Книга - Köder Null

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Köder Null
Jack Mars


Ein Agent Null Spionage-Thriller #8
„Sie werden nicht schlafen, bis Sie AGENT NULL zu Ende gelesen haben. Ein erstklassiges Werk, mit einer Reihe von gut entwickelten, sehr genießenswerten Figuren. Die Beschreibung der Action-Szenen befördert uns direkt in eine Realität, in der man meinen könnte, man säße im Kino mit Surround-Sound und 3D (es würde wirklich einen tollen Hollywood Film abgeben). Ich kann die Fortsetzung kaum abwarten.”. –Roberto Mattos, Books and Movie Reviews. KÖDER NULL ist Buch #8 der #1 Bestseller AGENT NULL-Reihe, die mit AGENT NULL (Buch #1) beginnt. Es erhielt fast 200 Fünf-Sterne-Rezensionen und kann kostenlos herunterladen werden… Ein neues high-tech Schienengewehr, das die Fähigkeit hat, eine unaufhaltsame Rakete mit einer Geschwindigkeit sieben Mal so schnell wie Schall zu feuern, wurde erfunden - und das Schicksal Amerikas ist bedroht. Wer oder was ist das Zielobjekt? Und wer steckt hinter dem Abschuss?. In einem verrückten Wettstreit gegen die Zeit muss Agent Null all seine Fähigkeiten einsetzen, um die Quelle dieser unaufhaltsamen Waffe zu entdecken und ihr Ziel herauszufinden, bevor es zu spät ist… Doch gleichzeitig erfährt Null von einer schockierenden Neuentwicklung in seinem mentalen Zustand, die ihn endgültig außer Gefecht setzen könnte. Kann er die Welt retten - und kann er sich selbst retten?. KÖDER NULL (Buch #8) ist ein Spionage-Thriller, den man einfach nicht aus der Hand legen kann. . „Thriller-Schriftstellerei vom besten.”. –Midwest Book Review (in Bezug auf Koste es was es wolle). „Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe.”. –Books and Movie Reviews (in Bezug auf Koste es was es wolle). Jack Mars’ #1 Bestseller LUKE STONE THRILLER Serie (7 Bücher) ist ebenfalls erhältlich. Sie beginnt mit Koste es was es wolle (Buch #1), das gratis heruntergeladen werden kann und über 800 fünf-Sterne-Rezensionen erhielt!





Jack Mars

KÖDER NULL




K Ö D E R   N U L L




(EIN AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER—BUCH 8)




J A C K   M A R S



Jack Mars

Jack Mars ist der USA Today Bestseller Autor der LUKE STONE Thriller Serie, welche sieben Bücher umfasst (und weitere in Arbeit). Er ist außerdem der Autor der neuen WERDEGANG VON LUKE STONE Vorgeschichten Serie und der AGENT NULL Spionage-Thriller Serie.



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Copyright © 2019 durch Jack Mars. Alle Rechte vorbehalten. Außer wie gemäß unter dem US Urheberrecht von 1976 ausdrücklich gestattet, darf kein Teil dieser Veröffentlichung auf irgendeine Weise oder in irgendeiner Form, reproduziert, verteilt oder übertragen, oder in einem Datenbank- oder Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne zuvor die ausdrückliche Erlaubnis des Autors eingeholt zu haben. Dieses E-Book ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieses E-Book darf kein zweites Mal verkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch an andere Personen weitergeben wollen, so erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen, ohne es käuflich erworben zu haben oder es nicht für Ihren alleinigen Gebrauch erworben wurde, so geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit des Autors respektieren. Es handelt sich um eine fiktive Handlung. Namen, Charaktere, Geschäfte, Organisationen, Orte, Ereignisse und Zwischenfälle entspringen entweder der Fantasie des Autors oder werden fiktional benutzt. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen, ob tot oder lebendig, sind zufälliger Natur. Bild des Buchumschlags Copyright GlebStock, unter Lizenz von Shutterstock.com verwendet.



BÜCHER VON JACK MARS




LUKE STONE THRILLER SERIE

KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1)

AMTSEID (Buch #2)

LAGEZENTRUM (Buch #3)

UMGEBEN VON FEINDEN (Buch #4)

DER KANDIDAT (Buch #5)


DER WERDEGANG VON LUKE STONE

PRIMÄRZIEL (Buch #1)

PRIMÄRKOMMANDO (Buch #2)


EINE AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER SERIE

AGENT NULL (Buch #1)

ZIELOBJEKT NULL (Buch #2)

JAGD AUF NULL (Buch #3)

EINE FALLE FÜR NULL (Buch #4)

AKTE NULL (Buch #5)

RÜCKRUF NULL (Buch #6)

ATTENTÄTER NULL (Buch #7)

KÖDER NULL (Buch #8)


EINE AGENT NULL KURZGESCHICHTE





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Agent Null – Zusammenfassung von Buch 7

Nachdem er wieder zum Service der Agenturzurück gezwungen wurde, wird CIA-Agent Kent Steele auf die Spur einer mysteriösen Ultraschallwaffe angesetzt. Dabei verfolgt er eine radikale Gruppe mit unbekannten Zielen, die sich im Besitz einer stillen doch tödlichen Maschine befindet, die kaum geortet werden kann.Aberneue Erinnerungen plagen sein Gedächtnis mit alten Geheimnissen. Obwohl er von seiner schattenhaften Vergangenheit gequält wird, muss sich Agent Null zuerst um die Sicherheit von Millionen von Menschen kümmern - es könnte aber zu spät für ihn sein, sich selbst zu retten.



Agent Null: Während er die aufständische Gruppe verfolgte, die für die Ultraschallangriffe in den USA verantwortlich war, kamen alte Erinnerungen aus Nulls gespenstischer Vergangenheit wieder hoch. Es ging dabei um Attentate, die er am Anfang seiner CIA-Karriere verübte. Da er sich nicht sicher war, ob sie real oder eine Fantasie waren, suchte Null sich Hilfe bei dem schweizer Neurologen Dr. Guyer. Jedoch stellte dieser ihm eine finstere Diagnose. Es zeigte sich eine Verschlechterung im Zustand seines Gehirnes. Wie schnell die fortschritte, wäre zwar unklar, doch Guyer glaubte, dass sie ihn letztendlich töten würde. Null behielt diese Nachrichten für sich und entschied sich stattdessen dazu, sein Leben so weit wie möglich mit seinen Töchtern und der erneut auflebenden Beziehung mit Maria auszuleben.



Maria Johansson: Nachdem sie sich Befehlen der CIA und des Präsidenten widersetzte, trat Maria von ihrer Stelle als stellvertretende Direktorin zurück und begann wieder auf ihrem alten Posten als Spezialagentin. Null selbst informierte sie über seine erneuten Gedächtnisprobleme und auch darüber, dass er glaubte, in der Vergangenheit ein Auftragskiller gewesen zu sein.



Maya Lawson: Nachdem drei Jungen versucht hatten, sie in einem Umkleideraum in West Point  anzugreifen, verließ Maya die Militärakademie - allerdings fand sie zuvor noch heraus, dass ihre jüngere Schwester Sara aus der Rehabilitationsanstalt verschwunden war, zu der sie geschickt worden war. Maya rettete sie, kurz bevor Menschenhändler sie von einer Strandpromenade kidnappen wollten, und brachte sie nach Hause. Doch auch Maya kämpft mit ihrer eigenen Dunkelheit in sich und fragt sich, ob der von ihr gewählte Weg der beste für sie ist.



Sara Lawson: Da sie immer noch mit ihrer Drogenabhängigkeit kämpfte, checkte ihr Vater sie in eine Rehabilitationsanstalt in Virginia Beach ein. Sie flüchtete während ihrer ersten Nacht und ließ auf der Suche nach einer Dosis alle Vorsicht außer Acht. Nach einem grauenvollen Vorfall an einer Strandpromenade, bei dem Menschenhändler sie fast gekidnappt hätten, wurde Sara von Maya und Alan Reidigger gerettet und nach Hause gebracht.



Mischa: Sie ist die einzige Überlebende der aufständischen Gruppe, die hinter den Ultraschallanschlägen stand. Mischa ist ein zwölfjähriges, russisches Mädchen, das von sehr jung auf indoktriniert und als Spionin und Auftragskiller trainiert wurde. Null und Maria nahmen sie fest und übergaben sie der CIA.



Präsident Jonathan Rutledge: Der ehemalige Sprecher des Hauses war nach der Amtsenthebung seiner Vorgänger zum Oval Office aufgestiegen. Er dachte zwar daran zurückzutreten, doch Rutledge fühlte sich von Nulls Beharrlichkeit  in seiner Entscheidung verstärkt, im Amt zu bleiben und alles Gute zu vollbringen, was er konnte.




VORWORT


Das Schiff an sich war ein modernes Kunstwerk.

Von Bug bis Heck war es sechzehn Meter lang und vierzehn Seelen fanden bequem darauf Platz. Es brauchte aber nur drei, um es effizient zu besetzen. Zwei Innenbordmotoren mit Dualkalibrierung, die zusammen vierzehnhundert PS hergaben, und die eine Höchstgeschwindigkeit von zweihundertvierzig Stundenkilometern an den Tag legten. Die schwer ortbare Technologie machte es praktisch unsichtbar für Radar, Sonar, Infrarot und fast alle Arten von elektromagnetischer Ortung. Sein Rumpf hatte eine reflektierende Schicht, die bei naher Betrachtung silbrig und fast fließend aussah. So ahmte das Schiff den Fluss des Wasser nach, in dem es tief lag, wenn es ruhte. Aus einer Entfernung von etwa dreihundert Metern oder mehr erschien es aber nur unscharf und verschwommen, vielleicht eine Hitzewallung, eine Spiegelung des Ozeans oder auch einfach nur eine Sinnestäuschung.

Genau deshalb nannte man es Banjjag-Im, oder aus seinem muttersprachlichen Koreanisch grob auf Englisch, die gemeinsame Sprache der internationalen Crew, übersetzt: die Glimmer.

Trotz all Glimmers Instrumenten und Einrichtungen war sie trotzdem nur ein Beförderungsmittel - nicht nur wortwörtlich, weil sie ein Schiff war, sondern auch, weil sie etwas beförderte, das weitaus wertvoller war. Wie eine vergoldete Truhe oder ein dekoratives Schmuckkästchen enthielt die Glimmer ein wahrhaftes Meisterstück, das versteckt hinter den gekrümmten Querspanten ihres Rumpfes, unter einer automatisierten Aluminiumluke auf eine hydraulische Hebebühne montiert war. Es war das Magnum Opus jener, die es geheim hielten.

Park Eun-ho fand, dass er unfassbares Glück hatte, zu ihnen zu gehören. Er war zwar erst neunundzwanzig und fast zehn Jahre jünger als der Rest der Besatzung, doch seine Arbeit über theoretische Plasmaballistik zählte als unabdingbar für das Projekt. Und ab heute wäre seine Arbeit auch nicht mehr theoretisch. Der Gedanke machte ihn regelrecht schwindlig. Er gab sich allerdings Mühe, das zu verstecken und die Feierlichkeit seiner Kollegen nachzuahmen. Es stimmte schon, dass sein Interesse in dem Feld anfänglich durch Videospiele geweckt wurde, doch das gab er nur sich selbst zu. Vor anderen schwärmte er stundenlang über den Einfluss von Science Fiction auf Erfindungen in der Welt - Handys, Touchscreens, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, sogar Energydrinks - all diese unmöglichen Träume, die solange bestanden, bis sie wissenschaftliche Tatsachen wurden.

Sein Mentor, Dr. Lee von der Universität von Seoul, hatte ihn empfohlen und abgesehen von der erwünschten Nutzlast hatte Eun-ho während der ersten Monate kaum eine Ahnung gehabt, woran er eigentlich arbeitete. Aufgrund seiner Forschungsarbeit wusste er, dass es sich offensichtlich um eine Waffe handelte. Letztendlich mussten die verschiedenen Stränge der Forschung zusammenkommen, weshalb mehrere Ingenieure, die an dem streng geheimen Vorhaben teilnahmen, versammelt wurden.

Eun-ho entdeckte später, dass nur der zwei Männer von Anfang an ganz über die Details informiert waren: Ein General, der dem Verteidigungsministerium angehörte, und ein hochrangiger Politiker, der dem Präsidenten nahestand. Beide gehörten zu der Regierung des Landes, das er Hanguk nannte (romanisiert aus seiner Muttersprache zu Korea, wenn sie Englisch sprachen). Die westliche Welt nannte diesen Staat Südkorea. Eun-ho hatte keinen dieser beiden Männer bisher kennengelernt und sie waren auch nicht an Bord der Glimmer, als sie ihre Jungfernfahrt machte, auf der er einer der zwölf anwesenden Personen war.

Das war ein Privileg, das nur ein kleiner Teil von ihm bereute.

Fast drei Stunden zuvor hatten sie von der südwestlichen Küste abgelegt. Es war zu dieser seltsamen Uhrzeit, die man entweder als sehr spät nachts oder sehr früh morgens bezeichnen könnte, je nach Perspektive. Das Zuhause der Glimmer an der Küste war ein ländlicher Wasserdurchlass an einem steinigen Strand, der von Gefahrenschildern umringt war. Die warnten Reisende davor, dass die Gegend voller nicht explodierter Landminen aus der Zeit des Koreakriegs war. Das stimmte natürlich nicht. Im Schutz der Dunkelheit bestiegen die zwölf das Wunderschiff und fuhren damit hinaus in den Nordpazifik. Während der ersten achtzig Kilometer hielten sie eine nicht eindrucksvolle Geschwindigkeit bei. Die Glimmer war wahrhaftig nicht ortbar, doch sie wollten kein Risiko eingehen, was Satellitenüberwachung der USA oder ihrer spionierenden nördlichen Nachbarn anging. Die waren das Land, das sich immer noch Choson nannte.

Eun-ho bereute weder die Uhrzeit noch die Umstände, sondern vielmehr die Jahreszeit. Im frühen Februar war es sowieso noch ziemlich kalt, aber draußen auf dem Ozean fühlte die Kälte sich schneidend an. Der Wind glitt leicht über den stromlinienförmigen Rumpf des Schiffes und durchdrang Eun-ho erbarmungslos. Die gelegentlichen eiskalten Spritzer aus dem Ozean stachen ihn in die Wangen. Die Innenbordmotoren waren erstaunlich leise, eher ein Brummen unter seinen Füßen als ein hörbares Geräusch. Das könnte jedoch auch teilweise an der Kapuze seines Daunenparkas gelegen haben, die er sich über den Kopf und fest um sein Gesicht gezogen hatte.

Obwohl die Motoren kaum Lärm machten, blieb die Besatzung ernst und still, als ob die Exkursion eine Art von Ehrfurcht verlangte. Unter ihnen befanden sich Forscher, Experten, Doktoren verschiedener Wissenschaften, die Eun-ho nicht erraten konnte. Es war ihm allerdings auch nicht gestattet nachzufragen. Sie selbst kannten nicht einmal ihre vollständigen Identitäten untereinander. Eun-ho war seinen elf Kollegen nur als „Park” vorgestellt worden. Die anglisierte Aussprache seiner nicht-koreanischen Kollegen ärgerte ihn ein wenig. In seiner Muttersprache klang die Aussprache mehr wie „Bahk”.

Trotzdem machte er sich nicht die Mühe, sie zu verbessern.

Zu seiner Linken, auf der gepolsterten Bank in der Nähe des Hecks der Glimmer, saß ein Mann, der ihm als Sun vorgestellt worden war. Er war ebenfalls ein koreanischer Wissenschaftler, doch seine Finger und Knöchel waren so verhornt, dass er auch ein Schreiner oder sonst ein Handwerker hätte sein können. Zu seiner Rechten befand sich ein Europäer mit einem kantigen, glattrasierten Gesicht und aschblondem Haar, das so perfekt gescheitelt und mit Haarpomade poliert war, dass nicht einmal der eiskalte Wind es verwehen konnte. Es war schwer, das Alter des Europäers zu erraten. Er lag irgendwo zwischen verlebten Dreißig und gesunden Vierzig. Er sprach kaum und wenn, dann nur leise. Eun-Ho riet, dass er wahrscheinlich Holländer war.

