Книга - Nichts Als Rennen

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Nichts Als Rennen
Blake Pierce


Ein Adele Sharp Mystery #2
„Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. ”

–Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vorüber)



NICHTS ALS RENNEN ist Buch Nr. 2 in einer neuen FBI-Thriller-Serie von USA Today Bestsellerautor Blake Pierce, dessen Bestseller Nr. 1 Verschwunden (Buch Nr. 1) (ein kostenloser Download) über 1.000 Fünf-Sterne-Kritiken erhalten hat.



Ein Serienmörder wütet in der amerikanischen Expat-Gemeinde in Paris, seine Morde erinnern an Jack the Ripper. Für FBI-Spezialagentin Adele Sharp ist es ein wahnsinniger Wettlauf gegen die Zeit, um in seinen Verstand einzudringen und das nächste Opfer zu retten – bis sie ein Geheimnis aufdeckt, das dunkler ist, als man es sich vorstellen kann.



Von der Ermordung ihrer eigenen Mutter verfolgt, stürzt sich Adele in den Fall und taucht in die grausige Unterwelt einer Stadt ein, die sie einst ihr Zuhause nannte.



Kann Adele den Mörder aufhalten, bevor es zu spät ist?



Eine actiongeladene Mysterienreihe voller internationaler Intrigen und fesselnder Spannung. Mit NICHTS ALS RENNEN können Sie bis spät in die Nacht umblättern.



Buch #3 – NICHTS ALS VERSTECKEN – ist jetzt zur Vorbestellung erhältlich.





Blake Pierce

NICHTS ALS RENNEN




N I C H T S


A L S


R E N N E N




(Ein Adele Sharp Mystery – Buch 2)




B L A K E    P I E R C E



Blake Pierce

Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); und der neuen Krimireihe ADELE SHARP.



Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.








Urheberrecht © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Retrievalsystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch an eine andere Person weitergeben möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder wenn es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jackenbild Copyright JakubD, verwendet unter Lizenz von Shutterstock.com.



BÜCHER VON BLAKE PIERCE

ADELE SHARP MYSTERY-SERIE

NICHTS ALS STERBEN (Buch #1)

NICHTS ALS RENNEN (Buch #2)

NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3)



DAS AU-PAIR

SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)

SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)

SO GUT WIE TOT (Band #3)



ZOE PRIME KRIMIREIHE

GESICHT DES TODES (Band #1)

GESICHT DES MORDES (Band #2)

GESICHT DER ANGST (Band #3)



JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE

DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)

DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)

DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)

DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)

DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)

DER PERFEKTE LOOK (Band #6)

DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)

DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)



CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE

NEBENAN (Band #1)

DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)

SACKGASSE (Band #3)

STUMMER NACHBAR (Band #4)

HEIMKEHR (Band #5)

GETÖNTE FENSTER (Band #6)



KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WÜSSTE (Band #1)

WENN SIE SÄHE (Band #2)

WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)

WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)

WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)

WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)

WENN SIE HÖRTE (Band #7)



DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Band #1)

WARTET (Band #2)

LOCKT (Band #3)

NIMMT (Band #4)

LAUERT (Band #5)

TÖTET (Band #6)



RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERLOREN (Band #10)

BEGRABEN (Band #11)

ÜBERFAHREN (Band #12)

GEFANGEN (Band #13)

RUHEND (Band #14)

GEMIEDEN (Band #15)

VERMISST (Band #16)

AUSERWÄHLT (Band #17)



EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE

EINST GELÖST



MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FÜHLT (Band #6)

EHE ER SÜNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)

VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)

VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)

VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)

VORHER NEIDET ER (Band #12)

VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)

VORHER SCHADET ER (Band #14)



AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

DAS MOTIV (Band #1)

LAUF (Band #2)

VERBORGEN (Band #3)

GRÜNDE DER ANGST (Band #4)

RETTE MICH (Band #5)

ANGST (Band #6)



KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Band #3)

EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4)

EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5)




KAPITEL EINS


Unter dem Abendhimmel, auf dem sich noch die letzten Lichtstreifen der untergehenden Sonne abzeichneten, warf Adele einen Blick auf die zitternden Hände ihres Partners Agent Masse. Seine Oberlippe war mit Schweißperlen übersät und sein Adamsapfel zuckte, während er auf den Lauf seiner Dienstwaffe starrte. Adeles neuer Partner bemerkte ihren Blick und lächelte unsicher, gefolgt von einem kurzen Daumen nach oben. Diese Geste veranlasste Masse dazu, seine Waffe kurzzeitig mit einer Hand loszulassen, bevor er sie wieder fest in beide Hände nahm.

Adele widersetzte sich dem Drang ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Ihre Augen verengten sich, glitten über ihre eigene Dienstwaffe, mit der sie in Richtung des zweiten Stockwerks des Motels zielte. Zu ihrer Rechten bildete nur ein dünnes, klappriges weißes Geländer, das zudem noch halb verrostet war, eine prekäre Barriere zwischen dem Flur, in dem sie stand und dem darunter liegenden Innenhof. Die Verstärkung ließ auf sich warten- über Funk hatte sie mitbekommen, dass aufgrund eines bewaffneten Überfalls an einer Tankstelle, die meisten Einheiten in der Gegend umgeleitet worden waren. Aber sie konnten nicht warten. Hernandez hatte sich in der Vergangenheit als unbeständig erwiesen. Im Moment hatte sie nur Masse und ihre eigene Vorahnung.

Adele blickte über das Geländer auf den rechteckigen Pool hinunter; das unnatürlich blaue Wasser reflektierte das verbleibende Abendlicht in sanften Bewegungen auf der Oberfläche. Ein Sprungbrett auf der gegenüberliegenden Seite befand sich direkt neben einer metallenen Einstiegsleiter. Der beißende, aufsteigende Chlorgeruch in der Luft vermischte sich mit dem Gestank der vorbeifahrenden Autos der benachbarten Straße. Durch die Lücken zwischen den beiden Gebäudeblöcken des Motels konnte man flüchtige Blicke auf die parkenden Autos erhaschen.

„Konzentration“, murmelte Adele leise.

Sie stand mit dem Rücken gegen die Holzfassade des billigen Motels gepresst und fühlte, wie der Staub ihren Nacken herunter rieselte, aber sie ignorierte es. Sie bahnte sich ihren Weg, weiter an der Wand entlang gleitend, in Richtung ihres Ziels. Eine Frau schaute auf der anderen Seite des Hofes aus einem Fenster und beobachtete wachsam die sich nähernden der FBI-Agenten.

Adele warf der Frau aus der Ferne einen Blick zu und schüttelte leicht den Kopf. Die Person duckte sich sofort und verschwand wieder hinter dem mit fettigen Fingerabdrücken übersäten Fester, aus dem Blickfeld der Agenten.

Agent Masse folgte dicht hinter Adele, die ihre Aufmerksamkeit wieder auf Zimmer A7 richtete. Sie warf ihrem neuen Partner einen finsteren Blick zu. „Vorsicht“, murmelte sie im Flüsterton.

Masse hob besänftigend die Hand und löste seinen Griff wieder von seiner Dienstwaffe. Innerlich unterdrückte Adele ihre Frustration. So streitsüchtig er auch war, eines konnte man über John Renee sagen: Er verachtete Amateure. Jetzt, zurück in San Francisco, stellte Adele fest, dass sie den großen französischen Agenten mit dem Narbengesicht vermisste.

Rein professionell, natürlich. Aber natürlich. John war ein ausgezeichneter Schütze, zuverlässig, wenn er sich in Gefahr befand, und – was am wichtigsten war – er würde nicht immer wieder von hinten in sie hineinrennen, wenn sie sich direkt vor dem Motelzimmers eines Mörders befanden.

„Würden Sie bitte damit aufhören?“, flüsterte sie schließlich nach dem dritten Knie das versehentlich in ihrem Oberschenkel gelandet war, während beide die Treppe hinaufschlichen.

„Entschuldigung“, sagte Agent Masse, ein bisschen zu laut.

Adele versteifte. Aus dem Inneren von A7 glaubte sie Schritte zu hören. Sie starrte auf die Tür, ihr Puls dröhnte ihr in den Ohren. Dann verstummten die Geräusche.

Adele wartete und befeuchtete den Rand ihrer Lippen, ihre Ohren spitzten sich, ihre Augen waren auf den silbernen Türgriff unter dem Kartenscanner gerichtet.

Jason Hernandez wurde in zwei Fällen verdächtigt, seine Opfer barbarisch ermordet zu haben. Adele hatte die Woche zuvor die toxikologischen Berichte durchgesehen. Jason hatte seine Opfer mit Methamphetamin vollgepumpt, bevor er sie im Wohnzimmer ihrer eigenen Wohnung zu Tode geprügelt hatte.

Angeblich sagte sie zu sich selbst und Bilder schossen ihr durch den Kopf. Sie stellte sich karminrote Flecken auf einem kunstvoll gemusterten türkischen Teppich vor. Sie erinnerte sich an die entsetzten Gesichtsausdrücke des Reinigungspersonals, das Jasons Tat gefunden hatte. Und natürlich waren die Verbrechen in den Hills geschehen. Ein reiches und berühmtes Paar wird ermordet? Keine Chance liebes Morddezernat, hallo, FBI.

Adele nickte zur Tür und hob ihre Waffe. Ihr neuer Partner zögerte.

Sie versuchte nicht mit den Augen zu rollen, sondern sagte in einem energischen Flüsterton: „Schlüsselkarte. Beeilung!”

Agent Masse erstarrte wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht. Der junge Agent starrte neben Adeles Gesicht in die Luft, bevor ihre Worte endlich bei ihm ankamen. Er bewegte sich nun zu schnell, als wolle er die verlorene Zeit aufholen, eilte an ihr vorbei und schlitterte dabei an dem verrosteten weißen Geländer zum Pool hin, entlang. Seine Hand schnellte dann zu seiner rechten Tasche, wo er mit dem Verschlussknopf zu kämpfen hatte.

Adele starrte ihn ungläubig an.

Masse errötete und murmelte Sorry, während er immer noch an seinem Knopf herumfummelte. Er schien es nicht fertig zu bringen ihn zu öffnen. Mit einem Ruck steckte Masse seine Waffe in den Holster, griff mit beiden Händen nach oben und knöpfte die Tasche auf. Schließlich zog er, immer noch mit der Waffe im Holster, die Schlüsselkarte heraus, die ihm der Motelangestellte gegeben hatte. Mit noch zitternder Hand schob der junge Agent die Karte in die Tür. Ein kleines grünes Licht blinkte über dem L-förmigen Griff auf.

Masse trat zurück, sein junges Gesicht musterte Adele.

Sie nickte in Richtung seiner Hüfte.

Wieder sah sie in ein leeres Gesicht.

„Ihre Waffe“, sagte Adele, durch zusammengebissene Zähne.

Masses Augen weiteten sich, er zog schnell seine Waffe ein zweites Mal aus dem Holster und richtete sie auf die Tür. Die Fenster zu Zimmer A7 waren geschlossen und die Vorhänge dunkelten das Zimmer vollständig ab.

„Er ist bewaffnet und gefährlich“, sagte Adele außer Atem. Normalerweise schien der zweite Teil dieses Satzes überflüssig, aber bei Masse konnte sie sich nie sicher sein. „Wenn Sie eine Waffe sehen, geben Sie ihm nicht die Gelegenheit sie zu benutzen. Verstanden?”

Agent Masse starrte sie an, zitterte, nickte aber. Adele schluckte und versuchte ihre eigenen Nerven zu beruhigen. Sie festigte ihren Griff und spürte die kalte, schwere Waffe in ihren Händen liegen. Sie bemühte sich, ihre eigene Aversion gegenüber ihrer Schusswaffe nicht anmerken zu lassen. Der Umgang mit Waffen war immer der ungeliebteste Teil ihrer Arbeit gewesen.

Masse nahm auf der gegenüberliegenden Seite der Tür Stellung. Mit einem eindringlichen Blick in ihre Richtung streckte er seine rechte Hand aus, mit der linken immer noch seine Waffe haltend, und drückte den Türgriff hinunter.

Die Tür schlug auf. Ein wilder Schrei ertönte von innen und jemand drückte sich von der anderen Seite gegen das Holz und ließ Masse taumeln.

Ihr Partner schoss einmal, zweimal – ohne zu zielen. Agent Masse stolperte durch den anhaltenden Schwung der Tür und fiel zu Boden. Die Kugeln trafen die Decke. Im Inneren des Motelzimmers war nun eine dunkle Gestalt zu erkennen, dessen Umrisse sich in Schatten auf dem Fußboden spiegelten. Die Person hielt etwas Metallisches in ihren Händen.

Eine Waffe?

Nein. Zu klein. Die Gestalt lief weder nach links noch nach rechts, sondern nahm stattdessen Anlauf, sprang mit einem Satz über das Geländer und stürzte sich in Richtung des darunter liegenden Pools. Adeles Fluchen ertönte gemeinsam mit einem lauten Platschen!

Adele positionierte ihre Waffe und machte drei schnelle, kontrollierte Schritte in Richtung des Geländers. Ihre Augen scannten den Pool, dann fasste sie die umliegende Hecke ins Auge. Sie richtete ihre Waffe auf die sich entfernende Gestalt unter ihr…

…und erkannte ihn sofort mit seinem kahlrasierten Kopf und dem Tattoo zweier in sich verschlungener Schlangen, die hinter seinen Ohren begannen und sich bis zum Ende seines Halses erstreckten. Die Zungen der beiden Schlangen bildeten einen Knoten zwischen seinen Schulterblättern. Jason Hernandez trug kein Hemd. Er hatte ein leichtes Bäuchlein und seine ausgebeulte Hose klebte nun klatsch nass an seinen Beinen, was ihn aber nicht davon abhielt sich mit einem lauten Stöhnen aus dem Wasser zu hieven, dann vom Rand zu robben und tropfnass und völlig außer Atem in Richtung Hecke zu humpeln. Am Ende stolperte er über die knackenden Äste, landete im Gebüsch, bevor er – auf Spanisch fluchtend – wieder auf die Beine kam und über die Freifläche der beiden Gebäudeblöcke des Motels zur belebten Straße eilte.

Adeles hatte den Finger fest am Abzug, die Zähne zusammengepresst.

„Stopp!“, rief sie.

Aber er hielt nicht an. Wieder entdeckte sie etwas Metallisches, das er in seiner rechten Hand hielt. Ein Messer?

Ein guter Schuss. Sie hatte ihn im Visier. Aber nein, er war unbewaffnet. Die meisten Mörder brauchten allerdings auch keine Waffen, um gefährlich zu sein. Der mutmaßliche Mörder, korrigierte sie sich erneut selbst. Adele senkte ihre Waffe und raste an ihrem Partner vorbei, der sich immer noch von dem Schmerz erholte, den die Tür in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Aus seiner Nase strömte Blut und er sah benommen aus, während er noch immer auf dem Boden saß und sein Kinn massierte.

Adele stürmte an ihm vorbei und schrie: „Er haut ab!“ Sie rannte zum Ende des Ganges, ohne sich umzusehen. Sie konnte keine weiteren Schritte hören, die ihr folgten, was darauf hindeutete, dass ihr neuer Partner zumindest für eine Weile außer Gefecht war. Adele dehnte nochmals ihren Kiefer, bevor sie die metallene Wendeltreppe erreichte und gleich drei Stufen auf einmal nahm, um so schnell wie möglich unten anzukommen.

Schusswaffen waren nicht ihre Stärke. Aber Kriminelle zu finden schon. Flink wie ein Wiesel tänzelte sie spielendleicht die Treppe hinunter und sah zu, wie Jason auf die Straße rannte.

Adele verlor ihn aus den Augen, als sie das Ende der Treppe erreicht hatte und sich ebenfalls in Richtung Straße bewegte. Aber nach ein paar Schritten zögerte sie, hielt kurz inne und legte keuchend neben dem bräunlichen Gestrüpp, das den Pool säumte, eine Pause ein.

