Книга - Die Perfekte Nachbarin

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Die Perfekte Nachbarin
Blake Pierce


Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt #9
„Ein Meisterwerk der Thriller und Mystery-Romane. Blake Pierce hat hervorragende Arbeit geleistet, indem er Charaktere entwickelt hat, die so gut beschrieben sind, dass wir uns in ihren Köpfen fühlen, ihren Ängsten folgen und ihren Erfolg herbeiwünschen. Dieses Buch garantiert Ihnen aufgrund der vielen Wendungen Spannung bis zur letzten Seite." . –Bücher und Filmkritiken, Roberto Mattos (Verschwunden) . DIE PERFEKTE NACHBARIN ist Buch Nr. 9 in einer neuen Psychothriller-Reihe des Bestsellerautors Blake Pierce, die mit Die Perfekte Frau beginnt, einem Bestseller mit fast 500 Fünf-Sterne-Rezensionen (und kostenlosem Download). . In einer exklusiven und wohlhabenden Wohngegend in Manhattan Beach zieht eine neue Nachbarin in eine Villa ein. Bald darauf wird sie tot aufgefunden. Der Fall führt Jessie in eine weitere wohlhabende Küstenstadt, die schlechte Erinnerungen an ihre Ehe hervorruft und sie zwingt, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen, während sie versucht, die Lügen dieser scheinbar perfekten Stadt aufzudecken… Hängt der Mord mit einer exklusiven Elitepartei zusammen?. Oder kommt ein noch ruchloseres Motiv in Frage?. Erschwerend kommt hinzu, dass Jessies Ehemann aus dem Gefängnis entlassen wurde – und erneut eine potenzielle Bedrohung für sie darstellt… DIE PERFEKTE NACHBARIN ist ein mitreißender Psychothriller mit unvergesslichen Charakteren und dramtischer Spannung. Es ist Buch Nr. 9 in einer fesselnden neuen Reihe, die Ihnen schlaflose Nächte bescheren wird..





Blake Pierce

DIE PERFEKTE NACHBARIN




die perfekte nachbarin




(ein spannender psychothriller mit jessie hunt – band neun)




b l a k e   p i e r c e



Blake Pierce

Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE.



Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.



Copyright © 2020 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jacket image Copyright GeorgeMayer, verwendet unter der Lizenz von Shutterstock.com.



BÜCHER VON BLAKE PIERCE




ADELE SHARP MYSTERY-SERIE

NICHTS ALS STERBEN (Band #1)

NICHTS ALS RENNEN (Band #2)

NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3)


DAS AU-PAIR

SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)

SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)

SO GUT WIE TOT (Band #3)


ZOE PRIME KRIMIREIHE

GESICHT DES TODES (Band #1)

GESICHT DES MORDES (Band #2)

GESICHT DER ANGST (Band #3)

GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4)


JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE

DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)

DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)

DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)

DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)

DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)

DER PERFEKTE LOOK (Band #6)

DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)

DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)

DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9)


CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE

NEBENAN (Band #1)

DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)

SACKGASSE (Band #3)

STUMMER NACHBAR (Band #4)

HEIMKEHR (Band #5)

GETÖNTE FENSTER (Band #6)


KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WÜSSTE (Band #1)

WENN SIE SÄHE (Band #2)

WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)

WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)

WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)

WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)

WENN SIE HÖRTE (Band #7)


DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Band #1)

WARTET (Band #2)

LOCKT (Band #3)

NIMMT (Band #4)

LAUERT (Band #5)

TÖTET (Band #6)


RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERLOREN (Band #10)

BEGRABEN (Band #11)

ÜBERFAHREN (Band #12)

GEFANGEN (Band #13)

RUHEND (Band #14)

GEMIEDEN (Band #15)

VERMISST (Band #16)

AUSERWÄHLT (Band #17)


EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE


EINST GELÖST




MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FÜHLT (Band #6)

EHE ER SÜNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)

VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)

VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)

VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)

VORHER NEIDET ER (Band #12)

VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)

VORHER SCHADET ER (Band #14)


AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

DAS MOTIV (Band #1)

LAUF (Band #2)

VERBORGEN (Band #3)

GRÜNDE DER ANGST (Band #4)

RETTE MICH (Band #5)

ANGST (Band #6)


KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Band #3)

EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4)

EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5)




KAPITEL EINS


Sie wollte nicht neugierig sein.

Das zumindest redete Priscilla Barton sich ein, als sie den Manhattan Beach Strip entlang ging, mit einer Flasche Sauvignon Blanc in der Hand.

Genau genommen wollte Prissy – so wollte sie von allen genannt werden – ihre neuen Nachbarn willkommen heißen. Sie und ihr Mann Garth waren vergangene Woche in ihrem Anwesen in Palm Springs gewesen, und so war ihr wohl entgangen, dass jemand Neues eingezogen war. Manchmal konnte Prissy eine schemenhafte Figur sehen, die sich hinter den stets geschlossenen Vorhängen des Herrenhauses nebenan bewegte. Nie jedoch sah sie jemanden hineingehen oder herauskommen.

Heutzutage war es jedoch schwer, diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben. Da so viele ihrer Nachbarn in diesem wohlhabenden Teil der Stadt nahe des Strands fast den ganzen Sommer über auf Reisen waren, wusste man nie, wer gerade im Urlaub war, geschweige denn, wer sein Haus Freunden überlassen oder vermietet hatte.

Prissy wusste, dass das Haus nebenan einem Hollywood-Agenten und seiner Frau gehörte. Diese führte eine Art Wohltätigkeitsorganisation für minderbemittelte Jugendliche. Allerdings waren die beiden nicht besonders freundlich und immer viele Monate am Stück unterwegs. Tatsächlich hatte sie von einer anderen Nachbarin erfahren, dass sie bis August weg sein würden. Da sie sie seit Wochen nicht gesehen hatte, musste es sich bei der Person hinter den Vorhängen um einen Mieter handeln.

Als sich Prissy der Eingangstür näherte, spürte sie ein aufgeregtes Kribbeln. Was, wenn der Agent sein Haus an einen Klienten vermietet hatte, möglicherweise sogar einen Promi? Das war nicht unwahrscheinlich. Viele Berühmtheiten lebten hier oder machten hier Urlaub. Man konnte sie auf den ersten Blick identifizieren, denn sie trugen Baseball-Kappen, Sonnenbrillen und schäbige Klamotten. Das war sozusagen ihre Uniform.

Außerdem sahen sie nie auf. Wenn Prissy jemandem begegnete, der zunächst wie ein Penner wirkte, sein Gesicht verbarg und keinen Blickkontakt aufnahm, dann konnte es sehr gut sein, dass es sich um einen Promi handelte. Gut, sie hatte ihre Lektion lernen müssen, denn manchmal war es wirklich ein Penner gewesen. Also war sie mittlerweile etwas vorsichtiger als früher, wenn es darum ging sie anzusprechen.

Prissy war durchaus an Geld gewöhnt. Seit neun Jahren war sie mit Garth Barton verheiratet, einem äußerst erfolgreichen Manager bei Sharp Kimsey, einem international tätigen Gas- und Ölkonzern. Bis vergangenes Jahr hatten sie im geschichtsträchtigen Hancock Park Viertel gelebt, nicht weit von den imposanten Wolkenkratzern im Zentrum von Los Angeles.

Aber Prissy, die mittellos in Catahoula, Louisiana aufgewachsen war, hatte die drückende Hitze in der Innenstadt von Los Angeles zu schaffen gemacht. Also hatte sie verlangt, in die Nähe des Meeres zu ziehen, wo es in der Regel fünf bis zehn Grad kühler war. Am Meer zu leben bedeutete jedoch nicht, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Prissy musste noch in deren Mitte aufgenommen werden.

Sie redete sich gern ein, dass es sich hier um einen etwas spröden, eigenbrötlerischen Menschenschlag handelte, der Fremden gegenüber feindlich gesinnt war. Und zum Teil stimmte das auch. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie, dass ihre Gier danach, die soziale Leiter zu erklimmen, mehr damit zu tun hatte. Jener Charakterzug, den sie gerne zu verbergen versuchte, der aber immer in den ungünstigsten Momenten zum Vorschein kam.

Dagegen konnte sie einfach nichts tun. Dieser aggressive Teil ihrer Persönlichkeit hatte ihr geholfen, sich aus den Sümpfen Louisianas an die Louisiana State University zu kämpfen, wo sie den weltgewandten Jungen aus New Orleans kennengelernt hatte, der sich zum Herrscher der Welt hatte aufschwingen wollen.

Nach ihrem Abschluss und der Hochzeit hatte Garth die Position bei Sharp Kimsey ergattert, und sie hatten sich in Metairie niedergelassen, nicht weit von dem Unternehmenssitz in New Orleans. Nach zwei Jahren wurden sie nach Houston versetzt, nach vier weiteren nach L.A. Mittlerweile waren sie seit drei Jahren hier, und Prissy war völlig hin und weg.

Sie liebte den Glamour der Stadt. Sie liebte die unverfrorene Taktlosigkeit. Sie liebte die zu dünnen Frauen, die ihre zu kleinen Hündchen in zu kleinen Handtaschen herumtrugen. Sie wollte ein Teil von all dem sein, auch wenn ihre diesbezüglichen Bemühungen sie etwas verzweifelt wirken ließen. Darum stand sie gerade vor der Eingangstür ihrer Nachbarn, mit einer Flasche Wein in der Hand und einem falschen Grinsen im Gesicht – weil sie ein Teil dieser Welt sein wollte.

Sie blickte zurück zum Strip, einem breiten Betonweg für Fußgänger, den man oft in den Vororten von Manhattan Beach und Hermosa Beach vorfand. An diesem späten Nachmittag war überraschend wenig los, was den Vorteil hatte, dass niemand ihre Neugier kommentieren würde.

Prissy beäugte sich ein letztes Mal in dem dicken, schimmernden Glas der Eingangstür. Und sie befand sich für gut. Mit 31 hatte sie immer noch den straffen Körper, den sie brauchte, damit Garth sich nicht nach einer anderen umsah. Die unzähligen Stunden mit Yoga, Pilates und im Strand Boot-Camp hatten sich ausgezahlt und sie an den richtigen Stellen schlank und straff gehalten. Ihr blond gefärbtes Haar fiel ihr offen auf die Schultern und obwohl es früher Abend war, nutzte sie die warmen Temperaturen als Ausrede dafür, einen Sport-BH samt Yogahose zu tragen. Sie war sich sicher, dass sie einen guten Eindruck machen würde, unabhängig davon, ob der neue Nachbar ein Promi war oder nicht.

Prissy läutete, hörte jedoch nichts. Die Türklingel war wohl kaputt. Sie klopfte an und wartete. Keine Antwort. Sie versuchte es erneut, aber es kam immer noch nichts. Sie wollte fast schon wieder gehen und überlegte gerade, ob sie den Wein auf der Fußmatte lassen sollte. Allerdings hatte sie kein Kärtchen dabei und sie würde das Zeug nicht einfach dalassen, ohne dem Beschenkten mitzuteilen, wer ihn beglückt hatte. Sie versuchte es ein letztes Mal. Wenn dann immer noch keiner aufmachte, würde sie ein andermal wiederkommen. Mit der weichen Seite ihrer Faust schlug sie kräftig gegen die Tür. Zu ihrer Überraschung öffnete sich diese ein Stückchen.

„Hallo?“, rief sie laut, aber zaghaft.

Keine Antwort. Erstaunt darüber, dass jemand ein mehrere Millionen Dollar teures Haus unverschlossen ließ, schob sie die Tür ein wenig weiter auf.

„Hi, hier ist Ihre Nachbarin!“, rief sie und lugte in den Flur, auf der Suche nach einem Stift und Papier, um die Bewohner wissen zu lassen, dass sie die edle Spenderin des Weins war. Die Flasche einfach drinnen stehen zu lassen, ohne Angaben, von wem sie war, würde den Sinn des Ganzen völlig zunichte machen. Da sie nichts fand, schloss sie die Tür hinter sich und betrat das Haus.

„Ist da jemand? Keine Sorge, ich bin nicht hier, um Sie auszurauben. Ich habe einen Willkommensgruß, den ich einfach mal in die Küche stellen werde.“

Sie ging durch die weitläufige Eingangshalle in die Richtung, von der sie vermutete, dass sie zur Küche führte. Dabei war sie leicht nervös. Schließlich hielt sie sich hier unerlaubt auf. Wenn jemand zu Hause war und nur deshalb nicht reagiert hatte, weil er duschte oder Ohrstöpsel trug, dann wäre es nur recht und billig, wenn er ungehalten auf einen Eindringling reagierte, der durchs Haus schlich. Allerdings genoss sie den Nervenkitzel auch ein wenig.

Auf dem Weg in die Küche begegnete sie keiner Menschenseele. Alle Lichter im Haus waren aus, woraufhin sie vermutete, dass der Besitzer nicht da war und einfach vergessen hatte, die Tür abzuschließen, geschweige denn richtig zuzumachen. Sie stellte den Wein auf die Kücheninsel, fand einen Stift und schrieb ein paar kurze Sätze auf ein Post-it, das sie auf die Flasche klebte.

Ein wenig enttäuscht ging sie wieder durch die Eingangshalle zurück, wurde aber plötzlich von ihrer Neugier gepackt. Als sie am großen Wohnzimmer vorbeiging, trat sie einfach ein und begutachtete den beeindruckenden Raum, der aussah, als wäre er direkt aus Cape Cod hierher transportiert worden.

Gerade überlegte sie, mit ihrem Handy ein paar Fotos zu machen, um ein paar Einrichtungsideen zu sammeln, da hörte sie ein Rascheln, das aus einer Ecke des Zimmers zu kommen schien. Sie wandte den Kopf und sah, dass sich die Quelle des Geräuschs hinter einer großen Pflanze befand. Einen Augenblick lang dachte Prissy, dass sie ein Haustier erschreckt hatte, das sich aus Angst vor ihr verbarg.

Aber plötzlich und unvermittelt schoss ein Mann hinter der Zimmerpflanze hervor und rannte auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein finsterer Ausdruck der Entschlossenheit. Prissy wurde von blankem Entsetzen gepackt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie ausgedörrt. Der Mann stürmte direkt auf sie zu. Endlich erwachte sie aus ihrem Schock, als sie seinen schweren und raschen Atem hörte.

Sie rannte den langen Flur entlang in Richtung der Eingangstür. Aber in Flip-Flops war das nicht besonders einfach, und nach nur ein paar Schritten verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Sie raffte sich wieder auf, jetzt nur noch mit einem Flip-Flop. Das Geräusch der sich nähernden Schritte hinter ihr erfüllte ihren ganzen Körper mit Adrenalin.

Gerade streckte sie die Hand nach dem Türknauf aus, da spürte sie einen harten Schlag, prallte gegen die Tür und dann erneut zu Boden, panisch nach Atem ringend. Bevor sie allerdings wieder aufstehen konnte, spürte sie, wie etwas ihren Hals umschloss.

Sie versuchte, ihre Finger darunter zu stecken, aber sie konnte den Griff nicht lockern und der Mann umfasste ihren Hals sogar noch fester und zerrte sie den Flur entlang, weg von der Tür. Sie fiel auf ihn, so dass beide zu Boden stolperten. Aber er ließ sie nicht los.

Durch den Adrenalinrausch, den harten Schlag und nun auch den Würgegriffs schrie Prissy innerlich wie am Spieß, auch wenn sie keinen Ton herausbrachte. Mit den Ellbogen versuchte sie ihren Angreifer in die Rippen zu stoßen, so dass er seinen Griff lockerte. Allerdings spürte sie, wie sie langsam das Bewusstsein verlor, und sie wusste, dass ihre Stöße kaum eine Wirkung erzielten.

So darf es nicht enden!