Am nennenswertesten war jedoch die winkelige Pistole, die an seiner Hüfte eingehalftert war. Sie war matt schwarz und in ein passendes Nylonhalfter geschnallt. Trotz der Tatsache, dass er wortwörtlich auf einer der stärksten und revolutionärsten Waffen der Welt saß, fand er den Anblick der Pistole an der Hüfte des Mannes irgendwie noch verstörender.

„Entschuldigen Sie bitte“, fragte Eun-ho über den Klang des sanften Windes hinweg. Sein Englisch war hervorragend, er lernte es, seit er sieben war. „Wozu dient die?“

Der Europäer schaute ihn ruhig an. „Sicherheit.“

Ah. Er war doch nicht Holländer. Um sich bei dem Wind zu verständigen, musste er seine Stimme erheben. Sie betonte die Konsonanten stark und in Eun-hos Ohr klang sie deutsch. Dennoch befriedigte ihn die Antwort nicht ganz. Wozu bräuchten sie hier draußen, fast fünfhundert Kilometer südöstlich von Japan, Sicherheit? Niemand wusste, dass sie hier waren. Niemand suchte nach ihnen. Die Glimmer war fast unsichtbar.

Vielleicht wäre sie notwendig, dachte Eun-ho, falls sie ihre Meinung über das änderten, was wir hier tun. Er blickte sich so gelassen wie möglich die geröteten, spröden Gesichter seiner Kollegen an. Würden es sich einige von ihnen anders überlegen, nachdem sie die zerstörerische Kraft der Waffe gesehen hatten?

Das Summen der Innenbordmotoren verstummte, gerade als ob es eine Antwort geben wollte, und das Schiff verlangsamte sich. Eun-ho lief ein Schauer über den Rücken, der nicht von dem eisigen Wasser oder dem beißenden Wind stammte. Die Sonne ging auf, verwandelte das dunkle Wasser in Blau und zierte den Himmel mit rosaroten Streifen.

„Meine Herren.” Der Mann namens Kim - nur Kim - stand in der Nähe des Bugs und wandte sich an alle, die Innenflächen seiner mit Handschuhen bekleideten Hände drehte er dabei nach außen. Dann wiederholte er die Phrase auf Englisch für die nicht koreanischen Freunde. Seine eulenhafte Brille und seine Geheimratsecken machten ihn zum wahrhaftigen Stereotypen eines Wissenschaftlers, der Waffen erfindet. Es schien Eun-ho, als stammte er direkt aus einem Science Fiction Roman. „Heute ist ein bedeutsamer Tag. Es ist der Höhepunkt von zwei Jahren unserer gemeinsamen, harten Arbeit. Es ist schade, dass dieses Ereignis von nur so wenigen gesehen wird. Doch seien Sie versichert, meine Freunde, die Welt wird sich an Ihre Namen erinnern.“

„Nur, wenn das verdammte Ding funktioniert“, brummte Sun leise.

Eun-ho hielt ein Lachen zurück.

„Lassen Sie uns anfangen“, fuhr Kim fort. Er nickte zu einem anderen, der hinter einer komplizierten Systemsteuerung für drei Personen stand, direkt hinter der Lenksäule und dem Steuerrad der Glimmer. Er war vom Rest des Schiffes durch eine dicke Windschutzscheibe getrennt, von der Eun-ho wusste, dass sie schusssicher war. Der Mann schob einen Schlüssel in einen Schlitz, drehte ihn um und gab eine vierstellige Kombination in das Tastenfeld ein.

Die Aluminiumtüren im Zentrum des Schiffes hoben sich mit einem schweren Wirren an, sie öffneten sich nach außen wie eine Falltür. Ein tieferes, resonanteres Dröhnen begann, als der hydraulische Aufzug aktiviert wurde. Nach einigen Augenblicken stieg die Waffe aus dem Rumpf der Glimmer wie eine engelhafte Gestalt hervor, die sich bekannt gab. Es war ein schöner Anblick.

Selbst die erfahrensten Experten würden argumentieren, dass ein Plasma-Schienengewehr allerhöchstens Theorie war, doch wahrscheinlich eher Fantasie - und dennoch hatten sie eines gebaut. Nach zwei Jahren Einsatz rund um die Uhr, zerbrochenen Beziehungen, vernachlässigtem Privatleben und einer offen gesagt obszönen Menge an Geld hatten es einige der hellsten Köpfe der östlichen und westlichen Welt geschafft, eine Waffe zu bauen, von der niemand geglaubt hatte, dass sie existieren könnte.

Wenn der hydraulische Aufzug ganz nach oben gefahren war, so ragte die Waffe etwa drei Meter über den Rumpf der Glimmer hinaus. Die beiden parallelen Schienen - sie waren im Grunde genommen der „Lauf“ der Waffe - waren sechs Meter lang. Sie bildeten ein Paar von sehr robusten Elektroden, an denen eine Armatur von ionisierten, gasähnlichen Partikeln mit mehr als siebenfacher Schallgeschwindigkeit rutschen würde. Die effektive Schussweite des Schienengewehrs, soweit ihre Vorhersagemodelle vorsahen, lag bei zweihundertvierzig bis dreihundertzwanzig Kilometern.

Suns Worte hallten in Eun-hos Gedächtnis nach. Nur, wenn das verdammte Ding funktioniert. Natürlich waren alle Systeme des Schienengewehrs wesentlich, doch er dachte gerne, dass seine eigene Arbeit an der Waffe die wichtigste war. Könnte die Waffe schließlich nicht ihr Plasmaprojektil feuern, dann wäre sie komplett nutzlos.

Er war nicht abergläubisch, doch er kreuzte dennoch die Finger einer Hand.

„Hier“, brummte Sun und hielt ihm ein dickes schwarzes Fernglas hin.

Eun-ho nahm es mit einem Nicken an. „Wo?“

Sun deutete mit dem Finger und Eun-hos Blick folgte ihm. Er konnte es kaum erkennen, es war eine undeutliche Form in der immer noch aufgehenden Sonne. Der Müllfrachter war siebzig Meter lang und voll von Abfall aus Seoul. Er war unbemannt und einige schwache Lichter in seinem Umfeld waren die einzige Warnung, damit andere Schiffe nicht mit ihm zusammenstießen. Der Frachter war dort drei Wochen zuvor verankert worden; genau hier, an diesem Ort, speziell für diesen Zweck.

Er war nur achtzehn Kilometer entfernt. Der heutige Test war sozusagen eine Jungfernfahrt. Es ging nicht darum, die volle Reichweite zu testen, sondern vielmehr wollte man Effizienz, Zielgenauigkeit und Kraft ausprobieren. Und natürlich wollte man wissen - wie Sun so clever bemerkt hatte - ob das verdammte Ding funktionierte.

„Bereit“, sagte Kim.

Das Schienengewehr erwachte zum Leben. Eun-ho wusste, dass es acht Sekunden brauchte, um seine Ladung zu rüsten. Während dieser Zeit gäbe der Bediener gekonnt die Koordinaten ein und einige Sekunden später würde die Waffe ihre Geschossbahn selbst verbessern.

„Bereit“, wiederholte der Mann an dem Kontrollpult.

Kim blickte seine erwartungsvollen Kollegen an. Dann nickte er kurz und sagte: „Feuer“.

Es geschah so schnell, dass Eun-ho es nicht einmal registrieren konnte. Es dauerte nur einen Augenblick oder sogar noch weniger, bis ein blauer Plasmafunken an den Elektroden des Schienengewehrs entlangtanzte. Genauso schnell war er verschwunden. Es gab keinen ohrenbetäubenden Donner, der ihn begleitete, keinen Überschallknall, keinen hohen Heulton in seinen Ohren. Es war einfach nur ein seltsames Geräusch - wie ein Zzzummm! - und dann eine Mikrosekunde von blauem Plasma. Kaum mehr als ein Blitz, ein flüchtiger Blick.

Und im nächsten Augenblick explodierte achtzehn Kilometer entfernt der Müllfrachter. Die Gewaltigkeit ließ ihn sogar aus dieser Entfernung erschauern. Gerade noch konnte man den Frachter selbst mit einem Fernglas kaum am Horizont erkennen, doch jetzt war er eine feurige Kugel, die sich in den Himmel wölbte. Stücke von ihm segelten hunderte von Metern weit in verschiedene Richtungen, erleuchteten die frühen Morgenstunden.

Sekunden darauf zischten diese flammenden Stücke und versanken in den eiskalten Gewässern des Nordpazifik.

In solchen Momenten waren viele großartige Männer weise genug, um eine Erklärung vorzubereiten. Sie wussten oder vermuteten  zumindest, dass ihr Zitat später in einem Geschichtsbuch erscheinen oder im Internet wiedergekäut würde. Zumindest würden sie so von weiteren Anwesenden bemerkt werden. Doch Eun-ho hatte keine Erklärung vorbereitet und in diesem Moment entfloh nur eine Silbe seinen Lippen.

“Ha.“

Der Test war spektakulär erfolgreich. Das verdammte Ding funktionierte perfekt. Wo gerade noch ein Frachter stand, war jetzt nichts mehr außer aufgeschäumtem Wasser. Die Zerstörkraft des Schienengewehrs war immens - nicht annähernd die eines Sprengkopfes, doch es war keine explosive Waffe. Es war eine taktische, präzise Waffe. Ihre Ziele waren klein, eher strategisch, und konnten sogar mobil sein. Das Schienengewehr wäre perfekt geeignet, um Schiffe zu versenken, Flugzeuge herunterzuschießen oder sogar Raketen abzuwehren. Seine Fähigkeit fast sofortig den Kurs zu korrigieren und die Mach 7 Geschwindigkeit des Plasmaprojektils machten es fast unmöglich, sich davor zu schützen. Sein einziger Nachteil waren die acht Sekunden, die es brauchte, um sich vor dem Abschuss zu laden. Doch im Vergleich zu Langstreckenraketen, Torpedos oder Schlachtschiffgeschützen erblasste auch der. Aufgrund seiner recht kleinen Größe war es mobil und konnte sich tarnen, sodass es selbst aus der Nähe kaum von seinen Feinden geortet werden könnte.

Das Plasma-Schienengewehr könnte die moderne Kriegsführung für immer verändern. Doch das war nicht die Absicht, zumindest nicht, soweit Eun-ho und seine Kollegen wussten. Trotz der vielen Milliarden, die man in die Entwicklung der Waffe investiert hatte (Südkorea hatte das zehnthöchste Militärbudget der Welt), würde man fünf weitere produzieren. Zusammen würden das halbe Dutzend Schienengewehre nicht nur die Grenze zwischen ihnen und jenen im Norden beschützen, sondern auch jeglichen Feind oder Eindringling abwehren. Sie waren nicht daran interessiert, eine stärkere Militärkraft zu werden oder jemanden zu zerstören, der kein Angreifer war. Es ging darum, ihr Volk zu beschützen, nichts weiter.

Und er, Eun-ho Park, gehörte zu jenen, die für das Wohlergehen seines Volkes verantwortlich war. Er hatte geholfen, das zu ermöglichen. Selbst der beißende Februarwind auf dem Ozean konnte nicht das immense Gefühl des Stolzes verringern, das unter seinem Parka glühte.

„Dr. Kim!“ rief der Mann hinter dem Kontrollpult plötzlich. „Ein Boot!“

Eun-hos Kopf drehte sich schnell nach dem Warnruf um und seine Augen weiteten sich, als er bemerkte, dass der Mann nicht auf den Radarbildschirm seines Pults blickte - sondern über den Bug zeigte. Es näherte sich tatsächlich ein Boot an. Nicht mehr als fünfzehnhundert Meter vor ihnen wog es über die Wellen und kam näher an sie heran.

Der Waffentest hatte sie alle davon abgelenkt, die Augen offen zu halten. Sie waren davon ausgegangen, dass sie hier draußen sicher waren.

„Was zum Teufel?“ brummte Dr. Kim. „Wer…?“

Eun-ho bemerkte plötzlich, dass er immer noch Suns Fernglas in der Hand hatte. Er hob es sich ans Gesicht. Er wusste nicht viel über Boote, doch es reichte aus, um zu sehen, dass das sich annähernde Schiff nicht zum Militär gehörte und auch nicht annähernd so neu wie die Glimmer war. Der verblasste Rumpf mit der gesplitterten Farbe sagte ihm, dass dieses Boot schon einiges miterlebt hatte… waren das Einschusslöcher an seinen Seiten?

Er blickte zum Deck und schnappte fast laut nach Luft. Die Männer, die dort versammelt waren, trugen zwar Kleidung für kaltes Wetter, doch ihre dunkle Haut sagte ihm, dass sie afrikanisch waren. Und die Gewehre, die sie in ihren Händen hielten, sagten ihm, dass sie nicht freundlich waren.

Eun-ho wusste zwar nicht viel über Boote, doch er kannte sich sehr gut mit Waffen aus. Er erkannte eine AK-47, wenn er ihr gegenüberstand.

„Sir“, sagte er leise zu Kim. „Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber ich glaube, sie sind… Piraten.“

„Geben Sie mir das!“ Kim riss das Fernglas fast aus Eun-hos Händen. Dem kahl werdenden Doktor fiel leicht der Mund auf, während er das Fernglas noch gegen seine Augen hielt.

Natürlich hatten sie alle schon Geschichten über moderne Piraten gehört, besonders über jene aus Somalia. Doch die waren sehr territorial und ihre Opfer segelten durch Golf von Aden, im Arabischen Meer. Ganz bestimmt nicht im Nordpazifik. Sie waren tausende von Kilometern von ihrem Jagdrevier entfernt.

Dann sprang der Deutsche auf und starrte mit einem Adlerblick über den Bug. Er öffnete das Nylonhalfter an seiner Hüfte und zog die matt schwarze Pistole in einer solch flüssigen Bewegung heraus, dass es schien, als ob sie einfach in seiner Hand erschienen wäre.

Doch Sun sprach als nächstes.

„Wenden Sie die Waffe auf sie.“

Dr. Kim wandte sich um und sah ihn mit einem Blick voller Unglauben an. „Sind Sie verrückt? Sie wollen, dass wir die einfach umbringen?“

„Die haben Waffen“, murmelte der Deutsche. „Sturmgewehre.“

„Die haben sie gesehen“, beharrte Sun. „Die haben gesehen, wie wir die Waffe abgefeuert haben und jetzt wollen sie sie. Ganz zweifellos. Zielen Sie auf sie.”

In Eun-hos Magen formte sich ein Knoten aus Panik. Während der ganzen Zeit und Forschung hatte er nicht einmal daran gedacht, dass diese meisterhafte Waffe dazu verwendet werden könnte, Leben zu enden. Das war schon seltsam. Er war daran beteiligt. Er selbst hatte die Projektile geschaffen. Hier waren sie nun, standen einer ernsthaften Bedrohung gegenüber und hatten kaum die Wahl.

„Sie haben etwa fünfzehn Sekunden Zeit, um sich zu entscheiden“, kündigte der Deutsche mit seinem harten Akzent an. Seine Worte waren lauter, als Eun-ho ihn je hatte sprechen hören.

„Nein“, sagte Kim standhaft. „Wir können sie leicht abhängen. Werft die Motoren an!“

„Wir müssen zuerst die Waffe herunterfahren…“ stotterte der Mann an der Konsole.

„Dann los!“ schrie Kim. „Jetzt, schnell!“

„Aber sie haben es gesehen!“ beharrte Sun erneut.

„Zehn Sekunden“, unterbrach der Deutsche.

Eine Salve Maschinengewehrfeuer zerriss die Luft. Man vernahm sie so laut und krachend über das Wasser, dass Eun-ho sich instinktiv die Hände auf die Ohren legte. Er spürte das Summen des hydraulischen Aufzugs, der das Plasma-Schienengewehr zurück in den Rumpf der Glimmer fuhr. Er hörte die Schreie - zuerst die panischen Streitereien seiner Kollegen, doch dann auch andere, die kehlig, zornig und für ihn unverständlich waren. Sie sprachen weder Koreanisch noch Englisch noch Mandarin, das Eun-ho ebenfalls fließend konnte. Aber sie klangen wütend, fordernd und gleichzeitig tödlich.

