seltsam war. Sollte sie jetzt, wo sie seine Frau war, nicht in Finnals Gemächern sein?

Er war noch überraschter, als eine ganz andere Prinzessin die Tür mit einem Speer in der Hand öffnete, als könnte sie ihn erstechen.

„Wer seid Ihr?“, forderte Prinzessin Erin. „Was wollt Ihr?“

„Es ist alles in Ordnung, Erin“, hörte er Lenores Stimme hinter ihr. „Es ist Devin, Rodrys Freund. Lass ihn rein.“

Prinzessin Erin sah ihn noch einmal an, als erwarte sie, dass Devin plötzlich ein Messer herausziehen und sie angreifen würde, aber sie trat zurück.

„Ich denke, wenn Ihr ein Freund von Rodry seid, dann könnt Ihr eintreten.“

Devin hatte das Innere von Lenores Gemächern noch nie gesehen, und für einen Moment überraschte ihn der Anblick. Blaue Seide wogte an den Fenstern eines Wohnzimmers, Lenore las auf einem der Sofas und eine Gestalt in der Robe eines Mönchs stand ein Stück entfernt und sein Blick schien ins Leere zu gehen. In Devins Augen war Lenore schöner als je zuvor, ihre feingliedrige Zerbrechlichkeit und ihr zartes Gesicht, welches nach ihrer Entführung einen neuen Ausdruck von Entschlossenheit angenommen hatte. Ihr fast schwarzes Haar war jetzt in einem einfachen Stil zurückgebunden, der irgendwie besser zu ihr passte als alle Bemühungen ihrer Dienstmädchen zuvor, und ihre Augen … Devin hatte das Gefühl, als könnte er diese Augen für immer anstarren.

„Devin“, sagte sie und streckte ihm eine Hand entgegen. Sie zog ihn näher heran und bedeutet ihm, sich neben sie zu setzen. „Schön dich zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass du herkommst.“

„Ist es denn angemessen, hierherzukommen?“, fragte Devin mit einem Stirnrunzeln. „Ich … würde Euch keinen Ärger verursachen wollen.“

Er wusste, dass es nicht üblich war, dass ein junger Mann von niederer Herkunft wie er eine Prinzessin in ihren Gemächern besuchte. Er wollte nichts tun, was Lenore missbilligen würde.

„Nein, ich bin froh, dass du gekommen bist“, sagte Lenore und Devins Herz machte einen Sprung. „Ich … hatte gehofft, dass du es tun würdest, aber ich dachte bei allem, was du für Meister Grey tun musst, dass du vielleicht keine Zeit hast. Dass du mich vergessen hast.“

„Ich könnte Euch nie vergessen“, rief Devin aus und merkte dann, was er gesagt hatte. „Das heißt … ich war wirklich sehr beschäftigt.“

„Es muss seltsam sein, für einen Magier zu arbeiten“, sagte Lenore. „Das Schwert, das du geschmiedet hast, war übrigens wunderschön. Ich bin sicher, Rodry hätte …“

Sie würgte das letzte Wort zurück und Devin nickte, denn obwohl Rodry nicht sein Bruder gewesen war, verstand er immer noch den Schmerz, ihn zu verlieren. „Danke“, sagte er, denn wenn es eine Person gab, deren Wertschätzung seiner Arbeit ihm etwas bedeutete, dann war es Lenore. „Eigentlich bin ich deshalb gekommen. Ich … Meister Grey schickt mich weg, um eine Mission für ihn zu erfüllen. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber ich werde für eine Weile weg sein.“

War das Enttäuschung, die Devin in ihren Augen sah, oder war es nur Wunschdenken, dass sie so empfand wie er, wenn er daran dachte, sie längere Zeit nicht sehen zu können?

„Das ist … schade“, sagte Lenore. „Es ist schön, dich in der Nähe zu haben. Es … es gefällt mir, dass du hier bist.“

„Ich bin gerne hier“, sagte Devin. „Aber ich denke, ich muss diese Mission erfüllen, und bevor ich ging, wollte ich Euch etwas geben.“ Er erkannte, wie seltsam das klingen würde. „Ich meine, weil das Hochzeitsgeschenk, das ich gemacht habe, eher ein Hochzeitsgeschenk für Euren Mann war.“

„Mein Mann, ja“, sagte Lenore, als hätte sie Finnal für einen Moment fast vergessen.

Devin nutzte seine Chance und holte ein kleines Stück Sternenmetall heraus, das vom Schmieden übrig geblieben war. Er hatte daran gearbeitet, versucht, seine Fähigkeiten damit zu verbessern und es in eine Reihe von käfigartigen Kugeln geformt, die perfekt ineinander passten und sich jeweils frei in der nächsten bewegten. Als Herzstück hatte er eine kleine Scherbe aus farbigem Glas gesetzt, die das Licht bei jeder Bewegung der Kugeln aus Sternmetall anders reflektierte.