Als ihr dieser Gedanke kam, sah sie bereits weiße Punkte vor den Augen. Und das machte ihr solche Angst, dass sie sich in einem letzten, verzweifelten Versuch aufbäumte. Aber da war es schon viel zu spät.




KAPITEL ZWEI


Jessie Hunt stand vom Küchentisch auf und ließ sich die Schmerzen nicht anmerken.

Sie sammelte alle Teller ein und ging hinüber zum Spülbecken, um Wasser über das Geschirr laufen zu lassen. Da sie mit Abstand die schlechteste Köchin von allen Anwesenden war, hatte sie sich davor drücken können, das Abendessen zuzubereiten. Das bedeutete allerdings, dass sie den Job der Spülerin hatte übernehmen müssen. Normalerweise war das ein fairer Deal. Aber da sie noch unter den Verletzungen litt, die sie sich kürzlich zugezogen hatte, bereitete es ihr große Mühe, sich nach unten zu beugen. Das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen war häufig der Auslöser für stumme Tränen.

Sie spürte immer noch den stechenden Schmerz am Rücken, wo ihre Haut vor drei Wochen verbrannt worden war. Aber sie schaffte es, es sich nicht anmerken zu lassen. Weder ihr Freund Ryan noch ihre Halbschwester Hannah schienen zu merken, dass sie immer noch große Schmerzen erlitt.

Die Verbrennungen hatte sie sich zugezogen, als sie eine Frau vor einem gestörten Mann gerettet hatte, der diese entführt und nach ein paar Tagen absichtlich freigelassen hatte, um dann in ihr Haus einzudringen und zu versuchen sie umzubringen. Jessie und der Frau war es nur knapp gelungen, aus dem brennenden Haus zu fliehen. Seitdem war Jessie vom LAPD beurlaubt worden. Man hatte sie zunächst ins Krankenhaus verfrachtet und nun saß sie in ihrer eigenen Wohnung fest.

Sie wusste, dass sie nicht hätte leiden müssen, da sie genügend Schmerzmittel hatte. Die Ärztin hatte ihr gesagt, sie solle die Dosierung während eines Monats beibehalten. Aber vor einer Woche hatte Jessie begonnen, das Mittel langsam abzusetzen, teilweise aus Angst vor einer Abhängigkeit. Allerdings gab es da einen weiteren Grund. Sie musste wachsam bleiben.

An dem Tag, nachdem Jessie sich verbrannt hatte, während sie im Krankenhaus lag, war ihr Ex-Mann, Kyle Voss, aus dem Gefängnis entlassen worden. Dabei handelte es sich um den gleichen Ex-Mann, der wegen Mordes an seiner Geliebten in den Knast gewandert war, was er Jessie damals hatte anhängen wollen. Als sie dahintergekommen war, hatte er versucht sie umzubringen.

Jedoch hatte der Staatsanwalt bezüglich Kyles Fall irgendwie herausgerückt, dass man mit dem Beweismaterial unsachgemäß umgegangen war. Natürlich war Jessie klar, was es mit dem „irgendwie“ auf sich hatte. Kyle hatte sich mit einer Gefängnis-Gang angefreundet, die Teil des berühmt-berüchtigten Monzon-Drogenkartells war. Als Folge davon hatten Kartellmitglieder die Familie des Staatsanwalts bedroht. Dessen war Jessie sich sicher.

Während Jessie sich also im Krankenhaus von ihren Verbrennungen erholte, entließ ein Richter Kyle Voss wieder in die Gesellschaft. Dabei entschuldigte er sich sogar im Gerichtssaal bei ihm. Kyle war wie immer der Charmeur in Person. Während einer Pressekonferenz gab er zu, dass er „weit davon entfernt war, unfehlbar zu sein“, und dass er ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen wolle, indem er unter anderem eine Stiftung ins Leben rufen würde, die Organisationen für fälschlicherweise verurteilte Insassen unterstützt.

Was Kyle jedoch nicht zugab – und was Jessie wusste, jedoch nicht beweisen konnte – war, dass er, während er im Gefängnis gewesen war, einen Rachefeldzug gegen Jessie gestartet hatte, mit dem er ihr Leben und ihren Ruf zerstören wollte. Er hatte mit kleinen Dingen begonnen, indem etwa ein Kartellmitglied ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatte. Dann hatte es sich dahingehend gesteigert, dass man antipsychotische Drogen versteckt und anonym das Jugendamt informiert hatte, mit der Behauptung, sie würde Hannah, für die sie das Sorgerecht hatte, Gewalt antun. Weiter ging es damit, dass man ihre Social-Media-Konten gehackt und in ihrem Namen rassistische und anti-semitische Kommentare gepostet hatte. Letzteres hatte, obwohl man dahintergekommen war, immer noch negative Auswirkungen auf Jessies berufliche Kontakte, außerdem auf die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person.

Die Krönung bildete ein Blumenstrauß, der anonym in ihr Krankenzimmer gesendet worden war, und zwar mit der Notiz, dass der Absender sie bald sehen würde. Wenn man bedachte, dass Kyle bereits versucht hatte, sie umzubringen, und einem Informanten im Gefängnis gegenüber erwähnt hatte, dass er sie „wie ein Schwein abschlachten und in ihrem warmen Blut baden wolle“, kam es Jessie nur allzu angebracht vor, das Schmerzmittel zu reduzieren. Die körperlichen Beschwerden waren da nur ein geringer Preis dafür, dass ihr Geist rege bleiben konnte.

Es schadete auch nicht, dass ihr Freund, der kürzlich bei ihr und Hannah eingezogen war, ein verdienter LAPD-Kriminalbeamter war, der aussah, als könnte er es locker mit einem Stier aufnehmen. Ryan Hernandez, der Top-Kriminalbeamte in der Spezialeinheit für Mord, war 1,90 Meter groß und bestand aus 100 Kilogramm reiner Muskelmasse. Jessie hatte manchmal den Eindruck, sie sei mit ihrem eigenen Bodyguard zusammen. Momentan kam ihr das jedoch nicht so vor.

„Hast du’s bequem?“, fragte sie, ging rüber zur Couch und legte sich darauf, während seine nackten Füße auf der Lehne lagen.

„Sehr“, erwiderte er, dann zog er sie auf: „Hast du das Geschirr auch ordentlich eingeseift?“

„Du wirst gleich merken, wie gut eingeseift es ist, wenn du deine Stinkefüße nicht sofort von meiner Armlehne nimmst.“

Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie runter, streckte ihr aber die Zunge heraus. Sie unterdrückte ein Grinsen.

Zusätzlich zu der Tatsache, diesen gestandenen Mann im Fresskoma bei sich zu haben, beruhigte es sie außerdem, dass ihre Wohnung praktisch ein Tresorraum war. Sie hatte sie absichtlich so konstruieren lassen, als ihr leiblicher Vater, ein Serienkiller namens Xander Thurman, sie verfolgt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass sie sich dem Familienunternehmen anschließen müsse oder andernfalls zu dessen Opfer werden würde.

Also hatte sie sich eine Wohnung zugelegt, die von pensionierten Cops bewacht wurde, über einen Parkplatz verfügte, der rund um die Uhr überwacht wurde, und in der jeder Flur und jeder umliegende Platz über Kameras verfügte. Aber das war noch nicht alles.

Sie war eine von wenigen Bewohnern – alle mit profilierten Jobs – die auf der geheimen 13. Etage lebten, die den meisten anderen Leuten im Haus unbekannt war. Man konnte sie nur über eine Treppe vom 12. oder 14. Stock aus erreichen, die hinter Flurschränken verborgen war.

Zusätzlich hatte Jessie für die Wohnung ihr eigenes, ausgeklügeltes Sicherheitssystem installieren lassen, inklusive diverser Schlösser und Alarme. Der einzige Vorteil aus ihrer Ehe mit einem zwar mordsüchtigen, jedoch auch extrem wohlhabenden und erfolgreichen Finanzberater hatte darin bestanden, dass sie nach ihrer Scheidung selbst wohlhabend geworden war.

Trotz all dieser Vorkehrungen wusste sie, dass Kyle, ein Soziopath, der sie ein Jahrzehnt lang hinters Licht geführt hatte, gerissen und skrupellos war. Er war beinahe mit Mord davongekommen. Er hatte sich einer langen Gefängnisstrafe entziehen können. Sie wusste, dass er durchaus in der Lage war, ihre sicherheitstechnischen Vorrichtungen zu umgehen.

„Lust auf Dessert?“, fragte Hannah sie vom Esstisch aus und brachte Jessie damit wieder in die Gegenwart, als sie die restlichen Teller abspülte. „Ich habe Birnentörtchen gemacht.“

Jessie war schon voll, wollte die zerbrechliche, positive Stimmung des Abends jedoch nicht zunichtemachen.

„Ich platze gleich, aber ein kleines Stück probiere ich gern“, erwiderte sie, was ihr ein zufriedenes Lächeln ihrer Halbschwester einbrachte.

Jedes Lächeln, das sie heutzutage ergattern konnte, war etwas Positives. Auch wenn, oberflächlich betrachtet, alles, was in der Wohnung vor sich ging, angenehm zu sein schien, so brodelte es darunter doch gewaltig. Ryan hatte Hannah zunächst um Erlaubnis gefragt, bevor er das Thema Zusammenziehen angesprochen hatte. Auch wenn das sehr rücksichtsvoll von ihm gewesen war, so spürte Jessie dennoch, dass Hannah nur aus Höflichkeit Ja gesagt hatte, nicht aber, weil sie sich darüber freute.

Es war offensichtlich, dass Hannah sie glücklich sehen wollte. Aber es war auch klar, dass sie sich die Wohnung nicht unbedingt mit einem verliebten Paar teilen wollte; und schon gar nicht, wenn beide für die Polizei arbeiteten.

Gerade, als Jessie darüber nachdachte, kam Hannah rüber, nahm die Törtchen aus dem Ofen und warf das kleinste – das außerdem ein wenig verkohlt war – auf die feuchte Küchentheke neben Jessie.

„Lass es dir schmecken“, nuschelte sie.

„Danke“, erwiderte Jessie, die sich lieber darauf konzentrierte, dass man ihr einen Nachtisch angeboten hatte, anstatt auf die Art und Weise, wie ihr dieser serviert worden war.

Manchmal zeigte sich Hannahs Ablehnung durch ihr passiv-aggressives Teenager-Verhalten, oder, wie in diesem Fall, in Form von verkohlten Birnentörtchen. Manchmal zeigte sie sich durch missmutiges Schweigen. Nicht ständig, aber es trat dennoch so oft zutage, dass man es nicht leugnen konnte. In ihren grünen Augen lag dann eine gewisse Hitzigkeit, sie ließ die Schultern hängen und ihre sandfarbenen Haare waren dann zu einem strengen, schnöden Pferdeschwanz zusammengebunden.

Für Jessie und Ryan waren die Umstände auch nicht gerade rosig. Denn keiner von beiden traute sich, ihre Verliebtheit voll auszuleben; nicht mit einer 17-Jährigen, die in dem Zimmer gegenüber vom Wohnzimmer schlief. Sie lebten seit etwas weniger als einem Monat so zusammen, aber bereits jetzt war klar, dass sie sich bald über ihre künftige Wohnsituation würden unterhalten müssen.

„Bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die du hier hast, sollten wir die Schlafzimmer vielleicht schalldicht machen“, war das Einzige, was Ryan in dieser Sache von sich gegeben hatte.

Und dann war da noch das andere, das wie ein Damoklesschwert über allem hing. War Hannah Dorsey stabil? Jessie hatte vor nicht allzu langer Zeit das Sorgerecht für ihre Halbschwester, von deren Existenz sie bislang gar nichts gewusst hatte, erhalten. Sie hatte erst von ihr erfahren, nachdem ihr gemeinsamer Vater – der Serienkiller – Hannahs Adoptiveltern ermordet hatte. Dann hatte ein weiterer Killer namens Bolton Crutchfield ihre Pflegeeltern abgestochen, Hannah entführt und versucht, sie zu seinem Ebenbild zu formen. Das war eine Menge Trauma für einen Menschen, noch dazu für jemanden, der gerade erst in seinem vorletzten Jahr an der High-School war.

„Bitte sei vorsichtig mit dem Messer“, sagte sie, als Hannah damit unbedacht die restlichen Törtchen vom Backpapier auf dem Blech kratzte.

„Danke, Mom“, brummte Hannah leise und fuhr fort, das Messer wie eine Scheuerbürste zu verwenden.

Jessie seufzte, antwortete aber nicht. Der Anblick ihrer Halbschwester mit einem langen Säbelmesser in der Hand war etwas verstörend. Trotz ihrer Bemühungen, eine sichere Umgebung zu schaffen, machte sie sich Sorgen, dass in dem Mädchen vielleicht doch eine gewisse Mordlust steckte. Hatte sie diese eventuell entwickelt, nachdem sie am eigenen Leib erfahren hatte, welche Macht sie denjenigen, die sich von ihr mitreißen ließen, ermöglichte? Gab es da vielleicht einen Keim der Mordlust, der ihr vom Vater mitgegeben worden war? Und wenn ja, besaß Jessie diesen auch?

Das war eine Frage, über die sie monatelang gebrütet hatte. Sie hatte sie auch gegenüber ihrer Therapeutin, Dr. Janice Lemmon, angesprochen, die auch Hannah betreute. Sogar ihren Mentor, den berühmten Profiler Garland Moses, hatte sie gebeten, diesbezüglich nachzuforschen. Aber keiner hatte ihr eindeutige Antworten zu Hannahs Naturell geben können, genauso wenig, wie sie etwas Eindeutiges über ihren eigenen Charakter sagen konnte.

Die meiste Zeit über schien Hannah sich wie ein normaler Teenager zu verhalten, mit all den Launen und hormonellen Schwankungen. Aber angesichts des Traumas, das sie in den vergangenen Monaten erlitten hatte, war sogar dieses „Normal“ Anlass dazu, misstrauisch zu werden.

Jessie schüttelte den Kopf und versuchte, diese Gedanken abzuschütteln. Momentan lief alles halbwegs gut. Ihre Schwester hatte Nachtisch gemacht, auch wenn sie das verbrannte Stück bekommen hatte. Alle waren nett zueinander. Jessie sollte nächste Woche an ihren Schreibtisch zurückkehren und in der Woche darauf hoffentlich wieder voll als Profiler arbeiten. Alles schien vielversprechend.

Ja, es war frustrierend, Ryan jeden Morgen das Haus verlassen zu sehen, wie er ins Hauptquartier des LAPD fuhr, wo sie beide arbeiteten. Aber bald würde sie auch wieder dort sein. Dann würde sie in die Welt zurückkehren, die sie liebte, wo sie Killer überführen konnte, indem sie in deren Gedankenwelt eintauchte.

Für den Bruchteil einer Sekunde machte ihr die Tatsache zu schaffen, dass sie diese Welt „liebte“. Aber sie schob ihre leichte Besorgnis darüber rasch beiseite, zusammen mit einem Bissen von Hannahs exzellentem Birnentörtchen. Trotz des verkohlten Bodens schmeckte es köstlich. Während sich alle an ihrem Nachtisch labten, klingelte Ryans Handy. Sogar bevor er aufs Display schaute, war klar, worum es sich handelte. Um diese Zeit war es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall.

„Hallo?“, sagte Ryan, als er ranging.

Beinahe eine Minute lang hörte er schweigend zu. Jessie konnte kaum die Stimme am anderen Ende der Leitung heraushören. Aber angesichts deren kratzender, ruhiger Art wusste sie sofort, wer es war.

„Garland?“, fragte sie, als Ryan aufgelegt hatte.