Würde Jason wirklich über die belebte Straße fliehen? Die Leute würden ihn erkennen. In diesem Teil der Stadt gab es viel Polizei und ebenso viele Kontrollen. Jason wusste das. Ihre Gedanken kehrten zu dem metallischen Gegenstand zurück, den sie in seiner Hand entdeckt hatte. Ein Messer? Nein. Eine Waffe? Zu klein.

Ein Schlüssel. Das musste es sein.

Ihre Augen blickten kurz zurück in Richtung des Flurs vor den Zimmern des Motels. Die Schlüssel zum Motel? Nein. Sie hatten eine Schlüsselkarte benutzt. Sie wandte sich von der Straße ab, ihre Augen erfassten die Länge des zweiten Gebäudekomplexes des Motels, um den der Verdächtige verschwunden war. Würde er umkehren?

Autoschlüssel – etwas anderes kam doch nicht in Frage, oder? Jasons Truck stand auf dem Parkplatz des Motels; sie hatten ihn auf dem Weg hierher gesehen.

Adele nickte sich selbst zu und dann, anstatt auf die Baulücke zwischen den Gebäuden, die zur Straße führte, zuzulaufen, drehte sie sich um und sprintete in die entgegengesetzte Richtung. Der Parkplatz des Motels befand sich hinter den Gebäuden, war mit einem großen Holzzaun gesichert und wurde an allen vier Ecken von neuen roten Müllcontainern mit schwarzen Deckeln begrenzt.

Es war nur eine Vorahnung, aber manchmal war eine Ahnung alles, was ein Agent haben musste.

Adele konnte Sirenen in der Ferne hören, aber sie waren immer noch schwach. Sie war auf sich allein gestellt. Sie blickte über ihre Schulter zurück in Richtung Treppe und bemerkte, wie ihr Partner langsam nach unten kam und sich ihr mit einem noch benommenen Blick auf dem Gesicht, Kopf schüttelnd näherte. Er taumelte ein wenig und das Blut strömte immer noch aus seiner Nase.

Adele seufzte verzweifelt, als sie in Richtung des Parkplatzes lief. Sie hüpfte über eine weitere kleine Hecke, dankbar für all die Zeit, die sie morgens mit Joggen verbrachte. Sie passierte die Rezeption und kam dann an einem Maschendrahtzaun und einem roten Müllcontainer vorbei, der hinter den Büros stand. Der Geruch von zwei Wochen altem Müll wehte in der Luft und setzte sich in ihrer Kleidung fest. Sie ignorierte den Geruch und stöhnte, als ein hervorstehender Balken des Zauns ihren Anzug erwischte; ein leises Aufreißen, ein kurzer stechender Schmerz. Aber sie riss sich zusammen und ignorierte das Loch in ihrem Outfit.

Adele hockte sich zwischen den Maschendrahtzaun und den stinkenden Müllcontainer, bevor sie kurz aufstand und den großen schwarzen Lastwagen mit hervorstehenden Spiegeln anstarrte. Das Fahrzeug parkte auf halber Strecke zwischen ihr und zwei Lücken weiter hinter einem Minivan.

Die Vordertür des Trucks stand offen.

Jason krabbelte bereits auf den Fahrersitz. Er warf einen Blick in ihre Richtung, fluchte dann lauthals, bevor er die Vordertür zuschlug und seine Schlüssel in die Zündung steckte. Sie hörte ein dumpfes Rasseln und eine Reihe von Flüchen auf Spanisch.

Sie hob ihre Waffe und richtete sie auf das Fenster. „Bleiben Sie stehen oder ich schieße!“, rief sie.

Aber Hernandez ignorierte sie. Er fummelte weiter an den Schlüsseln herum. Endlich sprang der Motor an. Jason starrte sie aus dem Fenster mit panisch weit aufgerissen Augen an. Seine Schlangentätowierung am Hals pulsierte merklich und dicke Adern ragten aus seinen Schläfen.

Er murmelte etwas, das sie durch die geschlossene Scheibe nicht hören konnte und legte dann den Gang ein. Er trat das Gaspedal voll durch. Die Reifen quietschten und der Truck schoss nach vorn und kollidierte fast mit dem Gebäude. Jason fluchte unhörbar und legte den Rückwärtsgang ein, bevor er über seine Schulter blickte.

Im Gegensatz zum Motel war Jasons Truck in einwandfreiem Zustand. Die Fenster waren sauber und der Truck selbst hatte keinen einzigen Kratzer und keine einzige Delle. Einige der Augenzeugen, die gesehen hatten, wie Hernandez seinen angeblichen Opfern nach Hause folgte, hatten behauptet, alles habe begonnen, als Mr. Carter Jasons Truck beinahe hinten auffuhr.

Adele hielt ihre Waffe am Abzug und stand fest mit abgespreizten Schultern und Füßen am Boden. „Stopp, FBI!“, rief sie.

„Agent Sharp!“, rief eine Stimme über ihre Schulter. Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte sie zusammen und blickte zurück.

Masse stolperte durch das Gebäude, das Jason am nächsten lag – offensichtlich war er außenherum über die Straße gekommen und war den längeren Weg gegangen. Aber jetzt bedeutete das, dass er näher am Truck war als sie. Masse entdeckte Jason; die Augen des jungen Agenten weiteten sich und er erhob seine Waffe.

„Warten Sie!“, brüllte Adele.

Aber Masse hatte bereits drei Kugeln abgefeuert. Zwei trafen die Motorhaube des Trucks, die dritte zerschlug beide Scheiben, wobei sie die eine durchlöcherte und die andere komplett zerbrach. Keine von ihnen traf Jason Hernandez.

Aber durch das nun überall verstreute Fensterglas konnte Adele Jasons Gesichtsausdruck durch den leeren Fensterrahmen des Lastwagens genau erkennen.

Er fummelte nicht mehr am Lenkrad oder an der Zündung herum. Er starrte durch das zerbrochene Glas, seine Augen weit aufgerissen und so blass, als hätte er einen Geist gesehen. Er starrte auf die zerbrochenen Glasscherben und dann wanderten seine Augen über die Motorhaube seines Wagens in Richtung der beiden Einschusslöcher in der Front seines geliebten Fahrzeugs.

„Puta!“, schrie er. Hernandez krabbelte über den Sitz und riss die Beifahrertür auf, bevor er hinausstolperte. Er befand sich nun auf der zu Adele gegenüberliegenden Seite des Fahrzeugs, näher an Masse.

Adele versuchte Haltung zu bewahren, stöhnte aber vor Frustration; sie hatte den Augenkontakt verloren. Sie bewegte sich schnell, immer noch mit kontrollierten Bewegungen und versuchte, die beiden Größen im Blickfeld zu halten, während sie hastig über den Parkplatz schritt.

Jason ging auf Agent Masse zu und ignorierte die Waffe, die ihm ins Gesicht gehalten wurde und Adele, die sich ihm von hinten näherte. Als sie sich neu positionierte, sah Adele flüchtig seinen Gesichtsausdruck: Jasons Augen waren geweitet, die Blutgefäße in seinem Nacken und auf seiner Stirn waren kurz vorm Explodieren.

„Kavron!“, schrie er und blickte von seinem zerstörten Truck auf den FBI-Agenten, der auf ihn geschossen hatte. Die Waffe in Masses noch immer zitternden Händen, schien ihm völlig gleichgültig zu sein.

Adeles Anweisung zu warten, schien bei Masse erst jetzt angekommen zu sein. Sein Zeigefinger war immer noch am Abzug, aber er schien eingefroren. Er wartete, zögerte, lies seinen Blick zwischen Adele und der sich nähernden Gestalt von Hernandez hin und her gleiten. Er zögerte eine Sekunde zu lange.

„Nein, nicht!“, rief Adele, aber zu spät.

Jason stürmte nach vorne, wich der Schusslinie von Masse aus und griff den jungen Agenten an der Taille, so dass beide hart auf den Bürgersteig aufschlugen.

Adele eilte nach vorne, suchte nach der passenden Gelegenheit und hob ihre Waffe. Der kalte Beton des Parkplatzes und die Sicherheitsbarriere bildeten eine harte Oberfläche, gegen die Jason Masses Schulterblätter einmal aufschlagen ließ und ein zweites Mal, als er versuchte, sich zu erheben. Doch Jason schlug zu und kratzte dem Agenten fast die Augen aus.

„Runter von ihm!“, rief Adele. Dann schoss sie.

Masse schrie erschrocken auf. Hernandez jedoch stöhnte vor Schmerz, taumelte wie ein Kreisel und ging neben dem Agenten, den er angegriffen hatte, zu Boden.

„Für’s erste war das nur der Arm“, schnappte Adele, die Waffe weiterhin auf Hernandez gerichtet. „Kämpf‘ weiter und der nächste geht in deine Brust, verstanden?”

Das Geräusch des Fluchens und Weinens verklang aus Jasons Richtung, wo er hin- und herrollte, seine Zähne blitzten, als sie vor Schmerz zusammenknirschten und er drückte seinen Kopf gegen den rauen Bürgersteig. Rote Blutströme färbten seine Finger. Alle paar Augenblicke blickte er von seinem verletzten Arm weg, drehte sich zu seinem dampfenden Lastwagen um und schüttelte den Kopf erneut vor Angst.

Adele seufzte und legte dann ihre Hand an ihr batteriebetriebenes Funkgerät. „Wir brauchen einen Krankenwagen“ sagte sie.

Sie warf einen Blick auf ihren Partner, der immer noch wackelig auf den Beinen war und auf Hernandez, der sich vor Schmerzen immer noch am Boden wandt. Sie seufzte wieder.

„Mach besser zwei daraus.“ Dann ging sie mit einem Augenrollen und Handschellen in der Hand auf Jason zu.




KAPITEL ZWEI


Adele atmete erleichtert aus, als sie endlich das Knarren der Scharniere ihrer Haustür hörte, die sich langsam hinter ihr schloss. Vier Stunden mit lächerlichem Papierkram und Befragungen später war Adele froh, wieder zu Hause zu sein.

Sie schaltete das Licht ein und blickte in den kleinen Raum, während sie ihre Schultern nach hinten kreisen ließ, um einem plötzlichen Schmerzimpuls entgegenzuwirken. Adele blickte ihre Taille hinunter und bemerkte zum ersten Mal einen roten Fleck auf ihrer weißen Bluse unter ihrem Anzug.

Sie runzelte die Stirn. Wieder zuckte sie zusammen, während sie ihre kleine Wohnung durchsuchte und schließlich vor ihrer Küchenspüle resignierend ihre Bluse vorsichtig unter ihrem Gürtel hervorzog.

Ein neuer Ort. Der Mietvertrag war jeweils auf nur zwei Monate begrenzt. Es war zu teuer gewesen, in ihrer alten Wohnung zu bleiben. Nachdem Angus ausgezogen war, hatte Adele allein einfach nicht mehr genug verdient, um die Miete oberhalb des Durchschnitts aufzubringen, die Angus und seine Kodierfreunde problemlos bezahlen konnten. Nun, da sie nach Brisbane umgezogen war, stellte sie fest, dass ihr der Wechsel nichts ausmachte. Es war nicht laut – wofür sie ihren Nachbarn wohl danken sollte – obwohl die Wohnung nicht viel mehr als eine Küche, einen Fernseher und ein Schlafzimmer mit eigenem Bad hatte. All das, sogar der Fernseher, roch ein wenig modrig.

Es war ohnehin nicht so, dass sie viel Zeit zu Hause verbrachte.

Adele zuckte erneut zusammen, als sie ihre Bluse aus dem Gürtel zog und den langen Kratzer auf ihrer Haut untersuchte. In der Erinnerung, wie es dazu gekommen war, verzog sie das Gesicht. Zweifellos hatte sie mit dem Maschendrahtzaun Bekanntschaft gemacht.

„Verdammte Neulinge“, murmelte sie etwas angestrengt.

Agent Masse war jung. Er hatte erst vor wenige Monaten seine Ausbildung beendet. Adele bezweifelte, dass sie bei ihrem ersten Einsatz viel besser gewesen war, aber dennoch… es war katastrophal gewesen. Sie vermisste John. Das letzte Mal, als sie sich getroffen hatten, war die Situation etwas unangenehm gewesen. Sie erinnerte sich an das nächtliche Schwimmen in Roberts Privatpool. Die Art und Weise, wie John versucht hatte sie zu küssen und die Art und Weise, wie sie fast reflexartig zurückgesprungen war.

Adele runzelte die Stirn bei diesen Gedanken und wünschte sich sofort, sie könnte ihn zurücknehmen. Stattdessen griff sie nach einem sauberen Stück Küchenpapier von der Theke und begann, heißes Wasser laufen zu lassen. Sie öffnete den Schrank über dem Kühlschrank und schnappte sich eine Flasche Franzbranntwein. Sie tupfte sie gegen das Handtuch und drückte das behelfsmäßige Desinfektionstuch an ihre Rippen, wobei sie erneut zusammenzuckte.

Sie ging in Richtung des einzigen Stuhls in der Küche, während sie sich gegen den halbhohen Tisch lehnte und mit dem Gesicht zur Wand hin Platz nahm, wobei sie das stark riechende Papiertuch gegen ihren Kratzer tupfte. Endlich, als sie sich zurücklehnte, stieß sie einen langen Atemzug aus.

Geistesabwesend blickte sie über ihre Schulter zur Tür. Zwei Riegel und ein Kettenschloss schmückten den Metallrahmen, Überbleibsel von den Vormietern.

Der Stuhl knarrte, als sie sich einen Ellbogen gegen den Tisch lehnte und auf die glatte Holztischplatte starrte. Sie bewegte sich wieder, allein schon wegen des Geräuschs. Die Wohnung war so still. Als sie noch mit Angus zusammengelebt hatte, lief immer eine Fernsehsendung oder ein Podcast, der aus seinem Zimmer dröhnte, während er an einem Projekt arbeitete. In den paar Wochen, die sie mit Robert in Frankreich verbracht hatte, befand sie sich oft im selben Zimmer wie ihr alter Mentor und genoss seine Gesellschaft am Kaminfeuer, während er ein Buch las oder durchs Radio Konzerte hörte.

Jetzt aber, in der kleinen, stickigen Wohnung in San Francisco… war es wieder so ruhig.

Adele bewegte sich noch einmal und lauschte dem Knarren und Protesten des schlecht konstruierten Stuhls. Ein Satz aus ihrer Kindheit, einer der Lieblingssätze ihres Vaters, kam ihr in den Sinn. "Einfache Dinge erhellen einfache Gemüter." In einer Art Phantomprotest wackelte Adele an dem Stuhl, hörte ein letztes Mal dem seltsam tröstlichen Knarren des Holzes zu, bevor sie die Zähne zusammenknirschte und das behelfsmäßige Desinfektionstuch immer noch gegen ihre Wunde drückte. Dann stand sie wieder auf und stapfte den Flur hinunter.

„Vermaledeiter Renee“, murmelte sie.

Jason Hernandez hätte nie abhauen können, wenn John da gewesen wäre. Sie vermisste Frankreich. Nach dem Interview mit Interpol hatte sie einige Zeit mit Robert verbracht. Eine schöne Zeit – auf ihre eigene Art erfrischend. Es hatte ihr Gelegenheit gegeben, nach dem Mörder ihrer Mutter zu suchen.

Adele öffnete die Badezimmertür am Ende des Flurs und betrachtete sich im Spiegel. Es war ein kleines, beengtes Badezimmer. Die Dusche reichte aus, da Adele seit fast sechs Jahren kein Bad genommen hatte. Duschen war viel effizienter. Der Sergeant – ihr Vater – hatte wahrscheinlich sein ganzes Leben lang kein einziges Mal gebadet.

Sie seufzte erneut, als sie sich auszog, in die Dusche stieg und das heiße Wasser aufdrehte, aber der Sprühstrahl war immer noch nur lauwarm. Ein weiterer kleiner Makel der neuen Wohnung. Der Wasserdruck war auch nicht großartig, aber es musste reichen.