„Es ist nicht viel“, sagte Devin. „Man kann es sicher nicht mit einem Schwert verglichen, aber …“

„Es ist wunderschön“, sagte Lenore und hielt es in ihrer Handfläche. „Ich liebe es.“

Und ich liebe Euch, wollte Devin sagen, konnte es aber nicht. Nicht zu einer Prinzessin; einer verheirateten Prinzessin noch dazu.

„Ich werde es zur Erinnerung nah bei mir tragen, solange du fort bist“, sagte Lenore. „Ich werde es schätzen.“

„Das ist … das macht mich froh“, sagte Devin. Warum war es so schwer, in ihrer Gegenwart die Worte zu finden? „Ich sollte gehen. Die anderen warten auf mich.“

Er nahm kurz Lenores Hand und versuchte herauszufinden, ob es angemessen wäre, sie zu küssen oder nicht. Wahrscheinlich nicht. Er stand auf und ging zur Tür.

„Devin“, rief Lenore, bevor er dort angekommen war. Er drehte sich hoffnungsvoll um. „Ich … ich werde dich vermissen, solange du weg bist.“

„Danke, ich werde Euch auch vermissen“, sagte er und flüchtete dann aus dem Raum. Er verfluchte sich auf dem ganzen Weg, weil er nicht in der Lage war, das zu sagen, was wichtig war.

Was auch immer da draußen passieren musste, um die Fragmente zu holen, musste einfacher sein als das, oder?




KAPITEL SIEBEN


Renard war schon in schlimmeren Situationen gewesen als hier, in einem Grab gefangen, mit einem Drachen auf der einen und den Verborgenen auf der anderen Seite. Er konnte sich zwar im Moment nicht erinnern, wo das gewesen sein sollte, aber er war sich sicher, dass es solche Situationen gegeben hatte.

Theoretisch könnte er das Ganze natürlich einfach machen: Er könnte warten, bis der Drache sich entfernte, und dann zu den Verborgenen hinausgehen. Alles, was er dann tun musste, war, das Amulett zu übergeben, das seine Kraft wie ein feines Loch am Boden eines Reservoirs aufzuzehren schien.

Das konnte er allerdings nicht. Stattdessen musste Renard dies auf die harte Tour tun.

Er überprüfte sorgfältig die Wände des inneren Grabes und hoffte, dass es einen versteckten Ausgang geben würde, einen Riss oder Tunnel, der nicht da gewesen war, als man diesen Ort ihn in die Seite des Vulkans gebaut hatte. Ein schöner, bequemer Ausweg schien nicht zu viel verlangt, oder?

Doch anscheinend war es das, denn er konnte keinen finden. Was bedeutete, dass er das Grab entweder über den Weg verließ, den er hineingekommen war, oder … oder er ging durch die Öffnung über dem großen Raum des Mausoleums. In den Tod fallen, oder von den Verborgenen beim Versuch, sie zu betrügen, gestellt zu werden. Wenn man es so ausdrückte, hatte er überhaupt keine Wahl.

Renard schloss mit seinen Werkzeugen die goldenen Türen zum Grab auf, hörte das Klicken und spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief, als er überlegte, was dahinter sein könnte. Es ertönte noch mehr Kratzen, während der Drache mit seinen Krallen versuchte, sich hineinzugraben, und Renard blieb vollkommen still, bis das Geräusch aufhörte. Er wartete eine Minute, dann noch eine.

Er konnte theoretisch hier bis in die Ewigkeit sitzenbleiben und lauschen, aber früher oder später musste er sich bewegen. Und das tat er. Er öffnete die Tür und schaute hinaus. Der Himmel darüber wurde dunkler, das Licht im Mausoleum war jetzt weniger intensiv. Renard wagte es jedoch nicht, mit seiner Laterne zu leuchten, denn das würde sicherlich die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich ziehen. Stattdessen schlich er hinaus und behalf sich mit dem, was er bei natürlichem Licht sehen konnte.

Dort, jenseits des höhlenartigen Geheges, konnte er den Großteil der Kreatur sehen. Es war still, im Schlaf fast wie eine Katze zusammengerollt, und seine Flanke hob und senkte sich mit jedem Atemzug langsam. Renard hielt Abstand und vermutete, dass selbst das leiseste Geräusch ihn wecken könnte.

Bei schwachem Licht musterte er die Innenwände des Grabes so gut er konnte. Die unteren Ebenen waren reich an Schnitzereien und Denkmälern; Es war ein einfacher Aufstieg für jemanden wie ihn. Weiter oben schien das Mauerwerk dem natürlichen Fels Platz zu machen, und dies schien ein weitaus härterer Aufstieg zu sein als der außerhalb dieser Wände.

Es war entweder das oder er konnte hier bleiben, bis der Drache aufwachte, also begann Renard zu klettern. Er machte sich auf den Weg, benutzte die Statue eines vergessenen Kriegers, um Fuß zu fassen, dann sprang er hoch und ergriff eine obere Reihe von Steinfiguren im Fels. Er schwang seinen Körper hoch, drehte und wendete sich dabei und stieg immer höher hinauf.