Als er es wagte wieder aufzublicken, war das Piratenboot - zu diesem Zeitpunkt hatte er sich selbst davon überzeugt, dass sie tatsächlich Piraten waren - näher herangefahren und verlangsamte seine Fahrt vor dem Bug der Glimmer, sodass es unmöglich war, nach vorne zu fahren.

„Volle Fahrt zurück, jetzt!“ schrie Kim, während sich die Türen über dem Schienengewehr schlossen.

Der Mann an dem Schaltpult legte seine Hand über den Gashebel und gleichzeitig ließ ein einziger, scharfer Knall Eun-ho zusammenzucken. Der Kopf des Piloten wurde nach rechts gerissen, während eine Wolke roten Dunstes auf das Meer hinter ihm hinausfegte.

Der Deutsche nahm seine Pistole herunter. Die Stille und Unfassbarkeit des folgenden Momentes war erdrückend. Der Mann am Schaltpult rutschte zu Boden. Die Piraten beobachteten das. Eun-hos Kollegen wurden ganz still. Seine Beine fühlten sich an wie aus Stein, sie wurzelten ihn an das Deck des Schiffes fest.

Und in diesem stillen Moment drehte sich der Deutsche um und feuerte kaltblütig einen zweiten Schuss in Dr. Kims Stirn.

Das beendete ihre Starre. Mehrere schrien. Zwei stürmten nach vorn, Sun und ein weiterer Mann - Bong, falls Eun-ho sich richtig erinnerte. Sie griffen nach dem Deutschen, doch der drehte einfach seinen Körper weg. Statt seine Pistole zu verwenden, schlug er mit seinem Ellenbogen aus. Er traf mit einem widerwärtigen Krachen auf Suns Nase. Blut spritzte nach hinten, als er seinen Kopf drehte, und verspritzte über Eun-hos Parka. Mit derselben fließenden Bewegung, mit der er seine Pistole gezogen hatte, drehte der Deutsche sie jetzt in seiner Hand um und holte damit gleichzeitig aus. Der Griff traf Bong direkt hinter dem Kiefer.

Eun-hos Beine begannen nun zu zittern und seine Knie gaben nach. Schmerz fuhr ihm durch die Beine, als sie zu Boden fielen. Zwei weitere Schüsse erklangen, pop-pop, schnell hintereinander. Obwohl er seine Augen geschlossen hielt, erkannte er das typische Geräusch von zwei Körpern, die zu Boden fielen.

Anschließend hörte man zwei Platscher - es waren Kollegen, deren Reflexe sie zur Flucht animierten. Obwohl Eun-ho voll Panik war, verstand er, dass sie letztendlich in der Kälte des Ozeans erfrieren würden. Im eisigen Nordpazifik im Februar wären sie in weniger als einer Minute tot.

Pop.

Pop-pop.

Das waren nicht mehr die reißenden Maschinengewehrsalven, es waren einzelne Schüsse aus der matt schwarzen Pistole. Er bemerkte, dass die Piraten nicht feuerten, sondern warteten. Sie warteten darauf, dass er fertig würde, damit sie das Schienengewehr stehlen könnten. Der Deutsche hatte sie betrogen. Der Mann, der für ihre Sicherheit verantwortlich war, wurde zu ihrem Verderben.

Als Eun-ho schließlich den Mut aufbrachte, seine Augen wieder zu öffnen, waren Teile des Decks der Glimmer voll von Blut, aber andere noch strahlend weiß. Vier der afrikanischen Piraten waren an Bord gekommen. Zu zweit warfen sie die Leichen seiner Kollegen über die Reling.

Der Deutsche stand neben ihm, hielt die Pistole lässig in seiner linken Hand, als wäre sie nur ein einfaches Accessoire.

„Warum?“ fragte Eun-ho, oder versuchte es zumindest. Aus seiner Kehle entfloh jedoch nur ein heiseres Zischen.

„Nur ein junger Mann“, murmelte der Deutsche wieder mit seiner leisen Stimme. Jetzt hatte er wieder den gleichen Tonfall wie zu dem Zeitpunkt, als Eun-ho fälschlich gedacht hatte, dass er ein Holländer wäre. „Doch es sind oft junge Männer, die bei dieser Art von Angelegenheiten am meisten leiden.“

Eun-ho zuckte unwillkürlich ein wenig zusammen, als der Lauf der Pistole gegen seine Schläfe gelegt wurde. Er schloss wieder seine Augen. Die Brise war kalt, doch die Morgensonne fühlte sich angenehm auf seinem Gesicht an.




KAPITEL EINS


Null lag im auf seinem Bauch, während der Schnee um ihn wehte. Er hoffte, dass er tief genug am Boden und weit genug entfernt von der Hütte war, um versteckt zu bleiben, während die Sonne über der Prärie unterging. Er rügte sich selbst dafür, dass er nicht daran gedacht hatte, weiße Kleidung zu tragen. Die synthetische Jacke mit Fleece-Fütterung war beige. Theoretisch recht nah an weiß, doch zweifellos stach sie im reinen Weiß des Schnees stark hervor. Die Balaclava-Kopfmaske war schwarz - nun ja, es war schwer sie in einer anderen Farbe zu bekommen, insbesondere, weil er so kurzfristig aufgebrochen war.

Er hielt sich das Fernglas wieder an die Augen und beobachtete die Hütte in der Ferne. Immer noch keine Bewegung. Er war sich jedoch sicher, dass dies der richtige Ort war. Es stellte sich nur die Frage, ob sein Zielobjekt sich gerade darin befand.

Null wünschte, er hätte eine bessere Ausstattung. Er war nur wage darüber informiert, was ihn möglicherweise erwarten würde. Nichts Gutes. Er hatte die Kleidung für kaltes Wetter, die er trug. Er hatte das Fernglas. Er hatte eine Waffe, eine kleine, silberne Walther PPK mit einem drei Komma drei Zoll Lauf und sechs Schuss Kapazität. Viele glaubten, dass das PP für „Pocket Pistol” stand, da man sie so einfach verstecken konnte. Doch es stand eigentlich für Polizeipistole. Das war noch amüsanter, da sie gerade in seiner rechten Jackentasche versteckt war.

Null hatte kein Funkgerät, keinen Bewegungssensor, keine Abhörgeräte, nicht einmal ein Telefon. Die CIA könnte ihn durch ein Telefon orten… oder vielleicht noch schlimmer, seine Tochter Maya könnte ihn durch ein Telefon orten. Sie hatte keine Sekunde geglaubt, dass er einen Termin bei einem Nervenspezialisten in Kalifornien hatte, um die Traumaverletzung seiner Hand, die er sich ein paar Jahre zuvor zugezogen hatte, behandeln zu lassen. Wie immer hatte sie recht.

Null war nicht in Kalifornien. Er war nicht einmal in den Vereinigten Staaten. Stattdessen lag er halb begraben in einer Schneebank in der nordöstlichen Ecke von Kanadas Provinz Saskatchewan. Da er sich mit einer Papierkarte und Stiften abfinden musste, hatte er nur eine neblige Ahnung, wo genau er in Bezug auf einen anderen Ort war. Die Landschaft war kaum mehr als ein weiter Streifen Prärie, so weit das Auge blicken konnte. Sie wurde nur von einem gelegentlichen, blattlosen Baum und Schnee unterbrochen, der vom Wind hier und da in kleine Wellenformen geweht wurde.

Und natürlich die Hütte.

Sie stand etwa fünfhundert Meter von seinem derzeitigen Standort entfernt und war ein einstöckiges, rechteckiges Gebäude, das weder alt noch modern aussah. Sie hatte in etwa die Größe und Form eines Sattelzugs (Null nahm an, dass sie auf diese Weise hier hergebracht wurde) und man hatte sie kurzerhand auf ein Fundament von Zementblöcken gestellt. Einige von ihnen schienen durch das Gewicht der Hütte etwas eingesunken, weshalb das Gebäude in einem Winkel von etwa drei Grad stand.

Auf der östlichen Seite der Hütte sah Null eine Edelstahlzisterne, die wohl benutzt wurde, um geschmolzenen Schnee und Grundwasser zu sammeln. Selbst aus dieser Entfernung konnte er das leise Brummen eines Dieselgenerators hören, doch er sah ihn von seinem Blickwinkel aus nicht. Auf dem Dach befanden sich klar sichtbar zwei kleine Solarpanels. Die Hütte war klein, selbstversorgend und fast unabhängig vom Netz.

Fast, denn sonst hätte er sie vielleicht nie gefunden.

Es fühlte sich wie Stunden an, bis die Sonne endlich hinter dem Horizont verschwand. Das Flachland verdunkelte sich ausreichend, damit Null sich nun frei bewegen konnte. Dafür war er dankbar, denn die Temperaturen sanken in der Nacht so stark, dass sie selbst seine Vorsichtsmaßnahmen gegen die Kälte durchstachen. Das nördliche Saskatchewan war im Februar alles andere als gemütlich.

Bevor er vorsichtig zur Hütte aufbrach, führte er in seinen Gedanken einen schnellen Check durch. Das war eine Übung, die er erst täglich durchgeführt hatte, dann fast stündlich, und jetzt war sie zu seiner zweiten Natur geworden. Er wollte damit sicherstellen, dass sein Gedächtnis nicht aufgab oder verlorenging. Zuerst dachte er an seine Töchter, Maya und Sara, achtzehn und sechzehn Jahre alt. Er rief sich ihre Namen, ihre Gesichter, ihr Alter und den Klang ihres Lachens ins Gedächtnis. Dann dachte er an Maria Johansson, ihr wallendes, blondes Haar und die schiefergrauen Augen, die es irgendwie schafften, gleichzeitig matt und leuchtend auszusehen. Schließlich dachte er an Kate, seine verstorbene Frau.

„Kate.“ Er murmelte sogar ihren Namen, eher aus Gewohnheit als aus allem anderen, wie ein „Amen“, das ein kurzes Gebet beendet. Ihr Name war das erste große Ding, das er vergessen hatte, als seine latenten Gedächtnislücken begannen aufzutreten. Er erinnerte sich an ihren Namen. Er erinnerte sich an ihr Gesicht. Ihren Duft, ihr Lachen und das winzige Zischen von kochendem Atem, wenn sie wütend wurde. Er erinnerte sich daran, dass sie von einem ehemaligen CIA-Agenten namens John Watson ermordet worden war. Er war ein Mann, den Null einst Freund genannt hatte. Ein Mann, der geflüchtet und untergetaucht war, nachdem Null sich entschlossen hatte, ihn nicht zu töten.

Und dann bewegte er sich langsam und vorsichtig auf die Hütte zu, rollte von der Ferse bis zur Zehe ab und verlagerte sein Gewicht bei jedem Schritt. Er konnte nicht viel dagegen tun, eine Spur im Schnee zu hinterlassen, doch zumindest könnte er geräuschlos auftreten.

Mit der Übung, der „mentalen Checkliste“, wie er sie nannte, wollte er nicht nur sicherstellen, dass er nicht vorübergehend etwas vergessen hatte. Vor ein wenig mehr als acht Wochen hatte er den schweizer Neurologen Dr. Guyer besucht. Er war der Mann, der ihm den Gedächtnishemmer ursprünglich in seinen Kopf implantiert hatte. Er war ebenfalls derjenige, der Null unmissverständlich mitgeteilt hatte, dass sein Gehirn sich weiterhin in einer unbekannten Geschwindigkeit verschlechtern würde, dass seine Erinnerungen verblassen und schließlich für immer verschwinden würden, und dass der Schaden an seinem limbischen System ihn letztendlich umbringen würde.

Das alles trug dazu bei, dass er sich mitten im Winter nachts an eine abgelegene Hütte in Saskatchewan heranschlich. Er musste zurück zum Anfang kommen, jemanden finden, der ihm mehr Antworten geben konnte. Das hoffte er zumindest.

Er hielt etwa fünfzig Meter vor der Hütte inne und ging auf ein Knie herunter. So verharrte er für mehrere Minuten, beobachtete sie ganz still. Null sah kein Licht im Inneren.

Energiesparplan, vielleicht? Oder möglicherweise waren die Fenster verbrettert. Es könnte auch keiner zu Hause sein. Doch jetzt konnte er das Brummen des Dieselgenerators noch deutlicher hören. Wenn da niemand drinnen war, warum war er dann angeschaltet?

Null stand auf und schlich sich weiter voran. Obwohl es Nacht war, konnte er dennoch die Fassade der Hütte erkennen und bemerkte keine Kameras, Detektoren oder automatischen Schießanlagen, die ihn zu Fetzen reißen würden, sobald er ihre Sensorreichweite betrat. So lächerlich es auch klang, das war eine legitime Sorge, wenn man bedachte, wer sein Zielobjekt war.

Da merkte er, dass seine Hand in seine Tasche gerutscht war und die PPK festhielt. Er ließ sie los. Er bräuchte die Waffe nicht, nicht hier. Er hatte sie nur zur Vorsicht mitgenommen.

Doch als Null nach der Eingangstür der Hütte griff, war er sich nur zu bewusst, dass seine sorgfältige Planung ihn nicht weiterbrächte. Er hatte sich das Szenario hundert Mal vorgestellt, besonders die Stunden, die er damit verbringen würde, in den Schneewehen zu liegen, doch er konnte nicht vorhersehen, was auf der anderen Seite der Tür auf ihn wartete. Wäre dies ein Angriff, dann wäre es vermutlich einfacher. Normalerweise würde er mit gezogener Waffe - bereit für alles - hereinstürzen. Erst schießen, später Fragen stellen.

Dieses Mal drehte er allerdings einfach am Türknauf. Er ließ sich leicht drehen, war unverschlossen. Er drückte die Tür auf und ging mit einem kleinen, vorsichtigen Schritt über die Schwelle. Wie er schon von draußen vermutet hatte, war die Hütte ganz dunkel. Doch der Generator brummte irgendwo hinter ihr.

Das ist eine Falle.

Gerade hatte sein Gehirn die Mitteilung versendet, da ging er schon einen weiteren, vorsichtigen Schritt vorwärts. Die Kachel unter seinem Fuß gab ein klein wenig nach, nicht mehr als einen halben Zentimeter.

Eine Druckplatte.

Null erstarrte.

„An deiner Stelle würde ich den Fuß nicht anheben.“ Die Stimme klang bekannt, doch schien von überall herzukommen, als ob sie durch ein omnidirektionales Mikrofon geschickt würde. „Hände bitte hoch.“

Null tat, was die Stimme ihm befahl. „Ich bin nicht bewaffnet“, sagte er. Nachdem er stundenlang draußen in der Kälte still war, klang seine Stimme heiser.

„Das bist du sehr wohl“, widersprach der Ingenieur einfach. „Du lagst etwa vier Stunden in der Schneewehe. Aus zwei von den Bäumen beobachteten dich versteckte Kameras. Ein großer Fels, an dem du vorbeikamst, war in Wirklichkeit ein Körperscanner. Du trägst eine Pistole in deiner rechten Jackentasche. Behalte einfach die Hände oben und deinen Fuß unten.“

Ein Licht sprang an, eine helle, weiße LED, die Null blinzeln ließ. Dahinter erschien eine Silhouette aus einem kleinen Hinterzimmer.

„Bixby“, sagte Null.

Die Silhouette hielt inne.

Null erhob langsam seinen Arm und tat, was er hätte tun sollen, bevor er überhaupt die Hütte betrat. Er ergriff den Stoff der Gesichtsmaske und zog sie sich vom Kopf. Sein Haar war zerzaust und einzelne Strähnen klebten an seiner verschwitzten Stirn.