Als Adele unter dem lauwarmen Nieselregen stand, schloss sie ihre Augen und ließ ihre Gedanken schweifen, vorbei an den Ereignissen des Tages, der letzten paar Monate in den USA.

Worte tanzten ihr durch den Kopf.

"Ehrlich gesagt, es ist komisch, dass du Paris verlassen hast, weißt du das? Besonders wenn man bedenkt, wo du gearbeitet hast.”

Sie seufzte, als das Wasser ihr Haar durchtränkte und begann, in langsamen, ungleichmäßigen Strömen über ihre Nase und Wangen zu tropfen, passend zu den unkoordinierten Strahlen aus dem Duschkopf. Dennoch hielt sie ihre Augen geschlossen und grübelte immer noch über diese Worte nach. Sie hallten in ihrem Kopf wider – manchmal sogar, wenn sie schlief.

Das hatte der Mörder gesagt.

Zurück in Frankreich. Ein Mann, der seine Opfer aufgeschlitzt hatte und zusah, wie sie hilflos und allein verbluteten. Sie und John hatten den Serienmörder gefasst, aber nicht bevor er ihren Vater fast ermordet hatte. Er hatte auch Adele fast getötet.

Der Bastard hatte den Mörder ihrer Mutter angebetet. Ein weiterer Mörder – es gab so viele von ihnen.

Adeles runzelte die Stirn unter dem Wasserstrom, als sie ihre Hände zu Fäusten ballte und ihre Knöchel gegen den kalten, glatten weißen Kunststoff hämmerte, der vorgab, Porzellan zu sein.

John hatte den Serienmörder getötet, bevor er Adele getötet hatte, aber das hatte nur noch mehr offene Fragen zurückgelassen. Ein Teil von ihr wünschte sich, er wäre am Leben geblieben.

Warum war es komisch, dass sie Paris verlassen hatte? Dieser Satz verfolgte sie jetzt immer und immer wieder. Er ging ihr immer wieder durch den Kopf. Komisch, dass Sie Paris verlassen haben… vor allem, wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben… Fast so, als wollte er sie necken. Sie hatten über den Mörder ihrer Mutter gesprochen.

Paris. Sie war jetzt fast sicher. Der Mörder ihrer Mutter hatte in Paris gelebt. Vielleicht tat er das immer noch. Wie alt wäre er, fünfzig? Adele schüttelte den Kopf und die Wassertropfen ihres nassen Haares, perlten von der Wand ab und verteilten sich dann auf dem glatten Boden.

Sie knirschte mit den Zähnen, als nur noch mehr lauwarmes Wasser in ungleichmäßigen Schüben aus den Düsen drang.

Frustriert drehte sie den Knopf ganz nach rechts, aber das Wasser wurde nicht warm. Adele blinzelte. Sie starrte verärgert auf den Duschknauf, dessen Pfeil eindeutig auf die heißeste Stufe der Dusche deutete.

„Na gut, dann eben nicht“, murmelte sie.

Sie griff nach dem Knauf und drehte ihn in die andere Richtung. Kleine Routinen verfestigten sich mit der Zeit. Das kalte Wasser begann über ihren Kopf zu fließen und bereitete ihr an den Armen eine Gänsehaut. Adeles Zähne begannen innerhalb weniger Augenblicke zu klappern und der Schmerz in ihrer Taille verklang zu einem tauben Frösteln, während das Wasser immer kälter wurde.

Trotzdem blieb sie in der Dusche.

Der Mörder hatte sie verspottet. Als ob er etwas gewusst hätte. Etwas, das ihr entgangen war. Etwas, das die Behörden übersehen hatten. Was war relevant an ihrem Arbeitsplatz? Dieser Teil beunruhigte sie am meisten. Es war fast so, als ob… Sie schüttelte wieder den Kopf und schob den Gedanken zurück.

Aber… was, wenn es wahr wäre?

Was wäre, wenn der Mörder ihrer Mutter irgendwie mit der DGSI verbunden wäre? Vielleicht nicht mit der Behörde selbst, sondern mit dem Gebäude. Vielleicht gab es eine Gemeinsamkeit. Wie sonst würden seine Worten einen Sinn ergeben?

Besonders wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben…

Der Mann, den John erschossen hatte, hatte etwas über den Mörder ihrer Mutter gewusst. Aber er hatte es mit ins Grab genommen. Und der Spade-Killer, der Mann, den er verehrt hatte, der Mann, der ihre Mutter getötet hatte, war immer noch da draußen.

Das kalte Wasser sickerte weiter ihre Schultern hinunter und zwang sie dazu, gegen das Gefühl des Erfrierens, kleine, schnelle Atemzüge zu machen, sie weigerte sich aber immer noch, sich zu bewegen.

Nächstes Mal würde sie dahinterkommen. Sie war gebeten worden, sich bei Bedarf einer Task Force bei Interpol anzuschließen. Aber Adele wollte unbedingt nach Europa zurückkehren. Sie mochte Kalifornien, und sie arbeitete gern mit dem FBI zusammen, insbesondere mit ihrem Freund Agent Grant als Vorgesetzten. Aber ihr Wunsch, den Mord an ihrer Mutter aufzuklären, erforderte ein gewisses Maß an Nähe.

Als Adele schließlich einen Unterarm gegen die Glastür drückte und dabei keuchte, schaltete sie das Wasser ab.

Gnädigerweise stoppte das eiskalte Wasser sofort. Sie stand für einen Moment zitternd an der geöffneten Glas- und Plastiktrennwand, während das Wasser leise abtropfte.

Wer auch immer das Badezimmer entworfen hatte, hatte den Handtuchhalter auf der Rückseite der Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes angebracht. Sie brauchte ein paar Schritte, um dorthin zu gelangen und obwohl sie einen Badvorleger auf dem Boden hatte, um Wasser aufzufangen, zog sie es vor, in der Dusche zu warten, um sich etwas abtropfen zu lassen, bevor sie hinausging.

Und so wartete sie, nachdenkend und zitternd. Sie erinnerte sich an eine andere Situation, in der sie nass gewesen war und gezittert hatte…

Sie errötete. Sie dachte daran, als sie in Roberts Pool geschwommen war – John war für einen Abend zu ihr gekommen…

Er war unerträglich. Er war unhöflich, unausstehlich, nervig, unprofessionell.

Aber auch gutaussehend, sagte ein kleiner Teil von ihr. Zuverlässig. Gefährlich.

Sie schüttelte den Kopf und verließ die Dusche, was dazu führte, dass die Glas- und Metalltür quietschte und gegen die gelbe Wand prallte; einige Farbsplitter fielen von der Decke. Adele seufzte und blickte nach oben. Unter der Beschichtung hatten sich bereits Schimmel gebildet. Der Vormieter hatte ihn übermalt, was nur dazu geführt hatte, das Problem zu verschleiern.

Vielleicht sollte sie John eine Nachricht schreiben.

Nein, das wäre zu vertraut. Dann eine E-Mail? Zu unpersönlich. Ein Anruf?

Adele zögerte einen Moment lang und griff nach ihrem Handtuch, zog es von der Halterung und trocknete sich die Haare ab. Ein Anruf wäre schön. Sie berührte den Kratzer auf ihrer Taille und zuckte sofort wieder vor Schmerz zusammen.

Einige Wunden heilten langsam. Aber manchmal war es am besten, eine Wunde erst ganz zu vermeiden. Vielleicht wäre es besser, John überhaupt nicht anzurufen.

Sie war wahnsinnig erschöpft, als sie durch die Wohnung zum Schlafzimmer ging. Ihre Augen begannen bereits zuzufallen. Drei Überstunden, in denen Papierkram ausgefüllt und die Schießerei gerechtfertigt werden musste, hatten ihren Tribut gefordert.

Es war ein schrecklicher Gedanke, aber Adele begann, sich einen Fall in Europa zu wünschen.

Vielleicht etwas, bei dem niemand allzu sehr verletzt worden war. Nur etwas, um sie aus Kalifornien herauszuholen. Aus der kleinen, beengten Wohnung. Es war zu ruhig. Manche Menschen beruhigten die Geräusche anderer Menschen, die sich bewegten und ihr Leben genossen. Das hinderte sie daran, sich einsam zu fühlen.

Adele seufzte wieder, als sie ihr Zimmer betrat und ihre Schlafsachen anzog. Sie verband ihren Kratzer erneut und versuchte, jeden weiteren Gedanken der Feindseligkeit gegenüber ihrem neuen jungen Partner zu verdrängen. Sie schlüpfte ins Bett und lag dort einige Minuten lang wach.

In der Vergangenheit hatten sie und Angus oft den Fernseher laufen lassen während sie einschlief. Manchmal las er ein Buch und las es Zeile für Zeile laut vor, damit auch sie es genießen konnte. Ein anderes Mal kuschelten und unterhielten sie sich einfach ein paar Stunden lang, bevor sie in den Tiefschlaf glitt.

Jetzt aber lag sie in ihrem Bett. Kein Fernseher. Keine Bücher. Nur Stille.




KAPITEL DREI


Melissa Robinson ging die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und summte leise vor sich hin. In der Ferne hörte sie die Kirchenglocken aus der Stadt. Sie hielt inne und lauschte. Ihr Lächeln wurde breiter. Sie lebte nun seit sieben Jahren in Paris, doch die Geräusche der Stadt bereiteten ihr auch nach dieser langen Zeit immer noch eine Gänsehaut.

Schnell stieg sie den nächsten Treppenabsatz hinauf. Es gab keine Fahrstühle in diesem Haus. Die Gebäude waren zu alt. Aber es ist Kultur, dachte sie bei sich.

Sie lächelte wieder und nahm eine Treppenstufe nach der anderen. Sie war nicht in Eile. Mit dem Neuankömmling, den sie treffen wollte, hatte sie vierzehn Uhr vereinbart. Jetzt war es 13:58 Uhr. Melissa hielt oben auf dem Treppenabsatz inne und blickte aus dem großen Fenster in die dahinterliegende Stadt. Sie war zwar nicht in Paris aufgewachsen, aber der Ort war wunderschön. Sie beobachtete die alten, vergilbten Gemäuer der Gebäude, die älter waren als manche Länder. Sie bemerkte die Muster der sich kreuzenden Straßen das sich durch den gesamten Stadtkern zogen, in denen sich zahlreiche Wohnungen und Cafés befanden.

Mit einem weiteren zufriedenen Seufzer erreichte Melissa die Tür im dritten Stock, streckte höflich die Hand aus und klopfte. Einige Augenblicke vergingen.

Keine Antwort.

Sie lächelte, hörte immer noch den Glocken zu und blickte dann wieder aus dem Fenster. Sie konnte gerade noch sehen, wie der niedrige Kirchturm von Sainte-Chapelle am Horizont verschwand.

„Amanda“, rief sie mit ihrer angenehmen Stimme.

Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie nach Paris gekommen war. Es war ihr alles überwältigend erschienen. Vor sieben Jahren, ein Expat aus Amerika, der sich in einem neuen Land, einer neuen Kultur niedergelassen hatte. Klopfen an Türen war damals eine willkommene Ablenkung gewesen. Melissa wusste, dass viele ihrer Freunde aus der Expat-Gemeinschaft Schwierigkeiten hatten, sich an die Stadt zu gewöhnen. Auf den ersten Blick war sie nicht immer so freundlich, besonders nicht für Amerikaner oder für junge Erwachsene im College-Alter. Sie erinnerte sich an ihre Zeit auf einem amerikanischen Campus in den ersten zwei Jahren. Es war so, als ob jeder ihr Freund hätte sein wollen. In Frankreich waren die Menschen etwas zurückhaltender. Das war natürlich auch der Grund, warum sie bei der Organisation der Gruppe half.

Melissa lächelte wieder und klopfte erneut an die Tür. „Amanda“, wiederholte sie.

Auch hier kam keine Antwort. Sie zögerte und blickte den Flur auf und ab. Sie griff in ihre Tasche und fischte ihr Telefon heraus. Smartphones waren gut und schön, aber Melissa bevorzugte traditionellere Kommunikationsmittel. Sie öffnete das alte Klapphandy und notierte die Uhrzeit auf dem Bildschirm. 14:02 Uhr. Sie blätterte durch die Textnachrichten und las Amandas letzten Nachricht nochmal.

„Es wäre toll, wenn wir uns heute Nachmittag treffen. Sagen wir 14 Uhr? Ich freue mich die Gruppe kennenzulernen. Es war bisher schwer, Freunde in der Stadt zu finden.”

Melissas Lächeln verblich ein wenig. Sie erinnerte sich an ein Treffen mit Amanda – eine zufällige Begegnung in einem Supermarkt. Sie hatten sich sofort verstanden. Die Glocken schienen nun in der Ferne zu verblassen. Aus einer Laune heraus streckte sie die Hand aus und tastete nach der Türklinke. Sie versuchte sie herunterzudrücken und stellte fest, dass es funktionierte. Ein Klicken und die Tür öffnete sich nur einen Spalt weit.

Melissa erstarrte.

Sie musste Amanda mitteilen, wie gefährlich es war die Tür in der Innenstadt unverschlossen zu lassen. Selbst in einer Stadt wie Paris ging Sicherheit vor. Melissa zögerte einen Moment lang, gefangen in einer Gewissenskrise, aber dann endlich ließ sie die Tür mit einem sanften Stupsen ihres Zeigefingers ganz auffallen.

„Hallo“, rief sie in die dunkle Wohnung hinein. Vielleicht war Amanda einkaufen. Vielleicht hatte sie den Termin vergessen. „Hallo, Amanda? Ich bin's, Melissa aus dem Forum…“

Keine Antwort.

Melissa betrachtete sich selbst nicht als besonders neugierig. Aber wenn es um Amerikaner in Paris ging, hatte sie ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Verbundenheit. Fast so, als wären sie Teil der Familie. Es fühlte sich nicht so an, als würde sie sich unangemessen einmischen, sondern eher, als würde sie sich Sorgen um ihre kleine Schwester machen. Sie nickte sich selbst zu und rechtfertigte die Entscheidung in Gedanken, bevor sie die Wohnung einer Frau betrat, die sie nur einmal zuvor getroffen hatte.

Die Tür knarrte erneut, als ihr Ellbogen gegen den Rahmen stieß, was dazu führte, dass sie sich noch weiter öffnete. Sie zögerte und glaubte, Stimmen aus dem Flur zu hören. Sie drehte den Kopf wieder zur Tür und blickte den Flur hinauf zum Rand der Treppe.

Ein junges Paar ging am Geländer entlang, bemerkte sie, und anstatt zu nicken oder zu winken, setzten sie ihr fröhliches Gespräch unbeirrt fort. Melissa seufzte, ging zurück in die Wohnung – und erstarrte dann. Der Kühlschrank war offen. Eine seltsamer Schein aus gelbem Licht erstreckte sich aus dem Fach über den Küchenboden.

Amanda war dort. Sie saß auf dem Boden mit dem Gesicht zur gegenüberliegenden Wand gewandt. Ihr Rücken war halb gegen den Schrank gelehnt, ein Schulterblatt gegen das Holz gepresst, ihr linker Arm lag auf dem Boden.

„Hast du etwas verschüttet?“, fragte Melissa und ging noch weiter in den abgedunkelten Raum hinein.

Eine Pfütze aus Rotwein erstreckte sich auf dem Boden unter Amandas linkem Arm. Melissa ging noch ein paar Schritte weiter und drehte sich zu Amanda um, immer noch lächelnd.

Ihr Lächeln fror ein. Amandas tote Augen starrten sie an. An ihrem Hals klaffte ein breiter Schnitt, der sich von einem Ohr zum anderen erstreckte. Kaltes Blut tropfte auf die Vorderseite ihrer Bluse und lief auf den Boden, wo es sich auf dem Linoleum gesammelt hatte.