Renard schnappte nach Luft, als die Steinwand einer grotesken Gestalt, die er als Haltegriff verwendete, nachgab und ein Teil davon zu fallen begann. Zumindest seine Reflexe waren gut und seine Hand schoss heraus, um es zu fangen, anstatt es auf den Boden klappern zu lassen. Für einen Moment hing Renard an einer Hand, seine andere hielt ein verzerrtes Steingesicht, das das Ganze sehr lustig zu finden schien. Er war froh, dass einer von ihnen es tat.

Vorsichtig suchte er mit den Füßen und fand Halt, der sein Gewicht tragen würde. Genauso vorsichtig legte er das Steingesicht mit der Vorderseite nach unten auf ein Felsregal, wo es  nicht fallen und den Drachen darunter stören konnte.

Er bewegte sich jetzt schneller, denn er wusste, dass selbst sein starker Griff irgendwann ermüden würde. Er bewegte sich von Vorsprung zu Vorsprung, streckte die Hand aus, setzte seine Hand oder seinen Fuß in Position und verlagerte sein Gewicht. Er versuchte, seinen Weg zu dem Flecken zu planen, an dem Laub von oben hereinfiel und sein Atem stockte, als er ein Problem entdeckte.

Auf seinem Weg lag ein Stück, bei dem der Stein komplett abgefallen war, es gab keine Vorsprünge, nichts, woran er sich hätte festhalten können. Wenn er Zeit gehabt hätte, wäre es kein Problem gewesen, denn Renard hätte mit Hammer und Hacke gearbeitet, um seinen eigenen Weg zu erarbeiten. Er hatte das einmal in der Schatzkammer eines Kaufmanns getan, wo man nur den Boden berühren musste, um eine anspruchsvolle Sammlung von Fallen auszulösen. Jetzt wusste er jedoch nicht, wie viel Zeit er hatte, bis der Drache aufwachte, und er konnte es nicht riskieren, in den Felsen zu hämmern. Das ließ nur eine Option übrig: Er würde die Lücke überspringen müssen.

Für einen Moment überlegte Renard, zum Boden zurückzukehren, durch den Haupttunnel zu gehen und einfach zu versuchen, sich an den Verborgenen vorbeizuschleichen. Irgendwie bezweifelte er jedoch, dass das funktionieren würde. Sie würden ihn erwischen und dann …

Ja, es gab definitiv schlimmere Dinge als zu fallen.

In diesem Moment blickte er nach unten und sah, dass eines der großen, goldenen Augen des Drachen offen war.

Das spornte Renard zum Sprung an, wie es sonst nichts vermocht hätte. Er hörte das Dröhnen des Drachen, als er sich nach oben vorarbeitete. Sein Körper schien eine unerträgliche Ewigkeit lang im freien Raum zu hängen, bevor seine Hände einen Felsvorsprung darüber fanden. Er war scharfkantig und grub sich in seine Hände, aber es war ihm jetzt egal, er sorgte sich nur darum, sich rechtzeitig zu den oberen Hängen des Vulkans ins Freie zu schleppen.

Der Drache flog aus dem Loch hinter ihm hinauf, seine mächtigen Flügel trugen ihn in den Himmel. Dort kreiste er und für einen Moment dachte Renard, dass er sich drehen und direkt auf ihn zukommen würde. Stattdessen schien ihn etwas abzulenken, vielleicht hatte er in der Ferne Beute erspäht, vielleicht etwas anderes. Er drehte sich und flog mit schnellen Flügelschlägen in die Ferne.

Renard lag lange Sekunden auf dem Rücken und versuchte, nach dem Schrecken der letzten Momente wieder zu Atem zu kommen. Er konnte jedoch nicht lange hier liegenbleiben, weil er nicht wissen konnte, wann das Biest beschließen könnte, zurückzukommen, um sich ihn zu holen. Oder schlimmer noch, solange er weg war, könnten die Verborgenen denken, dass es das Risiko wert wäre, ihm ins Mausoleum zu folgen, und könnten herausfinden, dass er das Weite gesucht hatte.

Er zwang sich aufzustehen, schon allein, weil er so viel Vorsprung wie nur irgend möglich brauchte, wenn es um solche Feinde ging; und sie waren jetzt seine Feinde. Sie waren es in dem Moment geworden, als er sich ihnen widersetzt hatte, als er mit dem Amulett nicht zu ihnen zurückgekehrt war.

Sie hätten ihn wahrscheinlich sowieso getötet. Solche Leute waren genau der Typ, der einen Dieb betrog. Gab es keine Ehre mehr auf der Welt? Doch selbstverständlich hatte er damit mehr als nur sich selbst in Gefahr gebracht. Was könnten sie Yselle oder den anderen in Lord Carricks Land antun?