„Ja“, erwiderte er nickend, während er aufstand und seine Sachen zusammensuchte.. „Er kümmert sich um einen Fall in Manhattan Beach und denkt, dass er perfekt für meine Sondereinheit der Mordkommission wäre. Er bittet um meine Hilfe.“

„Manhattan Beach?“, fragte Jessie. „Das ist doch gar nicht mehr unser Revier, oder?“

„Offenbar ist der Ehemann des Opfers ein großes Tier in irgendeinem Öl-Konzern. Er hat von Garland gehört und nach ihm gefragt. Scheinbar ist er ein Riesen-Arschloch, also ist die örtliche Polizei ganz froh, dass sie diesmal nach dem LAPD nur die zweite Geige spielen muss.“

„Klingt nach einem aufregenden Fall“, sagte Jessie.

„Das ist das Seltsame“, sagte Ryan, allerdings nicht zu ihr, sondern zu Hannah, während er sich seine Sportjacke überwarf und seinen Pistolengurt umband. „Die meisten Leute würden so etwas ironisch meinen. Aber bei deiner Schwester ist das ernst gemeint. Sie ist neidisch, dass sie nicht mit darf. Ist wie eine Krankheit.“

Er hatte Recht, in mehr als nur einer Hinsicht.




KAPITEL DREI


Garland Moses hatte ein schlechtes Gewissen.

Er fuhr sehr schnell, um so rasch wie möglich am Tatort zu sein. Als er entlang des Manhattan Beach Boulevards nach Westen fuhr, in Richtung des Ozeans, erreichte er gerade rechtzeitig die Kuppe eines Hügels, um sehen zu können, wie die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne den kleinen Strandort und den Pazifik in ein rosa-orangefarbenes Licht tauchten.

Dieser Anblick löste den angespannten Knoten in seiner Brust. Die meisten Leute kannten ihn als den hartgesottenen Profiler mit langjähriger Erfahrung, der selten Gefühle zeigte, schon gar nicht so etwas wie Ehrfurcht. Aber wie er da so allein in seinem Auto saß, erlaubte er es sich, den Anblick der schemenhaften Surfer, die sich vor der purpurnen Sonne abzeichneten, mit ein paar Segelbooten im Hintergrund, in sich aufzusaugen. Doch während er sich an diesem Postkartenmotiv erfreute, schlich sich langsam das schlechte Gewissen ein, das ihn schalt und ihm sagte, er sei nicht wegen der schönen Aussicht hier. Er machte hier seinen Job.

Als er jedoch das letzte Stück der Sackgasse entlangfuhr, die an einem Pier endete, blickte er neidisch auf die Menschen, die in ihrer sommerlichen, legeren Kleidung umher spazierten. Auch wenn es beinahe 20 Uhr war, trug er immer noch seine inoffizielle Arbeitskleidung – ein abgenutztes, graues Sakko und ein schlichtes, grauweißes Hemd. Normalerweise gehörte dazu auch ein Pullunder, aber an einem so heißen Tag wie diesem war das selbst für ihn zu viel. Allerdings trug er wie immer seine dunkelblaue Hose, deren Farbe langsam verblich, und seine schäbigen, abgewetzten Halbschuhe. Sein ganzes Outfit war eine Art Kostüm, dazu gedacht, dass Verdächtige und Zeugen ihre übliche Scheu oder Vorsicht vergaßen und dem ältlichen, scheinbar leicht verwirrten Herrn offenherziger antworteten, wenn er ihnen persönliche Fragen stellte.

Er bog rechts auf den Ocean Drive, nur einen Block vom Strand entfernt. Eigentlich war es mehr ein Gässchen als eine Straße, und er musste vorsichtig an nachlässig geparkten Autos vorbei manövrieren, um zu der Adresse zu gelangen, die man ihm gegeben hatte. Als er sie erreichte, parkte er im eingeschränkten Halteverbot, legte sein LAPD-Schild auf das Armaturenbrett und stieg aus.

Sofort umhüllte ihn die kühle Luft, gewürzt mit dem salzigen Geschmack des Ozeans, was eine willkommene Abwechslung zu den Dünsten der Innenstadt war, die eher eine Mischung aus Abgasen und Asphalt waren. Er ging schnellen Schrittes voran, bis er den Weg erreichte, den die Leute hier den Strip nannten. Einen halben Block weiter nördlich sah er das polizeiliche Absperrband und zahlreiche Beamte, die den Fußgängern den Zugang verwehrten.

Während er in deren Richtung weiterging, drängte seine Spürnase die Bewunderung für die malerische Szenerie langsam in den Hintergrund. Zwar nahm er weiterhin die Volleyballer wahr, die nach Feierabend auf dem Sand spielten, und auch die Mütter, die, ihre Kinderwägen vor sich herschiebend, an ihm vorbei joggten. Aber er betrachtete auch die Häuser in der Nähe des Tatorts sehr genau.

Alle hatten sie Eingangstüren, die nur wenige Meter von den Spaziergängern entfernt waren. Nur ganz wenige verfügten über einen Vorgarten, und so gut wie keine hatten Zäune. In dieser Gegend war es scheinbar wichtiger, ungehindert zum Strand zu gelangen, anstatt in ausgeklügelte Sicherheitsmaßnahmen zu investieren.

In dieser Umgebung fühlte er sich ein wenig fremd. Auch wenn er im Zentrum von Los Angeles lebte, so musste er gestehen, dass er selten zum Strand fuhr, sondern seine Zeit meistens in der Nähe der Innenstadt verbrachte, nicht weit von seiner Arbeit.

In jenem Teil der Stadt hatten alle Wohnungseigentümer oder Mieter gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen – seien es ein Zaun, Gitterstäbe am Fenster, ein Alarmsystem oder alles zusammen. Seine gute Freundin und Kollegin Jessie Hunt verfügte über alle diese Dinge, außerdem über Kameras, Wachmänner, eine überwachte Parkgarage und mehr Schlösser als Lichtschalter. Dafür hatte sie allerdings auch gute Gründe. Dieses Laissez-faire-Verhalten des Strandorts war etwas völlig Ungewöhnliches für ihn. Damit musste er allerdings zurechtkommen. Man hatte ihm keine Wahl gelassen.

In der Regel suchte sich Garland Moses seine Fälle aus. Schließlich war er jahrzehntelang ein brillanter FBI-Profiler und Experte für Verhaltensforschung gewesen. In jungen Jahren bereits verwitwet und kinderlos, hatte er sich voll und ganz seiner Arbeit gewidmet. Als er schließlich nach Südkalifornien gezogen war, um sich zur Ruhe zu setzen, hatte er sich überreden lassen, als Berater für das LAPD zu arbeiten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass er sich seine Fälle aussuchen konnte.

Allerdings nicht diesen hier. Der Captain der Central Station, Roy Decker, hatte ihn angefleht, eine Ausnahme zu machen. Der Ehemann des Opfers, ein wohlhabender Manager bei einem Öl- und Gaskonzern namens Garth Barton, hatte der Polizei in den letzten drei Jahren über 400 000 Dollar zukommen lassen. Das Paar lebte zwar mittlerweile in Manhattan Beach, das seine eigene Polizeistation hatte, aber Barton arbeitete im Stadtzentrum, und so war ihm der Ruf des legendären Profilers Garland Moses wohlbekannt.

„Barton besteht darauf, dass du an dem Fall beteiligt bist“, hatte Decker ihm am Telefon gesagt. „Er hat angedeutet, dass er seine Zahlungen einstellt, falls du nicht annimmst. Ich bitte dich um diesen einen Gefallen, Garland.“

Da es sich um den ersten Gefallen handelte, um den der Captain ihn je gebeten hatte, war er geneigt zuzustimmen. Sobald er Ja gesagt hatte, redete Decker so schnell, dass Garland vermutete, er habe Angst, dass er es sich anders überlegen würde.

„Ich verspreche dir, dass sich das MBPD deinen Vorgaben und denen deines Teams fügen wird“, hatte der Captain ihm versichert. „Um ehrlich zu sein, scheinen sie ganz froh darüber zu sein. Offenbar hat Barton den Ruf, ein ziemliches Arschloch zu sein, und so sind sie mehr als bereit dazu, seinen Fall an jemand anderen weiterzuleiten. Besonders jetzt, da er emotional völlig überdreht zu sein scheint.“

Als sich Garland dem abgeriegelten Bereich auf dem Strip näherte, blendete er die politischen Aspekte aus und konzentrierte sich wieder auf das stattgefundene Verbrechen. Er wusste nur wenig. Nur, dass Priscilla Barton tot im Nachbarhaus gefunden worden war, und dass man dahinter Fremdeinwirkung vermutete. Er erreichte den Tatort und sah sich um, ob Ryan Hernandez, der Kriminalbeamte der Sondereinheit der Mordkommission, um dessen Mithilfe er in diesem Fall gebeten hatte, bereits da war.

Da er ihn nirgendwo sah, ging er auf den nächsten MBPD Beamten zu und nannte ihm sein Anliegen.

„Garland Moses, LAPD, forensischer Profiling-Berater. Wer hat hier das Sagen?“

Der Beamte, auf dessen Namensschild Timms stand und der aussah, als sei er keinen Tag älter als 22, schluckte hart.

„Sergeant Breem hat das Kommando inne, bis der Detective eintrifft“, erwiderte er mit vor Nervosität bebender Stimme. „Er ist gerade drinnen.“

„Darf ich zu ihm gehen?“, fragte Garland.

„Ja, Sir. Er ist im Foyer. Dort befindet sich die Leiche.“

„Danke“, erwiderte Garland. Er machte sich in die Richtung auf, dann blieb er stehen und drehte sich um. „Kannten Sie die Bartons, Officer Timms?“

„Nicht wirklich“, antwortete Timms. „Ich hatte nie persönlich mit ihnen zu tun, kannte aber deren Ruf.“

„Wie das?“

„Mr. Barton hat sich bei uns oft wegen der Nachbarn beschwert, Lärmbelästigung und solches Zeug.“

„Und Mrs. Barton?“, bohrte Garland weiter und machte sich wie wild Notizen auf seinem winzigen Schreibblock.

„Ich will nicht schlecht über die Tote sprechen“, sagte Timms zögerlich.

„Sie reden nicht schlecht über sie. Sie teilen mir einfach Informationen mit. Und mit deren Hilfe werden wir den Mörder fassen.“

Timms nickte und schien überzeugt.

„Okay“, sagte er, und seine Stimme wurde zu einem Flüstern. „Man erzählt sich, dass sie gerne Promis nachstellte; harmlos, aber etwas nervig. Manchmal haben sich berühmte Leute, die hier leben, beschwert, dass sie ihnen folgen würde, sogar versucht haben soll, sich bei ihnen einzuschleimen, mit ihnen einen zu trinken. Allerdings nichts Schlimmes. Sie ist also nicht in irgendwelche Häuser eingebrochen und hat im Bett auf den Besitzer gewartet.“

„Können wir da sicher sein?“ fragte Garland misstrauisch. „Das hier ist nicht ihr Haus, richtig?“

Timms Gesicht färbte sich rot.

„So hatte ich das noch gar nicht gesehen“, sagte er und war sichtlich beschämt.

„Was meinen Sie mit ‚so‘?“, fragte ihn jemand von hinten.

Garland drehte sich um und sah Detective Ryan Hernandez, der ihn breit angrinste.

„Vergessen Sie’s“, sagte er. „Wie geht es Ihnen, Detective?“

„Wenn man bedenkt, dass man mich aus meinem gemütlichen Zuhause und der Gesellschaft meiner Lieben entrissen hat, dann relativ gut. Und Ihnen?“

„Mir gefällt es, mal in einer anderen Gegend zu sein“, gestand Garland. „Eigentlich will ich gar nicht nach drinnen gehen.“

„Und doch …“, hob Ryan widerstrebend an.

„… müssen wir“, beendete Garland den Satz und bedeutete ihm mit der Hand, dass er vorgehen solle.

Als Hernandez vor ihm durch die Eingangstür ging, bewunderte Garland seinen jüngeren Kollegen. Selbst er hatte mit Anfang 30 nicht so selbstsicher gewirkt wie Ryan Hernandez. Gut, er hatte auch nicht so gut ausgesehen wie Hernandez.

Er hatte Jessie ab und zu damit aufgezogen, dass sie – mit ihren amazonengleichen Modelmaßen, ihren grünen Augen, ihren braunen, gewellten Haaren und ihrem wohlproportionierten Gesicht – und ihr Lebensgefährte – mit seinem schwarzen Haar, seinen braunen Augen und wohldefinierten Brustmuskeln – davon ausgehen könnten, dass ihre künftigen Kinder ihren rechtmäßigen Platz auf dem Olymp einnehmen würden. Fast immer war sie dabei rot geworden. Bei Ryan wollte er das lieber nicht wagen.

Sie betraten das Haus, in dem Sergeant Breem, ein schlanker, sonnengebräunter Typ in seinen Vierzigern, von dem Garland vermutete, dass er ein Surfer war, mit zwei uniformierten Beamten und der Spurensicherung auf ihn wartete. Ein Gerichtsmediziner machte Fotos von der Leiche. Vom Ehemann war nirgends eine Spur zu sehen.

Garland sah sich im Foyer um und machte sich, während er alles in sich aufnahm, Notizen auf seinem Block. Erst als er sich ein genaues Bild von dem Raum gemacht hatte, sah er auf das Opfer hinunter. Priscilla lag auf dem Rücken und hatte etwas, das wie ein Strumpf aussah, um ihren Hals gewickelt.

In ihren weit aufgerissenen Augen waren ganz offenbar die Blutgefäße geplatzt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Erwürgen hindeutete. Sie trug einen roten Sport-BH, Yogahosen und einen Flip-Flop. Der andere lag einsam weiter hinten im Flur. Die Leichenstarre war noch nicht eingetreten, noch war sie nicht aufgequollen, und ihre Haut hatte sich nur leicht verfärbt. All das ließ darauf schließen, dass ihr Tod erst kürzlich eingetreten war, wahrscheinlich erst vor wenigen Stunden.

„Sergeant Breem“, sagte Hernandez und streckte diesem zur Begrüßung die Hand aus. „Ich bin Detective Ryan Hernandez vom LAPD. Das hier ist unser Profiler, Garland Moses. Vielen Dank, dass wir mit Ihnen an dem Fall arbeiten dürfen.“

„Wollen Sie mich verarschen?“, sagte Breem leicht belustigt. „Wir sind froh, dass wir uns hier etwas zurücklehnen dürfen. Ich will nicht unhöflich sein, aber Barton ist kein angenehmer Typ. Seit er und seine bessere Hälfte hierhergezogen sind, hat er uns das Leben schwer gemacht. Wir unterstützen Sie in jeglicher Hinsicht, aber wenn es darum geht, mit dem Typen zu reden, ziehen wir uns diskret zurück.“

„Wo ist Mr. Barton?“, fragte Hernandez.

„In seinem Haus, direkt nebenan. Wenn Sie genau hinhören, werden Sie wahrscheinlich mitbekommen, wie er gerade meinen Mitarbeiter anbrüllt.“

„Dann warten wir noch ein wenig, bis wir mit ihm plaudern“, erwiderte Hernandez und wandte sich dem Gerichtsmediziner zu, einem jungenhaften Typen namens Pugh. „Was wissen Sie bereits?“

„Die Körpertemperatur zeigt an, dass sie vor weniger als drei Stunden gestorben ist. Ligaturspuren und subkonjunktivale Blutungen deuten stark auf eine Strangulation hin. Es gibt einige Blutergüsse an den Armen und auf der Brust, die auf eine mögliche Auseinandersetzung vor dem Tod hindeuten. Bisher gibt es keine Anzeichen für einen sexuellen Übergriff.“

„Sonst noch was?“, fragte Hernandez.

Sergeant Breem übernahm. „In der Küche haben wir eine Weinflasche mit einem Zettel gefunden. Sieht aus wie ein Begrüßungsgeschenk von ihr. Die Notiz lässt darauf schließen, dass das Opfer dachte, sie habe einen neuen Nachbarn. Aber das Paar, dem das Haus gehört, ist nicht ausgezogen. Sie sind im Urlaub und vermieten es auch an niemanden.“

„Wie eigenartig“, sagte Hernandez.