Melissa schrie weder, noch bewegte sie sich. Sie keuchte nur, ihre Finger zitterten, während sie versuchte, ihren Inhalator herauszufischen. Sie stolperte auf die Tür zu, packte ihren Inhalator mit einer Hand und schnappte sich mit der anderen ihr Telefon.

Nach ein paar Atemzügen stieß sie ein gurgelndes Stöhnen aus und mit zitternden Fingern auf den Tasten ihres Klapptelefons tippte sie 1-7 für die Polizei.

Immer noch keuchend, mit dem Rücken gegen die Wand vor der offenen Wohnungstür, schluckte sie und wartete darauf, dass jemand das Telefon abhob. Hinter sich glaubte sie leise das Geräusch von Flüssigkeit zu hören, das auf den Boden tropfte.

Erst dann schrie sie.




KAPITEL VIER


Adele schaute auf ihre Smart Watch und blätterte durch die verschiedenen Anzeigen, die ihren Puls, ihre Bewegungen, ihre Musik überwachten… Sie atmete durch ihre Nase ein. Während sie das tat, stand sie in der Tür ihrer Wohnung. Die Uhr zeigte genau vier Uhr morgens. Genug Zeit, um vor der Arbeit einen zweistündigen Lauf zu absolvieren. Sie zog sich das Schweißband über den Kopf, das ihr Haar zurückhielt und blickte über ihre Schulter zum Waschbecken.

Sie hatte ihre Mickey-Mouse-Plastikschüssel auf der Metallfläche zwischen Spüle und Theke stehen lassen. Normalerweise räumte Adele in dem Moment auf, in dem sie Unordnung machte. Aber heute, in der kleinen, ruhigen Wohnung…

„Das kann warten“, sagte sie zu sich selbst. Was natürlich Teil des Problems war.

Die letzte Nacht war von innerer Unruhe geprägt, sie hatte einfach nicht schlafen können. Adele stand in der Tür, als die Digitaluhr auf 4:01 Uhr umblätterte. Sie warf einen Blick zurück auf die Spüle, murmelte dann etwas vor sich hin und ging widerwillig in die Küche, griff nach ihrer Plastikschüssel und drehte den Wasserhahn mit einem gereizten Schnippen ihres Handgelenks auf. Sie spülte die milchigen Rückstände am Boden aus, stellte die Schüssel in das Gestell zum Trocknen und ging zurück zur Tür.

Bevor sie jedoch die Türklinke berühren konnte, erregte ein leises Summen ihre Aufmerksamkeit. Adeles Augen richteten sich auf den Küchentisch. Ihr Telefon vibrierte.

Sie runzelte die Stirn. Die einzigen Menschen, die sie so früh anriefen, waren ihr Vater in Deutschland oder die Arbeit.

Und sie hatte erst vor ein paar Tagen mit ihrem Vater gesprochen. Es war also wenig überraschend, als sie auf den leuchtend blaugrünen Bildschirm hinunterblickte, auf dem ein einzelnes Wort in weißen Buchstaben abgebildet war.

Büro.

Sie entsperrte den Bildschirm und das Summen verstummte. Adele las eine einfache Zeile in schwarzen Buchstaben, die über ihren Bildschirm blinkte. Dringend. Kommen Sie schnell.

Adele zog ihr Schweißband aus und eilte zurück in ihr Zimmer, um ihr Outfit in Arbeitskleidung zu wechseln. Das Joggen würde warten müssen.


***

Vom Parkplatz aus, durch die Sicherheitskontrollen, machte Adele nur einmal eine Pause, um Doug, einem ihrer Freunde aus dem Sicherheitsteam, Kaffee zu bringen. Als sie den vierten Stock und das Büro von Supervising Agent Grant erreichte, konnte sie bereits Stimmen durch die undurchsichtige Glastür hören.

Adele stieß leise dazu.

Auf zwei großen, in die Wand eingelassenen TV-Monitoren waren Adele bekannte Gesichter zu sehen. Auf der linken Seite, über Grants Schreibtisch, Executive Foucault, der Leiter des DGSI. Auf der rechten Seite, nahe eines blau getönten Fensters mit Blick auf die Stadt, entdeckte Adele Mrs. Jayne, die Korrespondentin von Interpol, welche die Idee einer gemeinsamen Task Force unter der Leitung von Adele gehabt hatte.

Agentin Lee Grant, die nach den beiden Generälen im Bürgerkrieg benannt worden war, stand mit einem besorgten Gesichtsausdruck und den Fingerspitzen im Kinn versenkt, hinter einem metallenen Stehpult. Sie blickte zu Adele auf und winkte sie mit schnellen, zerstreuten Gesten herein. Das Büro von Agent Grant war karg, mit einer Yogamatte in einer Ecke und einem Stapel von Trainings-DVDs, die unter einem blauen Plastikordner neben ihrem Schreibtisch versteckt waren.

Agent Grant dirigierte zu einem der leeren Stühle vor ihrem Stehpult und wartete darauf, dass Adele sich setzte. Schließlich räusperte sie sich, begrüßte Adele mit einem Nicken und sagte: „Sie werden wieder in Frankreich gebraucht.”

Adele schaute zwischen den Fernsehmonitoren hin und her. Die Blicke von Mrs. Jayne und Foucault waren ein wenig abwesend, jeder von ihnen blickte auf die verschiedenen Bildschirme, die vor ihnen standen, anstatt direkt in die Kameras zu blicken. Dennoch konnte Adele nicht umhin, Blickkontakt mit Mrs. Jayne und dem Leiter des DGSI zu suchen und zu versuchen, ihre Motive zu deuten.

„Ist es schlimm?“, fragte Adele zögernd.

Mrs. Jayne räusperte sich und sagte mit klarer Stimme: „Bisher nur zwei Opfer. Ich lasse Sie von Mr. Foucault über die Einzelheiten informieren.“ Ms. Jayne war eine ältere Frau, mit hellen, intelligenten Augen hinter einer Hornbrille. Sie hatte silbernes Haar und war etwas schwerer als die meisten Außendienstmitarbeiter. Sie sprach ohne Akzent, was darauf hindeutete, dass sie die englische Sprache zwar beherrschte, aber es trotzdem nicht ihre Muttersprache zu sein schien.

Auf dem anderen Bildschirm verengten sich Exekutiv Foucaults dunkle Augen über einer Falkennase; er schüttelte den Kopf und schien aus dem Bildschirm nach unten zu blicken – ein Rascheln einiger Papierbündel war zu hören.

„Ja, ja“, sagte er in stark akzentuiertem Englisch. „Zwei Tote. Bis jetzt. Zwei Amerikaner“, fügte er hinzu und blickte dabei auf die Leinwand. „Oder zumindest waren es einmal Amerikaner.”

Adele runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?”

Foucaults Blick huschte in die einen und dann in die anderenRichtung über den Bildschirm, wobei er sich nicht ganz in der Reihe der Anwesenden einreihte, sondern andeutete, dass er vielleicht zwischen den verschiedenen Bildschirmen seines eigenen Computers hin und her blickte.

„Expats“, sagte er. „Amerikaner, die jetzt in Frankreich leben. Beide hatten Visa, beantragten aber die Staatsbürgerschaft, oder zumindest eines der Opfer hatte sie. Das andere ist erst vor kurzem angekommen.”

Adele nickte, um zu bestätigen, dass sie verstanden hatte. „Wozu brauchen Sie mich also?”

Mrs. Jayne räusperte sich. Ihre Stimme war klar, sogar durch das Knistern der Lautsprecher. „Wir brauchen jemanden, der sich mit der DGSI auskennt, dem aber Amerika vertraut die Morde ihrer eigenen Leute aufzuklären. Die Einzigartigkeit der Verbrechen könnte auch jemanden mit Ihrem Fachwissen gebrauchen.”

Adele runzelte die Stirn. „Was ist daran besonders?“

Foucault antwortete: „Bislang zwei Tote. Kehle aufgeschlitzt, fast von Ohr zu Ohr.“ Er nahm einen grimmigen Unterton an und fuhr fort: „Ich werde die Akten mitschicken, sobald ich die Freigabe des Gerichtsmediziners habe. Beides junge Frauen, beide erst vor kurzem eingetroffen. Wir ermitteln natürlich und ich bin sicher, dass unsere Agenten einige gute Hinweise liefern werden, aber“, runzelte er erneut die Stirn und blickte auf seinen Computerbildschirm, „Mrs. Jayne scheint zu denken, dass es klug wäre, Sie frühzeitig einzubeziehen. Ich kann nicht sagen, dass ich voll und ganz zustimme, aber es ist nicht mein Fachgebiet.”

Adele hob eine Hand, während er sprach, und wartete, bis er ausgesprochen hatte. Er bemerkte dies und forderte sie zum Sprechen auf, indem ihr knapp zunickte.

„Wie viel Zeit liegt zwischen den Morden?“ fragte sie.

Der Exekutive antwortete ohne zu zögern. „Drei Tage. Der Mörder ist schnell. Es ist bemerkenswert, dass es am Tatort keine Beweise gibt.”

Adele rutschte auf ihrem Sitz hin und her und stellte fest, dass dieser Stuhl nicht so viel Lärm machte wie der in ihrer Küche. „Wie meinen Sie das?”

„Ich meine, es gibt keine physischen Beweise.”

„Keine?”

Foucaults Stirn zog tiefe Falten, seine buschigen Augenbrauen krampften sich zusammen. „Überhaupt keine. Keine Fingerabdrücke, keine Spuren von Haaren oder Speichel. Keine sexuellen Übergriffe, die wir finden konnten. Allein die Schnitte, so der erste Bericht des Gerichtsmediziners, waren seltsam. Wer immer das getan hat, schlitzte die Hälse mit Selbstbewusstsein auf, ohne zu zittern – er scheint Übung zu haben.“

„Und was bedeutet das?“, fragte Adele.

„Wenn ich darf“, sagte Agent Grant, die zum ersten Mal hinter ihrem Stehpult sprach, „Schnitte und Schnittwunden tragen eine Art Signatur. Ob der Angriff mit der linken Hand erfolgte, oder wie stark sie waren, oder wie groß…“

Foucault nickte bei jedem Wort und räusperte sich. „Ganz genau. Aber diese besonderen Angriffe wurden von jemandem ohne Signatur ausgeführt. Es gibt keine physischen Beweise. Keine Anzeichen für einen Kampf. Kein gewaltsames Eindringen. Nichts, was auf ein Verbrechen hindeutet, außer natürlich zwei Leichen im Zentrum von Paris.”

„Nun“, sagte Mrs. Jayne, als sie jetzt durch den Bildschirm schaute. Ihre Augen schienen sich für einen Moment neu ausgerichtet zu haben und fixierten sich nun fest auf Adele. „Sind Sie abreisebereit?”

Adele schaute zu Agent Grant und hob die Augenbrauen.

Grant zögerte. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht noch ein paar Wochen mit Agent Masse verbringen wollen?“, sagte sie, ihr Ton verriet keinerlei Emotionen.

Adeles Gesichtsausdruck verbitterte.

Grants Augen funkelten in einer Art morbidem Humor. „Das werte ich als ein Nein. Sie haben bereits die Freigabe für Ihre Reise und ich habe Masse neu zugeteilt. Sie dürfen gehen.”

Adele versuchte, den plötzlichen Gefühlsschwall zu unterdrücken – sie war schließlich professionell, aber als sie von ihrem Stuhl aufstand, konnte sie nicht anders, als sich bei dem Gedanken an eine Rückkehr nach Frankreich zu freuen.

„Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?“, fragte sie mit einem Blick auf Foucault.

„Ich schicke Ihnen die Berichte“, sagte er mit einem Achselzucken. „Aber sie sind kurz. Wie ich Ihnen sagte, nicht viele Beweise. Es gibt eine Sache. Ein seltsames Detail, aber sicherlich wichtig…“

"Was?“

„Die Niere des ersten Opfers fehlte.”

Eine seltsame Stille legte sich für einen Moment über den Raum und die beiden knisternden Bildschirme und die beiden Agenten im Büro in San Francisco warteten, alle mit einem Stirnrunzeln.

„Ihre Niere?“, sagte Adele.

„So ist es.“, sagte Foucault.

„Nimmt der Mörder Trophäen mit?”

Der Exekutive zuckte mit den Achseln, seine dicke Stirn verengte sich über seiner scharfen Nase. „Nun, deshalb sind Sie doch hier, oder nicht? Sie liefern die Antworten. Es ist meine Aufgabe, die Fragen zu stellen. Wie ich höre, hat Mrs. Jayne Ihr Ticket bereits gebucht. Erste Klasse. Ihr Flug geht in einer Stunde.”




KAPITEL FÜNF


Adele runzelte die Stirn, als sie auf ihren Laptopbildschirm sah und lehnte sich auf dem ihr von Interpol gebuchten Sitzplatz in der ersten Klasse zurück. Das Flugzeug vibrierte, als es durch den dicht mit Wolken bedeckten Himmel flog. Adele hatte die Fensterabdeckung geschlossen, so dass die Helligkeit des Computerbildschirms den beengten Teil der Flugzeugkabine erhellte.

Sie erwischte sich dabei, wie sie nervös am Gurt ihrer Laptoptasche herumspielte, die auf dem leeren Sitz neben ihr stand, während sie die Informationen auf dem Bildschirm erneut durchging. Wenn sie einmal eine Akte aufmerksam gelesen hatte, vergaß sie selten die Details.

Sie machte es sich gemütlich, lehnte sich an die geschwungene weiße Plastikwand und scannte weiterhin Absatz für Absatz und alle ihr zur Verfügung gestellten Fotos.

Es hatte zwei Tote gegeben – bis jetzt. In einem Abstand von drei Tagen. Das war schnell, selbst für einen Serienmörder. Keine physischen Beweise jeglicher Art. Eine fehlende Niere beim ersten Opfer und ein ausstehender Bericht des Gerichtsmediziners für das zweite Opfer. Würde ihr auch eine Niere fehlen?

Es waren beides junge Frauen. Expats – Amerikaner, die jetzt in Frankreich lebten. Frauen, die erst kürzlich nach Frankreich eingereist waren. Beide waren so schnell getötet worden, dass sie nicht einmal reagiert hatten. Das war die einzige Erklärung dafür, dass die Schnitte an den Hälsen der Opfer so sauber waren. Keine gezackten Schnitte, keine Anzeichen eines Kampfes. In einem Moment waren die jungen Frauen noch am Leben und in ihren eigenen Wohnungen gewesen, im nächsten Moment waren sie wie von einem Geist ausgelöscht worden.

Adele bezweifelte, dass die Frauen es überhaupt hatten kommen sehen. Es gab ohnehin noch nicht viele Hinweise – noch nicht. Sie hatte noch immer die Fensterblenden geschlossen und lauschte dem Rütteln der Motoren, die auf Hochtouren liefen. Während sie wieder und wieder die Akten und bisherigen Hinweise durchging, wurden ihre Augen langsam klein.


***

Sie hatte sich ins Wi-Fi des Charles-De-Gaulle-Flughafens einloggen können und sah enttäuscht aus, als sie die jüngste Nachricht von Robert Henry, ihrem alten Mentor und Freund, las. Darin stand: Tut mir leid, Liebes, ich werde dich nicht abholen. Sie schicken einen anderen Agenten. Außerdem hatte er eine Reihe von Emoticons und Smiley-Gesichtern beigefügt.

Sie überlegte kurz und fing dann an zu tippen: Kein Problem. Wir sehen uns dann im Büro. Wen haben sie geschickt?