„Oh“, sagte Bixby. Man konnte die Enttäuschung in seiner Stimme hören. „Ich habe nicht angenommen, dass sie dich schicken würden. Aber ich hätte es mir wohl denken sollen.“

„Haben sie nicht“, beharrte Null ruhig. Beide Hände hielt er dabei immer noch in der Nähe seiner Ohren erhoben. „Ich verspreche, dass sie mich nicht geschickt haben. Niemand hat mich geschickt. Ich bin allein gekommen.“

Bixby ging einen Schritt voran, versicherte sich, dass er außerhalb seiner Reichweite, aber nah genug an Null war, damit er ihn besser sehen konnte, gerade am Rand des Scheins der LED. Als er den exzentrischen CIA-Ingenieur und Erfinder das letzte Mal sah, trug Bixby ein hell-violettes Seidenhemd unter einer schwarzen Weste. Er hatte immer noch seine charakteristische Hornbrille, doch jetzt trug er ein einfaches Flanellhemd und blaue Jeans. Er hatte sich seit einigen Tagen nicht rasiert und der Stoppel seines grauen Barts passte zu seinem graumelierten Haar, das er scheinbar hastig gekämmt hatte. Dies geschah wohl eher aus Gewohnheit und Hygiene, als dass es ihm wirklich wichtig wäre.

Er hatte Ringe unter den Augen und seine Haut schien etwas fahl. Null stellte sich vor, dass Bixby in den zwei Monaten, seit denen er vor der CIA auf der Flucht war, nicht viel geschlafen hatte.

„Woher weiß ich, dass du mir die Wahrheit sagst?“ fragte Bixby vorsichtig.

„Du sagtest, dass du mich gescannt hast, stimmt’s? Ich habe die Pistole zur Sicherheit mitgebracht.“ Beim Aussprechen dieses Satzes bemerkte er, dass er sich wie eine faule Ausrede anhören musste. Besonders für den Mann, der glaubte, dass Null hier war, um ihn zu töten. „Ich habe kein Telefon. Kein Radio. Keine Ortungsgeräte. Das hättest du gesehen.“

Bixby zuckte leicht mit einer Schulter. „Das reicht mir nicht.“

„Wir sind Freunde.“

„Wir waren—“

„Das sind wir“, beharrte Null. Er konnte den Augen des älteren Mannes ablesen, dass er es wirklich glauben wollte. Wie oft hatte Bixby ihn für einen Einsatz vorbereitet? Wie viele schlechte Witze hatten sie ausgetauscht? Es war lächerlich zu denken, dass Null hier war, um ihn umzubringen - zumindest fand er das. Doch Bixby konnte nicht zu vorsichtig sein. Nicht nach dem, was er getan hatte.

Zwei Monate zuvor hatten Null und sein Team eine Bande chinesischer Söldner und ihre russische Anführerin davon abgehalten, einen Nuklearreaktor in einer Anlage in Calvert Cliffs zu schmelzen. Bixby hatte geholfen, Veränderungen an einer Maschine namens OMNI durchzuführen. Es handelte sich um einen CIA-Supercomputer, der fähig war, jegliches Handy, Tablet, Computer, Radio oder Smartgerät in den USA abzuhören. Der Computer war eigentlich streng geheim, denn er war extrem unmoralisch, höchst illegal und irrwitzig teuer.

Bixbys Veränderungen an OMNI fügten dem Supercomputer irreparablen Schaden zu. Da er nicht nur derjenige war, der den Schaden ausgelöst hatte, sondern auch der Einzige, der ihn reparieren konnte, hatte sich Bixby dazu entschieden zu fliehen und unterzutauchen. Beide Männer in der Hütte bezweifelten nicht, dass es weder Festnahmen, noch eine Verhandlung oder Gefängnisstrafe gäbe, wenn die CIA ihn jemals fände. Es gäbe nur eine Kugel und ein seichtes Grab, weshalb Null auch alle Vorsichtsmaßnahmen traf, um hierher zu gelangen.

„Wie hast du mich gefunden?“ wollte Bixby wissen.

„Könntest du bitte vorher entschärfen, worauf ich gerade stehe?“ fragte Null und zeigte mit dem Kinn auf die Druckplatte unter seinem Fuß. „Was ist das überhaupt? Eine Mine?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Bixby. „Bomben machen zu viel Dreck. Du kennst mich besser.“

„Ah.“ Wahrscheinlich eine Schallwaffe. Würde Null seinen Fuß von der Druckplatte nehmen, dann gäbe es vermutlich eine gut gezielte Schallexplosion, die sofortigen Schwindel und Übelkeit auslösen, ihm fürchterliche Kopfschmerzen bereiten und womöglich seine inneren Organe zerreißen würde.

„Zieh deine Jacke aus“, ordnete ihm Bixby an. „Langsam. Und wirf sie mir zu.“

Null tat, wie man ihm befahl. Zuerst zog er sich seine dicken Handschuhe langsam aus und dann öffnete er den Reißverschluss des mit Fleece gefütterten Anoraks und zog ihn aus. Er warf ihn von sich und Bixby fing ihn am Kragen auf. Erst dann griff der Ingenieur in seine eigene Hintertasche und zog eine kleine, schwarze Fernbedienung hervor. Er drückte auf einen einzelnen Knopf und nickte dann.

Trotzdem hielt Null den Atem an, als er seinen Fuß anhob und atmete erst wieder aus, nachdem nichts geschehen war. „Danke.“

„Setz dich da drüben hin“, sagte Bixby ausdruckslos. Null war so besorgt darüber, worauf er stand, dass er sich noch nicht im Raum umgesehen hatte. Sie waren in einem einzelnen Zimmer, das als Wohnzimmer, Esszimmer und Küche fungierte. Der hintere Raum musste ein winziges Schlafzimmer sein und er nahm an, dass es noch ein Bad und sonst nicht viel gäbe.

Null befolgte Bixbys Anweisung und setzte sich auf einen kleinen Holzstuhl.

„Wie hast du mich gefunden?“ fragte Bixby erneut.

„War gar nicht so einfach“, gab Null zu. Und das stimmte wirklich. Null hatte acht Wochen gebraucht, um die abgelegene Hütte zu orten, viel länger, als jegliche Mission, an der er jemals teilgenommen hatte. „Nachdem du verschwunden warst und die CIA deine Wohnung durchsucht hatte, ging ich dorthin. Ich habe mir angeschaut, was du mitgenommen und was du dagelassen hattest. Du hast deine Spuren ganz schön gut verwischt, doch ich bemerkte, dass all deine warme Kleidung verschwunden war. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass die Agentur wusste, dass du sie hattest. Ich wusste auch, dass du nicht in den USA bleiben würdest, also haben wir eine Liste mit den wahrscheinlichsten Ländern gemacht, in die du fliehen-“

„Wir?“ unterbrach ihn Bixby schroff.

„Reidigger half mir“, gab Null zu. Alan konnte Leute fast genauso gut aufspüren, wie er sie verschwinden lassen konnte. “Ich habe mich auch an den wirklich eisigen Winter erinnert, als du dich über die Arthritis in deinen Händen beschwertest“, fuhr er fort. „Du sagtest, dass Trexall das einzige Medikament war, das dir half, wenn es so kalt war. Wir baten dann einen bestimmten dänischen Hacker, den wir beide kennen, um Hilfe und verfolgten alle neuen Rezepte für Trexall auf der Liste der Länder, die wir als wahrscheinliche Zufluchtsorte für dich zusammengestellt hatten. Danach verglichen wir sie mit Identitäten, bis wir eine fanden, die zu keiner Person gehörte. Tausende von Namen. Wir brauchten mehrere Wochen. Doch dann erhielten wir einen Treffer bei einem Mann namens Jack Burton in Saskatchewan, der ganz zufällig denselben Namen wie eine der Hauptfiguren in deinem Lieblingsfilm hat.“

Bixbys Mundwinkel verzogen sich ein wenig zu etwas, das fast wie ein Lächeln aussah. „Daran erinnerst du dich?“

„So ist es. Ich kam also hierher, besuchte die Apotheke, die dir die Pillen verkaufte. Ich versuchte, den Apotheker mit tausend Dollar zu bestechen, damit er mir sagte, wo ich dich finden könnte. Er lehnte sie ab. Ich dachte, es wäre eine Sackgasse - bis mir etwas anderes einfiel. Ich fragte den Apotheker, was aller Laster Anfang wäre.“

Dabei musste Bixby wirklich grinsen. „Die Stoßstange.“

Null wusste, dass es nur wenige Dinge gab, die Bixby mehr mochte, als einen schlechten Witz oder ein dummes Wortspiel. Da der Apotheker einer der wenigen Menschen war, mit denen Bixby in den letzten acht Wochen in Kontakt gekommen war, musste er sie alle schon gehört haben.

„Das überzeugte ihn davon, dass ich dich kannte und dich finden musste“, schloss Null ab.

„Warum?“ fragte Bixby.

„Weil wir Freunde sind.“

Der Ingenieur nickte, doch sein Blick wirkte weit weg. „Ja, ich schätze, das sind wir. Doch ich gehe nicht zurück, Null. Das kann ich nicht und das wissen wir beide.“

„Lass dir von Alan helfen“, argumentierte Null. „Der kann Leute sehr gut verschwinden lassen - ich meine wirklich verschwinden lassen, nicht so wie die CIA. Er kann dir eine neue Identität, ein neues Leben verschaffen. Nicht…“ Null zeigte auf die winzige, rechteckige Hütte in der sie standen. „Nicht das hier.“

Bixby zog auf der anderen Seite des Tisches zwischen ihnen einen zweiten Holzstuhl hervor und setzte sich mit einem schweren Seufzen. „Arbeitest du immer noch für sie?“

„Das muss ich. Du weißt das.“ Null befand sich nur deshalb nicht im Gefängnis oder an einem noch schlimmeren Ort, wie etwa dem marokkanischen Geheimgefängnis H-6, weil er zugestimmte hatte, zum Spezialeinsatz zurückzukehren.

„Freunde oder nicht“, stellte Bixby fest, „wenn du weiter bei denen bist, dann bereitet deine Anwesenheit hier mir Probleme. Ich kann mir nicht von dir helfen lassen. Oder von Alan. Ich habe meine Wahl getroffen und ich werde damit leben. Außerdem.“ Er grinste wieder. „Das ist hier gar nicht so schlecht. Es ist nur der erste Halt auf einer langen Reise. Vertrau mir.“

Null stieß einen langen Seufzer durch seine Nase aus, er wusste, dass er hier nicht gewinnen würde. Doch Bixby seine Hilfe anzubieten war nur ein Grund, aus dem er hergekommen war. Es sollte sogar eigentlich nur ein Verhandlungsmittel für den viel persönlicheren Teil seines Besuches sein.

„Es gibt da noch was. Ich brauche Hilfe…“

Bixby hob erstaunt eine Augenbraue an. „Ach ja?“

Null seufzte, er war sich nicht sicher, wie viel er erklären sollte. „Der Gedächtnishemmer“, begann er. „Du hast ihn miterfunden. Und in letzter Zeit habe ich einige.. nennen wir es ,Nebenwirkungen‘ gehabt. Schlimme.“

„Null…“

Er ignorierte Bixby und fuhr fort. „Es muss da etwas in den Designplänen geben, das mir helfen könnte. Oder, ich weiß nicht, etwas, wie man es rückgängig machen kann. Es muss etwas geben, das du weißt und ich nicht -“

„Null -“

„Ich brauche Hilfe, verdammt!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Null“, wiederholte Bixby eindringlich. „Hör mir doch bitte zu. Was dir geschah, gab es noch nie zuvor. Ich meine, die haben dir das verdammte Ding mit einer Zange aus dem Kopf gerissen. Niemand hatte das erwartet. Niemand hatte das geplant. Um ehrlich zu sein bin ich überrascht, dass du überhaupt etwas wiedererlangt hast. Selbst wenn ich helfen könnte…“ Bixby zeigte auf die winzige Hütte, in der sie saßen. „Ich habe hier leider nichts, was als Ressource dienen könnte.“

„Ja“, antwortete Null leise. Er starrte auf die Oberfläche des Holztisches. Er war umsonst bis hierher gereist. Er hatte vergeblich Wochen damit verbracht, einen Mann zu suchen, der nicht gefunden werden wollte. Er bekäme weder hier noch sonst wo Antworten. Sein eigenes Gehirn würde ihn letztendlich umbringen. Er müsste einfach damit leben, bis es ihn nicht mehr gäbe.

Eine ganze Minute verstrich in Stille zwischen den beiden, bis Bixby sich sanft räusperte. Als Null wieder aufblickte, hielt der Ingenieur ihm die Jacke hin.

„Es tut mir leid“, sagte er. „Ich würde dich ja einladen, hier zu übernachten, aber ich kann wirklich keine Risiken eingehen.“

Null verstand. Trotz all seiner vorsichtigen Planung konnte die Agentur ihn aufspüren, wenn sie vermuteten, dass es dafür einen Grund gäbe. Satelliten, subkutane Ortungschips, altmodische Spionage-Netzwerke… mit jeder Minute, die er hier verweilte, brachte er Bixby in Gefahr.

Er nahm die Jacke, stand auf und zog sie langsam an. „Ich nehme an, dass man hier nichts mehr vorfinden wird, falls jemand an diesen Ort zurückkehrt?“

Bixby lächelte traurig. „Nimm das mal an.“ Dann sagte er erneut: „Es tut mir leid.“

Null nickte einmal und ging auf die Tür zu. „Gib auf dich Acht, Bixby.“

„Warte…“

Null erstarrte auf der Stelle, eine Hand griff nach dem Türknauf. Sein Gehirn nahm sofort an, dass es eine weitere, vergessene Falle gab.

„Warte mal eine Sekunde.“ Bixby nahm seine Brille ab, rieb sich die Augen und setzte sie sich wieder auf. „Ich… ich habe dich angelogen. Zuvor. Als ich dir sagte, dass du die erste Person war, die jemals den Gedächtnishemmer implantiert bekam.“

Null machte auf der Ferse kehrt. „Was? Du hast gelogen?“

„Unter Bedrohung meines Lebens? Ja. Doch dafür scheint es jetzt sowieso zu spät.“ Trotz der Umstände, in denen er sich befand, lachte er leise. „Der Gedächtnishemmer, den man dir installiert hat, war nicht der erste. Es gab zuvor einen anderen Prototypen. Und es gab einen einzigen Versuch am Menschen. Etwa ein Jahr bevor dein Gedächtnishemmer aus meinem Labor verschwand. Ein Mann, Anfang bis Mitte dreißig. Verbunden mit der Agentur.“

Einer weiteren Person wurde ein Gedächtnishemmer implantiert? Plötzlich war es die lange Reise wert.

„Ein Agent?“ fragte Null.

„Ich weiß es nicht.“

„Wo ist er?“

„Weiß ich nicht.“

„Wer war er?“

„Das weiß ich auch nicht.“

„Was weißt du denn?“ fragte Null frustriert.

„Für mich war er einfach nur ,Subjekt A‘“, erwiderte Bixby abwehrend. „Aber es gibt da etwas. Nachdem der Gedächtnishemmer installiert wurde, als er aus der Narkose erwachte, nannte der Neurochirurg ihn Connor. Daran kann ich mich ganz klar erinnern. Er sagte, ,Wissen Sie, wer sie sind, Connor?‘“

„Ist Connor ein Vor- oder Nachname?“ fragte Null schnell.

„Das weiß ich nicht. Mehr habe ich nicht“, erwiderte Bixby. „Wir wissen doch beide, wie die Agentur funktioniert. Der ist wahrscheinlich schon lange tot. Jegliche Aufzeichnung über ihn vermutlich gelöscht. Aber… vielleicht nützt es dir ja doch etwas.“

Null nickte. Es war etwas wert, er war sich nur noch nicht sicher, was. „Danke.“ Er streckte seine Hand aus und Bixby schüttelte sie, möglicherweise zum letzten Mal. Es war ihm schon beim ersten Mal schwergefallen, den Ingenieur aufzuspüren, und er würde sicherlich nicht dieselben Fehler zweimal begehen. „Bitte, pass auf dich auf. Verschwinde. Leg dich für die nächsten zwanzig Jahre irgendwo an den Strand.“

Bixby grinste. „Ich bin Ire, ich kriege schnell Sonnenbrand.“ Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. „Alles Gute, Null. Ich hoffe du findest, was du suchst.“

„Danke.“

Doch als Null wieder hinaus in die eisige, finstere Nacht von Saskatchewan trat, konnte er einen Gedanken nicht unterdrücken.