Breem nickte zustimmend.

„Wir denken, dass jemand vielleicht gerade dabei war, das Haus auszurauben, als sie reinkam. Oder jemand hat sie beobachtet, wie sie reingegangen ist, und ist ihr gefolgt.“

Hernandez sah hinüber zu Garland, der sich zu dieser Vermutung jedoch nicht äußerte. Stattdessen beugte er sich hinunter zur Leiche und betrachtete den Strumpf, der immer noch lose um Bartons Hals gewickelt war.

Das war ein seltsames Mordgerät. Garland hatte schon viele Strangulierungen gesehen, viele davon waren mit Drähten, Verlängerungskabeln oder sogar den bloßen Händen verübt worden. Aber er konnte sich nicht erinnern, dass jemand mal mit einem Strumpf zu Tode gewürgt worden war.

Er sieht teuer aus.

Er sah auf und wollte fragen, ob jemand die Marke kannte. Als er aber merkte, dass ausschließlich Männer im Foyer standen, machte er sich innerlich eine Notiz, dass er das später selbst recherchieren würde.

„Kann den jemand bitte eintüten?“, fragte er.

Ein Tatorttechniker trat zu ihm, um genau das zu tun, nahm den Strumpf mit einer Zange auf und warf ihn in einen Beweisbeutel.

„Vermutlich werden wir davon keine Fingerabdrücke nehmen können“, murmelte Breem. „Die sind hier überall weggewischt worden. An vielen Stellen im Haus gibt es überhaupt keine, noch nicht einmal von den Hausbesitzern. Wer auch immer das getan hat, hat sehr penibel darauf geachtet alles abzuwischen. Vermutlich hat er die ganze Zeit über Handschuhe getragen.“

„Können wir vielleicht Haut- oder Haarfasern von dem Strumpf kriegen?“, fragte Garland den Techniker.

„Vermutlich. Allerdings sehe ich auch Materialspuren darauf, die darauf schließen lassen, dass der Angreifer Handschuhe getragen haben könnte. Wir geben Ihnen Bescheid.“

Garland ließ Hernandez und das MBPD sich auf die Details des Tatorts konzentrieren, während er durchs Haus stromerte und versuchte, ein Gefühl dafür zu bekommen, was hier passiert sein könnte. Nirgendwo gab es ein Zeichen für eine Auseinandersetzung, was ihn vermuten ließ, dass Breems Theorie – dass man ihr entweder gefolgt war oder dass sie jemanden überrascht hatte – durchaus berechtigt war. Er wusste, dass sie es zumindest bis in die Küche geschafft hatte, bevor es passiert war. Aber wo im Haus sie sich sonst noch aufgehalten hatte, blieb ein Rätsel.

„Garland!“, hörte er Hernandez rufen.

Er ging zurück ins Foyer, wo ihn alle erwartungsvoll anstarrten.

„Ja?“

„Garth Barton will mit Ihnen reden“, sagte Hernandez. „Er besteht darauf und steht kurz vor einem Wutanfall.“

„Dann mal los“, seufzte Garland. „Ich will den VIP nicht warten lassen. Wo war er eigentlich, als das hier passiert ist?“

„Er behauptete, dass er auf dem Weg nach Hause war und dabei die ganze Zeit über ein Telefon-Meeting hatte“, sagte Breem zu ihm. „Er sagt, dass er täglich 70 bis 80 Minuten pendelt. Wir lassen das gerade überprüfen. Aber wenn er die Wahrheit sagt, dann hat er für den Zeitraum des Todes ein Alibi.“

„Das wäre schade, wenn das stimmt“, murmelte Garland leise.

„Warum?“, fragte Breem.

„Weil wir, wenn es nicht der Ehemann war, einen wirklich schwierigen Fall vor uns haben: stark frequentierte Gegend, kaum Sicherheitsvorkehrungen und wenige Sachbeweise.“ Dann fügte er mit einem zynischen Unterton, den er sich nicht verkneifen konnte, hinzu: „Ich beneide die Leute nicht, die diesen Fall hier lösen müssen.“




KAPITEL VIER


Kyle Voss wachte am nächsten Morgen auf und sprang behände aus dem Bett.

Sofort ließ er sich zu Boden fallen und machte 100 Liegestützen. Dann plankte er drei Minuten lang, gefolgt von 50 Liegestützsprüngen. Fünfzehn Minuten nach dem Aufstehen war er völlig verschwitzt, aber glücklich. Er ging ins Bad und zog sich aus.

Im Spiegel bewunderte er seinen Körper. Zwei Jahre im Gefängnis hatten zwar seine berufliche Karriere zum Stillstand gebracht, aber für seinen Körper waren sie ein Geschenk gewesen. Er war härter und fitter als er es seit seiner Zeit als Footballspieler in der High-School je gewesen war. Mit seinen knapp 1,90 Metern und soliden 98 Kilogramm war er der Meinung, dass man ihn durchaus für einen Spieler der National Football League halten könnte. Seine blonden Haare waren immer noch raspelkurz, eine Erinnerung an seinen Igelhaarschnitt vom Gefängnis. Seine blauen Augen waren klar.

Er stieg unter die Dusche, die er eiskalt aufgedreht hatte. Sorgsam wusch er jeden Zentimeter seiner Haut, darauf achtend, sich nicht zu beeilen und nicht zu zittern. Als er fertig war, trocknete er sich ab und zog seinen Lieblingsanzug an. Heute war ein wichtiger Tag, und er wollte gut aussehen.

Seit er aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte er sich bedeckt gehalten und die Grundlage für seine bevorstehenden Pläne gelegt, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber all das würde sich heute ändern. Heute würde er sich neu erfinden – und das vor den Augen der Öffentlichkeit. Das war ein bedeutender Schritt in seinem gesamten Plan, und alles musste reibungslos laufen. In seinem Magen spürte er ein leichtes Ziehen, und kurz darauf wurde ihm klar, dass das wohl die Nervosität sein musste.

Sein Tag war streng getaktet. Obwohl der Richter sein Verfahren eingestellt hatte, musste sich Kyle dennoch zweimal die Woche mit einem Bewährungshelfer treffen. Das machte ihm nichts aus. Bei diesen Treffen zu brillieren würde sich hundertfach bezahlt machen, wenn man irgendwann seinen Charakter anzweifeln würde.

Nach diesem Termin hatte er ein Meeting mit seiner kürzlich ins Leben gerufenen Stiftung WCP. Diese verteilte Gelder an Wohltätigkeitsorganisationen, die Häftlingen rechtlichen Beistand ermöglichten, wenn sie gegen falsche Anschuldigungen vorgehen wollten. Mit WCP konnte Kyle außerdem seine Buchhaltung etwas frisieren, was ihm schließlich dabei helfen würde, ein paar Freunden, die er hinter Gittern kennengelernt hatte, unter die Arme zu greifen.

Danach hatte er ein Interview mit einem lokalen Nachrichtensender, um über die Stiftung zu sprechen. Er hatte sich mit einer Medienexpertin getroffen, die ihm beigebracht hatte, wie er das Gespräch ausschließlich auf die Stiftung lenken konnte, ohne sich in unangenehme Fragen über die Gründe seiner Verurteilung verwickeln zu lassen – dieser ganze Kram mit Jessie. Das Interview war seine erste Testfahrt in diesen schwieriges Gewässern.

Anschließend würde er sich einem ganz anderen Thema widmen müssen. Er hatte einen Termin bei einer Vermögensverwaltung mit Sitz in Ranch Cucamonga, nicht weit von seinem Reihenhaus in Claremont entfernt. Er war in den kleinen College-Ort, etwa 50 Kilometer vom Zentrum von Los Angeles entfernt, gezogen, damit ihm niemand vorwerfen konnte, dass er sich seiner Ex-Frau unerlaubt näherte. Und wenn das Bewerbungsgespräch gut verlaufen sollte (seine Freunde in Monterrey hatten ihm versichert, dass es das würde), dann hätte er einen Legitimationsnachweis, der für das, was er für die nächsten Wochen und Monate geplant hatte, unabdingbar war.

Er brauchte die Glaubhaftigkeit und das Ansehen, das eine Position in einer hoch angesehenen Firma mit sich brachte. Außerdem brauchte er, auch wenn er es nicht gerne zugab, das Geld. Vor dieser ganzen Sache mit dem Mord hatte er einen schönen Batzen Geld verdient. Aber die Scheidung von Jessie und seine Anwälte hatten ein tiefes Loch in seine Konten gerissen. Zwar hatte er noch Zugang zu Finanzmitteln, die er während seiner Ehe geschickt verborgen gehalten hatte. Aber diese reichten nicht aus, um seine Stiftung am Laufen zu halten, seinen gewünschten Lebensstil zu finanzieren und die völlige Zerstörung der Welt seiner Ex-Frau in die Tat umzusetzen. Er brauchte dafür schlicht und ergreifend mehr Geld.

Gerade wollte er sein Frühstück beenden, da klingelte es an der Tür. Auf seinem Handy ließ er sich das Bild der Sicherheitskamera anzeigen und sah, dass es sich um seinen Bewährungshelfer handelte, was ihn nicht allzu sehr überraschte. Man hatte ihn vorgewarnt, dass solche unangekündigten Besuche nicht ungewöhnlich waren, und dass er sich dafür wappnen musste.

„Hi, Mr. Salazar“, sagte er, als er die Tür öffnete. „Ich dachte, wir treffen uns um neun in Ihrem Büro. Sie konnten es nicht erwarten, hm?“

„Sie sind sich hoffentlich bewusst, dass unangekündigte Besuche gestattet sind, Mr. Voss?“, fragte Salazar kurz angebunden.

„Natürlich“, erwiderte Kyle, als habe er ihn erwartet. „Ich dachte mir schon, dass Sie, nachdem ich so oft bei Ihnen war, endlich auch mal hier vorbeischauen. Ich bin gerade fertig mit dem Frühstück. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee? Mein Rührei mit Käse ist der Hit.“

„Nein danke. Das hier wird nicht lange dauern. Ich wollte nur mal sehen, was Sie für diese Woche geplant haben, um sicherzugehen, dass Sie sich an die Vorgaben des Gerichts halten.“

„Na klar doch“, entgegnete Kyle munter, drehte sich um und ging zurück ins Haus. „Mein Terminkalender ist in der Küche.“

Salazar folgte ihm bedächtig. Kyle tat weiterhin so, als seien sie alte Freunde, die sich nach langer Zeit wiedersahen, schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und stellte sie vor ihn auf den Tisch. Salazar nahm einen Schluck, trotz seiner vorherigen Ablehnung.

Kyle erläuterte ihm seinen Terminkalender, über den er nur wenige Augenblicke zuvor nachgedacht hatte, natürlich ohne ein paar gewisse Details. Innerhalb weniger Minuten konnte er sehen, dass Salazar zufriedengestellt war. Allerdings machte er weiter und schwadronierte über jeden Termin, den er diese Woche hatte. Sein Ziel war es, so entgegenkommend wie möglich zu wirken, so dass Salazar ihn nicht mehr so bald wieder zu Hause besuchen würde.

Es funktionierte. Weniger als zehn Minuten später machte sich der Bewährungshelfer wieder auf den Weg, mit einem To-Go-Becher Kaffee und einem Plastikbehälter mit Käse-Rührei in Händen, zu dem er dann doch nicht hatte Nein sagen können.

„Wir sehen uns am Freitag“, erinnerte er Kyle. „Punkt neun in meinem Büro.“

„Ich freu mich drauf.“

Fünf Minuten später verließ auch er das Haus. Er stieg sein Auto und winkte den FBI-Agenten, die an der gegenüberliegenden Straßenseite im Wagen saßen, zu. Dort saß, seit er eingezogen war, ununterbrochen jemand vom FBI. Innerlich ging er nochmal seinen Terminkalender durch. Er wusste, dass er zwischen all den Meetings und Interviews kaum Zeit haben würde, die bildhafte und physische Zerstörung von Jessie Hunt zu organisieren. Aber er war sich sicher, dass er es hinkriegen würde. Schließlich hatte er bereits hinter Gittern die Strippen gezogen, um ihre Karriere beinahe den Bach runtergehen zu lassen.

Dank der überragenden Hilfe des Monzon-Drogenkartells in Monterrey hatte er bereits alle möglichen Schandtaten für Jessie umsetzen lassen. Es hatte klein begonnen, indem die Kartell-Soldaten ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatten. Dann war es damit weitergegangen, dass sie Drogen versteckt und anonym beim Sozialamt angerufen hatten, mit Andeutungen dazu, dass sie ihre Schwester misshandeln würde. Das Beste war gewesen, sich in ihre Social Media-Konten zu hacken und rassistische Parolen zu posten. Das hatte immer noch erhebliche Nachwehen, so dass seine Ex-Frau für viele in LA zur Persona non grata geworden war, auch wenn man sie genau genommen entlastet hatte.

Das Kartell sorgte dafür, dass es vor der Polizeistation, in der sie arbeitete, nach wie vor Proteste gab. Bald sollte ihr Auto mit Graffiti beschmiert werden. Und dann würden die richtig guten Sachen losgehen.

Zuerst war da die Auslöschung derjenigen, die ihr am nächsten standen. Und dann, wenn sie emotional am verletzlichsten war, würde er sie holen kommen und das tun, wovon er seit Jahren geträumt hatte. Zunächst hatte er vorgehabt, sie aufzuschlitzen und zuzusehen, wie sich ihr Gesicht vor Entsetzen zu einer Fratze verzerrte, während er ihr die Organe herausschnitt und sie vor ihren Augen verbrannte. Aber mittlerweile war ihm etwas viel Schrecklicheres in den Sinn gekommen. Er würde es dieser Schlampe heimzahlen, dass es sich gewaschen hatte.




KAPITEL FÜNF


Jessie kaute nervös an ihrem Muffin herum.

Während sie im Nickel Diner in der South Main Street auf Garland Moses wartete, hatte sie das seltsame Gefühl, dass sie jemand hinterging. Normalerweise arbeiteten sie und Ryan zusammen. Aber Ryan hatte letzte Nacht mit Garland in einem Fall in Manhattan Beach ermittelt. War ihre Zusammenarbeit in irgendeiner Weise ein persönlicher Angriff? Oder dieses gemeinsame Frühstück? Sie wusste, dass es im Grunde genommen ein lächerlicher Gedanke war. Dennoch ließ das Gefühl nicht nach.

Garland kam schließlich um 8.30 Uhr herein geschlurft, eine geschlagene halbe Stunde später als vereinbart. Seine weißen Haare sahen noch wilder und unordentlicher aus als sonst. Seine Brille schien ihm jeden Moment von der Nasenspitze rutschen zu wollen. Er sah noch nicht einmal auf, als er sich seinen Weg zu dem Tisch bahnte, den er, wie Jessie wusste, bevorzugte.

Sie nahm mit der Kellnerin Blickkontakt auf und bedeutete ihr, Garland einen Kaffee zu bringen, da er ziemlich fertig aussah. Wenn sie so lange aufgeblieben wäre, wäre auch sie müde, und sie war 30, keine 71.

„Lange Nacht?“, fragte sie, als er sich setzte.

Er lächelte reumütig.

„Ich bin zu spät ins Bett gegangen“, gestand er. „Bestimmt kann Ihnen das Ihr Freund bestätigen. Ich könnte jetzt wirklich einen Kaff…“

Er hielt inne, als eine Tasse vor ihn gestellt und aufgefüllt wurde.

„Sie haben meine Gedanken gelesen“, sagte er zur Kellnerin, die auf Jessie deutete.

„Nein, sie hat es.“

„Das nenne ich mal Profiling“, sagte er und nahm vorsichtig einen Schluck.