Keine Antwort. Adele schüttelte den Kopf, als sie den Gang verließ und das Hauptterminal betrat. Sie wurde mit dem Geruch von überteuertem Kaffee und vertrocknetem Gebäck aus den Flughafenrestaurants begrüßt. Sie schlenderten an einer Reihe von Läden vorbei; es war ein Kiosk und ein Buchladen. Adele steckte ihr Telefon wieder in die Tasche und ging schnell durch den Flughafen in Richtung Gepäckausgabe. Beim letzten Mal hatten sie ihr John als Partner zugeteilt – wahrscheinlich würde das wieder so sein. Aber nach dem sie sich das letzte Mal gesehen hatten waren die Dinge unangenehm geworden. Während sie und Robert sich alle paar Tage im Monat, seit sie in Frankreich gewesen war, gegenseitig eine Nachricht geschickt hatten, hatte John sich nicht ein einziges Mal gemeldet.

Du aber auch nicht, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf.

Aber sie schob den Gedanken mit einem leichten Achselzucken beiseite. Sie erreichte die Gepäckausgabe und sah zu, wie sich das Gepäck über das metallene Lamellenförderband im Kreis drehte; sie wartete geduldig, schaffte es aber trotzdem nicht ganz, die Vorfreude abzuschütteln, die in ihrer Brust aufstieg.

Endlich entdeckte sie ihre Tasche und wartete darauf, dass um das Gepäck herum ein Platz frei wurde.

Sie fand sich dabei wieder, wie sie sich die Haare hinter den Ohren bürstete und ihr Outfit glättete, während sie sich dem Zoll näherte und darauf wartete, dass der Grenzbeamte ihren Pass und ihre Papiere mit besonderer Genauigkeit begutachtete. Reiß dich zusammen, dachte sie. Warum war sie plötzlich so besorgt um ihr Aussehen? John oder nicht, warum war das wichtig? Adele war größer als die meisten Frauen, aber auch nicht übermäßig – ihr langes, aschblondes Haar umrahmte Merkmale, die auf ihre französisch-amerikanische Herkunft hindeuteten. Exotisch, sagten einige. Ein einzelnes Muttermal saß nahe ihrer Oberlippe, was sie als Teenager extrem verunsichert hatte, aber jetzt bei Weitem keine Rolle mehr spielte.

Adele dachte an die letzte Nacht, in der sie John gesehen hatte, als sie den Abend gemeinsam am privatem Pool auf Roberts Anwesen geschwommen waren. Die Art, wie John zu Beginn des Abends gewesen war, gefolgt davon, wie er sich gegen Ende des Abends verhalten hatte. Er hatte versucht, sie zu küssen, oder hatte sie die Geste falsch interpretiert? Wie dem auch sei, als sie ihm ausgewichen war, war er beleidigt gewesen und kurz danach gegangen.

Trotz ihrer aufsteigenden Emotionen verwuschelte Adele ihre Haare und zerzauste absichtlich ihren Pony. Dann ließ sie ihren Kiefer knacken und rollte ihren Koffer durch den Zoll und hinaus in den Empfangsbereich des Flughafens.

Ihre Augen scannten die Menge und suchten nach der großen, schlaksigen Gestalt ihres früheren französischen Partners. Doch als ihr Blick über die wartende Menge blickte, konnte sie John nirgendwo entdecken. Ihr Lächeln – bei dem sie nicht gemerkt hatte, dass es eines gewesen war – erstarrte, als sie auf eine Frau im Anzug aufmerksam wurde, die an der getönten Scheibe stand, das auf die Straßen außerhalb des Flughafens gerichtet war.

Ihr Lächeln verblasste völlig, als sie die vollen Lippen der Frau und ihr zu einem Dutt zusammengebundenes silbernes Haar bemerkte. Die Frau ähnelte einer nichtssagenden Hilfslehrerin oder vielleicht einer Nonne ohne Kittel. Keine einzige Haarsträhne war fehl am Platz und selbst die Fältchen am Augenrand schienen sich zu verstärken, als ob sie versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Ein Agent, mit dem sie schon vorher gearbeitet hatte… Aber es war nicht John.

Dieser spezielle Agent war Adeles Vorgesetzte gewesen, als sie noch für die DGSI gearbeitet hatte. Sie war degradiert worden, ein unglückliches Szenario, dessen Verantwortlichkeit allein auf Adeles Rücken ausgetragen worden war. Jedes Quäntchen Verachtung und Ungeduld zeigte sich in jeder Falte und jedem Schimmer in Agent Sophie Paiges Augen, aber schließlich hob sie die Hand und machte eine schnelle zuckende Geste in Adeles Richtung.

Kein Winken, sondern eher ein Befehl wie bei einem Herrchen, das seinen Hund ruft. Adele stand für einen Moment wie erstarrt und fühlte, wie sich die Menschen an ihr vorbeidrängten, als sie sich bewegten, um wartende Familie oder Freunde zu begrüßen. Die Stille wurde durch Lachen, das Geräusch von sich umarmenden Körpern, das leise Murmeln erschöpfter Reisender, die sich vom Flughafen zurückzogen und vor Erleichterung auf wartende Taxis oder Autos am Bordstein zueilten durchbrochen.

Für einen Moment musste Adele dem Drang widerstehen, sich nach rechts umzudrehen und wieder ins Flugzeug zu steigen und Sophie Paige mit ihrem finsteren Blick am Fenster stehen zu lassen.

Doch schließlich nahm sie den Rest ihres Mutes zusammen, bürstete sich schnell mit verstohlenen Bewegungen die Haare zurück in Form und bewegte sich auf ihre frühere Vorgesetzte und neue Partnerin zu.




KAPITEL SECHS


Im Stadtzentrum von Paris, in den nordwestlichen Vororten der Region Ile-de-France der Hauptstadt, sah Adele konsequent geradeaus, als das Auto in den vierten Stock des DGSI-Parkhauses fuhr. Sie hatten die ganze Fahrt über schweigend verbracht; nun stieg Agent Paige aus dem Fahrzeug und rief ihr etwas über die Schulter zu, um ihr mittzuteilen, dass sie sich mit Foucault treffen würden. Sie ließ Paige allein zurück und schlängelte sich durch die Sicherheitskontrolle zum Büro ihres alten Mentors.

Es war schön, Roberts Büro zu betreten.

Adele konnte spüren, wie ihre Schultern sich entspannten, als ob eine schwere Last von ihnen gefallen wäre, als sie mit einem leisen Klopfen an den Rahmen durch die Tür trat. Die Reise und der Verlauf des Tages waren anstrengend gewesen, aber ihre Laune hob sich, als sie sich in dem vertrauten Raum umsah. An den Wänden hingen noch immer die gleichen gerahmten Bilder alter Rennwagen und darunter Regale mit staubigen Büchern mit rissigen Ledereinbänden. In dem Raum standen nun zwei Schreibtische. Der zweite Schreibtisch war am Fenster, dahinter stand ein aufrechter Lederdrehstuhl. Auf dem Schreibtisch war ein kleines, goldenes Namensschild mit der Aufschrift Adele Sharp angebracht.

Als sie hörte, wie sich ein Mann räusperte, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Schreibtisch und der Person, die sich dahinter befand.

Robert Henry war bereits aufgestanden. Er stand oft auf, wenn eine Frau den Raum betrat. Der kleine Mann stand mit geradem Rücken und einen langen, gewellten Schnurrbart, der perfekt in Form geschnitten und schwarz gefärbt war. Er trug einen feinen, gutsitzenden Anzug, der, wie Adele vermutete, eine Maßanfertigung war. Robert stammte aus wohlhabenden Verhältnissen; er brauchte den Job bei der DGSI nicht, aber er liebte seine Arbeit. Vielleicht war dies der Grund dafür, dass er eine der besten Beurteilungen in der Abteilung hatte. Robert hatte einmal in Italien für ein halbprofessionelles Team Fußball gespielt, war aber nach Frankreich zurückgekehrt, als er von der französischen Regierung angeworben wurde, lange bevor es die DGSI gegeben hatte.

Der kleine Franzose scannte Adele einen Moment lang, aber seine Augen glitzerten und ließen auf ein Lächeln, das sich hinter seinen Lippen verbarg, schließen.

„Hallo“, sagte Adele, die einem eigenen Lächeln nicht widerstehen konnte.

Robert Henry schmunzelte jetzt und entblößte eine Reihe weißer perlmuttartigen Zähne in der zwei Zähne fehlten. Adele hatte viele Geschichten darüber gehört, wie er die Zähne verloren hatte, von denen jede weiter hergeholt war, als die andere.

Sie hielten quer durch den Raum Blickkontakt und beobachteten einander einen Moment lang.

Dann sagte Adele: „Du benutzt zu viele Emoticons.“ Etwas von ihrer schlechten Laune von vorher begann in ihr aufzusteigen und das Lächeln ihres alten Mentors und Freundes verblasste.

Robert zögerte. „Ich betrachte es als eine Art Kunst.”

„Mhmm“, sagte Adele. „Warst du nicht derjenige, der mir sagte, das Aufkommen der Karikaturen sei der Tod der Kultur?”

Robert zuckte kapitulierend mit den Schultern und antwortete: „Ein vornehmer Mann weiß, wann er zugeben muss, dass er Unrecht hat.”

Adeles Grinsen wurde wieder gutmütiger. Robert Henry war ihr viele Jahre lang wie ein Vater gewesen. Ihr eigener Vater war kein Fan von Zuneigung, aber Robert war der Typ, der sich sehr darum bemühte, dass sich Adele willkommen fühlte. Robert lebte allein in einem großen Herrenhaus und freute sich bei jeder Gelegenheit, Gäste zu empfangen. Adele würde für ihre Zeit in Frankreich wieder mit ihm in seinem Haus wohnen.

„Es hat länger gedauert, als ich es erwartet hatte“, sagte Robert und blickte auf seine Uhr. Die silbern glänzende und teuer aussehende Armbanduhr sah aus wie etwas, das eher an das Handgelenk eines Bankers gehörte. Robert richtete seine Manschettenknöpfe und rückte die Uhr unter den Rand seines perfekt anliegenden Ärmels.

Adele lehnte ihren Koffer gegen den Türrahmen und stellte ihre Laptoptasche auf den Boden. „Wer auch immer meinen Flug gebucht hat, hat mir drei Stunden in London am Flughafen verschafft“, sagte sie. „Dann dauerte es einige Zeit, das Auto zu bekommen – wir mussten zur anderen Seite des Flughafens laufen. Ein Außenstehender könnte meinen, dass sie es absichtlich getan hat, nur um mich zu frustrieren.”

Robert runzelte die Stirn. „Sie? Wen hat Foucault dir als Partner zugeteilt?”

Anstatt zu antworten, schritt Adele durch den Raum und streckte ihre Hände aus und umarmte den kleineren Mann. Sie war nicht besonders groß, aber Robert war immer noch drei Zentimeter kleiner. Sie umarmte ihren alten Mentor und fühlte wie Wärme ihre Brust durchströmte. Er war jedoch kleiner, als sie ihn in Erinnerung hatte. Fast… gebrechlich. Obwohl Robert seine Haare und seinen Schnurrbart färbte, konnte Adele den Eindruck nicht abschütteln, dass er älter wurde. Sie trennte sich von ihrem alten Freund und lächelte wieder. „Wir werden von deinem Büro aus arbeiten, wie ich hörte“, sagte sie.

Robert tatschelte ihr tröstend die Schulter. „Ja, der hier ist für dich.“ Er nickte zum Schreibtisch mit ihrem Namensschild darauf.

„Du hast ihn ans Fenster stellen lassen. Ich weiß das zu schätzen.”

„Ich erinnere mich daran, wie dir die Aussicht beim letzten Mal, als du hier warst, gefallen hat“, sagte Robert mit einem Achselzucken. Er nahm seine Hand weg und ging zurück zu seinem eigenen Schreibtischstuhl. Er gab ein leises Seufzen von sich, als er sich in seinen Stuhl fallen ließ.

„Alles gut bei dir?“, fragte Adele.

Robert nickte und winkte mit einer abweisenden Geste weitere Fragen ab. „Ja, natürlich. Die alten Knochen sind nur nicht mehr so agil wie früher. Ich befürchte, ich werde dich im Einsatz draußen nicht begleiten können.”

Adele nickte verständnisvoll mit dem Kopf. „Das hatte ich mir bereits gedacht. Wir brauchen sowieso auch jemanden, der die Dinge hinter den Kulissen im Auge behält.”

Robert lächelte jetzt nicht mehr. Sein Blick schien plötzlich schwer zu sein.

„Du bist doch nicht krank, oder?“, fragte Adele ohne Vorwarnung. Sie war sich nicht sicher, woher die Frage kam, aber sie ploppte heraus, bevor sie sie stoppen konnte.

Robert lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, nicht dass ich wüsste. Aber“, er tippte mit den Fingern gegen seinen Schreibtisch und blickte dann auf den Computerbildschirm ihm gegenüber, „ich lerne besser mit diesem Ding umzugehen. E-Mails zu verschicken ist schwierig. Aber ich dachte mir, na ja, um besser mit dir kommunizieren zu können…“ Er wich zurück und warf ihr einen Blick zu.

Adele war dankbar. Sie wusste, wie sehr Robert Technik verachtete. Trotz der vielen Emoticons, die er in seinen Nachrichten verwendete, war er hartnäckig gewesen, was das Erlernen des Umgangs mit Computern betraf. Dennoch hatte sie von Interpol gefordert, Robert die Teilnahme an ihrem Team zu gestatten. Das war die Abmachung, die sie mit Mrs. Jayne getroffen hatte, als sie den Vertrag ausgehandelt hatte.

Zu dieser Zeit hatte sie Gerüchte gehört, dass die DGSI versuchte, Robert aus seiner Position zu verdrängen – eine Zwangsversetzung in den Ruhestand. Sie spürte wie die Frustration in ihr aufstieg. Der Gedanke, dass jemand Roberts Job übernehmen würde, war skrupellos. Sie hatten mit seinen Bemühungen zum Teil die Abteilung zur Aufklärung von Morden des DGSI aufgebaut. Er hatte sich bei anderen Agencies einen Namen gemacht, lange bevor die DGSI überhaupt gegründet worden war, was viele neue Mitarbeiter angezogen hatte. Adele respektierte die meisten der Agenten, die für die französischen Geheimdienste arbeiteten, aber es gab keinen, den sie mehr respektierte als Robert. Er war auf intuitive Weise klug, und er irrte sich selten. Beim letzten Fall in Paris hatte er darauf bestanden, dass der Mörder naturrotes Haar hatte und ihm war die Ernsthaftigkeit des Falles sehr bewusst gewesen. Sie war sich nicht sicher gewesen, aber am Ende hatte sich die Schlussfolgerung als richtig erwiesen.

Dennoch erinnerte sie sich an ihre Interaktionen mit Executive Foucault. Das Stirnrunzeln in seinem Gesicht, als sie Robert um Hilfe bat. Die Agency versuchte, das Personal zurückzuschrauben. Aber jetzt, mit seiner Hilfe beim Interpol-Attaché, hatte sie Foucault die Hände gebunden.

„Ich brauche dich“, sagte sie ganz einfach. „Du bist der Beste in dem, was du tust.

Robert schüttelte den Kopf und seufzte dabei. „Ich weiß nicht, ob das stimmt, meine Liebe“, sagte er und seine Stimme brach ganz plötzlich etwas.

„Das tut es. Mach dir keine Sorgen wegen des Computers; Du wirst das schon hinbekommen. Da bin ich mir sicher. Wir brauchen jemanden auf den wir uns verlassen können, jemanden, der von hier aus die Fäden zieht. Ich würde niemand anderen wollen.”

Robert nickte erneut, sein Gesichtsausdruck war immer noch bedrückt. „Ich bin alt, Adele. Ich weiß, dass ich vielleicht nicht so aussehe.“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein offensichtlich gefärbtes Haar. „Aber diese Agency, gehört jetzt den jüngeren Leuten.”

Adeles Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Warum sagst du so etwas?”

Robert winkte ab. „Es ist unwichtig. Ich bin dankbar. Hättest du nicht auf meine Mitarbeit bestanden, wäre ich wahrscheinlich innerhalb einer Woche gefeuert worden.”