Ich hoffe, ich erinnere mich an das, was ich suche.




KAPITEL ZWEI


Wie erwartet war die Bestattung des Saudi-Königs ziemlich opulent. Zumindest diese, die öffentliche Bestattung, welche die Welt auf den Nachrichtenkanälen zu sehen bekäme. Sie geschah, nachdem die traditionellen islamischen Bräuche eingehalten worden waren und die engste Familie sich im kleineren Rahmen versammelt hatte. Dieses jedoch war das Begräbnis, das vom Staatschef, dem saudischem Adel und den Anführern der Industrie besucht wurde. Man hielt es im Hof mit den vergoldeten Marmorsäulen des königlichen Palasts in Riad ab. Joanna musste sich daran erinnern, dass er nur einer der königlichen Paläste war, während sie feierlich unter den anwesenden Trauernden stand. Unter der hellen saudischen Sonne hielten sie ihre Köpfe ehrfürchtig gesenkt und Schweißtropfen standen ihnen auf der Stirn.

Sie war die Repräsentantin aus den Vereinigten Staaten, doch sie fühlte sich mit ihrem schwarzen Blazer, dem schwarzen Seidenhemd mit dem frisch gebügelten Kragen und dem schwarzen Bleistiftrock ein wenig fehl am Platz. Nicht nur waren es sechsundzwanzig Grad draußen, sondern die ganze Angelegenheit war selbst im Schatten einfach nur erdrückend. Sie gab ihr Bestes, es nicht zu zeigen.

Joanna Barkley war eine pragmatische Frau, was sich sowohl in ihrem Denken als auch an ihrer Kleidung zeigte. Sie war sich darüber ganz im Klaren, doch andere schienen das nicht immer zu erkennen. Als sie ein Teenager war, wurde ihre Vorstellung, eine Senatorin für den Staat Kalifornien zu werden, von ihren Lehrern, den Mitschülern und selbst ihrem Vater, der Staatsanwalt war, als ein Wunschtraum abgetan. Doch Joanna sah deutlich ihren Weg, eine logische Laufbahn, die sie an ihr Ziel brächte. Es musste einfach geschehen. Als sie zweiunddreißig war, erfüllte sie ihren Traum - für sie war es vielmehr eine Idee - und wurde vom Kongress der Vereinigten Staaten zur jüngsten weiblichen Senatorin der Geschichte gewählt.

Vier Jahre später, das lag jetzt kaum mehr als zwei Monate zurück, schrieb sie erneut Geschichte, als Präsident Jonathan Rutledge sie zu seiner Vizepräsidentin ernannte. Mit ihren sechsunddreißig Jahren war sie nicht nur die erste weibliche Vizepräsidentin der amerikanischen Politik, sondern zog auch mit John C. Breckinridge als die Jüngste gleich.

Obwohl sie eigentlich eher sachlich und praktisch war, konnte Joanna es nicht vermeiden, als eine blauäugige Träumerin charakterisiert zu werden. Ihre Strategien wurden genauso verspottet wie ihre Kindheitsbestrebungen - obwohl sie diese alle erreicht und sogar über das Ziel hinausgeschossen war. Sie sah es als überhaupt nicht unmöglich an, das Gesundheitswesen zu modernisieren, es brauchte einfach nur einen gründlichen und inkrementellen Plan, um das zu verwirklichen. Sich von Konflikten im Nahen Osten zurückzuziehen, Frieden zu erreichen, fairer Handel, sogar eines Tages selbst hinter dem Schreibtisch des Oval Office zu sitzen … nichts davon war unmöglich oder realitätsfern.

Zumindest nicht in ihren Augen. Ihre zahlreichen Kritiker und Gegner behaupteten etwas anderes.

Endlich fand die Prozession ein Ende. Sie wurde durch einen großen Mann mit einem grauen Bart und einer nach links gebogenen Hakennase abgeschlossen, der ein Gebet zuerst auf Arabisch und dann auf Englisch murmelte. Er war von oben bis unten in Weiß gekleidet. Ein Geistlicher, oder wie auch immer die sich nannten. Sie kannte sich in der islamischen Kultur nicht so gut aus wie sie es sollte, insbesondere jetzt, da diese Besuche und diplomatischen Missionen ihr bevorstanden. Doch zwei Monate waren kaum ausreichend Zeit, um sich vorzubereiten, und ihre Amtszeit war bisher ein Wirbelwind von Ereignissen gewesen.

König Ghazi von Saudi-Arabien hatte seinen langen Kampf mit einer ungenannten Krankheit verloren. Die königliche Familie wollte die Welt nicht darüber informieren. Joanna nahm an, dass es sich um etwas handelte, dass seinem Namen Schande oder Schmach brachte. Sie wollte erst gar nicht anfangen zu raten, was es war. Nachdem die Gebete beendet waren, zog sich die Prozession von Anführern, Diplomaten und Magnaten zurück in den unantastbaren (und mit Klimaanlagen ausgestatteten) königlichen Palast, außerhalb der Reichweite der Presse und Kameras. Eine seltsame Veranstaltung, dachte Joanna, wenn man bedachte, wie reserviert die königliche Familie schien.

Doch bevor sie eintreten konnte, rief sie eine Stimme.

„Madam Vizepräsidentin.“

Sie hielt inne. Die Stimme war niemand anderes als Prinz Basheer - jetzt vielmehr König Basheer, der älteste der sieben Söhne des verstorbenen Königs. Er war groß und hatte breite Schultern, vielleicht drückte er sogar ein wenig die Brust hervor, zumindest kam es Joanna so vor. Genau wie der Geistliche war auch er ganz in Weiß gekleidet, abgesehen von seinem Kopftuch - wie nannte man das nur? rügte sie sich. Das hatte ein rot-weiß kariertes Muster, dass sie zugegebenermaßen an eine Picknickdecke erinnerte. Sein Bart war kurz geschnitten, das Ende zeigte wie ein Pfeil nach unten. Er war schwarz, doch hatte trotz seiner recht jungen neununddreißig Jahre graue Strähnen.

„König Basheer.“ Sie nickte ihm zu, während sie sich selbst dafür lobte, sich an den richtigen Titel erinnert zu haben. „Mein Beileid, Hoheit.“

Er lächelte mit seinen Augen, doch sein Mund blieb eine gerade Linie. „Ich muss zugeben, dass es mir schwerfallen wird, mich an den Titel zu gewöhnen.“ Basheer sprach hervorragend Englisch, doch Joanna bemerkte, dass er bei jedem harten Konsonanten mit den Lippen schnalzte. „Man hat mir gesagt, dass Sie uns nur kurz besuchen. Ich hoffte, dass wir unter vier Augen reden könnten.“

Es stimmte, der Flugplan war schon registriert. Sie wollte in einer Stunde zurück im Jet sein. Doch die Regeln der Diplomatie schrieben vor, dass sie ein Angebot des trauernden Sohnes, neugekrönten Königs und möglichen Verbündeten nicht ausschlagen konnte. Das galt besonders, weil die US-Regierung jetzt kaum wusste, wo König Basheers Loyalitäten liegen würden.

Joanna nickte liebenswürdig. „Natürlich.“

König Basheer machte eine Geste, ihm zu folgen. „Hier entlang.“

Sie zögerte, stand kurz davor „Jetzt?“ herauszuplatzen. Ihr Blick fiel zurück auf die endende Prozession. Basheer hatte gerade seinen Vater begraben. Sicherlich gäbe es Wichtigeres, als mit ihr zu sprechen.

Ein Knoten formte sich in ihrem Magen, während sie einige Schritte hinter Basheer folgte. Sie gingen in den Palast und durch einen Empfangsraum für Würdenträger, der so groß wie eine kleine Sporthalle war.

Bedienstete servierten den anderen Gästen Erfrischungen, doch Joanna umging sie und trat in ein kleines Vorzimmer ein. Sie bemerkte im Blickwinkel, dass sich dort jemand befand. Der große Geistliche in Weiß folgte ihr still. Mehr als ein Geistlicher, dachte sie, vielleicht ein Berater? Doch in ihrer Kultur könnte das ein und dasselbe sein. Sie versuchte, sich an den Ausdruck für diese Art Person zu erinnern - war das ein Imam?

Wer immer er war, der große Geistliche (sie hatte sich nun daran gewöhnt, ihn so zu nennen) schloss die dicken Doppeltüren zum Vorraum hinter sich. Sie waren nur zu dritt in diesem Raum. Überraschenderweise war kein einziger Bediensteter oder Wächter anwesend. Diwane und bauschige Kissen in schwindelerregenden Farben waren in einer Mischung aus Feng-Shui und Nahoststil arrangiert und selbst die Fenster hatten schwere Samtvorhänge.

Dies war ein Raum, in dem man Geheimnisse besprach, ein Raum ohne Ohren. Sie wusste zwar nicht, was gleich besprochen würde, doch Joanna Barkley war sich sicher, dass dies der genaue Grund war, aus dem sie gehofft hatte, schnell nach Washington zurückzukehren.

„Bitte“, sagte Basheer und zeigte auf die Sitzgelegenheiten im Zimmer. „Setzen Sie sich.“

Sie ließ sich auf einem cremefarbenen Diwan nieder, doch lehnte sich nicht zurück und machte keine Anstalten, es sich bequem zu machen. Joanna saß mit geradem Rücken auf dem Rand eines Kissens und legte die Hände in den Schoß. „Womit habe ich eine solche Audienz verdient?“, wagte sie zu fragen und übersprang damit jegliche Formalitäten, die vielleicht zu erwarten gewesen wären.

Basheer genehmigte sich ein seltenes Lächeln.

Es war kein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien sich seit König Ghazis Krankheit verschlechtert hatten. Ghazi war ein Verbündeter gewesen, doch als er krank wurde und aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwand, blieben jene, die für ihn sprechen sollten, seltsam still. Die Monarchie von Saudi-Arabien war der absolute Machthaber und herrschte über alle Regierungsgewalten, weshalb die USA es für umsichtig hielt, sich im Geheimen über die Aktivitäten des Kronprinzen Basheer zu informieren.

Was sie herausfanden, gefiel ihnen nicht besonders.

Um die Dinge noch zu verschlimmern, war sich Joanna außerdem nur zu bewusst, dass der ehemalige Prinz sich streng an die Gesetze der Scharia hielt und ihm Frauen in Machtpositionen gar nicht gefielen. Seiner Meinung nach waren und würden sie niemals gleichberechtigt sein. Sie war ihm nicht ebenbürtig, ganz einfach.

„Ich möchte mich gerne kurz über die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Ländern unterhalten“, begann der König.

Joanna lächelte zurück. „Bevor Sie weitersprechen, Hoheit, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht über die Autorität verfüge, um Genehmigungen im Namen meines Landes zu autorisieren.“

„Ja“, stimmte ihr der König zu. „Doch Sie können alles, was wir bei diesem Treffen besprechen, an den Präsidenten weiterleiten.“

Joanna ließ sich ihre Empörung über die Andeutung, sie wäre eine Botin, nicht anmerken, stattdessen schwieg sie.

„Ich habe gehört, dass die USA den Ajatollah des Iran diese Woche willkommen heißen“, fuhr Basheer fort.

„Das stimmt.“ Joanna hatte den Besuch selbst organisiert. Ein wichtiger Teil von Präsident Rutledges Bemühungen, Frieden zwischen den USA und dem Nahen Osten zu schließen, war ein strategisches Bündnis mit dem Iran. Sie zielten hoch, doch wie bei den meisten Dingen ihres Lebens näherte sich Joanna dem Problem diplomatisch und unvoreingenommen an. So fand sie heraus, dass eine Lösung durchaus möglich wäre. „Unsere Länder versöhnen sich. Ein Abkommen wird derzeit von den Vereinten Nationen entworfen.“

Der weißgekleidete Geistliche blies seine Nasenflügel auf. Es war eine kaum merkbare Bewegung, hätte er nicht wie eine Statue neben den Doppeltüren gestanden. So stocksteif wie er da stand, hätte die winzige Geste auch ein lautes Knurren sein können.

„Ich glaube, dass Sie vielleicht noch nicht ganz, äh, wie soll ich es nennen - informiert sind“, entgegnete ihr Basheer hochmütig. „Sie sind ja schließlich noch neu -“

„Ich bin neu in diesem Amt“, unterbrach ihn Joanna. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich kein Neuling bin.“

Was mache ich da? rügte sie sich. Normalerweise reagierte sie nicht auf eine herablassende Haltung oder sogar offenen Spott. Doch etwas an diesem jungen König und seinem denkmalhaften Berater reizte sie auf eine Weise, die sie noch nie zuvor gespürt hatte. Es war nicht nur eine Geringschätzung ihrer selbst, es war eine Geringschätzung ihres Geschlechts, eine generelle Annahme, dass alle Frauen ihnen unterlegen wären. Sie wusste jedoch, dass sie sich beherrschen musste. Dies war ihre erste wichtige diplomatische Mission, seit sie das Amt der Vizepräsidentin angetreten hatte, und sie würde nicht zulassen, dass sie schiefging.

Basheer nickte. „Natürlich. Ich wollte eigentlich sagen, dass Sie sich der Geschichte zwischen unseren Ländern vielleicht nicht bewusst sind. Damit meine ich Saudi-Arabien und Iran. Wir sind Erzfeinde und als solche können wir ein solches Abkommen nicht gutheißen. Es gibt da ein Sprichwort: ,Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‘ Dieselbe Logik führt uns zu: ,Der Freund meines Feindes ist mein Feind.‘“

Joanna biss sich auf die Zunge und schluckte hinunter, was sie dem eigenwilligen König nur zu gern gesagt hätte. Statt Löcher in die falsche Logik zu stechen, antwortete sie: „Darf ich dann fragen, welch weisen Rat Sie vorschlagen, Sir?“

„Eine Entscheidung, Madam Vizepräsidentin“, erwiderte Basheer. „Ein Bündnis mit dem Iran ist eine Beleidigung für mein Land, mein Volk und meine Familie.“

„Eine Entscheidung“, wiederholte Joanna. Basheers Forderung, dass die Vereinigten Staaten sich entscheiden müssten, nur mit einem der beiden Frieden zu schließen, war lächerlich - falls, entschied sie, er sie nicht auf die Probe stellte. „Ich hoffe, Sie verstehen, dass es unser Ziel ist, Frieden mit allen Nahost-Nationen zu schließen. Nicht nur mit dem Iran und nicht nur mit Saudi-Arabien. Dies ist nicht persönlich, es ist Diplomatie.“

„Ich muss es aber persönlich nehmen“, erwiderte der König sofort. „In meiner neuen Rolle als Monarch erwartet man von mir, dass ich Stärke zeige -“

„Das können Sie ja immer noch“, unterbrach ihn Joanna, „indem Sie mitmachen. Friede ist keine Schwäche.“

„Friede ist nicht möglich“, verbesserte Basheer. „Die Geschichte der Spannungen zwischen unseren Nationen geht weiter als das, was Sie vielleicht aus Büchern oder Reportagen erfahren haben -“

Wut brodelte in ihr auf. „Bei allem Respekt -“

„Doch Sie bestehen darauf, mich zu unterbrechen!“, ärgerte sich der König.

Joanna zuckte zurück. Anscheinend war Basheer es nicht gewöhnt, dass ihn jemand unterbrach, und schon gar keine Frau. „Hoheit“, sagte sie mit gemäßigtem Tonfall, „Ich glaube nicht, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um darüber zu sprechen. Ganz davon abgesehen, dass es mir gar nicht möglich ist, einfach zu gewähren, worum Sie bitten.“

„Was man mir schuldet“, verbesserte Basheer sie.