„Das ist kein Profiling, Garland. Zu wissen, dass Sie einen Kaffee möchten, wenn Sie hier reinkommen, ist, als wüsste man, dass die Sonne im Osten aufgeht.“

„Trotzdem vielen Dank“, erwiderte er.

„Wie ist es letzte Nacht gelaufen?“, fragte sie.

„Hat Ihnen Hernandez nichts erzählt?“

„Er ist gegangen, als ich gerade aufstehen wollte. Hat mich nicht wecken wollen. Sagt mir immer, ich solle mich ausruhen und so.“

„Vielleicht sollten Sie auf ihn hören“, bemerkte Garland fürsorglich. „Schließlich müssen Sie mit mehrfachen Verbrennungen, einem Schädel-Hirn-Trauma und einem angeknacksten Ego zurechtkommen.“

„Versuchen Sie etwa witzig zu sein, Garland?“, fragte sie. „Wenn ja, dann sollten Sie lieber bei Ihrem eigentlichen Job bleiben, den Sie nun offenbar auch nachts ausführen müssen.“

„Versuchen Sie nicht, das Thema zu wechseln“, konterte Garland. „Ich weiß, dass Sie eher zur Arbeit zurückkehren wollen, als es die Ärzte raten, und das sollten Sie nicht tun. Warten Sie, bis Ihr Körper soweit ist.“

„Woher wollen Sie wissen, dass ich früher zurückkehren will?“, fragte sie herausfordernd.

„Ganz einfach“, erwiderte er mit einem verschmitzten Lächeln. „Jedes Mal, wenn Sie sich drehen oder nach vorne beugen, zucken Sie unfreiwillig zusammen, was mich darauf schließen lässt, dass Sie die Dosis Ihrer Schmerzmittel gesenkt haben. Außerdem lehnen Sie sich nach vorne wie ein Schulmädchen, das sich davor fürchtet, von der Nonne einen Klaps auf die Hand zu bekommen, wenn es an seinem Tisch lümmelt.“

„Was hat das denn damit zu tun?“

„Sie haben Angst, dass Ihr Rücken die Lehne des Stuhls berührt, denn er ist noch immer empfindlich. Also sitzen Sie so steif da wie die folgsamste Klosterschülerin, die mir je untergekommen ist.“

Sie schüttelte den Kopf, sowohl aus Verärgerung als auch vor Bewunderung.

„Schon mal nachgedacht, Profiler zu werden?“

„Mit Schmeicheleien werden Sie weit kommen“, sagte er und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Aber ich meine es ernst. Sie sollten sich schonen. Außerdem, wenn Sie sich etwas aus der Öffentlichkeit raus halten, dann geraten diese rassistischen Posts bald in Vergessenheit.“

„Die Posts, die ich nicht geschrieben habe?“, erinnerte Jessie ihn.

„Darum geht es mittlerweile gar nicht mehr“, erwiderte er resigniert. „Egal, wie viele Beweise Sie erbringen, dass man Ihre Konten gehackt hat, manche Leute werden Sie immer noch für eine schreckliche Person halten wollen.“

„Sie finden also, ich sollte mich bedeckt halten, bis die Leute vergessen, dass sie der Meinung sind, ich sei ein Rassist?“, fragte Jessie misstrauisch.

Garland seufzte, wollte den Köder aber nicht schlucken.

„Vielleicht sollten Sie tun, was Ihre Freundin Kat tut“, schlug er vor.

Jessies Freundin, die Privatdetektivin Katherine „Kat“ Gentry, ließ gerade eine komplette neurologische Untersuchung an der Mayo Klinik in Phoenix über sich ergehen. Sie war während der Rettung der entführten Frau aus dem brennenden Haus dabei gewesen. Kat und Jessie hatten beide Gehirnerschütterungen erlitten, als eine Bombe am Tatort explodiert war.

Für Kat, die als Army Ranger in Afghanistan gedient hatte und stolz darauf war, ihre Narben, sowohl die äußeren als auch die inneren, zu ignorieren, war dies mindestens ihre sechste Untersuchung. Sie hatte schließlich eingewilligt, sich durchchecken zu lassen, als die Kopfschmerzen und das Klingeln in den Ohren nach zwei Wochen immer noch nicht abgeklungen waren. Sie würde noch fünf Tage in Arizona sein, bevor sie an diesem Wochenende zurückkehrte.

„Kat ist eine Militärveteranin, die sich mit PTBS, IED-Verletzungen und möglicherweise CTE herumschlägt“, sagte Jessie zu ihm. „Ich bin bloß eine Frau mit ein paar Verbrennungen.“

Garland setzte ein gütiges Lächeln auf.

„Das war eine ziemliche Buchstabensuppe, Jessie. Und auch wenn es stimmt, dass Ihre Freundin mit sehr ernsten Problemen zu kämpfen hat, das tun Sie auch. Sie hatten bereits mehrere Gehirnerschütterungen. Und Sie haben mehr Narben, sowohl physische als auch emotionale, als die meisten Soldaten. Wie viele von ihnen wurden von ihrem leiblichen Vater gefoltert, nachdem sie mit eigenen Augen erlebt haben, wie er ihre Mutter ermordet hat?“

„Wahrscheinlich einige“, erwiderte Jessie patzig.

„Und wie viele von ihnen mussten es mit demselben Vater in einem Kampf auf Leben und Tod aufnehmen? Und später seinen Protegé – ebenfalls ein Serienkiller – töten? Und sich mit ihrem soziopathischen Mörder von einem Ex-Mann anlegen? Und …“

„Ich hab’s kapiert, Garland“, unterbrach Jessie ihn.

Eine Weile saß er schweigend da.

„Ich will einfach nur sagen, dass Sie auf sich achtgeben müssen. Wenn schon nicht zu Ihrem eigenen Wohl, dann zumindest für Ihre jüngere Schwester und den schneidigen Detective, den Sie lieben. Diesen Beziehungen wird es nicht guttun, wenn Sie sich selbst nicht schonen. Geben Sie auf sich acht, und dann können Sie auch auf sie achtgeben.“

Sie nickte und biss ein Stückchen von dem Muffin ab, der sie aber nicht mehr sonderlich interessierte.

„Mir ist aufgefallen, dass auch Sie das Thema gewechselt haben“, bemerkte sie.

„Was?“

„Der Fall? Haben Sie ihn gelöst?“

„Kann jeden Moment soweit sein“, erwiderte er trocken.

„Wollen Sie mir überhaupt irgendwas von diesem Fall erzählen?“, fragte sie leicht entnervt.

„Tote Frau im Haus der Nachbarn gefunden“, erwiderte er gelassen. „Wir können den Ehemann ausschließen, was mich sehr enttäuscht, denn er ist ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse. Gerne hätte ich ihm das angehängt. Aber zumindest bedeutet das, dass ich mich nicht mehr mit ihm abgeben muss. Er ist so charmant wie ein Krebsgeschwür.“

„Was noch?“, fragte sie.

Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an, als ob er sie etwas fragen wollte, aber nicht so recht wusste, wie er es zur Sprache bringen sollte.

„Würden Sie sich als modebewussten Menschen bezeichnen?“, fragte er schließlich.

Damit hätte Jessie nun wirklich nicht gerechnet.

„Ich weiß mich zu kleiden“, erwiderte sie. „Aber habe ich ein Abo der Vogue? Nein. Warum?“

Er wollte weitersprechen, hielt dann aber inne und nahm stattdessen einen weiteren Schluck von seinem Kaffee.

„Das war’s?“, wollte sie wissen. „Wollen Sie das nicht näher erklären?“

„Lieber nicht“, erwiderte er. „Ich habe schon zu viel gesagt. Wenn ich noch mehr rausrücke, wäre das nur wie der erste Chips aus der Tüte, und Sie wollen nur noch mehr. Sie sollen sich erholen, und ich will das nicht sabotieren. Wenn Sie wirklich mehr Einzelheiten wissen wollen, hauen Sie Hernandez an.“

„Oh Mann“, erwiderte Jessie. „Das war der einzige Grund, warum ich Sie um ein Treffen gebeten hatte.“

„Und ich dachte, sie genießen meine Gesellschaft. Ich bin tief getroffen.“ Er klang beleidigt, aber sie sah, wie sich seine Mundwinkel langsam zu einem Lächeln hoben.

„Sie sind ein sehr unangenehmer Mann“, sagte sie. „Das wissen Sie doch, oder?“

Er nahm erneut einen Schluck und erlaubte sich diesmal ein richtiges Lächeln.

„Möchten Sie auch über etwas mit mir sprechen, das nichts mit dem Fall zu tun hat?“, fragte er. „Ich habe das Gefühl, Sie halten etwas zurück.“

„Was soll ich zurückhalten?“, erwiderte sie, etwas gereizter als beabsichtigt.

„Wir haben schon länger nicht mehr über Hannah gesprochen. Wie geht es ihr?“

Jessie atmete schwer aus.

„Manchmal zuckersüß. Manchmal launisch. Manchmal urkomisch. Manchmal zickig. Manchmal still. Einfach der ganz normale Albtraum.“

„Aber keine Morde, oder?“, fragte Garland.

„Was?“

„Die Halbschwester, von der Sie befürchten, sie könnte eine angehende, soziopathische Serienmörderin in der Ausbildung sein – sie hat noch niemanden ermordet?“

„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete Jessie.

„Dann ist launisch im Vergleich dazu gar nicht so übel“, bemerkte er.

Sie zuckte zustimmend die Achseln.

„Nicht, wenn Sie es so ausdrücken.“

„Dann können Sie wohl von Glück reden“, sagte er sanft. „In Anbetracht des Lebens, das Sie führen, könnte es viel schlimmer sein.“

Jessie konnte das nicht abstreiten. Sie war gerade dabei, ihn nach seiner Meinung bezüglich einer anderen Angelegenheit zu fragen, als ihr Telefon klingelte. Sie sah nach unten auf ihr Handy. Es war ihr guter Freund, der FBI-Agent Jack Dolan, dessen Leute ihren Ex-Mann Kyle beobachteten.

„Da muss ich rangehen“, sagte sie.

„Das ist okay“, erwiderte Garland und legte einen 5-Dollar-Schein auf den Tisch. „Ich sollte jetzt sowieso ins Büro. Ihr Freund vermisst mich wahrscheinlich.“

„Soll ich Sie mitnehmen?“

„Nö. Sie haben Ihren Anruf. Außerdem wissen Sie doch, dass ich gerne zu Fuß gehe.“

„Okay“, sagte sie, als sie ans Telefon ging. „Hi, Dolan.“

„Hey, Jessie“, raunte Garland mit leiser Stimme, als er aufstand.

„Warte eine Sekunde, Dolan“, sagte sie ins Telefon, dann sah sie zu dem kauzigen Kerl vor ihr auf. „Ja, Garland?“

„Denken Sie daran, Sie allein haben die Kontrolle über Ihr Leben. Nicht Decker, nicht Hannah, nicht Hernandez und vor allem kein Serienkiller. Manchmal ist es schwer, das zu erkennen. Aber Sie haben immer eine Wahl.“

„Danke, Konfuzius“, sagte sie und zwinkerte ihm zu. „Wir reden später, okay. Ich muss jetzt telefonieren. Es geht um Kyle.“

Garland lächelte, verbeugte sich leicht und verließ das Lokal. Sein störrisches weißes Haar verlor sich in der Ferne zwischen den eilig vorbeiziehenden Menschen, und er mischte sich gemächlich unter sie.

„Ich bin wieder dran“, sagte Jessie. „Was gibt’s, Jack?“

„Nichts Gutes – es geht um deinen Ex-Mann.“




KAPITEL SECHS


„Warte mal eine Minute“, sagte Jessie und ihr Herz machte einen kurzen Aussetzer. „Ich muss irgendwohin gehen, wo ich ungestört reden kann.“

Jessie bereute es beinahe zu warten. Die drei Minuten, in denen sie bezahlte, das Diner verließ und ins Auto stieg, kamen ihr wie eine halbe Ewigkeit vor. Dolan, ein abgebrühter Zyniker, dessen Laune selbst sein morgendliches Surfen kaum heben konnte, neigte nicht zu Übertreibungen. Wenn er sagte, dass eine Situation nicht gut war, war sie in der Regel äußerst schlecht. Sie hatte das Gefühl, dass ihr gleich ihr viertel Muffin, den sie gegessen hatte, hochkommen würde.

„Leg los“, sagte sie barsch, als sie den Anruf wieder entgegennahm.

„Die kurze Version ist: Wir haben nichts.“

„Es sind jetzt mehr als drei Wochen vergangen“, entgegnete sie. „Willst du damit sagen, dass er sich diese ganze Zeit über lammfromm verhalten hat?“

„Ja“, erwiderte Dolan, „was natürlich misstrauisch macht. Er hat noch nicht mal ein Stoppschild überfahren. Ihm ist selbstverständlich klar, dass wir ihn beobachten. Er winkt unseren Agenten immer zu, wenn er an ihnen vorbeifährt.“

„Haben sie nicht versucht, sich bedeckt zu halten?“

„Das haben sie anfangs. Aber, wie du weißt, ist er ziemlich schlau. Schon in der ersten Woche hat er unseren Van gesehen, also machte es keinen Sinn mehr, ihn weiter einzusetzen. Seitdem verwenden wir normale PKWs. Um ehrlich zu sein, meine Vorgesetzten wollen da nicht mehr lange mitspielen. Bald werden sie verlangen, dass wir das Ganze auf einen Agenten reduzieren. Es würde mich nicht wundern, wenn sie die komplette Überwachung am Ende der Woche einstellen, wenn bis dahin nichts geschieht. Dann wird ein Monat vergangen sein, in dem nichts vorgefallen ist.“

„Aber das ist genau das, worauf er wartet“, beharrte Jessie. „Er harrt so lange aus, bis ihr eure Jungs abzieht, und dann lässt er was Großes vom Ruder.“

Jessie spürte wieder die ihr wohlbekannte Beklemmung, als sie daran dachte, wie geschickt ihr Ex-Mann darin war, ein gefälliges Äußeres zu demonstrieren, das seine dahinter liegende böse Fratze verbarg.

„Du weißt, dass mir das bewusst ist“, erwiderte Dolan, sichtlich frustriert. „Aber denen da oben ist es relativ egal. Sie wollen Tatsachen sehen. Und wir können ihnen keine bieten. Du musst das Ganze aus ihrer Perspektive betrachten.“

„Was soll das heißen?“, wollte Jessie wissen.

„Denk dran, dass dein Ex-Mann genau genommen wegen Amtsvergehens eines Vollzugsbeamten freigelassen worden ist. Sie wollen sich nicht vorwerfen lassen, dass sie einen Mann schikanieren, der bereits vom System falsch behandelt worden ist. Das ist eine politische Frage. Die Tatsache, dass er ein Mörder ist, geht dabei völlig unter. Wir müssen also behutsam vorgehen. Wir sind kurz davor, dass uns unser Bemühen, ihm einen Gesetzesverstoß nachzuweisen, negative Medienberichte beschert. Heute ist eventuell der Tag, an dem die entscheidende Wende in dieser Sache eintritt.“

„Warum?“, fragte Jessie, allerdings hatte sie schon eine Ahnung. Kyle würde vor die Öffentlichkeit treten.

„Weil er heute Vormittag ein Interview mit einem Nachrichtensender hat“, antwortete Dolan und bestätigte damit ihr Gefühl. „Dabei soll es zwar um seine Stiftung gehen, allerdings würde es mich nicht wundern, wenn er auch seine momentane Situation zur Sprache bringt. Und mein Vorgesetzter macht sich Sorgen, dass er die Überwachung erwähnen könnte.“

Jessie merkte, dass sie schwitzte, allerdings wusste sie nicht, ob das an Dolans Worten lag oder an der stetig zunehmenden Hitze. Sie ließ den Motor an und drehte die Klimaanlage voll auf.