Renard konnte nur hoffen, dass sie zu sehr damit beschäftigt sein würden, nach ihm zu suchen, doch das schien für einen Mann eine ziemlich naive Hoffnung zu sein. Trotzdem machte er sich auf den Weg den fernen Hang des Vulkans hinunter, ging auf das Ackerland zu und hatte es jetzt sehr eilig. Er konnte fühlen, wie das dünne Rinnsal der Kraft, die das Amulett aus ihm heraussaugte, ihn verließ, aber es schien, dass es nur ein Rinnsal blieb, solange er nicht versuchte, es zu benutzen.

Er ging weiter und befand sich bereits auf den untersten Hängen, als er zurückblickte und drei Gestalten mit Kapuze weit oben sah. Es schien, als hätten Void, Wrath und Verdant herausgefunden, was er getan hatte, was bedeutete, dass er nun wirklich rennen musste.

Er rannte auf die Felder zu und um ihn herum schien die Landschaft plötzlich voller Gefahren zu sein. Die Äste eines Baums schwangen sich genau in seinen Weg, und Renard schlug gerade noch rechtzeitig einen Haken. Ein Stein wurde zu messerscharfen Fragmenten und Renard ging schmerzerfüllt zu Boden. Er stand auf und rannte weiter.

Er sprang über eine niedrige Steinmauer und rannte durch die Felder, schlug Haken, lief geduckt und hoffte, dass die dunklen Kräfte, die die Verborgenen durchdrangen, nur eine begrenzte Reichweite hatten. Er blickte zurück und hätte fast geglaubt, dass die Feldpflanzen ihnen die Sicht auf ihn verdeckt hatten, aber Renard wusste, dass er nicht anhalten durfte. Er war in seinem Leben oft genug geflohen, um zu wissen, dass das nichts bedeutete.

Er ging weiter und stieß auf einen Bach, breit und schlammig und wahrscheinlich hüfttief. Dahinter lag offenes Gelände, die nur vereinzelt Deckung durch Bäume und Büsche bot. Ein Mann wie Renard könnte sich dort verstecken, aber wie lange? Es musste einen besseren Ausweg geben. Renard schaute auf den Fluss und glaubte, er könnte einen sehen, aber was wäre, wenn …

„Wir finden dich!“, brüllte Wrath irgendwo hinter ihm. „Und dann schmelze ich die Augen aus deinem Schädel!“

Renard traf eine schnelle Entscheidung, holte tief Luft, tauchte in das trübe Wasser und hockte sich auf den Boden.

Sofort verbarg das schlammige Wasser die Welt vor ihm, außer unscharfen Schatten konnte er nichts mehr erkennen. Das Wasser war kalt und die Strömung raste mit hoher Geschwindigkeit um ihn herum, aber Renard blieb, wo er war, und wagte es nicht, sich zu bewegen, als drei Gestalten an den Ufern oben auftauchten. Echos ihrer Stimmen drangen zu ihm herab.

„… Weg er gegangen ist?“, fragte Wrath, seine wütende rote Maske war für alle sichtbar.

„Wir werden ihn finden“, antwortete Verdant mit ihrer melodischen Stimme. Sie rief „Komm raus, Renard, mein Lieber. Komm und spiel mit uns!“

Der Ton dieser Stimme hatte eine seltsame Wirkung, sodass Renards Glieder selbstständig reagieren wollten. Er musste kämpfen, um sie an Ort und Stelle zu halten, während er gleichzeitig ums nackte Überleben kämpfte. Seine Lungen sagten ihm, dass es Zeit war, Luft zu schnappen, aber wenn er das tat, würde er direkt vor den Verborgenen auftauchen. Die Angst vor dem, was dann passieren könnte, hielt seinen Kopf unter Wasser.

Wie lange konnte er es noch tun, ohne zu ertrinken … Renards Lungen begannen zu brennen, während Void sich genau über ihm umsah und mit seiner ausdruckslosen Maske erschreckender wirkte, als die anderen zusammen.

„Mach weiter“, sagte er. „Findet ihn. Findet das Artefakt!“

Über Renard trat Verdant nun auch an das Ufer. Äste und Ranken erstreckten sich über das Wasser und bildeten eine lebende Brücke, die knarrte und sich verdrehte, als die drei über sie traten und ihre Jagd fortsetzten.

Selbst als sie außer Sicht waren, wartete Renard so lange wie möglich, bevor er nach Luft schnappte. Er wartete, bis die Dunkelheit an den Rändern seines Sichtfeldes eindrang, denn jede Sekunde, die er wartete, war eine weitere, in der seine Verfolger sich von ihm fortbewegten.

Schließlich konnte er es nicht mehr ertragen und brach keuchend an die Oberfläche.

„Verdammt“, sagte er sich. „Verdammt sollen sie sein!“

Er hielt das Amulett hoch, dessen achteckige Form eine Drachenschuppe enthielt, umgeben von Runen und Edelsteinen verschiedener Farben. Es war das, was sie wollten, aber Renard wusste, dass er solchen Leuten etwas so Mächtiges nicht geben konnte. Er konnte aber auch nicht einfach daran festhalten, nicht wenn er spürte, wie es das Leben aus ihm heraussaugte, Tropfen für Tropfen.