„Ich würde das auch gar nicht tun“, sagte sie mit lauterer Stimme, „selbst wenn ich könnte.“ Ein Feuer entfachte in ihr, das sie nicht ignorieren oder löschen konnte. „Nun, wir wissen alle Bescheid über Ihre … Verbindungen, König Basheer. Ihre persönlichen Bündnisse mit einigen eher anstößigen Fraktionen.“

Sobald Basheer seine Augen zusammenkniff und sie musterte, bereute sie es. Nicht nur hatte sie indirekt zugegeben, dass die USA ihn überwacht hatte, sondern auch, dass sie informiert waren über die zunehmenden Verbindungen zwischen dem Saudi-Königshaus und aggressiven Gruppen von Aufständischen, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen.

„Gehen Sie“, knurrte Basheer.

Das war die ganze Zeit der Plan, dachte Joanna sarkastisch, während sie aufstand. Sie sparte sich alle weiteren Worte und brachte nur ein kurzes „Danke für Ihre Gastfreundschaft” hervor. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt auf die Tür zu.

„Ich glaube, Sie verstehen mich nicht“, sagte Basheer laut. „Ich bitte nicht Sie darum, zu gehen. Ich befehle den Vereinigten Staaten, mein Land zu verlassen. Die Botschaften sind mit sofortiger Wirkung geschlossen. Und alle amerikanischen Soldaten, amerikanischen Bürger und amerikanischen Diplomaten werden hiermit deportiert. Wir kappen alle Verbindungen, bis ihre Regierung zu Sinnen kommt und bereit ist, ernsthaft darüber zu sprechen.“

Joanna Barkley fiel der Mund ein wenig auf, während sie versuchte einzuschätzen, ob Basheer das ernst meinte oder nur bluffte. Alle Anzeichen wiesen darauf hin, dass es ihm todernst war. „Sie würden sich uns zum Feind machen, aus reiner Boshaftigkeit dem Iran gegenüber?“

„Sie haben mich zuerst zu Ihrem Feind gemacht.“ Basheer zeigte auf die Tür, ohne aufzustehen. „Gehen Sie jetzt und richten Sie das Ihrem Präsidenten aus.“

Es gab nichts mehr zu sagen. Vizepräsidentin Joanna Barkley zog die Tür zum Vorzimmer auf, ohne den stoischen Geistigen, der daneben stand, auch nur eines Blickes zu würdigen. Sofort schlug ihr der Lärm des allgemeinen Geredes entgegen. Sie hatte fast vergessen, dass die Bestattungsfeier weiterging. Doch sie kümmerte sich nicht darum, während sie zur anderen Seite des breiten Saales ging, wo ihre zwei Secret-Service-Agenten warteten.

„Lasst uns aufbrechen“, sagte sie ihnen kurz angebunden. „Und holt mir Präsident Rutledge ans Telefon, bevor wir abheben.“

Sie befürchtete, dass sie bei ihrer ersten diplomatischen Aufgabe als Vizepräsidentin versagt hatte. Es sollte eigentlich alles einfach und routinemäßig ablaufen. Doch sie befürchtete noch viel mehr, dass Frieden mit einem Land des Nahen Ostens Krieg mit einem anderen bedeuten würde.


*

„So eine Unverschämtheit!“ knurrte Basheer auf Arabisch, während er im Vorzimmer auf und ab ging. „Die hat einen Mut! Deshalb versagt Amerika. Genau deswegen werden sie versagen. Rutledge ist schwach. Die Frau ist unausstehlich. Wäre sie eine Saudi, dann würde ich sie öffentlich hinrichten lassen!“

Der Scheich hatte sich mehrere Minuten lang nicht bewegt, obwohl er wirklich Lust hatte, das dünne Messer zu ziehen, das er im Ärmel versteckt hatte, um damit der amerikanischen Politikerin die Kehle aufzuschneiden.

Er trat zwei lange Schritte hinein ins Zimmer. Seine schlaksigen Beine trugen ihn mehrere Meter auf seinen König zu. „Geduld, Hoheit. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Haltung zu verlieren. Sie müssen jetzt Disziplin und Takt an den Tag legen.“

Basheer nickte, doch seine Lippen presste er immer noch verbissen zusammen. „Ja“, stimmte er zu. „Sie haben Recht. Selbstverständlich.“

Unter normalen Umständen wäre ein Stammesscheich wie Salman niemals die rechte Hand des Königs. Doch während andere sich bei Ghazi eingeschmeichelt hatten, blickte Salman in die Zukunft und widmete seine Aufmerksamkeit dem ältesten Sohn, Basheer, der eines Tages König würde. Seitdem der Prinz sechzehn war, hatte Salman jede Gelegenheit genutzt, um den Jungen zu manipulieren. Er erinnerte ihn an seine Erhabenheit. Spornte ihn an, ein stärkerer König als sein Vater es je war zu werden. Redete ihm ein, dass der Westen gestürzt und das Saudi-Königreich gleichzeitig erweitert werden müsste. Salman wäre niemals König - doch er könnte an der Seite des Königs stehen. So spräche man seinen Namen auf der ganzen Welt im gleichen Atemzug aus.

„Ich fürchte, dass wir vorschnell gehandelt haben“, murmelte Basheer. „Das ist kein gutes Zeichen für uns.“

„Ganz im Gegenteil“, versicherte Salman ihm. „Sie haben gezeigt, dass Sie einen starken Willen haben. Als Nächstes müssen wir beweisen, dass Ihr Handeln genauso schlagkräftig ist.“

„Wie? Sagen Sie mir wie“, flehte Basheer ihn an. „Wenn die ein erfolgreiches Abkommen mit dem Iran treffen, dann haben wir keine Verbündeten. Die Welt wird uns für Idioten halten. Wir können uns gegen keine US-Armee wehren. Wir können uns keinen Krieg mit denen leisten.“

„Nein“, stimmte Salman ihm zu und legte eine dürre Hand auf die Schulter des jungen Königs. „Das können wir nicht. Aber vielleicht brauchen wir das auch gar nicht. Es gibt einen Plan, Hoheit, der wurde schon in Bewegung gesetzt. Wenn wir ihn durchziehen, dann wird die westliche Welt eine schmerzhafte Lektion erhalten - und die Welt wird zum Zeugen unseres Aufstiegs.“




KAPITEL DREI


Don’t worry

About a thing,

’Cause every little thing…

’Cause every little thing…



„Verdammt“, murmelte Null. „Das weißt du.“ Er hatte das Lied gepfiffen und dabei den Text im Kopf aufgesagt - die Mädchen hatten ihn mehrmals darum gebeten, mit dem Singen aufzuhören - aber er hatte noch nie die Zeile vergessen. „Wie war das noch?“

„Redest du mit dir selbst?“ fragte Sara, als sie in die kleine Küche seiner Wohnung in Bethesda, Maryland, kam. Sie trug Jogginghosen, ihr blondes Haar war zerzaust und den dunklen Ringen unter ihren Augen nach zu urteilen hatte sie vergessen (oder keine Lust gehabt), sich am Abend zuvor abzuschminken.

„Na klar.“ Null küsste sie auf den Kopf, während sie den Kühlschrank öffnete. „Guten Morgen, Liebes.“

„Hm“, antwortete Sara darauf und zog den Krug Orangensaft hervor. Seit Thanksgiving wohnte sie bei Null - seit sie aus der Rehabilitationsanstalt, zu der er sie geschickt hatte, abgehauen war und fast unter einem Pier gekidnappt worden wäre. Sie war sechzehn, jetzt fast siebzehn, erinnerte er sich, doch ihre Gesichtszüge waren so reif, dass man sie leicht für mindestens zwei Jahre älter halten könnte. Es war so schon schmerzhaft, dass seine Mädchen erwachsen wurden. Doch es war noch schlimmer, dass sie durch das Trauma schneller gereift war, und am schlimmsten, dass sie jeden Tag ihrer verstorbenen Mutter ähnlicher sah.

„Was machst du da?“, fragte sie und reckte ihren Hals über seine Schulter, um in die Pfanne zu spähen.

„Oh, das hier? Das, meine Liebe, ist eine Frittata.“ Null hob die Bratpfanne an, schüttelte sie zwei Mal und wendete die Frittata gekonnt in der Luft.

Sara rümpfte ihre Nase. „Sieht aus wie ein Omelette.“

„Ist auch so ähnlich. Die Nachbarin des Omelettes könnte man sagen. So, als ob ein Omelette und eine Pizza ein Baby hätten. Eine Frittata.“

„Bitte sag nicht mehr -“

„Frittata.“

Sara rollte mit den Augen und trank einen großen Schluck Orangensaft. „Du bist komisch.“

„Hallo Mäuschen“, verkündete Maya, als sie in die Küche kam. „Gib mir auch was davon ab.“ Sie trug Shorts und einen Kapuzenpulli, Turnschuhe und ein Schweißband über der Stirn. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten, ähnlich wie ein Bob - die Mädchen nannten es einen „Pixie-Schnitt“. Während die Züge ihrer jüngeren Schwester eher ihrer Mutter ähnlich waren, glich Mayas jugendliches Gesicht viel mehr Null.

Auch Maya wohnte bei ihm, was die Zwei-Zimmerwohnung zwar sehr gemütlich, aber auch gleichzeitig ein wenig eng machte. Seine zwei Töchter, fast siebzehn und neunzehn, teilten sich ein Zimmer, aber hatten sich kein Mal darüber beschwert. Null dachte, dass das daran lag, dass sie so viel Zeit getrennt verbracht hatten, als Sara in Florida gelebt und Maya in West Point studiert hatte. Doch seine Älteste hatte den Rest des Wintersemesters ausgesetzt und blieb jetzt auch noch das Sommersemester bei ihm. Er hatte das Thema zwar noch nicht angesprochen, doch er hoffte, dass sie letztendlich zurückkehren und ihre Ausbildung abschließen würde.

Sara gab Maya den Orangensaft, die einen ordentlichen Schluck davon trank. „Maya, findest du Dad in letzter Zeit nicht komisch?“

„Du meinst komischer als normal? Ja. Absolut.“

„Erstens“, sagte Null, „holt euch Gläser. Wir sind hier nicht bei den Hottentotten. Zweitens, inwiefern bin ich komisch?“

„Du singst viel“, bemerkte Maya.

„Ich habe damit aufgehört, als ihr mich darum gebeten habt.“

„Jetzt pfeifst du die ganze Zeit“, erwiderte Sara.

„Und wo liegt da das Problem?“

„Machst du eine Frittata?“, fragte Maya.

„Er kocht viel“, sagte Sara, als ob er gar nicht im Zimmer wäre.

„Ja, das ist schon komisch“, stimmte Maya zu. „Irgendwie scheint er … glücklicher.“

„Warum ist das komisch?“, wehrte sich Null.

„In dieser Familie?“ Sara schnaubte. „Das ist komisch.“

„Aua.“ Null hielt sich eine Hand über sein Herz und spielte einen Herzinfarkt vor. „Tut mir so leid, dass ich versuche, das Leben jener zu bereichern, die ich liebe.“

„Ich traue dem Ganzen nicht“, flüsterte Sara ihrer Schwester zu.

„Wo warst du letzte Woche?“

Die Frage kam so plötzlich, dass es Null fast aus den Socken riss. Seine Älteste starrte ihn mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue an und wartete.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich in Kalifornien war…“

„Klar“, erwiderte Maya, „du hattest einen Termin mit einem Spezialisten für deine Hand.”

„Genau.“

„Ich habe unsere Krankenversicherung angerufen und die sagten mir, dass keine Papiere eingereicht wurden“, sagte Maya gelassen. „Es wurde keine Selbstbeteiligung bezahlt. Also … wo warst du letzte Woche?“

Ich ortete einen desertierten CIA-Ingenieur, um herauszufinden, ob er mir sagen könnte, warum mein eigenes Gehirn versucht, mich umzubringen. Das war die Wahrheit, doch er würde sie ihnen nicht sagen - schließlich wusste man nie, ob seine Wohnung verwanzt war. Allerdings hatten die Mädchen auch keine Ahnung von seinen verlorenen Erinnerungen, den Problemen, die ihn kürzlich heimsuchten, oder der finsteren Warnung, die Guyer ausgesprochen hatte.

Stattdessen zwang er sich zu einem schüchternen Lächeln und entgegnete: „Vielleicht geht dich das gar nichts an.“

Maya imitierte sein falsches Lächeln perfekt. „Vielleicht solltest du deine Töchter nicht anlügen.“

„Vielleicht versuche ich so, auf sie aufzupassen.“

„Vielleicht brauchen sie das gar nicht.“

„Vielleicht -“

Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Zu Nulls Leidwesen griff er immer noch sofort instinktiv zur Glock, die in der Besteckschublade versteckt war. Trotz der vielen Male, die man schon in sein Zuhause eingebrochen hatte, musste er sich immer wieder daran erinnern, dass Terroristen nicht anklopften. Er zwang seine Muskeln dazu, sich zu entspannen, und erholte sich von dem Schreck, während Maya rief: „Es ist offen!“

Die Wohnungstür ging auf und eine Frau trat ein. Sie war zwei Jahre jünger als Null, noch nicht vierzig, doch man könnte sie auch leicht zehn Jahre jünger schätzen. Wenn sie nicht auf einem Einsatz waren, trug sie ihr volles, blondes Haar offen. Die Art, wie es ihr um die Schultern fiel, umrahmte perfekt ihr Gesicht und ihre schiefergrauen Augen. Sie trug enge Jeans, schwarze Stiefel und einen schwarzen Daunenmantel. Null hatte sie in ihren schönsten Momenten in Abendkleidung und Kleidern gesehen, aber auch in den schlimmsten, als ihr Gesicht blutverschmiert war und sie eine Waffe in der Hand hielt. Trotzdem schlug sein Herz jedes Mal, wenn er sie sah, etwas höher.

Maria ging zur Küche, küsste Null auf die Wange und legte eine weiße Schachtel auf die Theke. „Guten Morgen zusammen! Ich habe Croissants mitgebracht.“

„Genial.“ Maya nahm eins und biss hinein. „Ich kann vor dem Joggen Kohlenhydrate gut gebrauchen.“

„Aber die Frittata“, murmelte Null.

„Maria, sag du doch mal“, meldete sich Sara zu Wort. „Ist Dad in letzter Zeit komisch?“

Maria runzelte die Stirn. „Komisch? Ich weiß nicht, ob ich es komisch nennen würde. Aber schon anders. Vielleicht glücklicher?“

„Sag ich doch.“ Sara nahm ein Croissant.

„Bleibst du?“, fragte Null sie, während er sein unbeliebtes Omelette-ähnliches Gericht auf einen Teller schob.

„Wollte nur kurz auf dem Weg vorbeischauen“, erwiderte Maria. „Ich muss nach Langley.“

„An einem Samstag?“ Null hob eine Augenbraue an.

Sie zuckte mit einer Schulter. „Papierkram.“

„Papierkram“, wiederholte er. Er wusste ganz genau, dass es keinen Papierkram gab. „Papierkram“ war die Ausrede, die sie einander erzählten, wenn sie nicht die Wahrheit sagen konnten, doch nicht lügen wollten - natürlich war es ironisch, dass „Papierkram“ eine komplette Lüge war.

„Und wo warst du letzte Woche?“, fragte Maria mit einer gefälschten Unschuld.

Null grinste. „Papierkram.“

„Touché.“

Maria wusste nicht, dass Null Bixby ausfindig gemacht hatte, und er wollte, dass dies so blieb.

Er wechselte schnell das Thema. „Sehen wir uns heute Abend?“

„Ganz bestimmt.“ Sie lächelte und nahm ein Croissant aus der Schachtel. „Jetzt muss ich aber los. Ich nehme eins mit. Wir sprechen uns später.“

„Ich muss auch los“, fügte Maya hinzu.

„Ich gehe duschen“, verkündete Sara.

„Heee, wartet!“, rief Null, als sie versuchten, alle gleichzeitig aus der Küche zu stürmen. „Wartet doch mal einen Moment.“ Drei erwartungsvolle Gesichter wandten sich zu ihm um. „Äh, ich meine … in ein paar Tagen ist Valentinstag. Also macht da bitte noch keine Pläne.“

Sie blickten einander an. „Wer?“, wollte Maya wissen.

„Ihr alle. Jeder von euch. Ich möchte ihn mit allen drei Frauen in meinem Leben verbringen.“

„Na … in Ordnung. Klar.“ Maya nickte.