„Was ist mit dem Verdacht, dass er sich mit dem Monzon-Kartell eingelassen hat?“, fragte sie. „Haben sie keine Angst, dass sie, wenn sie seine Überwachung einstellen, nicht mitkriegen, wenn er sie kontaktiert?“

„Wir haben andere Mittel und Wege, ihn zu beschatten. Wir haben eine richterliche Verfügung erhalten, sein Auto mit einem Peilsender auszustatten, in seinem Haus Wanzen und Kameras zu installieren und sogar seine Anrufe aufzuzeichnen. Aber angesichts der Tatsache, dass ein Richter einem Staatsanwalt gerade einen Rüffel erteilt hat, weil er …“

„Ein Staatsanwalt, der garantiert vom Kartell bedroht wurde“, unterbracht sie ihn.

„Was wir allerdings nicht beweisen können“, entgegnete Dolan. „Meine Vorgesetzten befürchten, dass der Richter, der die Überwachungsmaßnahmen genehmigt hat, wenig geneigt sein wird, diese ausweiten zu lassen, falls sein Ruf auf dem Spiel steht. Wir befinden uns in einer prekären Lage.“

Jessie schüttelte den Kopf, auch wenn Dolan das nicht sehen konnte. Es war weniger als ein Monat vergangen, und schon manipulierte Kyle das System zu seinen Gunsten. Ihr stellten sich die Haare im Nacken auf, als sie daran dachte, was er alles in einem weiteren Monat in Freiheit anstellen könnte.

„Das ist genau das, was er wollte, weißt du“, bemerkte Jessie. „Er weiß, dass ihr ihn verfolgt, hat deswegen aber noch nicht aufgemuckt. Er lässt es über euren Köpfen schweben, und wird die Sache platzen lassen, wenn es für ihn am günstigsten ist. Solange es für seine Zwecke dienlich ist, macht er einen auf Unschuldslamm. Er will sich nicht bei der Presse beschweren, wenn ihr Jungs auch ohne das einen Rückzieher macht. Diesen Freifahrtschein hebt er sich für später auf. Das ist alles Teil seines Plans.“

Sie konnte hören, wie Dolan schwer ausatmete.

„Mich musst du nicht überzeugen, Jessie“, versicherte er ihr. „Ich bin auf deiner Seite. Allerdings frage ich mich gerade, ob wir unsere Jungs nicht jetzt abziehen sollten, bevor er irgendwelche Klagen erhebt. Dann können wir ohne weiteres belegen, dass wir ihm nicht folgen und ihn nicht schikanieren. Ich kann eine Pressemitteilung verfassen, dass unsere Agenten nur ab und an nach ihm sehen. Wenn er dann wegen uns rumjammert, schadet das seiner Glaubwürdigkeit. Er ist nicht der Einzige, der dieses Spiel spielen kann.“

„Nein, aber er ist besser darin als alle, denen ich je begegnet bin. Unterschätze ihn nicht.“

„Werd´ ich nicht“, versprach Dolan. „Wir wissen, dass Kyle aus dem Gefängnis raus ist, weil er das Kartell davon überzeugt hat, dass sich eine Investition in ihn lohnt. Wir wissen auch, dass sie ihm sogar dabei geholfen haben, für ihn dein Leben zu zerstören. Irgendwann wird er für sie liefern müssen. Bald wird was mit diesem Typen geschehen, das ihn in die Knie zwingen wird.“

„Ja, und er wird hoffentlich in die Knie gehen, bevor ich es tun muss.“




*



Jessie merkte, dass Ryan kein Salz in die Wunde streuen wollte.

„Wie geht’s euch denn so?“ fragte er sie und Hannah, während er den Brokkoli fürs Abendessen wusch und dabei tunlichst vermied, den Fall zu erwähnen.

Hannah bereitete eine Marinade für das Lamm vor, während Jessie nach der Bratpfanne suchte.

Es war klar, dass er hoffte, sie nicht eifersüchtig darüber zu machen, dass er draußen Morde untersuchte, während sie in der Wohnung festsaß, indem er nichts über seinen Tag erzählte. Sie hielt es für eine nette Geste, allerdings würde er bald erfahren, dass sie zwecklos war.

„Nur noch zwei Wochen Schule“, erwiderte Hannah fröhlich. „Dann haben wir Sommerferien. Das ist bei mir los.“

„Super“, entgegnete Ryan.

„Denk dran, dass du während des Sommers Nachhilfe hast“, erinnerte Jessie sie und ärgerte sich darüber, wie mamsellhaft sie klang.

„Ich weiß“, sagte Hannah daraufhin in einem sarkastischen Ton. „Aber das ist für ‚normale Kinder‘, und nicht in dieser Therapie-Einrichtung von Schule für Jugendliche mit ‚emotional aufwühlenden und psychologisch herausfordernden Erfahrungen‘. Außerdem fängt das erst in einem Monat an. Bitte mach doch meinem ohnehin zarten Gemüt nicht noch mehr zu schaffen.“

„Sorry“, sagte Jessie.

„Und dein Tag?“, fragte Ryan Jessie und wechselte damit rasch das Thema.

„Hätte besser sein können“, gestand sie. „Dolan hat mir gesagt, dass sie Kyle nichts anhängen können. Seit er draußen ist, war er so sittsam wie ein Chorknabe. Sie überlegen, die Überwachung abzuziehen.“

„Blöd.“

„Das ist es“, sagte sie. „Beinahe so blöd wie die Tatsache, dass mein Vertrauter und beruflicher Mentor mir nichts erzählt hat, als ich ihn nach den Einzelheiten des Falls, an dem er arbeitet, gefragt habe. Er hatte Angst, ich würde an Ort und Stelle anfangen zu geifern.“

„Oh nein.“

„Oh nein was?“, fragte sie.

„Oh nein, Garland hat mich vorgewarnt, dass du mich wegen Infos anhauen würdest, weil er dir nicht viel sagen wollte.“

„Ah ja?“, machte sie. „Hat er dir gesagt, wie du diesbezüglich mit mir umgehen sollst?“

„Er sagte mir, ich solle stark bleiben und unter deinem zermürbenden Verhör nicht zusammenbrechen.“

Jessie lächelte

„Was glaubst du, wie wirst du dich machen?“

„Ich bin mir sicher, dass ich standhaft bleiben werde“, erwiderte er und ging in Richtung des Schlafzimmers. „Aber erstmal werde ich duschen.“

„Du weißt, dass du mich nur eine gewisse Zeit lang hinhalten kannst“, rief sie, als er im Zimmer verschwand ohne zu antworten.

Jessie starrte die Tür an und fragte sich, ob sie diese allein durch ihren Blick zu Asche verbrennen könnte.

„Ähem“, machte Hannah zögerlich. „Ich will dich nicht noch mehr reizen, wo du schon so sauer bist, aber das Lamm, das ich braten wollte, riecht komisch. Wir sollten es wegschmeißen, was allerdings bedeutet, dass wir nichts fürs Abendessen haben.“

Jessie spürte, wie sie unweigerlich die Schultern hängen ließ. Dieser Tag würde so schlecht enden wie er begonnen hatte.

„Ich kümmere mich drum“, sagte sie schließlich.

„Sag mir bitte nicht, dass du selbst was kochen willst!“, rief Hannah ernsthaft besorgt.

„Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich jahrelang fast jeden Abend was Essbares zustande gebracht habe, bevor du hier eingezogen bist. Hab etwas mehr Vertrauen.“

„Fast jeden Abend?“, wiederholte Hannah.

„An manchen Abenden hatte ich nicht so viel Hunger“, verteidigte Jessie sich.

„Alles klar“, erwiderte Hannah, wenig überzeugt. „Du willst eine Pizza bestellen, nicht wahr?“

Jessie spürte bei diesen Worten das schlechte Gewissen in sich aufsteigen.

„Ja. Ich werde eine Pizza bestellen.“




KAPITEL SIEBEN


Als Garland die Kuppe des Hügels erreichte, war die Sonne bereits untergegangen.

Er fuhr die ihm nun bekannte Strecke hinunter nach Manhattan Beach und konnte dabei immer noch den Ozean sehen, wo sich die Wellen vor dem Strand brachen. Allerdings war es kein so majestätischer Anblick mehr wie vergangene Nacht, als die Sonne gerade den Horizont erreicht hatte.

Er redete sich ein, dass das unerheblich war, dass er wegen den Ermittlungen zum zweiten Mal in Folge hierher gekommen war, nicht wegen der Aussicht. Aber das überzeugte selbst ihn nicht hundertprozentig. Ja, der Tatort hatte es ihm angetan. Außerdem liebte er es, an der windigen Strandpromenade entlang zu spazieren, mit ihren zahlreichen Restaurants mit Tischen und Stühlen im Freien und den Vinotheken, in denen man Wein verköstigen konnte.

Er fand einen Parkplatz an der Hauptstraße und stieg aus, dann ging er durch die Highland Avenue zum Polizeirevier. Unterwegs atmete er den Duft von etwas ein, das er für Spare Ribs hielt, und das von einem Restaurant an der Ecke zu kommen schien. Er ging an einem Zeitungskiosk vorbei, an dem es Magazine aus Neuseeland und Indien gab, und er musste sich sehr zusammenreißen, um nicht stehenzubleiben und sie zu durchblättern.

Er erreichte bald das Revier und nannte dem Beamten am Empfang seinen Namen. Officer Timms von der gestrigen Nacht kam heraus und gab ihm den Schlüssel für das Haus von Charles und Gail Bloom, in dem Priscilla gestorben war.

„Ich kann mitkommen, wenn Sie möchten“, bot ihm der junge Beamte an. „Ich habe Nachtschicht, und bislang ist es sehr ruhig.“

„Danke“, erwiderte Garland. „Aber manchmal gehe ich ganz gerne alleine durch den Tatort, ohne Ablenkungen. Das hilft mir bisweilen dabei, Dinge zu entdecken, die mir vorher verborgen geblieben sind. Aber ich werde den Schlüssel in ein paar Stunden zurückbringen.“

Nachdem er das Polizeirevier verlassen hatte, stromerte Garland gemächlich den steilen Gehweg zum Strip hinauf. Um diese Zeit – es war beinahe 21 Uhr – war es relativ ruhig. Es gab ein paar Jogger, und einige Leute gingen mit ihren Hunden ein letztes Mal an diesem Abend Gassi. Tatsächlich musste er einmal sogar dem Urinstrahl eines besonders nachlässigen Vierbeiners ausweichen.

Er schlenderte das letzte Stück zum Haus der Blooms und genoss die Geräuschkulisse aus Wellen und sich gegenseitig anschreienden Möwen. Er wusste, dass sein Gehirn, sobald er das Haus betrat, wie wild rattern würde, und all die kleinen Freuden, die er momentan so gierig aufsaugte, sofort in den Hintergrund geraten würden. Er wollte das Unvermeidliche einfach nur noch ein wenig hinauszögern.

Als er das Haus erreichte, duckte er sich unter dem Absperrband hindurch und achtete darauf, im Schatten zu bleiben, damit ihn der kürzlich zum Witwer gewordene Garth Barton nicht sehen konnte, sollte er zufällig aus dem Fenster schauen.

Nur, weil man ihn als Verdächtigen hatte ausschließen können, hieß das nicht, dass er kein Arschloch war. Garland überließ es gerne der örtlichen Polizei, sich mit ihm herumzuschlagen.

Er schloss die Eingangstür auf und betrat das Haus. Drinnen war es ganz dunkel, dennoch konnte er die Kreide-Umrisse sehen, die markierten, wo Priscilla Bartons Leiche gefunden worden war. Während er die Stelle betrachtete, erinnerte er sich daran, was Detective Hernandez ihm über das Gespräch erzählt hatte, das er tagsüber mit den Hausbesitzern geführt hatte.

Es erstaunte ihn, dass die Tatsache, dass eine Frau in ihrem Foyer getötet worden war, für sie noch lange kein Grund zu sein schien, ihren Urlaub abzubrechen. Leider befand er sich nun, da er das Paar und den Ehemann als Tatverdächtige ausschließen konnte, in einer Sackgasse. Darum war er hier: um eine neue Perspektive zu gewinnen.

Rasch ging er durch den ersten Stock, dann hinauf in den Zweiten, was der Grund war, warum er überhaupt hierher gekommen war. Den ganzen Tag über war ihm etwas komisch vorgekommen, aber es war ihm erst auf dem Weg nach Hause bewusst geworden. Als ihm klar geworden war, um was es sich handelte, war er schon fast daheim gewesen. Anstatt weiterzufahren, hatte er den Wagen in Richtung Süden gewendet und war zurück zum Anwesen der Blooms gefahren. Unterwegs hatte er das MBPD angerufen, um ihnen zu sagen, dass er noch einmal den Tatort untersuchen wollte, und man hatte ihn informiert, dass er sich im Revier den Schlüssel würde abholen können.

Oben auf der Treppe machte er seine kleine Taschenlampe an und ging durch den Flur zum Hauptschlafzimmer. Einen Augenblick lang betrachtete er den großen Raum mit dem Himmelbett, dann ging er hinüber zu dem, was er für Gail Blooms Kommode hielt. Auch wenn er sich ein wenig wie ein Perversling vorkam, streifte er seine Handschuhe über und zog die oberste Schublade auf, in der er ihre Unterwäsche vermutete. Manchmal musste man in seinem Beruf zu ungewöhnlichen Mitteln greifen.

Mit der Taschenlampe leuchtete er in die Schublade, als er mit spitzen Fingern durch die Spitzenunterwäsche der Hausherrin wühlte. Nachdem er alles gründlich durchsucht hatte, holte er sein Handy hervor, um noch einmal die Mordwaffe, die man bei Priscilla Barton angewandt hatte, zu betrachten – den Strumpf. Die Marke namens „Only the Best“, wie er nach einer Online-Recherche herausgefunden hatte, war sehr teuer.

Aber in Gail Blooms Schublade hatte er weder ein Paar Strümpfe dieser Marke gefunden noch sonst irgendwelche Strumpfhosen. Auch keinen einzelnen Strumpf, weder in der Schublade noch auf der Kommode. Er kniete sich auf den Boden, um nachzusehen, ob er vielleicht unter die Kommode gerutscht war, fand jedoch nichts.

Er holte seinen Notizblock heraus und brachte seine Erkenntnisse rasch zu Papier – dass Bloom diese Strümpfe nicht besaß. Das war eine seltsame und möglicherweise sehr hilfreiche Information. Wenn der Strumpf nicht ihr gehörte, dann hatte ihn sich der Mörder nicht einfach zufällig beim Vorbeirennen geschnappt und behelfsmäßig als Waffe verwendet. Er oder sie musste ihn mit sich geführt haben.

Aber warum? Wer rennt denn mit einem einzelnen, teuren Frauenstrumpf herum?

Seine Überlegungen wurden durch das Knarzen der Holzdielen hinter ihm unterbrochen. Er schob seinen Notizblock wieder in seine Jackentasche und stand langsam auf, obwohl seine Gedanken wie wild rasten.

Er hörte gedämpftes, schweres Atmen, mehrere Meter von ihm entfernt, und konnte die Körperwärme von jemandem spüren, der nun ebenfalls im Zimmer stand. Er hielt die kleine Taschenlampe fest umschlossen und war sich bewusst, dass sie das einzige war, das er als Waffe würde verwenden können.

Er versuchte, sich an sein FBI-Training in jungen Jahren zu erinnern, aber das war nun schon 40 Jahre her. Seine letzte körperliche Auseinandersetzung hatte darin bestanden, dass ihn ein Skateboarder im vergangenen Jahr versehentlich umgestoßen hatte, als er auf dem Bürgersteig an ihm vorbeigerast war.

Schließlich überließ Garland dem Adrenalin und seinen Instinkten die Kontrolle. Aber er würde nicht tatenlos auf den Angriff warten. Also drehte er sich so schnell es ihm seine alten Knochen erlaubten herum und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Richtung, aus der das schwere Atmen kam.