Nun runzelte Adele mit einem finsteren Blick die Stirn. „Von wem hast du das gehört? Hat jemand gesagt, dass er dich loswerden wolle?”

Robert schüttelte nur den Kopf. „Ich bin Ermittler. Ich bin nicht dazu bestimmt, hinter einem Schreibtisch festzusitzen. Manchmal weiß man es einfach.”

„Du denkst zu viel nach. Du bist von unschätzbarem Wert – vertrau mir. Und außerdem, wenn du gehst, dann gehe ich auch.”

Robert lächelte über diesen Kommentar und verschränkte die Arme. „Schon gut. Computer sind nicht meine Stärke, aber ich werde mein Bestes versuchen. Du hast mir immer noch nicht gesagt, wen der Exekutive dir als Partner zugeteilt hat. John?“ Er hob seine Augenbrauen ganz leicht. Ein kleiner Schimmer eines Lächelns umspielte seine Lippenwinkel, aber Adele schüttelte den Kopf, um seinen Gesichtsausdruck zu beruhigen.

„Agent Paige“, sagte sie mit der Schwere eines Richterhammers.

Robert starrte sie an.

Sie zuckte die Achseln.

Er starrte weiter.

„Ich habe nicht darum gebeten", sagte sie.

„Sophie Paige?”

Adele blickte zurück zur Tür, vergewisserte sich, dass die Luft auf dem Flur rein war und nickte dann. „Sieht so aus. Sie war ungefähr genauso glücklich wie ich.”

„Kennt Foucault eure Geschichte nicht?“, sagte Robert und erhob seine Stimme.

„Es ist in Ordnung“, antwortete Adele mit leiser Stimme. „Ich weiß nicht, was der Exekutive tut oder weiß. Aber es ist, wie es ist.”

„Und was ist mit John?“, fragte Robert fordernd.

Adele winkte lässig ab, als wäre ihr der Gedanke nicht wirklich durch den Kopf gegangen. „Du meinst Agent Renee? Nun, ich glaube, er arbeitet an einem anderen Fall. Das hat Paige auch gesagt.”

Roberts gezupfte Augenbrauen hingen tief über seinen Augen wie dunkle Wolken, die einen Sturm ankündigten. „Paige“, sagte er mit einem Stöhnen. „Jetzt weiß ich, warum Foucault mir nichts gesagt hat.”

Adele zögerte. Da war etwas in seinem Tonfall, das sie nicht ganz zuordnen konnte.

„Wie meinst du das?”

Robert runzelte jedoch immer noch die Stirn und Adele musste die Frage wiederholen. Endlich wurden seine Augen hellwach. „Oh, ich meine, nichts, oder-außer, er weiß, was ich für dich empfinde. Und Paige ist seit dem Vorfall nicht gerade warmherzig dir gegenüber gewesen.”

Adele machte eine Pause und studierte ihren alten Mentor. Sie wusste, dass Robert sich auf ihre Seite schlagen würde. Aber da war noch etwas anderes an seinem Tonfall. Etwas hinter seinem Stirnrunzeln, das sie nicht ganz verstand. „Hast du seit meiner Abreise mit Paige gesprochen?“, fragte sie ihn vorsichtig.

„Gesprochen? Nein.“ Er zog sich zurück, als wollte er noch mehr hinzufügen, aber dann schien er sich dagegen zu entscheiden und schüttelte kurz den Kopf, rastete die Finger zusammen und faltete die Daumen übereinander. „Nein, nichts dergleichen. Ich bin sicher, dass ihr beide professionell damit umgehen könnt, oder?”

Adele zuckte die Achseln. „Ich kann es, wenn sie es kann.”

„Magnifique“, sagte er. „Aber ich hoffe, du konntest auf dem Flug etwas schlafen. Foucault wollte dich sofort nach der Landung sprechen.”

Adele nickte, die Lippen fest zusammengepresst. „Agent Paige ist bereits in seinem Büro“, sagte sie. „Sollen wir sofort gehen?”

Ihr alter Mentor nickte, als er vom Stuhl aufstand und sich mit steifen Bewegungen um die Kante seines Schreibtisches bewegte. „Lass deinen Koffer hier“, sagte er. „Ich werde jemanden schicken, der ihn zu mir nach Hause bringt. Komm jetzt.”

Robert nahm sie am Arm, schlang ihre Hand durch die Ellbogenbeuge und begleitete sie zum Aufzug. Robert war altmodisch und es gab einige, die ihn für aufgeblasen hielten. Aber für Adele rief sein Verhalten nur eine liebevolle Belustigung hervor.

Sie warteten auf das leise Summen des Aufzugs und betraten Kabine. Für einen kurzen Moment schwebte Adeles Finger über dem Knopf für den zweiten Stock – John's Büro befand sich auf dieser Etage. War er da? Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Zwischen den Morden lagen nicht mehr drei Wochen wie beim letzten Mal. Drei Tage. Das war alles, was zwischen den Morden vergangen war. Alles war innerhalb kürzester Zeit geschehen. Wenn der Mörder dieses Tempo beibehielt, konnte alles nur noch schlimmer werden.

Adele drückte den Knopf für das oberste Stockwerk und während Robert neben ihr immer noch ihren Ellbogen hielt, wartete sie, dass der Aufzug sie nach oben und in Richtung des Büros der Exekutive beförderte.


***

Paige saß zurückgelehnt in ihrem Bürostuhl am Fenster. Für sie war es ein vertrautes Gefühl. Executive Foucault starrte auf seinen Computerbildschirm und nagte stirnrunzelnd an seiner Unterlippe herum, während er den Kopf schüttelte.

Adele und Robert standen wartend im Raum und schauten dem Treiben zu. „Ist das alles?“ fragte Foucault und blickte nach oben. „Es gibt nichts Neues?“ Seine Augen richteten sich auf Agent Paige, deren eigener Blick Adele fokussierte, als ob sie den Zorn des Exekutives umlenkten wollte.

Adele zögerte. Sonnenlicht strömte durch das offene Fenster des großen Büros des Exekutives – die Luft wirbelte einen Hauch von Zigarettenrauch umher, aber der Geruch hing noch immer fest in den Wänden.

„Ich bin gerade erst angekommen“, sagte Adele, zögernd, unsicher, ob sie für etwas verantwortlich gemacht wurde. „Ich hatte vor, von Roberts Büro aus zu arbeiten…“ Sie verlor sich im Blick auf Foucaults Gesicht und räusperte sich dann. „Ehrlich gesagt, habe ich im Flugzeug geschlafen. Wir können heute Nachmittag beginnen. Ich würde gerne den Tatort des zweiten Opfers sehen.”

Foucault nickte und winkte mit der Hand. „Ja“, sagte er, seine dicken Augenbrauen zogen sich über seinen dunklen Augen zusammen. „Das wäre das Beste. Wir haben keine Zeit, länger zu warten, hm? Nein.“ Er nickte Paige zu. „Sie beide haben schon einmal zusammengearbeitet, richtig?”

Paige saß weiterhin schweigend am Fenster. Sie nickte einmal. Adele nickte ebenfalls.

Nach einigen Momenten unangenehmen Schweigens griff Robert ein und räusperte sich. „Er ist etwas merkwürdig, dieser Fall.“, sagte er leise.

Adele hielt ihre Augen auf Foucault gerichtet, nickte aber zustimmend.

Robert seufzte und plötzlich war die ganze Aufmerksamkeit im Raum von Adele auf ihn verlagert. „Die Opfer müssen den Mörder gekannt haben“, sagte er. „Ein Freund? Vielleicht ein Familienmitglied?”

Adele drehte ihren Kopf leicht zur Seite und kreiste ihn ein wenig, um den Nacken zu entspannen. „Vielleicht. Oder vielleicht hat sich der Mörder an sie herangeschlichen. Ein Vermieter? Mit einem Schlüssel?”

Robert zögerte einen Moment lang und wieder herrschte Stille. Schließlich sagte er: „Was halten Sie von der fehlenden Niere?”

„Sie haben die Akten gelesen?”

„Der zweite Bericht ist noch nicht da.“ Robert hielt inne und zog fragend eine Augenbraue in Richtung Foucault hoch.

Die Exekutive nickte. „Sie arbeiten daran, aber es wird noch etwas dauern. Der vollständige Bericht sollte bald vorliegen.”

Robert nickte und wandte sich diesmal an Foucault, der langsam durch den Raum ging, um durch das offene Fenster auf die Straße darunter zu blicken. Ein kleines, rosa gestrichenes Café befand sich auf der Straße gegenüber dem DGSI.

„Ich habe den ersten Bericht gelesen“, sagte er. „Nur die Niere fehlt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?”

Paige und Foucault schwiegen beide. Doch Adele blickte durch den Raum zu ihrem Mentor und beobachtete, wie die Nachmittagssonne die Seite seines Gesichts beleuchtete und Schatten auf den Teppichboden warf.

„Vielleicht sammelt er Trophäen.“, sagte sie.

„Vielleicht“, sagte Robert. „Das würde Sinn ergeben.”

„Was noch?”

Robert zuckte mit den Schultern und sein Blick richtete sich auf Foucault hinter seinem Schreibtisch.

Das Stirnrunzeln der Exekutive vertiefte sich. „Sie werden dafür bezahlt, genau das herauszufinden“, sagte er. Seine Augen huschten zwischen den drei Agenten hindurch, er streckte die Hand aus und tätschelte die Seite seines Computers. „Wir brauchen mehr Informationen und Sie haben nicht viel Zeit, uns diese zu beschaffen.”

Adele bemerkte wie schnell das wir in seiner Sprache zu Ihnen wurden. Sie hielt inne und sagte dann leise: „Ich habe über die Opfer nachgedacht. Beide sind Ausländerinnen, oder? Als ich noch ein Kind war, hatte ich zu einigen Mitglieder dieser Community Kontakt – nicht allzu viel, da meine Mutter hier aus der Gegend stammte, aber zu einigen amerikanischen Freunde in der Schule, deren Eltern wegen der Arbeit umzogen waren.“ Sie machte eine kurze Pause. „Sie sind eine kleine Gemeinschaft. Oft isoliert und unter sich, aufgrund der Kultur -und Sprachbarrieren. Vielleicht nutzt der Mörder das aus, um ihnen näher zu kommen. Er nutzt ihre Einsamkeit oder den Druck aus, sich ihrem Gastland anzupassen.”

Foucault nahm dies mit einem Nicken und Achselzucken zur Kenntnis. „Überprüfen Sie alle Möglichkeiten“, sagte er. „Nur“, hielt er inne, „machen Sie nichts Persönliches daraus.“ Er wandte sich von Adele ab. „Agent Henry, Sie bleiben doch hier, nehme ich an?“ Foucaults Blick wanderte zu dem kleineren Mann.

Robert rieb sich den Schnurrbart. „Ich werde den Außeneinsatz den jungen Leuten überlassen, denke ich.”

Foucault lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Adele. „Zweiter Tatort?“, fragte er.    „Er wird derzeit noch untersucht.”

„Ich wäre bereit sofort anzufangen, wenn sie nicht zu müde ist“, sagte Paige und sprach zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatten. Der Kommentar schien zunächst nicht böswillig, aber irgendetwas daran ließ  Adeles Nackenhaare aufstellen.

Nun, da der Fokus wieder auf ihr lag, atmete Adele leise ein.

Amerikaner in Frankreich, Expats – sie fühlte eine tiefe Verbundenheit zu ihnen, eine Art familiäre Verantwortung. Adele wusste, wie es war, keine richtige Heimat zu haben und von Land zu Land zu ziehen, Wurzeln zu schlagen und sich wieder ein Leben aufbauen zu müssen.

Aber im Fall der Mordopfer hatten sie diese Leben nur aufgebaut, um letztendlich in einer Blutlache auf dem Boden ihrer Wohnungen zu enden. Keine physischen Beweise. Keine Anzeichen für einen Kampf. Keine Anzeichen für einen Einbruch.

Jetzt war nicht die Zeit zum Ausruhen.

„Ich stehe zur Verfügung, wenn Sie bereit sind“, sagte Adele und wandte sich bereits der Tür zu.




KAPITEL SIEBEN


Adele knirschte frustriert mit den Zähnen und klopfte ungeduldig mit den Fingern gegen das Holz des Türrahmens, der in die Wohnung führte. Sie hatte in den letzten dreißig Minuten zum zehnten Mal ungeduldig auf ihre Uhr geschaut und ihre Augenbrauen senkten sich noch weiter über ihre Augen, wodurch sich ihr Gesicht verdunkelte.

„Mein Gott“, murmelte Adele. Sie runzelte die Stirn, als sie die Straße auf und ab blickte und die vorbeifahrenden Fahrzeuge verfolgte. Sie versuchte immer wieder, Ordnungswidrigkeiten zu entdecken fand aber das einzige was sie sah, war der Leihwagen, den sie an der Parkuhr am Bordstein geparkt hatte. Es war später Nachmittag, die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte nur wenig in den Horizont ein.

Adele und Sophie hatten getrennte Fahrzeuge genommen, da Adele direkt vom Tatort zu Roberts Haus unterwegs sein würde.

Sie lehnte sich an das Geländer, das die Betonstufen hinaufführte und wandte sich wieder der Wohnungstür zu. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie allein hineingehen sollte. Doch normalerweise schrieb das Protokoll vor, dass zwei Agenten gleichzeitig vor Ort sein mussten. Adele wollte nicht schon an ihrem ersten Arbeitstag in Frankreich für Aufregung sorgen. Doch Agent Paige machte es ihr schwer. Sie war bereits dreißig Minuten zu spät.

Adele knurrte leise. Sie hatte mit Robert vereinbart, ihr Gepäck zu seinem Haus zu bringen, und war dann direkt zum Tatort gefahren. Die Fahrt hatte zwanzig Minuten gedauert. Paris war eine der wenigen Städte, in denen es so gut wie keine Stoppschilder gab. Man munkelte, es müsste irgendwo doch eines geben; wenn das der Fall war, hatte Agent Paige es gefunden und wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

Es konnte keinen anderen Grund dafür geben, warum Adele seit einer halben Stunde auf Paige wartete.

Sie blickte die Straße entlang, auf die Lücke zwischen den Häuserblocks. Sie schluckte und starrte auf den kleinen Weg über die Straße, in dessen Innerem sich ein Hauch von Grün verbarg. Etwas, das sie an Paris liebte, waren die kleinen Pfade und versteckten Gärten, die wie durch ein Labyrinth quer durch die alten Gebäude erforscht werden konnten. Die Franzosen hatten ein besonderes Wort für diejenigen, die ziellos umhergingen und die Nebenstraßen und Gärten genossen: la flânerie. Adele konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal entspannt genug gewesen war, um einfach umherzuschweifen. Und jetzt war sicher auch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

Mit einem letzten frustrierten Schnaufen drehte sich Adele zu den Türen und ging in Richtung der Sprechanlage, bevor sie auf den unteren Knopf mit der Aufschrift "Vermieter" drückte. Der Vermieter war angewiesen worden, sie hereinzulassen. Mit oder ohne Paige war Adele entschlossen, sich den Tatort des zweiten Opfers anzusehen.

Doch bevor sie klingeln konnte, hörte sie ein leises Reifenquietschen. Adele blickte über die Schulter und entdeckte einen zweiten SUV mit schwarz getönten Scheiben, der hinter ihrem Mietwagen parkte. Agent Paiges silbernes Haar erschien über dem oberen Teil des Türrahmens, als sie seelenruhig den Fahrersitz verließ. Die ältere Agentin hielt auf dem Bordstein inne, schnippte dann mit den Fingern, als ob ihr etwas klar geworden wäre, drehte sich wieder zu ihrem Auto um, öffnete die Tür und begann, im Inneren herumzustöbern.

Adele wartete; es dauerte fast eine Minute, bis Paige fand, wonach sie gesucht hatte. Dann kam sie im Schneckentempo auf die Wohnungstreppe zu. Sie nickte Adele ganz unbeirrt zu und ging an ihr vorbei.