Was er wirklich brauchte, war ein Magier, der ihm sagte, was er damit anfangen sollte, aber Renard kannte keinen Magier. Er hatte keine Erfahrung mit magischen Amuletten, keine Erfahrung mit Drachen oder Worten, die die Welt verdrehen könnten, oder sonst irgendetwas von dieser seltsamen Art. Zum Glück hatte er jedoch viel Erfahrung mit gestohlenen Waren.

Er wusste genau, wo er diese loswerden konnte.




KAPITEL ACHT


Als Vars in die große von Steinmauern gesäumte Halle stapfte, war sie bereits voller Menschen. Es waren so viele da, dass die großen Teppichquadrate, die sie normalerweise nach Rang aufteilten, einer eher groben Schätzung gewichen waren. Die Adligen waren dort und die Führer der Häuser der Kaufleute, Waffen, Gelehrten und sogar der Seufzer. Die Türen am anderen Ende standen offen, sodass noch mehr Leute von draußen zuhören konnten und die Banner an den Wänden flatterten.

Fast so wie ihre Plappermäuler. Vars hatte den Trubel des Hofes noch nie gemocht, und jetzt, wo so viele Stimmen gleichzeitig sprachen, war es umso irritierender.

„Wir müssen Wachen auf dem Slate halten“, sagte ein Adliger niederen Ranges.

„Warum?“, schoss ein Ritter zurück. „Für den Fall, dass Ravin es schafft, mehr Brücken zu bauen, während wir nicht hinschauen?“

„Genau“, sagte der erste Mann, der sich seiner eigenen Dummheit anscheinend nicht bewusst war.

„Was wir brauchen, ist die Koordination zwischen uns und Ihren persönlichen Gefolgsleuten“, sagte Kommandant Harr. Der Kommandant der Ritter des Sporns stand in voller Rüstung da, sein grauer Bart ruhte auf halber Höhe seines Brustpanzers, und Vars fragte sich, ob der Mann in seiner Rüstung sogar schlief. „Wir dürfen keine Lücken in unserer Verteidigung lassen.“

„Bedeutet das, dass wir die Kosten dafür tragen müssen?“, fragte der Anführer des Hauses der Kaufleute, der mit so vielen dicken Goldketten behangen war, dass wahrscheinlich nur einer von ihnen den Krieg hätte finanzieren können.

„Wir müssen untersuchen, was passiert“, sagte der Anführer der Gelehrten, streng in seinen dunklen Gewändern und seinem rasierten Kopf.

„Wir müssen die Produktion steigern“, fügte der Vertreter des Hauses der Waffen hinzu.

Zumindest war die Frau aus dem Haus der Seufzer still und schien damit zufrieden zu sein, nur zu beobachten, was geschah. Vars hatte kein Interesse an der Meinung einer bloßen Kurtisane.

Vars stand im Schatten des Throns, hörte ihnen zu und wartete darauf, dass einer von ihnen seine Anwesenheit bemerkte. Sekunden vergingen, während sie weiter miteinander stritten. Einige waren der Meinung, sie sollten an Ort und Stelle bleiben, andere sagten, sie sollten vorrücken. Darüber hinaus schien es keine Einigung zu geben, da jede Fraktion ihre eigenen potenziellen Strategen hatte, ihre eigenen Vorstellungen davon, welche Truppen wohin ziehen sollten und wie und wer für all das zahlen sollte.

Er konnte fühlen, wie sich die Wut in ihm aufbaute und sogar die Angst, so vielen Menschen gegenüberstehen zu müssen, erstickte. Er trat an den Thron und stellte sich ganz bewusst davor.

„Ruhe!“, schrie er. Selbst dann verstummten nur einige von ihnen. „Wenn hier nicht Ruhe einkehrt, werde ich veranlassen, dass der Thronsaal von den Wachen geräumt wird!“

Jetzt war es still. Plötzlich starrten sie ihn alle an. Die Angst, die zu Vars zurückkehrte, ließ ihn sich nur noch schlimmer fühlen. All diese Augen, die ihn anstarrten, ließen ihn sich nur klein und verletzlich fühlen, und Vars hasste das.

„Ich bin jetzt König!“, brüllte er trotz dieser Blicke. „Ihr redet alle so, als würdet Ihr entscheiden, was wir gegen die Invasion tun sollen, aber ich werde entscheiden!“

„Eure Hoheit“, sagte ein Graf und trat vor. „Bei allem Respekt, dies ist eine Entscheidung, die das gesamte Königreich betrifft, und Euer Vater lebt immer noch. Es ist wichtig, dass alle Betroffenen mitreden können.“

Vars starrte den Mann an. „Ja wirklich? Und würdet Ihr die Bauern, die Euer Land bearbeiten, fragen, was sie denken?“

Das schien den Mann zu überraschen. „Hoheit, wir Adligen sind keine Bauern. Unsere Position im Vergleich zu Ihrer ist nicht so wie die der Bauern zu uns.“

„Ein König wird als Ihre Majestät angesprochen“, fuhr Vars ihn an.