Sofort konnte er seinen Angreifer sehen, der schwarze Kleidung und eine schwarze Skimaske trug. In den Händen hielt er einen Ledergürtel. Auch wenn man sein Gesicht nicht sehen konnte, ließ sein Körper auf einen Mann schließen. Garland machte einen Schritt auf den Mann zu, der mit den Händen seine Augen vor dem Licht abschirmte, und sprang nach vorne. Sie prallten gegeneinander, aber das deutlich größere Gewicht des anderen Mannes sorgte dafür, dass Garland wieder rückwärts gegen die Kommode fiel. Seine Brille flog davon. Er war mit dem Rücken gegen die Kante der hölzernen Kommode gestoßen und ächzte vor Schmerz.

Er versuchte, diesen zu ignorieren und sich auf den Typen zu konzentrieren, der auf ihn zueilte. Als dieser sich auf ihn stürzen wollte, hob Garland seine Taschenlampe und schlug zu, genau links unterhalb seines Brustkorbs. Der Mann sog scharf die Luft ein und fiel vornüber, so dass Garland ihn zu Boden schubsen konnte.

Er trat um den Mann herum und rannte in Richtung der Schlafzimmertür. Selbst dieses kurze Stück war ohne seine Brille ziemlich verschwommen. Etwa drei Schritte vom Flur entfernt spürte er, wie eine Hand seinen rechten Knöchel umfasste und daran zog, sodass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Dabei hörte er ein Knacken und spürte einen beißenden Schmerz in seiner rechten Hüfte. Unvermittelt schrie er auf.

Garland versuchte, das höllische Brennen in seiner Hüfte zu ignorieren. Er wollte sich umdrehen, um nicht in solch einer wehrlosen Position zu sein, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Also tat er das einzige, das ihm stattdessen einfiel. Er versuchte, aus dem Zimmer zu robben. Von dem unerträglichen Schmerz tränten ihm die Augen, aber er schob sich dennoch vorwärts. Dann spürte er das Gewicht des anderen Mannes auf seiner Körpermitte.

Der körperliche Schmerz war fast unerträglich, und Wellen der Pein strahlten von seiner Hüfte durch seinen gesamten Körper. Das war aber nichts im Vergleich zu der Todesangst, die ihn erfasste. Auf ihm lag ein Mann mit einem Gürtel, und er hatte keine Möglichkeit sich zu befreien.

Kurzzeitig wurde ihm bewusst, dass er nun das gleiche Entsetzen durchlebte wie so viele der Opfer, die er untersucht hatte. Dann beschloss er, dass er ihr Schicksal nicht teilen würde, und hörte auf sich zu wehren. Stattdessen drückte er seine Stirn gegen den Teppich und legte seine geballten Fäuste unter seinen Hals, um ihn vor dem, was kommen würde, zu schützen.

Einen Augenblick später wurde der Gürtel über seinen Kopf gestreift, und der Mann versuchte, ihn zwischen Garlands Stirn und dem Teppich hindurch bis zu seinem Hals zu ziehen. Durch dieses Zerren wurden Hautfetzen von seiner Stirn gerissen. Garland ignorierte das, öffnete seine Fäuste und umklammerte den Gürtel, so dass seine Hände zwischen dem Gürtel und seinem Hals lagen.

Den Mann auf ihm schien das nicht zu interessieren. Er zog so fest zu, dass Garlands eigene Fingerknöchel in seinen Adamsapfel drückten, so dass er nach Luft schnappte. Der Geruch seiner Latexhandschuhe stieg ihm in die Nase. Er schluckte schwer und versuchte, den Gürtel wegzudrücken, während er panisch darüber nachdachte, was er tun könnte.

Verzweifelt sah er sich um. Alles war undeutlich und verschwommen. Da musste es doch etwas geben, das er erreichen, oder ein Manöver, das er ausprobieren könnte. Es musste doch einen Weg geben, seinen Angreifer auszutricksen. 45 Jahre, in denen er Killer überführt hatte, konnten doch nicht auf diese Weise enden.

Aber da gab es nichts – nichts zu umfassen, und keine Möglichkeit zu schreien. Er saß fest. Er würde auf diesem Teppich in diesem Haus sterben, nur wenige Meter von Leuten entfernt, die darauf warteten, dass ihre Hunde ihr Geschäft verrichteten, damit sie wieder nach Hause gehen konnten. Es gab für ihn keinen Ausweg.

Aber als sein Atem schwerfällig und seine Gedanken unzusammenhängend wurden, wurde ihm klar, dass das nicht ganz stimmte. Er würde das hier zwar wahrscheinlich nicht überleben, aber zumindest würde er einen Hinweis darauf hinterlassen können, wer es getan hatte. Detective Hernandez würde seinen Tod mit Sicherheit untersuchen. Und wenn dem so wäre, würde er sich mit Jessie Hunt beratschlagen. Wenn Garland einen Anhaltspunkt würde hinterlassen können, wer das hier getan hatte, dann würde Jessie ihn finden können. Wenn jemand dazu in der Lage war, dann sie.

Also beschloss er, das einzige zu tun, das ihm einfiel. Er drückte seinen Körper so fest er konnte nach unten in den Teppich, so weit weg wie möglich von dem Mann über ihm. Dann, als er spürte, dass der Mann am festesten zog, hörte er auf sich zu wehren, so dass er mit einem Ruck nach oben gerissen wurde, wobei er seinen Kopf heftig nach hinten schnellen ließ.

Er hatte gehofft, dass er das Gesicht des Mannes treffen und eine Beule hinterlassen würde. Stattdessen spürte er, wie die Rückseite seines Schädels gegen etwas Hartes, aber weniger Hervorstehendes knallte. Er hörte ein Knacken. Der Mann jaulte auf und lockerte seinen Griff etwas. Garland vermutete, dass es sein Schlüsselbein war.

Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht sich freizuwinden, aber er wusste, dass das nichts bringen würde. Der andere Mann war immer noch im Vorteil. Stattdessen nutzte er den kurzen Moment, um nochmal schwer zu schlucken und seinen Kopf erneut nach hinten zu werfen. Das Aufschreien des Mannes bedeutete ihm, dass er das Ziel erneut getroffen hatte.

Aber das schien den Mann nur noch mehr anzuspornen. Garland spürte, wie sich der Gürtel noch fester um ihn schlang, und er konnte seine Fäuste nicht mehr darum schließen. An seinem Handrücken fühlte er das Pumpen des Blutes in seiner Halsschlagader. Ein weiteres gewaltsames Ziehen zerquetschte seine Luftröhre, und er hörte sich selbst leise röcheln.

Plötzlich ließen die Schmerzen in seiner Hüfte, seinem Rücken, seinen Händen und seiner Kehle nach. Er fragte sich, woran das liegen könnte. Und dann hatte er seinen letzten, kohärenten Gedanken: Er verlor das Bewusstsein, und sein Lebensende nahte.




KAPITEL ACHT


Jessie setzte sich kerzengerade im Bett auf.

Ryans klingelndes Handy hatte sie aus dem erholsamsten Schlaf, den sie seit Wochen gehabt hatte, gerissen. Sofort erkannte sie den Klingelton. Es war Captain Decker. Sie schaute auf die Uhr auf ihrem Nachttisch. Es war 2:46 Uhr morgens. Wenn der Captain ihres Polizeireviers um diese Uhrzeit anrief, dann musste es sich um etwas Ernstes handeln.

„Hallo“, nuschelte Ryan schließlich, nachdem er mehrere Sekunden lang an seinem Handy herumgefummelt hatte.

Jessie konnte Deckers Stimme hören, aber er redete leiser als sonst und sie verstand nicht, was er sagte. Allerdings merkte sie, dass sich Ryan unvermittelt versteifte.

„Okay“, sagte er leise, machte das Licht an und setzte sich im Bett auf.

Decker redete noch eine halbe Minute weiter und Ryan hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen.

„Werde ich“, sagte er schließlich und legte auf.

„Was ist los?“, fragte Jessie.

Ryan stand vom Bett auf, wandte das Gesicht von ihr ab und zog seine Hose an.

„Es gab erneut einen Mord in Manhattan Beach“, erwiderte er leise, „im gleichen Haus wie der vorherige Mord, um genau zu sein. Decker will, dass ich sofort hinfahre.“

Etwas an seiner Stimme irritierte sie, allerdings war sie sich nicht sicher, was genau. Er schien sich sehr zusammenzureißen.

„Was ist los, Ryan?“, fragte sie. „Du verhältst dich komisch.“

Er drehte sich zu ihr um und sie hatte den Eindruck, seine Augen wären feucht. Es schien, als wolle er ihr etwas sagen, aber dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und sie wusste, dass er es sich anders überlegt hatte.

„Ich bin wohl einfach nur durch den Wind. Hab nicht damit gerechnet, mitten in der Nacht durch so eine Nachricht geweckt zu werden. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“

Sie hatte immer noch den Eindruck, dass er etwas vor ihr verbarg, wollte aber nicht nachbohren.

„Kann ich etwas für dich tun?“

„Danke, nein. Du solltest versuchen wieder zu schlafen. Das Beste, was du jetzt tun kannst, ist, auf dich selbst zu achten.“

„Okay“, erwiderte sie, dann fragte sie: „Triffst du dich dort mit Garland?“

Ryan nahm einen großen Schluck aus dem Wasserglas, bevor er ihr antwortete.

„Er ist bereits dort“, sagte er und stand auf.

„Ziemlich beeindruckend für einen alten Mann“, bemerkte sie und konnte ihre Verwunderung kaum verbergen. „Dieser Typ steckt voller Überraschungen.“

„Er ist schon eine Nummer“, erwiderte Ryan, beugte sich nach unten und küsste sie auf die Stirn. „Versuch, wieder einzuschlafen. Morgen Früh melde ich mich bei dir.“

„Ich liebe dich“, sagte Jessie und legte sich wieder hin.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte er leise, dann machte er die Nachttischlampe aus und verließ das Zimmer.

Trotz Ryans mahnender Worte konnte Jessie nicht wieder einschlafen. Während der nächsten 20 Minuten drehte sie sich hin und her, fand aber keine angenehme Schlafposition. Die ganze Zeit über musste sie an Ryans Verhalten denken, als er mit Decker telefoniert hatte.

Während er Deckers Ausführungen zugehört hatte, hatte Ryan einen Gesichtsausdruck gehabt, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Das waren nicht nur Schock oder Traurigkeit gewesen, sondern eine Kombination aus beidem, die bedeutsamer und tiefgehender zu sein schien. Und dann fiel es ihr ein. Einen Augenblick lang, bevor er sich wieder hatte zusammenreißen können, hatte er völlig am Boden zerstört ausgesehen.

Sie setzte sich auf. Es war unmöglich, jetzt wieder einzuschlafen. Sie ging ins Bad und bespritzte sich das Gesicht mit Wasser. Sie betrachtete sich im Spiegel und war erfreut, dass ihre Augen zur Abwechslung mal nicht vor Erschöpfung rot umrandet waren. Gut, das würde sich rasch ändern, wenn sie auf ihren restlichen Schlaf verzichten würde, wie es nun den Anschein hatte.

Sie ging zurück zum Bett und setzte sich darauf. Dann dachte sie wieder an Ryans Gesichtsausdruck, als Decker begonnen hatte, mit ihm zu reden. Was auch immer der Captain gesagt hatte, etwas stimmte ganz und gar nicht.

Sie griff nach ihrem Handy und wollte Garland anrufen, überlegte es sich aber anders. Ryan hatte gesagt, dass er bereits am Tatort war. Das bedeutete, dass er beschäftigt sein würde und nicht auf ihre Fragen würde reagieren können. Stattdessen rief sie den diensthabenden Beamten in der Central Station an und ließ sich die Adresse in Manhattan Beach geben.

Ohne sich selbst einzugestehen, was sie da eigentlich tat, zog sie sich an. Fünf Minuten später war sie fertig. Sie hinterließ eine Notiz für Hannah, die sie unter deren Zimmertür hindurch schob. Dann verließ sie die Wohnung und reaktivierte auf dem Weg zu ihrem Auto wieder alle Alarmsysteme.

Sie wusste, dass Ryan und Garland stinksauer sein würden, wenn sie am Tatort auftauchte. Aber das war ihr egal. Etwas stimmte nicht. Das spürte sie ganz deutlich.




*



Auch wenn sie sich einmal verfahren hatte, schaffte Jessie es innerhalb kürzester Zeit zum Strand.

Während der Rush-Hour hätte sie bestimmt über eine Stunde gebraucht. Aber um 3:30 Uhr morgens dauerte es weniger als eine halbe Stunde, auch wenn sie eine Ausfahrt verpasst hatte. Die Straßen waren fast leer. Als sie sich der Küste näherte, zog eine dicke Nebelwand auf, die jede Straßenlaterne umhüllte und sie wie einen einsamen Leuchtturm aussehen ließ. Das verlieh dem frühen Morgen etwas Gespenstisches und Trostloses.

Als sie ankam, parkte sie an der Manhattan Avenue, westlich vom Pier und etwa einen Block von der Adresse, zu der sie das Navi geleitet hatte, entfernt. Raschen Schrittes ging sie den Strip entlang. Auch wenn sie den Ozean um diese Uhrzeit nicht sehen konnte, so hörte sie doch die Wellen, die sich am Strand brachen, und so wusste sie, dass er ganz nah war.

Sie brauchte nicht lange zu suchen, um ihr Ziel zu finden. Einmal am Strip angelangt, konnte sie sehen, wie der Nachthimmel, trotz des Nebels, von mehreren Einsatzfahrzeugen erleuchtet wurde. Als sie sich dem Haus näherte, zählte sie mindestens ein halbes Dutzend Polizeiautos, einen Krankenwagen und einen Leichenwagen. Das gesamte Gebiet um die Villa herum war abgeriegelt und mehrere Beamte hielten Wache, damit die Neugierigen nicht zu nahe an das Haus herankamen.

Sie näherte sich einem ängstlich dreinblickenden, jungen Beamten und hielt ihm ihre Marke hin, da sie vermutete, dass sie an ihm am einfachsten vorbeikommen würde.

„Ich arbeite mit Detective Hernandez“, sagte sie ungerührt. „Können Sie mir sagen, wo er ist?“

„Er ist oben“, erwiderte der Beamte. Auch wenn sie ihn nicht kannte, hatte Jessie den Eindruck, dass er junge Mann ungewöhnlich erschüttert wirkte. Sie sah auf sein Namensschild.

„Geht es Ihnen gut, Officer … Timms?“

„Ja, Ma’am“, versicherte er ihr und riss sich zusammen. „Es ist nur so – ich habe das Opfer gekannt. Ich mochte ihn. Und dann war ich derjenige, der ihn gefunden hat.“

„Das kann ich gut nachvollziehen“, sagte sie und klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Es ist immer schwer, wenn man sich persönlich kannte.“

„Das stimmt, Ma’am“, erwiderte er und hob das Polizeiband, so dass sie darunter hindurch gehen konnte.

„Wie haben Sie das Opfer so spät nachts gefunden?“

Sie merkte, dass die Frage etwas anschuldigend rüberkam, was sie allerdings nicht beabsichtigt hatte.

„Er sollte den Schlüssel nach ein paar Stunden zurückbringen. Als er nicht zurückkam, bin ich hingefahren, um nach ihm zu sehen, und …“ Er unterbrach sich, da ihn die Gefühle übermannten.

Jessie wollte fragen, warum jemand der Polizei so spät einen Schlüssel zurückgeben wollte, aber sie sah, dass der junge Mann nicht weiterreden konnte, also beließ sie es dabei.

„Danke für Ihre Hilfe, Officer“, sagte sie stattdessen. Da sie nicht wusste, was sie sonst noch sagen konnte, um ihn zu trösten, ging sie zum Haus.