Adele unterdrückte ihr Temperament. Sie würde bei diesem Fall mit Paige arbeiten müssen und es würde ihr nichts bringen, wenn sie die Konfrontation suchte. Aber es schien fast so, als ob ihr zugeteilter Partner sie absichtlich auf dem falschen Fuß erwischt hätte.

„Ich dachte, wir hätten vereinbart, direkt hierher zu kommen“, sagte Adele und versuchte, ihren Tonfall neutral zu halten.

Paige sah Adele aus dem Augenwinkel an. Sie sagte: „Ja? Normalerweise habe ich es nicht so eilig, meine Zeit zu verschwenden. Die Leute von der Spurensicherung haben schon alles durchsucht. Ich bin nicht sicher, warum wir hier sind.”

Adele drehte sich ganz um und blickte von den Wohnungstüren und den Klingelknöpfen weg und zu ihrer Partnerin hin. „Wir sind hier“, sagte sie Zähne knirschend, „weil ich den Tatort selbst untersuchen möchte. Ist das für Sie in Ordnung?”

Paige säuberte ihre Fingernägel und schnippte alles, was sie fand, auf den Bürgersteig.

„Sie werden bestimmt nichts Neues finden.”

„Vielleicht nicht, aber man kann nie wissen.”

Adele konnte Agent Paiges Parfüm riechen, aber es als Parfüm zu bezeichnen, wäre weit hergeholt gewesen. Ihre Partnerin roch nach Seife; nicht nach parfümierter Seife, sondern eher nach einer schlichten Reinigungsseife, die in erster Linie auf Hygiene abzielte. Agent Paige trug weder Ohrringe noch Schmuck. Sie hatte ein starkes Profil mit einer römischen Nase und spitze Wangenknochen. Adele erinnerte sich an ihr erstes Jahr bei der DGSI, in dem sie in einer Arbeitsgruppe mit Agent Paige arbeitete – sie war damals von der älteren Frau eingeschüchtert gewesen und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, konnte das wirbelnde, unwohle Gefühl in ihrem Bauch nicht leugnen – es hatte sich nichts geändert.

Adele hatte Sophies Familie nie besucht, aber sie wusste aus Gesprächen mit anderen Agenten, dass Paige fünf eigene Kinder hatte, die alle adoptiert waren. Und doch hatte Adele nach ihrer Erfahrung noch nie erlebt, dass die Frau auch nur einen Tag auf der Arbeit gefehlt hatte. Als beim DGSI gewesen war, hatte es einige Nachforschungen erfordert, aber so wie es sich anhörte, blieb Agent Paiges Mann zu Hause und kümmerte sich um die Kinder, während seine Frau manchmal bis spät in die Nacht für die Regierung arbeitete.

Paige erwiderte Adeles verärgerten Blick. Als Antwort darauf streckte Adele die Hand aus und betätigte energisch den Klingelknopf. Es dauerte einen Moment, dann summte die Tür. Sophie drückte die Haustür auf, ging schnell hinein und ließ sie hinter sich zuschlagen.

Adele musste schnell reagieren, um ihren Fuß in die Lücke zu klemmen und sie aufzufangen, bevor sie ganz geschlossen war.

Adele starrte frustriert auf den Hinterkopf der älteren Agentin. Wieder war kein einziges Haar fehl am Platz. Paiges Kleidung war ordentlich gebügelt, ihre Anzugsjacke war anthrazitgrau und passte zu ihrer Hose.

Adele hatte die Gesellschaft ihrer alten Vorgesetzten nie besonders genossen. Das letzte Mal, als sie mit der Frau interagiert hatte, hatte Paige bei einem früheren Fall in Frankreich für Ärger gesorgt.

„Entschuldigen Sie“, sagte Adele und sprach dabei nur leise, „müssen wir reden?”

Paige tat jedoch so, als hätte sie es nicht gehört, und ging weiter in Richtung Treppe.

Adele machte ein paar eilige Schritte, um die ältere Frau einzuholen. Sie streckte die Hand aus und legte sanft eine Hand auf den Unterarm der anderen Agentin. Als wäre sie verbrüht worden, zuckte Paige zusammen und knurrte bei der Berührung. „Fassen Sie mich nicht an!“, schnappte sie.

Adeles starrte auf das Halfter der Frau unter ihrem geöffneten Blazer. Sie entfernte ihre Hand in einer beschwichtigenden Geste. „Entschuldigung.”

„Was wollen Sie noch?“, sagte Paige mit finsterem Blick. „Wir machen es doch auf Ihre Art, oder? Wir sind hier und verschwenden unsere Zeit, statt mit Zeugen zu reden.”

„Welche Zeugen?“, sagte Adele und hielt sich zurück.

„Der Amerikaner. Derjenige, der die Leiche gefunden hat.”

Adele schüttelte den Kopf. „Er hat das Opfer gefunden, aber er hat nichts gesehen.”

Paige fuhr mit der Zunge über ihre Lippen. Unsere Zeit wäre besser genutzt, wenn wir Zeugen befragten, als sich einen bereits leergeräumten Tatort anzusehen. Sie haben den Bericht gelesen, nicht wahr? Keine physischen Beweise. Hier gibt es nichts für uns.”

Adele schüttelte wütend den Kopf. Sie streckte die Hand aus, als wolle sie sich beruhigen und griff nach dem hölzernen Geländer, das die Wohnungstreppe hinaufführte.

Sie konnte das Klirren der Schlüssel und das Geräusch von Schritten hören, die sich näherten, als der Vermieter durch den Flur ging. Sie blickte an ihrer Partnerin vorbei, und sah durch das Holzgeländer, einen alten, kahlköpfigen Mann mit einem kleinen Bäuchlein und einem fleckigen Pullover, der sich auf sie zu bewegte.

Adele senkte ihre Stimme und versuchte, ruhig zu bleiben, als sie sagte: „Sie können die Officer kontaktieren, die die Amerikanerin angerufen hat. Sie sind in Bereitschaft. Sagen Sie ihnen, sie sollen sie herbringen, wenn Sie wollen. Wir werden sie nachher befragen; jedenfalls besser auf dem Revier.”

„Gut“, sagte Paige. „Vielleicht mache ich das.“ Sie griff nach ihrem Telefon und fummelte einen Moment daran herum.

Adele wartete, während der Vermieter sich näherte, in der Hoffnung, dass dies der vorläufig letzte hitzige Austausch zwischen den beiden war. Es wäre nicht gut, in der Öffentlichkeit so unprofessionell auszusehen.

Der Vermieter warf einen Blick zwischen den beiden Frauen hin und her, scheinbar hatte er von der Auseinandersetzung nichts mitbekommen. Er nahm ein albernes, öliges Lächeln an und sagte: „Ich kann Ihnen das Zimmer zeigen.“ Er hielt einen Moment inne, sein Lächeln erstreckte sich immer noch über sein gesamtes Gesicht. „Nur aus Neugierde…“, er machte eine Pause, als ob er eine einstudierte Anzahl von Sekunden warten würde. Dann sagte er: „Wann werde ich die Wohnung wieder vermieten können? Ich muss meine Rechnungen bezahlen…“

„Ich bin Agent Sharp“, unterbrach Adele. Sie studierte den Mann. „Das ist Agent Paige.“ Sie griff in ihre Tasche und zeigte ihre Dienstmarke sowie den Interpol-Ausweis, den Robert ihr gegeben hatte.

Der Vermieter winkte ab, ohne einen Blick auf einen der beiden Ausweise zu werfen. Paige starrte immer noch auf ihr Telefon und ignorierte den Mann.

„Ich kann es Ihnen zeigen“, wiederholte er.

Adele zeigte mit einer Handgeste die Treppe hinauf und erlaubte dem Vermieter, die Führung zu übernehmen. Sie folgte ihm langsam, während er schwer atmend, eine Treppenstufe nach der anderen hinaufging. Als sie den Treppenabsatz im dritten Stock erreichten, steckte er die Schlüssel in das Schloss und drehte ihn um. Adele untersuchte die Schlüssel, dann sprach sie wieder mit dem Vermieter. „Sie haben die Wohnung vor ein paar Tagen nicht betreten, oder?”

Der Vermieter musterte sie und sah sie nach einem Moment mit einem entsetzten Gesicht an. Sofort begann er wild den Kopf zu schütteln, wodurch seine Wangen wackelten. „Nein“, beteuerte er. „Ganz sicher nicht. Ich betrete niemals die Wohnungen. Die Schlüssel sind nur für Notfälle.”

Adele hob ihre Hände. „Hat jemand anders einen Ersatzschlüssel?”

Der Vermieter schüttelte wieder den Kopf. „Nur der Mieter. Und ich selbst. Und ich benutze sie nicht“, wiederholte er.

Adele nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte und beobachtete, wie der Mann die Wohnungstür aufschloss und beiseitetrat. Mit einer einfachen Handbewegung signalisierte er den beiden Agenten, dass sie eintreten konnten.

Die Agenten duckten sich unter der Tatortabsperrung hindurch und gingen dann durch die Tür. Adele ging weiter und warf einen Blick auf den Fliesenboden.

Das meiste Blut war bereits entfernt worden. Der Tatort war fotografiert worden und erste Ermittler der Spurensicherung waren gekommen, um alles zu katalogisieren. Adele sah sich in der Küche um; sie bemerkte einige Blutflecken am Schrank neben dem Kühlschrank sowie entlang des Fliesenbodens. Sie ging zu den Flecken hinüber und warf einen Blick auf den Kühlschrank. Er war nun geschlossen.

Abgesehen von der geschlossenen Kühlschranktür und dem fehlenden Fleck sah der Tatort genauso aus wie auf den Fotos. Die Leiche war längst zum Gerichtsmediziner gebracht worden und der Abschlussbericht würde schon bald vorliegen.

Sie gab es nur ungern zu, aber es gab nicht viel zu sehen. Keine physischen Beweise. So wie man es ihr gesagt hatte.

Sie hatten bereits alle Küchenschränke, den Kühlschrank und die Leiche auf Fingerabdrücke untersucht und trotzdem war nichts aufgetaucht. Nichts außer den Fingerabdrücken des Opfers.

Das zweite Opfer war mit dem Rücken an die Schränke gelehnt und dem Kühlschrank zugewandt aufgefunden worden. Dies bedeutete, dass derjenige, der sie angegriffen hatte, es schnell getan hatte. Es hatte ein paar Blutspritzer gegeben, aber nicht viele. Es hatte keine Anzeichen von Abwehrverletzungen am Körper gegeben. Keinen Kampf.

„Glauben Sie, dass sie den Mörder kannte?“, fragte Adele leise.

„Vielleicht. ”, antwortete Agent Paige.

Adele trat vorsichtig über die verblichene Blutlache. Sie ging zum Kühlschrank, griff mit dem Plastikbeutel, in die sie ihre Hand einhüllte, nach dem Griff und zog ihn auf. Es waren noch Lebensmittel im Kühlschrank. Alte Sandwiches lagen im Gemüsefach und neben einem Dutzend Eiern stand ein großer Krug mit Milch darin. Ansonsten war der Kühlschrank ziemlich leer. Adele betrachtete die Schränke, an denen man die Frau gelehnt gefunden hatte, die in einer Lache ihres eigenen Blutes auf dem Boden saß.

Sie untersuchte den Messerblock aus Holz neben der Spüle. Alle Messer wurden auf Spuren von Blut untersucht und anschließend gereinigt worden. Der Mörder hatte seine Waffe mitgenommen. Sie wussten noch nicht einmal, womit er die Frau getötet hatte.

Adele griff nach oben und öffnete das Gefrierfach. Dort standen zwei Eiswürfelbehälter, eine Packung Eiscreme und einige Tiefkühlpizzen. Der Eiskrembehälter war mit geschmolzenem, dann wieder gefrorenem Eis bedeckt. Adele spitzte die Lippen; es war ein persönliches Ding, aber sie hasste es, wenn die Leute leere Eispackungen wieder in den Gefrierschrank legten. Sie warf einen Blick auf den Eisbehälter und dann huschten ihre Augen zu den gefrorenen Pizzen. Blumenkohl/Karfiol. Sie rümpfte die Nase, fühlte aber einen plötzlichen Rausch der Verlegenheit, als sie das Essen studierte.

Was hatte sie sich davon versprochen?

Sie ließ die Tür des Gefrierschranks wieder zufallen und drehte sich um, um den Raum weiter zu inspizieren. Es gab in der Tat keine physischen Beweise. Sie betrachtete das Waschbecken und bemerkte, dass der Wasserhahn leise tropfte. Sie ging hinüber und drehte einen der Griffe. Das Tropfen ging weiter. Ein Tropfen nach dem anderen. Die Tropfen schlugen gegen das Metallbecken.

„Ist die Zeugin auf dem Weg“, sagte Adele, als sie zu Paige hinüberblickte.

Die ältere Frau beobachtete immer noch die Skyline durch das Fenster. Sie stöhnte. „Ja, ist sie.“

Adele räusperte sich. „Wie hieß sie noch einmal?”

„Melissa Robinson. Ebenfalls Amerikanerin – sie hat die Leiche gefunden.”

Adele presste die Lippen aufeinander. „Wie sollten wir Ihrer Meinung nach die Befragung angehen?”

Agent Paige zuckte erneut die Achseln. „Sie sind die Interpol-Agentin. Ich bin nur hier, um Ihren Anweisungen zu folgen. Machen Sie, was Sie wollen.”

Adele zögerte und betrachtete den Tatort. Sie nickte einmal, dann sagte sie, im diplomatischsten Ton, den sie über die Lippen bekommen konnte: „Ich glaube, wir müssen uns unterhalten.”

Paige blickte schließlich vom Fenster weg und hob eine ihrer grauen Augenbrauen.

Adele näherte sich vorsichtig und stellte sich vor die ältere Frau, obwohl ein Teil von ihr sich in der Ecke des Raumes verstecken wollte. Der Duft von Seife war noch stärker als zuvor, als sie dem Blick ihrer Partnerin begegnete. „Das hier muss nicht schwierig werden, aber ich habe das Gefühl, dass Sie sich nicht so sehr anstrengen, wie Sie könnten.”

Paige verzog für einen Moment keine Miene. Schließlich zuckte sie die Achseln und sagte: „Ich bin nicht für Ihre Gefühle verantwortlich. Vielleicht sollten Sie sie besser kontrollieren.”

Adele starrte die ältere Frau an. „Ich glaube nicht, dass dies hilfreich ist.”

„Die Anzahl der Dinge, die Sie nicht glauben können, geht mich nichts an“, sagte Paige kühl. Sie hatte die Haltung eines Menschen, der sich an der Frustration eines anderen labt. Adeles aufsteigende Wut schien Paiges Freude nur noch zu steigern.

„Ich wusste nicht, dass Sie es waren“, platzte Adele schließlich heraus.

Agent Paige erstarrte.

Adele blickte zurück zur Tür und war froh, den leeren Rahmen zu sehen, was darauf hindeutete, dass der Vermieter weiter unten im Flur stand. Trotzdem senkte sie ihre Stimme und sagte: „Ich wusste es nicht. Ich sah nur, dass jemand eines der Buchhaltungsdokumente aus der Asservatenkammer entfernt hatte. Ich dachte, es sei ein Schreibfehler. Als ich es Foucault meldete, hatte ich keine Ahnung…“

„Stopp“, schnauzte Paige sie an.

Der stille, fragende, selbstgefällige Ausdruck war nun verblasst, wie Eis, das über einem Teich schmilzt und die kochende Wut darunter zum Vorschein brachte.

„Ich meine es ernst“, sagte Adele, „wenn ich gewusst hätte…“

„Sie haben getan, was Sie getan haben.“ Paige war zornig. Ihre Hände zitterten an den Seiten gegen ihren grauen Anzug. „Sie haben dafür gesorgt, dass ich degradiert wurde. Ich habe Glück, dass ich meinen Job noch habe. Matthew wurde verhaftet. Sie verhörten ihn fast eine Woche lang!”