„Aber Ihr seid der Regent des Königs, Ihre Hoheit“, sagte ein anderer Adliger, den Vars als den Marquis der Unterländer anerkannte. „Während wir jede diesbezügliche Entscheidung respektieren müssen, entspricht es doch den Tatsachen, dass Ihr zurzeit nur die Position als nächster Thronfolger habt. Es wurde noch keine endgültige Entscheidung getroffen.“

„Keine endgültige Entscheidung über was?“, forderte Vars. Er spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt.

„Darüber, ob Ihr König sein werdet“, antwortete der Marquis.

Vars wollte den Mann dafür enthauptet haben, wollte dort hinuntergehen und den Mann mit bloßen Händen erwürgen. Nur … der Marquis war ein kräftiger Mann, und Vars spürte, wie die Angst in ihm aufstieg, ihn festhielt und sich weigerte, ihn die Dinge tun zu lassen, die er so dringend tun wollte.

„Solche Worte grenzen an Verrat, mein Herr“, sagte eine Stimme von hinten. Vars atmete erleichtert auf, als er Finnal erkannte, der sich durch die Menge drängte. „Und das würde mein Vater nicht gutheißen.“

Der Mann wich ein wenig zurück. „Ich habe nichts dergleichen gemeint. Nur dass die traditionellen Rollen des Adels –“

„Die traditionelle Rolle des Adels besteht darin, den König zu unterstützen“, sagte Finnal. Er verbeugte sich in Vars Richtung. „Bitte fahrt fort, Majestät.“

Dank der Unterstützung Finnals konnte Vars spüren, wie ein Teil seines Vertrauens zurückkehrte.

„Wir haben Informationen, dass die Leute von König Ravin über die Insel Leveros angreifen“, sagte Vars. „Meine eigene Schwester hat ihr Leben riskiert, um uns diese Informationen zu bringen.“

Erin konnte jetzt als seine Schwester gelten, da sie etwas Nützliches getan hatte. Sie würde bald wieder nur seine Halbschwester sein.

„Wir sind uns dessen bewusst“, sagte Kommandant Harr vom Sporn. „Die Frage ist, was wir tun, um dem entgegenzuwirken. Die militärischen Implikationen sind komplex und …“

„Die militärische Situation ist einfach“, sagte Vars. „Wir haben Informationen, von denen unser Feind nicht gedacht hat, dass wir sie haben würden. Wir wissen, dass sie im Norden angreifen. Sie glauben, dass wir durch den Angriff auf die südlichen Brücken völlig abgelenkt sind. Deshalb werden wir ihnen entgegengehen.“

„Und was bedeutet das?“, fragte Kommandant Harr. Irgendwie hatte der alte Mann immer eine Art gehabt, Vars Fragen zu stellen, die ihm das Gefühl gaben, völlig unwissend zu sein. „Welche Truppen sollen wir schicken und welche sollen wir zurücklassen?“

„Aber Kommandant“, sagte Vars. „Wir senden Eure Ritter.“

„Alle von ihnen?“, rief der Vertreter des Hauses der Waffen erstaunt. „Aber würde das Royalsport nicht gänzlich ohne Verteidigungskräfte zurücklassen?“

„Die Wachen werden offensichtlich hier bleiben“, sagte Vars. „Und die privaten Kräfte meiner loyalen Adligen.“ Er sah sich um, um sicherzustellen, dass sie loyal waren. „Aber die Ritter des Sporns werden nach Norden reiten, um sich der Bedrohung zu stellen, zusammen mit so vielen Soldaten, wie sie schnell mobilisieren können. Wir werden sie angreifen, wenn sie landen, und sie überraschen!“

Die Brillanz des Plans lag in seiner Einfachheit und seiner Geschwindigkeit. Es bedeutete auch, dass die Kämpfe weit entfernt von der Hauptstadt stattfinden würden. Vars konnte den Sieg für sich in Anspruch nehmen, ohne sich jemals dem Schlachtfeld nähern zu müssen. Es war der beste Plan.

„Ich glaube wirklich nicht, dass …“, begann Kommandant Harr, aber Vars unterbrach ihn.

„Das Überraschungsmoment liegt auf unserer Seite“, sagte er. „Unser Feind glaubt, dass er uns ausgetrickst hat und dass er den Norden unseres Königreichs nach Belieben verwüsten kann. Diese Situation wird nicht lange anhalten. Er wird damit rechnen, dass nach seiner Landung Boten nach Süden gesendet werden. Also müssen wir jetzt handeln. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um mit einem entscheidenden Hammerschlag alles zu beenden. Wir werden König Ravins Kopf auf einen Spieß stecken und ihm zeigen, dass das südliche Königreich uns nicht angreifen und nicht einfach meine Schwester entführen, meinen Bruder töten und meinen Vater fast ermorden kann!“

Vars interessierten all diese Dinge nicht, aber wenn es die interessierte, die dort unter ihm versammelt waren, würde er sie alle benutzen, um sich durchzusetzen.