Sie zeigte dem Beamten, der die Tür bewachte, ebenfalls ihre Marke. Dieser trat zur Seite, um sie reinzulassen. Sie schaute auf den Boden des Foyers und sah die Kreide, die wohl zu dem ersten Opfer gehörte. Dann blickte sie nach oben, wo sie mehrere Stimmen hören konnte. Eine davon klang wie Ryans.

Sie ging in Richtung der Treppe, als ein weiterer Beamter, der an deren Fußende stand und aussah wie ein Sergeant, seine Hand hob. Im Gegensatz zu Officer Timms war er älter und sah kriegserfahrener aus.

„Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?“, fragte er höflich, aber bestimmt.

„Ich arbeite mit Detective Hernandez zusammen“, sagte sie und hielt ihre Marke zum dritten Mal hoch.

„Ich werde ihn wissen lassen, dass Sie hier sind“, sagte der Sergeant, auf dessen Namensschild „Breem“ stand, trat aber nicht zur Seite.

„Ich höre seine Stimme“, sagte sie gereizter, als ihr lieb war. „Ich kann ihn selbst wissen lassen, dass ich da bin, wenn ich oben bin.“

„Es tut mir leid, Ma’am. Detective Hernandez hat sehr deutlich gemacht, dass niemand ohne seine ausdrückliche Erlaubnis nach oben gehen darf. Er will, dass in diesem Fall gründlich und vorschriftsmäßig vorgegangen wird.“

„So ist er bei jedem Fall“, antwortete Jessie mit Nachdruck. „Was macht diesen Fall anders?“

Der Sergeant sah sie verblüfft an. Er öffnete den Mund, um zu antworten, doch bevor er etwas sagen konnte, hörte sie eine vertraute Stimme aus dem zweiten Stock rufen.

„Jessie?“, fragte Ryan und sah vom Treppenabsatz herunter. „Was machst du denn hier?“

Sie sah zu ihm auf und konnte sofort erkennen, dass ihm etwas zu schaffen machte. Und zwar etwas, das nichts damit zu tun hatte, dass sie unangekündigt aufgetaucht war. Sie starrte ihn an und ein Gefühl der Furcht begann, sich in ihr breitzumachen. Sie rannte die Treppe hinauf, bevor Sergeant Breem sie aufhalten konnte. Er begann ihr zu folgen, aber sie sah, wie Hernandez den Kopf schüttelte.

„Es ist okay, Sergeant“, sagte er.

„Was ist los, Ryan?“, fragte sie leise, als sie ihn oben erreichte.

„Ich muss draußen unter vier Augen mit dir reden“, flüsterte er.

„Nein. Was ist hier los? Wo ist Garland?“, fragte sie, ging an ihm vorbei und schaute ins Schlafzimmer.

Sie blinzelte langsam und hoffte, dass das, was sie auf dem Schlafzimmerboden sah, eine Fata Morgana war. Aber als sie die Augen wieder öffnete, war er immer noch da. Zwischen dem Gerichtsmediziner und einem Tatort-Techniker lag Garland Moses auf dem Boden. Er war tot.




KAPITEL NEUN


Jessie spürte, wie ihre Brust sich zusammenzog, und sie konnte kaum atmen.

Sie versuchte zu sprechen, aber alles, was sie zustande brachte, war ein leises Röcheln. Sie schluckte mehrmals, um ihren plötzlich trocken gewordenen Hals zu befeuchten. Dann streckte sie ihre Hand nach der Brüstung aus und sah Ryan mit zusammengekniffenen Augen an, als würde das vielleicht etwas ändern.

„Es tut mir leid“, sagte er und streckte die Hand nach ihr aus.

Sie schüttelte heftig den Kopf und er blieb stehen.

„Was?“, fragte sie abwesend, obwohl sie ihn ganz genau gehört hatte.

„Komm mit“, sagte er, ergriff ihren Arm und führte sie zu einem Balkon am Ende des Flurs.

Er drehte sich zu ihr und öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Er schloss ihn wieder und schien mit sich zu ringen, wie er am besten anfangen sollte. Dann versuchte er es nochmal.

„Es sieht so aus, als sei er gestern Abend hierher zurückgekommen, um eine Spur zu verfolgen. Nach dem, was wir bisher herausgefunden haben, scheint er im Hauptschlafzimmer angegriffen worden zu sein. Es gab eindeutig einen Kampf. Er wurde ermordet, zu Tode erdrosselt.“

Jessie spürte, wie ihr Verstand außer Kontrolle geriet und die Gedanken nur so hin und her stoben. Sie versuchte, ihn zu bändigen. Ein Teil ihres Gehirns stellte bereits Fragen zum Tathergang. Aber wütend über sich selbst brachte sie ihn zum Schweigen und drückte ihre Augen fest zu, als könne sie ihre Gedanken damit irgendwie abstellen.

Garland. Er war tot. Der legendäre Profiler, mit dem sie sich anfangs nicht getraut hatte, zu reden. Der Mann, der dann irgendwann ihr Mentor geworden war und später ein Vertrauter, dem sie ihre dunkelsten Geheimnisse anvertraut hatte. Nie wieder würde er sie aufziehen oder auf die Probe stellen oder sie unterstützen. Er war nicht mehr da.

Jessie spürte, wie eine Welle der Trauer über sie hinweg rollte, und sie hörte die echten Wellen in der Ferne. Es war, als kannte der Ozean ihren Schmerz und versuchte, einen dazugehörigen Soundtrack zu kreieren. Sie beugte den Oberkörper nach vorne und zwang sich, mehrmals tief einzuatmen, bevor sie wieder etwas sagen würde.

Als sie den Eindruck hatte, dass sie ihren Körper wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, richtete sie sich wieder auf. Ryan betrachtete sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck.

„Es geht mir gut“, sagte sie, zweifelte aber daran, dass das stimmte. „Bring mich auf den neuesten Stand.“

Ryan starrte sie an, als sei sie verrückt geworden.

„Das kann ich nicht“, sagte er ungläubig. „Du bist momentan nicht in der Verfassung, ein Verbrechen zu analysieren.“

„Und du bist es?“, fragte sie und spürte, wie sich in ihrem Bauch Wut breitmachte, die ihm gegenüber allerdings völlig unangemessen war. „Du hast ihn auch gekannt.“

„Ja“, räumte Ryan ein. „Ich kannte ihn und ich mochte ihn. Aber ich stand ihm bei weitem nicht so nahe wie du. Dennoch war es schrecklich für mich. Tatsächlich habe ich Trembley angerufen, damit er mir hilft, da es mir so zu schaffen machte.“

„Ist er nun da drinnen?“, fragte Jessie. Alan Trembley war der Junior Detective in der Sondereinheit der Mordkommission der Central Station. Trotz seiner jungen Jahre war er ein dynamisches und kompetentes Mitglied des Teams.

„Ja, und er leistet hervorragende Arbeit. Ich werde ihn bitten zu übernehmen, damit ich dich nach Hause bringen kann.“

„Nein“, beharrte sie. „Ich will nicht, dass du etwas Wichtiges verpasst, weil du nicht da warst.“

„Jessie. Wir haben da drinnen alles unter Kontrolle. Wir nutzen bei dieser Untersuchung nicht das MBPD. Die Beamten dort bei Trembley sind aus unserem Revier. Der stellvertretende Gerichtsmediziner und die Tatort-Techniker gehören uns. Captain Decker bestand darauf, unsere eigenen Leute einzusetzen, und der Chief von Manhattan Beach hat keinerlei Widerspruch geleistet. Es werden gerade Fotos gemacht und Videos gedreht. Alles, was getan werden kann, wird getan. Lass mich dich nach Hause bringen. Ich werde veranlassen, dass jemand dein Auto zurückfährt. Glaub mir, du willst da nicht reingehen.“

Jessie blickte über seine Schulter hinweg auf den Strand in der Ferne. Der Nebel begann sich langsam zu verziehen. Zwar konnte sie das Wasser immer noch nicht sehen, allerdings die schemenhaften Figuren einiger Leute, die dort entlang spazierten.

Wer geht um diese Zeit am Strand spazieren?

Sie schüttelte den Kopf, wütend über sich selbst.

Das ist doch jetzt völlig egal. Reiß dich zusammen!

„Okay“, erwiderte sie schließlich. „Aber lass uns zuerst dorthin gehen.“

Ryan schaute in die Richtung, in die sie deutete, und nickte.

„Warte nur einen Augenblick“, sagte er. „Ich will erst noch Trembley Bescheid sagen, was hier los ist.“

„Mach ruhig“, sagte sie geistesabwesend. „Wir sehen uns am Strand.“

Ryan führte sie die Treppe hinunter, dann ging er wieder rauf. Jessie trat aus der Eingangstür, fand ein paar Stufen, die vom Strip hinunter auf einen Fahrradweg führten, und dahinter begann der Strand. Sie zog ihre Schuhe aus und hielt sie mit den Fingern an den Fersen fest. Dann ging sie in Richtung des Wassers.

Obwohl es Frühsommer war, war der Sand um diese Zeit noch ganz kühl. Er bewegte sich unter ihren Füßen und bahnte sich seinen Weg zwischen ihre Zehen. Sie ging langsam, als versuchte sie das Gleichgewicht zu halten, und folgte dabei eher dem Geräusch der Wellen als ihren Augen. Als sie näher kam, sah sie eines dieser alten, blauen Rettungsschwimmer-Häuschen.

Sie ging daran vorbei und merkte, dass der Sand nun härter und komprimierter war. Nach ein paar Schritten spürte sie die klamme Feuchtigkeit unter ihren Füßen, wo die Strömung soeben hinübergeschwappt war. Jetzt konnte sie das Wasser sehen. Welle um Welle krachte übereinander und kreierte eine schaumige Gischt, die gierig leckend nach vorne strömte und sich um ihre Zehen kräuselte. Ein kurzes Stück davor setzte sie sich hin und betrachtete die Wellen.

Nach einer Weile – sie wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war – kam Ryan und setzte sich neben sie. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie streckte die Hand aus, und er ergriff sie. Sie lehnte sich seitlich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. Sie dachte, dass die tosenden Wellen vielleicht ihr Weinen verschlucken würden. Aber sie war sich dessen nicht sicher, und es war ihr im Grunde genommen auch egal.




*



Er beobachtete das Geschehen, bis die Sonne aufging.

Anfangs war es schwierig wegen des Nebels, und weil er mehrere Blocks entfernt war. Aber nachdem er im Wandschrank des Hauptschlafzimmers ein Fernglas gefunden hatte, war er auf die Dachterrasse geklettert und beobachtete nun das Geschehen sechs Blocks weiter unten am Strip, wo es passiert war.

All das hatte ihn auf seltsame Weise erregt. Es hatte etwas Befriedigendes an sich zu wissen, dass er die Ursache dieser Symphonie an Sirenen während der vergangenen zwei Nächte war. Allerdings verstand er nicht ganz, warum. In der ersten Nacht hatte es noch einen Sinn ergeben. Aber die Reaktion der Polizei in der vergangenen Nacht schien sogar noch extremer gewesen zu sein als in der Nacht davor. Vielleicht entging ihm da etwas.

Als schließlich die Sonne im Osten über die Hügel stieg, zog er sich in das Haus zurück, dessen er sich momentan bemächtigt hatte. Er wollte eigentlich schlafen, aber das war gar nicht so einfach bei all der Aufregung. Seine Gedanken kehrten zurück zu dem, was er getan hatte, was er genommen hatte.

Er hatte nie vorgehabt, diese Frau zu töten. Schließlich hatte er sich im Haus der Blooms nur um seinen eigenen Kram hatte kümmern wollen; in dem Haus, das sie im Sommer immer wochenlang leer stehen ließen. Er hatte niemanden gestört.

Aber dann war diese wichtigtuerische Frau von nebenan aufgetaucht, mit ihrem Plastikkörper und ihrem noch künstlicheren Lächeln. Er hatte gedacht, dass sie nach einer Weile wieder gehen würde, aber dann war sie ins Haus eingedrungen und hatte das gleiche Verbrechen begangen wie er. Er hatte gehofft, dass sie einfach wieder verschwinden und ihn zu seinem Leben zurückkehren lassen würde. Aber nein, sie hatte ja neugierig werden und sich selbst eine Führung durchs Haus gönnen müssen. Wenn sie sich das bloß verkniffen hätte, dann wäre sie heute vielleicht noch am Leben.

Aber sobald sie ihn gesehen hatte, hatte er keine Wahl gehabt. Wahrscheinlich hätte sie ihn der Polizei beschrieben, und dann wäre er in einer wirklich brenzligen Lage gewesen. Also hatte er sie aufhalten, sie zum Schweigen bringen müssen. Er hatte es nicht zulassen dürfen, dass sie ihm seinen Lebensstil wegnimmt, selbst wenn er diesen nur zeitweise hatte führen können.

Also hatte er sie erwürgt. Anfangs hatte er einen Adrenalinrausch gehabt, als er sie gegen die Tür gestoßen und ihr anschließend den Strumpf um den Hals gewickelt hatte. Als sie sich dann wirklich mit Händen und Füßen gewehrt hatte, waren ihm kurzzeitig Zweifel gekommen: Vielleicht sollte er sie einfach nur bewusstlos machen und dann irgendwohin, an einen anderen Ort, abhauen.

Aber dann hatte sich wieder die alte Wut in ihm breitgemacht. Warum sollte er denn gehen, nur um es einer weiteren reichen Ziege recht zu machen? Das hatte er in seinem Leben oft genug getan. Und plötzlich hatte er ihren Hals noch fester zugedrückt und sich vorgestellt, dass sie eines dieser Models wäre, die getan hatten, was immer er verlangt hatte, die ihn aber jetzt keines Blickes mehr würdigten. Er hatte zugesehen, wie der Strumpf in ihr Fleisch eingedrungen war und ihr die Luftzufuhr abgeschnitten hatte, und er hatte eine beinahe orgasmische Erregung gespürt, als ihm klar geworden war, dass ihr Leben wortwörtlich in seinen Händen lag.





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„Ein Meisterwerk der Thriller und Mystery-Romane. Blake Pierce hat hervorragende Arbeit geleistet, indem er Charaktere entwickelt hat, die so gut beschrieben sind, dass wir uns in ihren Köpfen fühlen, ihren Ängsten folgen und ihren Erfolg herbeiwünschen. Dieses Buch garantiert Ihnen aufgrund der vielen Wendungen Spannung bis zur letzten Seite." . –Bücher und Filmkritiken, Roberto Mattos (Verschwunden) . DIE PERFEKTE NACHBARIN ist Buch Nr. 9 in einer neuen Psychothriller-Reihe des Bestsellerautors Blake Pierce, die mit Die Perfekte Frau beginnt, einem Bestseller mit fast 500 Fünf-Sterne-Rezensionen (und kostenlosem Download). . In einer exklusiven und wohlhabenden Wohngegend in Manhattan Beach zieht eine neue Nachbarin in eine Villa ein. Bald darauf wird sie tot aufgefunden. Der Fall führt Jessie in eine weitere wohlhabende Küstenstadt, die schlechte Erinnerungen an ihre Ehe hervorruft und sie zwingt, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen, während sie versucht, die Lügen dieser scheinbar perfekten Stadt aufzudecken… Hängt der Mord mit einer exklusiven Elitepartei zusammen?. Oder kommt ein noch ruchloseres Motiv in Frage?. Erschwerend kommt hinzu, dass Jessies Ehemann aus dem Gefängnis entlassen wurde – und erneut eine potenzielle Bedrohung für sie darstellt… DIE PERFEKTE NACHBARIN ist ein mitreißender Psychothriller mit unvergesslichen Charakteren und dramtischer Spannung. Es ist Buch Nr. 9 in einer fesselnden neuen Reihe, die Ihnen schlaflose Nächte bescheren wird..

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