„Klingt toll“, stimmte Maria zu.

„Wie ich schon sagte“, murmelte Sara. „Komisch.“

Und dann waren sie weg, die Haus- und Badezimmertüren schlossen sich fast gleichzeitig hinter ihnen.

Null sah seine Frittata an und seufzte. „Jetzt sind wir nur noch zu zweit, meine Liebe.“ Er nahm den Teller und setzte sich an die kleine Küchentheke.

Nach außen schien alles wunderbar in seinem Leben. Er und Maria waren offiziell wieder zusammen und während der letzten zwei Monate fühlte es sich so an, als ob ihre Beziehung wieder ganz von vorne begänne. Er behielt die Wohnung in Bethesda und sie lebte immer noch in dem kleinen Bungalow, den sie einst gemeinsam bewohnt hatten. Aber wer konnte es schon sagen? Vielleicht würden sie bald wieder zusammenleben. Beide seiner Mädchen wohnten bei ihm, was ihm gefiel. Er gab sich große Mühe, ihnen Freiraum zu gewähren und sie ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen - schließlich war eine jetzt erwachsen und die andere technisch gesehen emanzipiert. Egal wie komisch sie ihn fanden, sie hatten ganz bestimmt die positive Veränderung in seinem Verhalten bemerkt.

Er hatte sich auch wirklich verändert. Null bemühte sich ernsthaft darum, sich zu bessern. Dazu gehörten seine Kochkünste, mehr Zeit mit den Mädchen zu verbringen, lustige Familienaktivitäten zu organisieren und Maria so viel wie möglich miteinzubeziehen. Er wollte das Leben voll auskosten … weil er keine Ahnung hatte, wie lange er noch leben würde.

Guyer wusste es nicht. Bixby auch nicht. Und wenn die zwei schlausten Köpfe, die er jemals getroffen hatte, ihm keine Antworten geben konnte, dann bezweifelte er, dass es sonst jemand auf dem Planeten könnte. Er würde weiter Erinnerungen vergessen. Neue kämen hin und wieder herauf, wie die Erinnerungen an die Attentate, die er während seiner ersten Jahre als inoffizieller Agent der CIA ausübte. Doch er hatte sich dazu entschieden, nach vorn zu blicken, nicht zurück. Seine Vergangenheit lag hinter ihm, seine Zukunft war fraglich.

Er wusste, was er tun musste: Er musste den Agenten finden, von dem ihm Bixby erzählt hatte. Dieser Mann namens Connor, dem der Gedächtnishemmer implantiert worden war. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mann noch lebte, war gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass Null ihn finden würde, noch viel geringer.

Er musste es trotzdem versuchen. Und gleichzeitig musste er weiter versuchen, das meiste aus der Zeit zu machen, die ihm noch blieb. Er wollte einen positiven Einfluss auf die Leben seiner geliebten Menschen haben. Er musste wissen, dass sie sich nach seinem Tod an diese Zeit erinnern würden. Dies war die Version von ihm, an die sie sich gerne erinnern würden.

Denn letztendlich würde sein Gehirn ihn umbringen - falls es der Schmerz, so viele Geheimnisse für sich zu behalten, wo er doch Aufrichtigkeit versprochen hatte, das nicht zuerst schaffte.




KAPITEL VIER


Maria Johansson zog ihre Schlüsselkarte durch den vertikalen Schlitz in der Wand eines weißen Gangs aus Betonstein in einem Untergeschoss des CIA-Hauptquartiers in Langley. Man hörte ein lautes Summen, dann schob sich ein schwerer, elektronischer Bolzen zurück und schließlich entriegelte sich die Stahltür mit einem schweren Klonk.

Dies war nur eines der vier Untergeschosse unter dem George-Bush-Center für Geheimdienst - vier von denen sie wusste, es gab wahrscheinlich andere, die sie nicht kannte. Selbst als eine ehemalige stellvertretende Direktorin wurde sie nicht in alle Geheimnisse der Agentur eingeweiht. Sie war auch nicht naiv genug, um zu glauben, dass das jemals geschähe.

Trotzdem grenzte es an ein kleines Wunder, dass ihre Schlüsselkarte noch funktionierte. Nachdem sie letzten November die chinesische Rebellengruppe und ihre Ultraschallwaffe aufgehalten hatte, war sie von ihrem Posten zurückgetreten und hatte wieder ihr Leben als Geheimagentin aufgenommen. Sie hatten aber noch nicht den Zugang auf Geheiminformationen widerrufen, den sie in ihrer damaligen Stellung gehabt hatte.

Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie den Grund dafür kannte.

Maria drückte die Tür hinter sich zu und nickte dem Sicherheitswärter im grauen Anzug zu, der hinter einem beigen Schreibtisch saß und eine Sportzeitschrift las. „Guten Morgen, Ben.“

„Ms. Johansson.“ Der ehemalige Agent machte keine Anstalten, sich zu bewegen, geschweige denn ihren Ausweis zu überprüfen und ihre Schlüsselkarte zu scannen.

„Sollte ich mich anmelden…?“, fragte sie nach einem Moment peinlicher Stille.

Ben grinste. „Ich glaube, ich kann mich seit letztem Donnerstag noch daran erinnern, wie Sie aussehen.“ Er zeigte mit dem Kinn in Richtung Gang. „Gehen Sie einfach nach hinten.“

„Danke.“

Die Absätze ihrer Stiefel klackten gegen den gekachelten Boden und hallten aus leeren Zellen wider, während sie auf die letzte links in dem Gang zulief. Es gab keine anderen Gefangenen in diesem Untergeschoss, es sollte eigentlich ein vorübergehender Haftraum sein, in dem man normalerweise einheimische Terroristen, Kriegsverbrecher, Deserteure und den gelegentlichen verräterischen Spion verwahrte. Es war ein kurzer Halt auf dem Weg zu viel schlimmeren Orten, wie Hölle Sechs in Marokko - oder ein einfaches Loch in der Erde.

Sie hasste es, Null anzulügen. So nannte sie ihn dieser Tage, Null. Er hatte sie letzten Monat darum gebeten, ihn nicht mehr Kent zu nennen. Es nannte ihn sowieso niemand bei seinem ehemaligen CIA-Alias, er war einfach nicht mehr Kent Steele. Und fast niemand, mit dem er regelmäßig zu tun hatte, nannte ihn bei seinem wirklichen Namen, Reid Lawson. Er war einfach Agent Null. Verdammt, selbst der Präsident nannte ihn Null. Also tat Maria es auch.

Obwohl „Papierkram“technisch gesehen keine Lüge ist, dachte sie still bei sich. Es war ihr Codewort für „es ist ein Geheimnis und ich würde es bevorzugen, wenn du mich nicht danach fragst.“ Gerade letzte Woche hatte er selbst den Mädchen erzählt, dass er nach Kalifornien ginge. Ihr hatte er gesagt, dass er sich um etwas „Papierkram“ kümmern müsste.

Also stellte sie keine Fragen. Nun ja, sie hatte ihn an diesem Morgen ganz schön gedrängt, doch es war nicht ernst gemeint. Außerdem: was sonst hätte sie ihm sagen sollen? Seit ein paar Monaten besuche ich einen CIA-Gefangenen und Mörder und es ist mir peinlich, es zuzugeben.

Natürlich nicht. Das klang fürchterlich.

Die Zelle war dreieinhalb auf dreieinhalb Meter groß. Der Boden und die Decke waren aus Zement und die Wände waren nicht vergittert, sondern bestanden aus vier Zentimeter dickem Sicherheitsglas. Ein Bereich mit Löchern mit einem Zentimeter Durchmesser an der Seite des Ganges ermöglichte das Gespräch mit dem Gefangenen darin. Es gab keine Fenster, doch noch viel schlimmer war es, dass man keine Tür erkennen konnte. Maria war sich nicht einmal sicher, wie man in die Zelle kam. Eine versteckte Platte in einer der Glaswände wahrscheinlich, doch es war absolut nicht erkennbar. Das war ein psychologischer Trick, um dem Gefangenen zu zeigen, dass es wirklich keine Flucht gab.

Marias Herz brach jedes Mal ein wenig, wenn sie diese Glaswand sah. Obwohl außer Ben, dem Wächter, sonst niemand da war - wahrscheinlich im ganzen Untergeschoss nicht - hatte man so keine Privatsphäre. In der Zelle stand eine kleine Pritsche mit Decke und Kopfkissen, ein winziger WC-Bereich mit einem Waschbecken, einer Toilette und einem Duschkopf - alles stand offen da - und ein einzelner Stahlstuhl, der in den Boden verschraubt war.

Doch heute saß die Bewohnerin der Zelle im Schneidersitz auf dem kalten Zementboden in der Mitte der Zelle. Dies war der offenste Teil ihres winzigen Lebensraumes. Maria nahm an, dass sie sich so ein Gefühl von Freiraum verschaffte.

„Guten Morgen“, sagte Maria. Sie musste ein wenig lauter als normal sprechen, damit das Mädchen sie durch die Löcher in der Glaswand hören könnte.

„Hallo.“ Zu Beginn drehte sich Mischa nicht, um sie anzusehen. Doch so war sie, so hatte sie sich benommen, seit Maria anfing, sie zu besuchen. Sie spielte die Unnahbare, zumindest für eine kleine Weile. Vielleicht stimmte das auch nicht, sondern sie gewöhnte sich an Maria.

Das Mädchen war zwölf, blond und hatte grüne Augen. Maria fand sie hübsch, doch die ausdruckslose Fassade, die sie für gewöhnlich trug, ließ ihre Gesichtszüge flach wirken. Sie trug einen einfachen blauen Polyester/Baumwoll-Krankenhauskittel, wie eine Schwester in der Notaufnahme. Er hatte keine Taschen oder Reißverschlüsse, nichts aus Metall.

Sie war barfuß. Normalerweise war ihre Laune missmutig, sie sprach wenig und konnte einen Mann, der drei Mal so groß wie sie war, ohne großen Aufwand töten. Das letzte Mal, als Maria sie ohne eine vier Zentimeter dicke Glaswand zwischen ihnen gesehen hatte, hatte sie tatsächlich versucht, sie und Null umzubringen.

„Ich habe dir was mitgebracht”, sagte Maria auf Russisch. Sie war sich nicht sicher, woher das Mädchen ursprünglich kam, doch sie sprach Englisch perfekt akzentfrei. Während vieler Besuche hatte Maria entdeckt, dass sie ebenso gut in Russisch, Ukrainisch und Chinesisch war.

Auf der Höhe von Marias Ellenbogen befand sich eine rechteckige Klappe in der Glaswand mit einer Schlinge als Griff. Sie zog sie auf und legte das Croissant hinein, das sie zuvor aus Nulls Wohnung mitgenommen hatte. Die Klappe auf der anderen Seite - auf Mischas Seite - war so eingestellt, dass sie nicht zur gleichen Zeit geöffnet werden konnte. Nicht, dass das etwas ausmachte. Das Mädchen nahm niemals etwas von dem Essen an, das sie mitbrachte, bis Maria wieder weg war.

„Das sollte noch warm sein“, fügte sie hinzu.

„Spasiba,“ sagte Mischa, fast unmerklich. Danke.

„Bekommst du genug zu essen?“

Das Mädchen zuckte nur mit einer Schulter.

Maria schloss ihre Augen für einen Moment, um die Tränen herunterzuschlucken, die plötzlich aus ihr strömen wollten. Sie wusste nicht, warum sie bei jedem Besuch so rührselig wurde. Mindestens ein Mal bei jedem Besuch überkam sie eine Welle tiefster Traurigkeit darüber, dass ein so junges Mädchen in einer Haftzelle im Untergeschoss saß.

Mischa hatte der chinesischen Gruppe mit der Ultraschallwaffe angehört. Ihr Vormund war eine rothaarige Russin gewesen, eine ehemalige Geheimagentin namens Samara, die zu den Chinesen übergelaufen war, um einen Terroranschlag auf amerikanischem Boden zu planen, der wie ein Angriff der Russen aussehen sollte. Samara und ihre Kollegen waren jetzt tot. Nur Mischa hatte überlebt. Allerdings hatte sich kein Land der Welt wegen ihr gemeldet. Die ganze Welt stritt jede Kenntnis von ihr ab.

Der hauptsächliche Grund, warum sie weiterhin hier in Langley im Untergeschoss blieb, war sicherlich nicht, dass die CIA sie nicht ins marokkanische Geheimgefängnis gesteckt hätte. Nein, es lag daran, dass die Agentur einfach nicht beweisen konnte, dass sie wirklich ein Verbrechen begangen hatte. Niemand im Team - weder Null noch Strickland und ganz sicher nicht Maria - hatten gegen sie ausgesagt oder über ihre Handlungen gesprochen.

Sie wussten einfach nicht, was tun mit einem möglicherweise gefährlichen, hochtrainierten und definitiv tödlichen Kind, das man vermutlich einer Gehirnwäsche unterzogen hatte. Deshalb blieb sie hier.

Doch Maria konnte nichts davon sehen. Sie sah einfach nur ein Mädchen, das ihr während der letzten paar Monate gelegentlich eine Verletzlichkeit gezeigt hatte, die bewies, dass sie immer noch ein Mensch war.

„Was ist denn?“, fragte Mischa.

Maria bemerkte, dass ihre Augen immer noch geschlossen waren. Sie öffnete sie und lächelte, als sie sah, wie das Mädchen sie fragend anblickte. „Also … um ehrlich zu sein, bin ich traurig.“

„Warum.“ Es klang mehr wie eine Aussage als eine Frage.

„Ich bin traurig für dich“, erklärte Maria. „Dass du hier sein musst.“

„Ich war schon an schlimmeren Orten“, erwiderte das Mädchen.

„Das ist keine Entschuldigung dafür“, sagte Maria streng. „Du hast Besseres verdient. Du bist kein Tier. Vielleicht …“ Sie hielt inne. Vielleicht kann ich eine Zelle mit einem Fenster für dich aushandeln, wollte sie eigentlich sagen.

Aber es wäre immer noch eine Zelle.

Maria hatte begonnen, das Mädchen ein paar Tage nach ihrer Verhaftung zu besuchen. Seitdem kam sie zwei Mal wöchentlich. Während der ersten paar Besuche hatte Mischa sie nicht mal angesehen. An ein Gespräch war überhaupt nicht zu denken. Die nächsten paar Besuche danach hatte Maria damit verbracht, das Mädchen davon zu überzeugen, dass sie es nicht foltern oder quälen würde. Maria wollte keine Informationen. Sie wollte überhaupt nichts vom früheren Leben des Kindes wissen, das war die absolute Wahrheit. Die Zelle wurde sowohl durch Video- als auch Audioaufnahmen überwacht. Jegliche Erwähnung von Mischas Vergangenheit könnte Indiskretionen enthüllen, die ihr einen Flug ohne Rückfahrkarte zu einem viel schlimmeren Ort verschaffen könnten.

Maria hatte sieben Wochen gebraucht, um herauszufinden, dass die Lieblingsfarbe des Mädchens violett war, und dass sie Tootsie Rolls Süßigkeiten mochte - allerdings hatte sie auch den starken Verdacht, dass Mischa noch niemals eine andere Süßigkeit probiert hatte. Deshalb hatte sich Maria dazu entschlossen, ihr welche mitzubringen. So war es zu einem Ritual geworden, ihr ein Häppchen Essen mitzubringen und es ihr - mit der Erlaubnis des Wächters Ben - durch die kleine, rechteckige Tür in der Zelle zu schieben.

Maria wusste, dass sie beobachtet wurde, aber es war ihr egal. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass sie immer noch die Zugangsrechte einer stellvertretenden Direktorin hatte, weil sie das Mädchen besuchte. Solange sie dies in ihrer Freizeit tat, mussten alle anderen nur zuhören, aufpassen und hoffen, dass sich daraus Informationen ergaben.

Maria setzte sich im Schneidersitz auf den Boden direkt hinter der Glaswand, ihre Knie berührten sie fast. „Hast du Lust auf ein Spiel?“

Mischa blickte sie einen langen Moment aus ihrem Augenwinkel an. „Was denn für ein Spiel?“

„Es heißt: ,Ich habe noch nie.‘ Kennst du das?“

Das Mädchen schüttelte ein wenig den Kopf.