Trotzdem stritten sie sich. Wo sie seinen Plan hätten bejubeln sollen, seinen Namen hätten singen sollen, diskutierten sie stattdessen. Es sprachen so viele Leute gleichzeitig, dass Vars nur Fragmente davon heraushören konnte.

„Die historischen Präzedenzfälle sind besorgniserregend …“, sagte der Gesandte der Gelehrten.

„Ein solcher Schritt würde bedeuten, dass wir die Last tragen müssten“, sagte ein Graf.

"… ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Ackerflächen, durch die sie sich bewegen“, sagte einer der Ritter, als ob gewöhnliche Ritter bei all dem ein Mitspracherecht hätten.

Sogar die Frau aus dem Haus der Seufzer schien zu glauben, sie könne sprechen und flüsterte den Leuten neben ihr in Worten zu, die Vars nicht hören konnte. Zu seiner Überraschung nickten einige von ihnen sogar, als könnte jemand aus diesem Haus mehr über Krieg wissen als ihr Königsregent.

"… sollte auf Befehle von König Godwin warten, wenn er aufwacht“, sagte ein Adliger, und Vars spürte, wie die Wut in ihm wuchs.

Noch einmal trat Finnal ein und hielt seine Hände hoch. „Meine Lordschaften und Damen“, sagte er. „Wir hatten reichlich Gelegenheit, darüber zu diskutieren, aber jetzt ist es an der Zeit zu handeln. Der Regent des Königs hat eine Entscheidung zum Wohl des Landes getroffen, und es liegt an uns, danach zu handeln. Ich sage jetzt, als Teil seiner Familie und als sein Freund, ich weiß, dass Königsregent Vars unser aller Sicherheit im Sinn hat. Wir müssen es tun; wir müssen sofort die Streitkräfte von König Ravin im Norden angreifen!“

Das wurde bejubelt, und Vars war dafür dankbar, umso mehr, als er sah, dass die Ritter in der Menge anfingen, sich zu bewegen und zum Schlosshof gingen, um Vorräte zu sammeln. Es gab ihm ein starkes Gefühl der Befriedigung, zu wissen, dass die Leute taten, was er befohlen hatte, auch wenn Finnals Hilfe dazu nötig war.

Gleichzeitig war er wütend. Wütend, dass die Leute über ihn gesprochen, ihn hinterfragt und auf ihn herabgesehen hatten, obwohl er jetzt schon König war, außer im Namen. Er konnte nicht erlauben, dass es so blieb, konnte es nicht zulassen.

Er musste handeln.




KAPITEL NEUN


König Ravin stand am Bug seines Flaggschiffs, seine Rüstung leuchtete wie die eines Helden, seine Krone trug er auf seinen dunklen Locken und seine Hand lag auf seinem Schwert, um sicherzustellen, dass er von Kopf bis Fuß wie ein Kriegerkönig aussah, während sich seine Armada der Küste in der Nähe der Stadt Astare näherte.

Eine Welle der Zufriedenheit durchströmte ihn. Es war immer eine Freude zu wissen, dass die Dinge so verlaufen waren, wie er sie geplant hatte, sei es die Eroberung einer gejagten Kreatur, einer Frau oder eines Königreichs.

Er hatte die gleiche Befriedigung empfunden, als er seinem Vater vor so vielen Jahren den Thron abgenommen hatte, und hatte bei jeder Gruppe Stiller Männer, die auf seinen Befehl hin das Nordreich infiltrierten, einen Hauch davon gespürt, bei jedem Spion, der weitere Einzelheiten über die Landschaft, die Dörfer, die Vorräte zurückbrachte. Er hatte jedes Detail der Eroberung geplant, und jetzt entfaltete es sich genau so, wie es sollte.

Er wusste, dass seine Männer ihn nun beobachten und auf weitere Befehle warteten. Ein Dutzend seiner Schiffe griffen die Stadt bereits an, aber der Rest wartete, seine Autorität hielt sie zurück. Kein Mann hätte es gewagt, ohne sein Kommando zu handeln, und nicht nur, weil sie alle wussten, dass dies für sie und ihre Familien der Tod war. Jeder Mann dort wusste, dass sie nur einen Teil des Ganzen kannten, dass nur ihr König den gesamten Plan verstand.

Das war so wie es sein sollte. Ein König, der sich immer in die Karten sehen ließ, blieb nicht lange König. Dazu musste man sich nur seinen Vater, den Narren ansehen, der Ravin mit jedem Gedanken, jeder Idee vertraut hatte. Es hatte es leicht gemacht, das Königreich zu vereinen, nachdem er weg war.