Adele zuckte zusammen. „Es tut mir leid. Alles, was ich sah, waren fehlende Beweise. Ich wusste nicht…“

„Scheiß drauf, was Sie nicht wissen oder wussten“, brüllte Agent Paige. Sie presste ihren Finger an Adeles Brust und bohrte ihn in die jüngere Frau. „Sie hätten zu mir kommen sollen. Ich war Ihre Vorgesetzte! Sie haben mich hintergangen, wie eine kleine Ratte.”

Adele trat zurück, griff nach oben, rieb sich an ihrer Brust und fragte sich, ob sie am nächsten Morgen einen Bluterguss haben würde. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Sie haben Beweise verschwinden lassen, um Ihren Freund zu schützen. Ich wusste nicht, was passiert war. Ich wusste nicht einmal, dass Sie mit einem Verdächtigen zusammen waren.“

„Er war kein Verdächtiger, als wir uns kennenlernten“, wetterte Paige, zog dann aber den Kürzeren und knurrte dann nur noch. „Es geht Sie verdammt noch mal nichts an, mit wem ich ausgehe, verstanden? Und sie haben ihn freigesprochen. Er hat es nicht getan.”

Adele nickte und versuchte mit ihrer Körperhaltung nicht bedrohlich zu wirken.

„Gut. Ich bin froh. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich wusste nur, dass jemand Beweise verschwinden lassen hatte. Hätte ich gewusst, dass Sie es waren, hätte ich mit Ihnen geredet. Das hätte ich auf jeden Fall getan. Aber Sie haben es mir nicht gesagt. Ich sah nur, dass etwas fehlte…“

Sophie schnaubte und winkte Adele mit der Hand. „Es muss nicht immer alles für die kleine Adele herhalten“, schnappte Paige. „Nicht alles dreht sich um Sie.”

Adele knirschte mit den Zähnen und sie wollte weiter protestieren, aber die Worte wollten nicht herauskommen. Die Situation hatte sich zum Negativen entwickelt. Agent Paige hatte Glück gehabt, dass sie ihren Job behalten konnte. Ihre Beziehung zu Matthew, einem Buchhalter bei der DGSI, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich bekannt gewesen. Adele hatte nicht gewusst, dass ihre Vorgesetzte sich mit einem Verdächtigen traf, der im Zusammenhang mit dem Tod einer Prostituierten stand. Letztendlich wurde Matthew freigesprochen. Aber Paige hatte Adele beschuldigt, die fehlenden Beweise gemeldet zu haben. Es hatte sich herausgestellt, dass Paige versuchte, ihren Freund zu decken; am Ende war jedoch ans Licht gekommen, dass Matthew mit der Prostituierten geschlafen hatte. Adele vermutete, dass Paige dies nicht gewusst hatte, als sie Quittungen und Dokumente versteckt hatte, die auf eine Beteiligung von Matthew hindeuteten.

Adele hatte jedoch gesehen, dass die Beweise fehlten und hatte die verschwundenen Akten sofort gemeldet. Danach war gegen Sophie Paige und auch gegen Matthew ermittelt worden. Ihr Freund war von der Mordanklage freigesprochen worden, aber aus der DGSI entlassen worden. Paige wäre gefeuert worden, aber Foucault – aus irgendeinem Grund, den Adele nicht verstand – hatte sich für sie eingesetzt und sie am Leben erhalten und sie dabei degradiert.

„Ich mag Sie nicht“, sagte Paige einfach ohne weiterhin zu versuchen ihre Gefühle zu verschleiern. Ihr Gesichtsausdruck wurde wieder finster. „Ich werde Sie niemals mögen. Ich habe nicht um diesen Auftrag gebeten. Ich muss ihn ertragen. Genau wie Sie. Wie wäre es nun, wenn Sie aufhören würden, meine Zeit zu verschwenden, indem Sie mich zu Tatorten schleifen, die bereits untersucht worden sind? Haben Sie etwas Neues gefunden?“, fragte sie fordernd.

Adele zögerte und warf einen Blick zurück in die Küche; sie wollte nicht zugeben, dass sie es nicht getan hatte. Stattdessen sagte sie: „Wann kommt die Zeugin?”

„Sie sind unerträglich“, blaffte Sophie. Sie drehte sich zum Fenster zurück und starrte hinaus in die Stadt. Adele, deren Hände vor Wut zitterten, ging zur Tür und in den Flur und wartete lieber draußen auf die Ankunft der Zeugin, als noch einen Moment mit Agent Paige zu verbringen.




KAPITEL ACHT


Adele erwachte durch das Schulterklopfen eines Officers aus ihrem Tagtraum. Sie drehte sich vom Fenster im Flur der Wohnung des Opfers weg und nach ihm um.

„Entschuldigen Sie“, sagte der Officer leise.

Adele hob eine Augenbraue, um zu zeigen, dass sie gehört hatte.

Der Officer räusperte sich und glättete seinen Schnurrbart. „Die Zeugin weigert sich, die Wohnung zu betreten. Sie sagt, sie würde lieber auf dem Bürgersteig reden. Ist das in Ordnung?”

Adele blickte den Mann an, dann in Richtung der offenen Wohnungstür. Für einen kurzen Moment musste sie der Versuchung widerstehen, Agent Paige zurückzulassen und allein mit Ms. Robinson zu sprechen. Doch schließlich seufzte und nickte sie. Sie zeigte auf die offene Tür. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, das auch meiner Partnerin zu sagen?”

Der Polizeibeamte nickte einmal, ging dann um das Geländer herum und auf die Tür zu. Er winkte höflich dorthin, wo der Vermieter mit dem Schlüssel in der Hand immer noch am Ende des Flurs wartete. Was Adele betraf, konnte er den ganzen Tag warten. Er würde die Wohnung in nächster Zeit nicht vermieten. Zumindest noch nicht.

Sie ging wieder die Treppe hinunter, nahm zwei Stufen auf einmal und hoffte, ein paar Augenblicke zu haben, um mit der Zeugin zu sprechen, ohne dass Agent Paiges Anwesenheit ihre Gedanken trübte.

Sie erreichte das Erdgeschoss, öffnete die Tür zum Wohnhaus und bemerkte ein drittes Auto, diesmal ein Polizeifahrzeug, das am Bordstein wartete. Adele warf einen Blick auf die Vorderseite des Fahrzeugs, wo eine zweite Beamtin an der Motorhaube lehnte. Sie hatte eine Zigarette in der Hand und sah aus, als wolle sie sie gerade anzünden, aber als sie Adele sah, steckte sie ihr Feuerzeug schnell wieder in die Tasche und schnippte die Zigarette in Richtung des Gitters unter dem Vorderrad des Autos.

Die Beamtin wandte sich ebenso schnell von der Motorhaube ab und nickte in Richtung des Rücksitzes des Fahrzeugs.

„Sie weigert sich, auszusteigen“, sagte der Officer. „Ich kann sie zwingen, wenn Sie möchten…“

„Natürlich nicht“, erwiderte Adele. „Sie ist keine Verdächtige.“ Sie ging zum Heck des Fahrzeugs und schaute hinein. Eine junge Frau mit Grübchen und lockigem braunen Haar saß auf dem Rücksitz. Sie sah nicht älter aus als Adele selbst. Vielleicht Anfang dreißig.

Adele klopfte an die Tür und blickte den Officer erwartungsvoll an. Sie winkte entschuldigend und griff dann in ihre Tasche und klickte auf ihren Schlüssel.

Die Lichter der Polizeiwagen flackerten auf; es gab ein leises Klicken der Schlösser. Adele griff nach der Klinke und öffnete die Tür. Sie lugte in die Kabine, zog den Kopf ein und sah der Zeugin direkt in die Augen.

„Sie sind Melissa Robinson?“, fragte sie.

Die Frau mit den lockigen Haaren nickte einmal. „Ja, das bin ich“, antwortete sie auf Französisch, ihr Akzent war kaum zu überhören.

„Englisch oder Französisch?“, fragte Adele. Die Frau zögerte, runzelte die Stirn und begann zu sprechen, aber Adele unterbrach und sagte: „Wie wäre es mit Englisch? Leichter für uns beide, könnte ich mir vorstellen.”

Der nahtlose Übergang von fast perfektem Französisch zu makellosem Englisch, schien die Frau mit den lockigen Haaren ein wenig einzuschüchtern. „Sind Sie…“, begann sie.

Adele sagte: „Im Einsatz. Das ist eine lange Geschichte.“ Normalerweise verstanden die Leute nicht, was es bedeutet, Amerikanerin, Deutsche und Französin zu sein. Die Vorstellung, drei Staatsbürgerschaften zu haben, war für viele unbegreiflich und Adele wollte sich nicht darauf einlassen.

Sie hörte Schritte hinter sich und mit einem müden Senken ihrer Schultern blickte sie zurück und bemerkte, dass Paige sich näherte und in ihre Richtung blickte.

Adele lenkte ihre Aufmerksamkeit erneut auf das Polizeifahrzeug. Sie war immer noch nicht ganz in das Fahrzeug eingestiegen, da sie gedacht hatte, die Zeugin könnte es als bedrohlich empfinden. Stattdessen lehnte sie sich nach vorne, die Arme oben auf die Tür gestützt, in einer Art schützenden Haltung, in der Hoffnung, dass die Art, wie sie sich positionierte, der Frau im Inneren des Wagens ein Gefühl von Sicherheit vermitteln würde.

Adele räusperte sich und sagte: „Es tut mir sehr leid, dass Sie hierher zurückkommen mussten und es tut mir leid, dass wir Sie wieder nach oben bringen wollten. Das war mein Fehler.”

Melissa Robinson nickte und lächelte leicht. Sie sah traurig aus, aber es wirkte, als ob sie die Entschuldigung annähme. Adele fühlte sich durch den Gesichtsausdruck der Amerikanerin ein wenig erleichtert, als sie fortfuhr: „Aber ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht etwas über das Opfer sagen können. Ihr Name war Amanda, ist das richtig?”

„Ja“, sagte Melissa mit zitternder Stimme.

Adele lehnte sich weiter vor, aber sie konnte nun mehr Schritte hören und spürte, dass Agent Paige näherkam.

Melissas Blick lugte von Adele aus über ihre Schulter auf die sich nähernde Agentin.

„Würden Sie uns noch einen kurzen Moment allein geben?“, sagte Adele zu ihrem Partner.

Agent Paige lehnte sich jedoch an die Vorderseite des Fahrzeugs und blickte nach hinten, ohne die Zeugin zu begrüßen. „Nur zu“, sagte sie. Paige machte keine Anstalten, den Wagen zu verlassen. Die beiden Polizisten beobachteten die Agenten, blieben aber auf dem Bürgersteig stehen, wo sie waren.

Mit einem frustrierten Seufzer drehte sich Adele wieder um, wobei sie ihren Ausdruck so freundlich wie möglich hielt. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie uns über Amanda erzählen könnten?”

Melissa schüttelte fast sofort den Kopf. „Nichts“, sagte sie und stotterte dabei ein wenig. „Ich kannte sie kaum. Wir wollten uns heute zum zweiten Mal treffen.”

Adele runzelte die Stirn. „Heute?“

„Tut mir leid, ich meine gestern. Es war hart… Gestern, ganz früh, bevor sie… als sie starb.“ Die Frau schüttelte erneut den Kopf, zuckte zusammen und blickte durch das Fenster zurück in den dritten Stock des Wohnhauses.

„Es tut mir sehr leid, das zu hören“, sagte Adele. „Aber macht es Ihnen etwas aus, mir zu helfen; was meinen Sie damit, dass Sie sich gestern treffen wollten?”

„Ich meine“, sagte die Frau, „dass wir uns einmal kurz zufällig in einem Supermarkt begegneten, aber größtenteils immer nur online sprachen.”

„Online?“, sagte Paige schroff, lehnte sich über Adele und stieß sie mit ihrer Schulter aus dem Weg, damit sie auf den Rücksitz schauen konnte. „Was meinen Sie mit online?”

Melissa warf einen Blick zwischen die beiden Frauen. „Ich meine im Internet. Wir haben einen Chatroom für Expats aus Amerika. Sie wollte sich treffen; man fühlt sich manchmal einsam in einem neuen Land, wenn man niemanden kennt.”

„Gibt es viele von Ihnen hier?“, sagte Agent Paige. Adele mochte den missbilligenden Ton in der Stimme ihrer Partnerin nicht. Paige gab ein leises Schnauben von sich, aber sie hielt sich in Schach. „Mögen Sie ihr Heimatland nicht? Ist das der Grund, warum Sie hier sind?”

Melissa zappelte unbehaglich und zupfte unsicher an dem Sicherheitsgurt herum. Sie hatte ihn immer noch abgelegt, obwohl das Auto geparkt war. Adele nahm es ihr nicht übel; manchmal hielten sich die Leute aus Unsicherheit an irgendetwas fest.

Die Frau veränderte ihre Sitzposition wieder und schien unsicher, mit wem sie jetzt sprechen sollte. Schließlich entschied sie sich für Adele. „Es ist nicht so, dass wir unser eigenes Land nicht mögen. Zumindest die meisten von uns. Nicht wirklich. Es gibt viele Gründe, warum jemand wegzieht. Die andere Kultur, ein Arbeitsplatzwechsel. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Stunden die meisten von uns zu Hause arbeiten mussten. Manchmal fühlt es sich so an, als würde man in Amerika nur leben, um zu arbeiten. In Frankreich hat man das Gefühl, mehr vom Leben zu haben. Und es gibt so viele verschiedene Menschen, denen man begegnen kann; eine gemeinsame Geschichte und architektonische Schönheit…“ Sie wich zurück und schüttelte leicht den Kopf. „Es tut mir leid, ich schweife ab. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag Amerika auch manchmal“, fügte sie schnell hinzu. „Aber jeder hat seine Prioritäten und seinen Geschmack. Manche Menschen lieben es zu reisen. Manche Menschen wollen neu anfangen. Ich glaube nicht, dass das allzu seltsam ist.”

Adele schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht“, sagte sie, „aber Sie sagten, Sie hätten Amanda kurz zuvor getroffen. Wie?”

Melissa lachte auf. „Ich… Ich traf sie beim Einkaufen. Wir…“ Sie zögerte, ihre Fröhlichkeit ließ nach. Und sie schluckte.  „Wir trafen uns in einer Kassenschlange der Grande Epicerie de Paris…“

„Das Lebensmittelgeschäft?“, fragte Adele.

Melissas Augen sahen traurig aus, aber ein bisschen Humor schlich sich in ihren Ton ein, als sie sagte: „Es ist – es ist ein Insider in unserer Community. In der USA-Abteilung im Laden gibt es nur Dinge wie Erdnussbuttertörtchen, Popcorn und Beef Jerky- eine lustige Interpretation dessen, was Paris für die Grundnahrungsmittel in den USA hält…“ Melissa zögerte, dann zuckte sie die Achseln. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Amerikaner dort einkaufen gehen. Einige von uns finden es ironisch, andere…“

„Mögen die Erdnussbuttertörtchen und das Dörrfleisch.”

Beide Frauen lächelten. Aber das von Melissa verblasste zuerst. „Ich bin eine der Moderatorinnen unserer Online-Community. Ich hörte, wie Amanda bezahlte und mit einem Freund auf Englisch sprach. Ich bin – ich bin diejenige“ – ihre Stimme brach, aber sie setzte sich durch – „die sie zu unserer Gruppe eingeladen hat.”





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„Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. ”

–Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vorüber)

NICHTS ALS RENNEN ist Buch Nr. 2 in einer neuen FBI-Thriller-Serie von USA Today Bestsellerautor Blake Pierce, dessen Bestseller Nr. 1 Verschwunden (Buch Nr. 1) (ein kostenloser Download) über 1.000 Fünf-Sterne-Kritiken erhalten hat.

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Kann Adele den Mörder aufhalten, bevor es zu spät ist?

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