„Nun?“, fragte Ravin und wandte sich wieder dem Deck des Schiffes zu. Dort warteten Kommandanten, ein Kommandant der Flotte, ein Kommandant der Soldaten und ein dritter in der gewöhnlichen Kleidung der Stillen Männer. Neben ihnen stand ein Gelehrter, der eine Nachricht von einem Botenvogel brachte. Weil er am meisten Angst hatte, ließ Ravin ihn warten und zeigte stattdessen auf den Admiral der Flotte.

„Majestät“, sagte der Mann. „Die Reise von Leveros hat nur minimale Verluste verursacht. Die Vorhut hat Truppen an Land gebracht, wie Sie es befohlen haben, und ist jetzt wieder in Position mit der Flotte. Die anderen Schiffe warten auf Ihren Befehl, die Küste einzunehmen.“

Ravin wandte seine Aufmerksamkeit dem Kommandanten der Truppen zu, die er nach Astare geschickt hatte. „Und Ihr?“

Der Mann verneigte sich. „Majestät, der Angriff auf die Stadt geht bereits voran. Es gibt nur minimale Verteidigungskräfte und wir gehen davon aus, dass wir innerhalb weniger Stunden die volle Kontrolle darüber haben. Die Männer wurden angewiesen, alle zu töten, die sich widersetzen.“

„Und meine Stillen Männer?“, fragte Ravin die dritte Gestalt.

„Befinden sich in Siedlungen innerhalb des Königreichs und sind bereit, Ihre Truppen auf dem Marsch von Astare nach Royalsport zu empfangen“, sagte der Mann.

König Ravin nickte. Schließlich wandte er sich an den verängstigten Boten. „Ihr werdet mir sagen, dass meine Streitkräfte im Süden besiegt wurden.“

Es war keine Frage, aber trotzdem nickte der Mann. „König Godwin fiel in den Kämpfen, und Prinz Rodry ist tot, aber sie haben es geschafft, Prinzessin Lenore zu befreien, und die Brücke wurde mit Euren Kräften darauf zerstört“, sagte der Mann mit erstickter Stimme.

König Ravin zuckte mit den Schultern und sah, wie sich die Augen des Boten überrascht weiteten. „Habt Ihr gedacht, ich hätte das nicht erwartet?“, fragte er. „Der Angriff auf den Süden war immer zum Scheitern verurteilt, und wenn sie eine Prinzessin befreit haben, was kümmert es mich?“

Nicht, dass die Prinzessin zu gegebener Zeit nicht ihm gehören würde. Alles im Nordreich wäre sein. Er schritt zur Seite des Schiffes und nahm die Größe seiner Flotte in sich auf. Dort standen so viele Männer aus allen Teilen seines Königreichs bereit. Es gab Stammesangehörige aus den Wüsten und Stadtbewohner in Rüstung, ehemalige Piraten von der Küste und Sklavenlegionäre, die nie etwas anderes als Gewalt gekannt hatten. Alle trugen jetzt das Rot seiner königlichen Farben; alle trugen die gleiche Rüstung.

Das war ein Teil dessen, warum diese Invasion stattfinden musste. Ravin hatte sein Königreich vereinigt, alle kleinen Andersdenkenden überzeugt und diejenigen vernichtet, die versuchen könnten, sich gegen ihn zu stellen, doch er wusste, dass ein Mann nicht alles mit Gewalt zusammenhalten konnte. Es war bei Weitem besser, ihnen einen Traum zu geben, eine gemeinsame Sache … einen Feind. Man sagt ihnen, dass die Zeit gekommen war, sich dem Nordreich zu stellen, und tausend Fragmente, die sich unter anderen Umständen gegenseitig bekämpft haben könnten, wurden zu einer geballten Faust, mit der man zuschlagen konnte.

Der andere Teil war einfach: Das Königreich gehörte ihm. Diese Vorstellung eines separaten Nordreichs konnte nicht weiter bestehen. Es war in den Tagen der alten Könige nicht wahr gewesen, war nicht wahr gewesen, bevor Magie und Drachenfeuer den Slate zwischen die beiden Teile gebohrt hatten. Einst hatten Könige die ganze Region regiert.

Könige seiner Linie. Er hatte es von den Gelehrten seines Königreichs erforschen lassen. Er hatte diejenigen gefoltert, die versucht hatten, sich zu drücken, oder die ihn angelogen hatten. Schließlich hatte er sie seine Vorfahren bis zu den ersten Königen seines Reiches zurückverfolgen lassen. Jetzt würden sie wieder Könige beider Königreiche zusammen sein.

„Wie lauten Eure Befehle, mein König?“, fragte der Kommandant der Bodensoldaten. „Der Weg ist frei für den Rest Eurer Truppen, um in Astare zu landen und von dort nach Süden zu reiten.“

König Ravin richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann. „Ihr geht. Nehmt noch drei Schiffe mit Männern mit, aber nicht mehr. Sichert die Stadt und reitet dann wie geplant nach Süden.“





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