„Es ist ganz einfach. Halte drei Finger hoch. So.“ Maria wusste, dass das Mädchen nicht offen sprechen würde, doch sie hoffte, dass sie die Kleine dazu bringen würde, sich ein wenig zu öffnen, indem sie ein paar Fragen als ein Spiel tarnte. „Ich fange an. Ich sage etwas, das ich noch nie getan habe, doch das ich gerne tun würde. Wenn du das schon gemacht hast, dann nimmst du einen Finger herunter. Dann sagst du etwas, das du noch nie getan hast. Wenn du alle Finger heruntergenommen hast, dann verlierst du.“

Mischa starrte eine Weile auf den Boden, lange genug, damit Maria dachte, dass ihre List vielleicht doch nicht so klug war, wie sie anfänglich gedacht hatte.

Dann hob das Mädchen langsam einen Arm hoch und streckte drei Finger aus.

„Gut. Ich fange an. Äh … ich war noch nie auf den Bahamas.“

Die drei Finger des Mädchens blieben oben.

„OK“, sagte Maria, „jetzt bist du dran.“

„Ich habe noch nie …“, murmelte Mischa, „Fußball gespielt.“

Maria bog langsam einen Finger herunter. „Hast du Lust darauf?“

Mischa nickte einmal.

„Hast du andere Kinder spielen gesehen? Oder im Fernsehen?“

„Im Fernsehen. Es sah aus, als würde es…“ Sie hielt einen Moment inne, als würde sie versuchen, sich an das richtige Wort zu erinnern. „Spaß machen.“

Maria verkniff sich ein Lächeln. Das war das größte Zugeständnis, das Mischa ihr bisher gemacht hatte. „In Ordnung. Ich bin dran. Ich habe noch nie Süßigkeiten gegessen, bis mir schlecht wurde.“

Das Mädchen runzelte seine Stirn. „Warum würdest du so etwas tun wollen?“

„Na ja, ich würde das nicht wollen, stimmt. Aber manchmal übertreiben es die Leute einfach ein wenig.“

Mischas hielt weiter ihre drei Finger in die Luft. „Ich hatte noch nie eine Freundschaft.“

Maria biss sich schnell auf die Lippe, um das Keuchen zu unterdrücken, das ihr fast entfloh. Sie hatte nicht mit so viel Aufrichtigkeit gerechnet. Das traf sie unvorbereitet und erdrückte ihr Herz wie ein Schraubstock.

„Das tut mir leid“, sagte sie sanft und nahm ihren zweiten Finger herunter. „Vielleicht sollten wir aufhören.“

„Aber ich gewinne.“

Da machte sich ein ungewolltes Lächeln auf Marias Lippen breit. „Du hast recht. Das stimmt. OK. Äh … ich habe noch nie einen Garten angelegt.“

Ihre drei kleinen Finger blieben oben und Maria hielt den Atem an, gespannt über das, was sie als nächstes sagen würde.

„Ich habe noch nie meine Mutter kennengelernt.“

Maria atmete langsam aus. Das war eine fürchterliche Aussage, doch sie überraschte sie nicht sehr. Sie hatte sich schon vorgestellt, dass Mischa vermutlich ausgesetzt worden war oder verwaist war, vielleicht sogar von den Chinesen oder Samara - oder von der Gruppe, die sie trainiert hatte - gekidnappt worden war. Sie nahm ihren letzten Finger herunter und legte ihre Hände in ihren Schoß.

„Du hast gewonnen“, sagte sie. Das Spiel war ein kompletter Fehlschlag gewesen. Davon abgesehen, dass sie Fußball spielen wollte, hatte Maria nur herausgefunden, dass das Leben des Mädchens so schrecklich war, wie sie zuvor angenommen hatte. Schön wär’s…

„Mischa“, sagte sie plötzlich. „Ich kann dir nicht versprechen, dass du jemals deine Mutter kennenlernen wirst. Aber ich kann dir andere Dinge versprechen. Ich kann dir versprechen, dass du nicht für immer hier bleiben musst.“ Sie sprach schnell, als ob sie Angst hätte, dass ihr die Worte ausgingen, falls sie ihren Redefluss unterbräche. „Du wirst Fußball spielen und Freunde haben … und … und … du kannst so viele Süßigkeiten essen, bis dir schlecht wird, wenn du magst. Du kannst all das haben.“ Maria blinzelte, weil ihr Tränen in den Augen standen. Sie war überrascht über die ganzen Versprechen, die sie gemacht hatte, und bereute es sofort. Sie würde es versuchen, aber sie konnte eigentlich gar nichts wirklich versprechen. „Du solltest all diese Dinge haben.“

„Wie kann ich dir glauben?“, fragte das Mädchen.

Maria schüttelte ihren Kopf. Sie wusste, dass sie nur noch alles schlimmer machen würde, falls sie versagen sollte. „Wir fangen klein an. Lass mich dir etwas mitbringen. Nicht nur Essen. Sag mir etwas, das du gerne hättest. Eine Beschäftigung? Ein … Spielzeug oder einen Ball … oder …?“ Sie hatte keine Ahnung, woran das Mädchen interessiert sein könnte.

Mischa dachte einen Moment nach. „Ein Buch.“

„Ein Buch?“

„Dostojewski.“

Maria lachte überrascht auf. „Du willst, dass ich dir Dostojewski mitbringe -?“

„Aufzeichnungen aus dem Untergrund.”

„Wow. Na … OK. Ja. Das mache ich. Versprochen.“ Maria stand auf. „Ich komme in ein paar Tagen zurück und bringe dir das Buch.“

„Danke, Maria.“ Es war das erste Mal, dass das Mädchen sie bei ihrem Namen genannt hatte. Es fühlte sich gut an, das zu hören, aber gleichzeitig auch irgendwie fremd.

„Und Mischa? Du lagst bei einer Sache falsch. Du hast eine Freundin.“

Maria ging den Gang zurück, ihre Absätze klackten gegen den Boden und hallten vom Beton wider. Sie drehte sich nicht um, blickte nicht zurück, doch sie hörte das typische Klicken der Stahlklappe, wo das Croissant lag, und lächelte.

Sie hatte keine Ahnung, wie sie jemanden davon überzeugen konnte, Mischa freizulassen oder ihr zumindest ein wenig Privatsphäre und Raum zu geben, doch sie würde ihr Bestes geben, es zu versuchen. Das Mädchen hatte ihr die ersten deutlichen Anzeichen gegeben, dass sie nicht komplett indoktriniert, sondern immer noch einfach nur ein Kind war. Ein Mädchen, das Freunde und eine Familie wollte, das Fußball spielen wollte.

Maria würde das für sie arrangieren. Sie konnte die Versprechen, die sie so überstürzt gemacht hatte, nicht wieder zurücknehmen. Es gab keine andere Wahl: sie musste sie halten.




KAPITEL FÜNF


Null trug eine Sonnenbrille und eine schwarze Schädelmütze. Sein Jackenkragen war aufgeschlagen, als er die Tür zum Büro der Third Street Garage in Alexandria, Virginia, öffnete. Sein Outfit war womöglich übertrieben, doch seitdem er erfolgreich Bixby gefunden hatte, versuchte er, auf der Suche nach Informationen so unerkannt wie möglich zu bleiben. Die Agentur hatte ihn schon zuvor unerwartet beschattet, es war durchaus möglich, dass sie es weiterhin tat.

Das kleine Büro war leer, es stand dort nur ein Stahlschreibtisch mit einem alten Computer und zwei Stühlen für Gäste. Er hörte gedämpfte Musik aus der Garage und ging in ihre Richtung. Er zog die zweite Tür auf und seine Ohren wurden von dem Lied „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival angefallen. Es dröhnte aus einer Stereoanlage, die aussah, als wäre sie im Erscheinungsjahr des Liedes hergestellt worden.

Er drückte den Stopp-Knopf - war das wirklich ein Kassettenrekorder? - doch Alan gröhlte die nächsten Takte verstimmt weiter. Er lag unter einem kirschroten 1972er Buick Skylark.

„Das ist doch der beste Teil vom Lied“, brummte er, während er unter dem Buick auf einem quietschenden Rollbrett hervorkam. „Hilf mir mal hoch, bitte.“

Null ergriff Alans dicke Hand, zog den größeren Mann auf die Füße und stöhnte dabei. Auch Alan stöhnte, doch Null wusste, dass das reine Schauspielerei war. Alan hatte breite Schultern und ein paar Kilo extra um die Taille, doch darunter lagen Schichten von Muskeln, die er sich während seiner Karriere als CIA-Einsatzagent antrainiert hatte. Sein dichter, graumelierter Bart und die Fernfahrermütze verdunkelten seine Gesichtszüge. Sie halfen auch, seine Identität als einfacher Mechaniker zu untermauern, doch Alan Reidigger war viel, viel mehr als das - unter anderem auch Nulls bester Freund, seitdem er sich erinnern konnte.

„Du bist ein wenig früh dran“, bemerkte Alan.

„Willst du mir sagen, dass es noch nicht fertig ist?“ fragte Null und zeigte auf das Auto.

„Das ist soweit. Ich dachte nur, dass mir noch ein wenig Zeit bliebe, um das Lied zu üben. Komm schon, steig ein.“ Null setzte sich auf den Beifahrersitz und Alan hinter das Steuer. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss um und der Motor erwachte zum Leben. Er brummte mächtig unter der Haube.

Alan hatte viele Eigenschaften, dazu gehörte auch ein wenig Verfolgungswahn. Er war davon überzeugt, dass seine Werkstatt von der CIA verwanzt war, egal wie oft er sie durchsuchte. Null hatte keine Ahnung, wem der Skylark gehörte, doch hinter seinen getönten Fenstern und mit dem brummenden Motor konnten keine Kameras oder Mikrophone sie sehen oder hören.

„Also… was hast du herausgefunden?“ fragte Null.

„Ich? Nichts.“ Alan zog ein schmutziges Taschentuch aus seiner Hemdjacke und wischte sich seine öligen Hände ab. „Aber vielleicht hat der Weihnachtsmann was im Handschuhfach für dich hinterlassen.“

Null öffnete es und zog den dicken Aktenordner heraus, der sich darin befand. Zwischen den Plastikdeckeln befanden sich mindestens hundertfünfzig Seiten. „Verdammt, Alan. Hast du dich in die Datenbank der CIA eingehackt?“

„Natürlich nicht“, sagte Reidigger empört. „Ich habe jemanden bezahlt, das für mich zu tun.“ Er grinste hinter seinem Bart hervor. „Vor dir liegen die bekannten Identitäten und derzeitigen Aufenthaltsorte aller Personen, die entweder mit Vor- oder Nachnamen Connor heißen, und in den letzten sechs Jahren mit der CIA zu tun hatten.“

„Beeindruckend.“ Null blätterte ein wenig in den Seiten, erhaschte nur einen Blick auf die Dutzende von Gesichtern - wahrscheinlich waren es Passfotos - mit den Textabschnitten voller persönlicher Informationen darunter. „Ich warte auf das ,aber‘.“

„Aber“, sagte Alan, „ich bin das schon alles durchgegangen und…“

„Keine Erwähnung vom Gedächtnishemmer.“ Null schüttelte seinen Kopf. „Das habe ich auch nicht erwartet. Ich suche nach jemandem, der spurlos verschwand. Jemand, der nicht zu dem passt, was in den Akten oder der Beschreibung seines Jobs angegeben wird.“

„Lass mich doch mal ausreden.“ Alan schniefte. „Danach habe ich auch schon gesucht. Schau mal, Null, wenn jemand verschwinden will, dann kann ich das ganz gut ermöglichen. Das meiste davon habe ich bei der Agentur gelernt. Unser Typ ist entweder tot oder nicht in dem Aktenordner. Es ist gut möglich, dass der nirgendwo existiert. Auf keinem Formular und in keinem Computer.“

„Der muss irgendwo sein“, murmelte Null. „Es muss doch wenigstens eine Nadel im Heuhaufen geben, die sie vergessen haben zu löschen. Ein geheimes Bankkonto, eine Mitgliedschaft bei einem Fitnessstudio, eine abgelaufene Garantie…“

„Und wie sollen wir das deiner Meinung nach finden?“

„Keine Ahnung.“ Er öffnete den Aktenordner auf einer zufälligen Seite und blickte darauf. „Ich meine, woher wissen wir, dass es nicht dieser Typ hier war? Er war ein Agent, der angeblich auf einem Einsatz im Libanon umkam. Das könnte eine Lüge sein.“

„Könnte es“, stimmte Alan zu, „aber das würde bedeuten, dass er tot ist. Das willst du schließlich auch nicht.“

„Nein, da hast du recht.” Denk nach, Null. Es muss da was geben, dass du verpasst hast. „Lass uns wenigstens darüber einig sein, dass er ein Agent gewesen sein muss. Die kann man am einfachsten verschwinden lassen. Die könnten sagen, dass er irgendwo hingeschickt wurde und niemals zurückkam…“

„Das sind reine Spekulationen“, warnte Alan. „Und falls jemand uns beobachtet, dann sieht das hier langsam ein wenig seltsam aus.“

„Stimmt“, murmelte er. Ihre kleinen Treffen im Auto konnten nicht zu lange anhalten, falls sie wirklich von jemandem beschattet wurden. „Du hast recht.“

Alan griff nach dem Zündschlüssel, doch Null machte noch keine Anstalten auszusteigen.

Was habe ich verpasst?

Bixbys Worte bei ihrem Treffen in Saskatchewan vor einer Woche gingen ihm durch den Kopf.

Nachdem der Gedächtnishemmer installiert war und er aus der Narkose aufwachte, nannte der Neurochirurg ihn Connor. Daran kann ich mich genau erinnern. Er sagte: ,Wissen Sie, wer Sie sind, Connor?‘

„Warte mal!“ Null griff schnell herüber und hielt Alan davon ab, den Motor abzuschalten. „Das ist es! Ich kann nicht glauben, dass ich es nicht bemerkt habe. Der Neurochirurg nannte ihn Connor!“

„Hä?“

„Das war es, was Bixby mir erzählte“, erklärte er schnell. „Ich habe mich so darauf konzentriert, diesen Connor zu finden, dass ich nicht mal daran gedacht habe, den Neurochirurgen aufzuspüren! Wie viele von denen könnten sich in den Akten der CIA der letzten fünf Jahre befinden? Ganz bestimmt viel weniger!“ Er schüttelte aufgeregt den Aktenordner. An Stelle von über hundert Möglichkeiten könnten sie es stark eingrenzen. Vielleicht wären es dann noch ein paar Dutzend, vielleicht auch weniger?

Alan seufzte. „Na gut. Du willst also, dass ich eine weitere…“

„Ja, ich will, dass du eine weitere Suche durchführst.“

„Ich hoffe, du weißt, dass mich der Aktenordner hier fünftausend Dollar gekostet hat.“

„Ich gebe dir einen Drink aus.“ Null grinste, doch wurde schnell wieder ernst. „Bitte.“

„Du weißt doch, dass ich alles für dich tun würde, mein Freund.“ Alan stellte den Motor ab. Dieses Mal gab es kein „aber“. Es war eine einfache Tatsache und Null wusste das. Alan hatte nicht nur sein Leben mehr als einmal gerettet, sondern auch die Leben seiner Töchter. Er hatte alles Menschenmögliche getan, um Null öfter, als er zählen konnte, aus Schwierigkeiten zu helfen. Alan hatte sogar seinen eigenen Tod gefälscht, sein Leben für ein paar Jahre aufgegeben und Null zuliebe auf der Flucht vor dem Gesetz gelebt.

Noch schlimmer war es, dass auch das Gegenteil stimmte. Er würde alles für Alan tun… doch Alan hatte ihn noch nie um etwas gebeten. Zumindest nichts so Bedeutendes, wie das, was er schon getan hatte und auch immer noch für Null tun würde. Der Motor verstummte, doch die darauffolgende Stille im Skylark war fast schon feierlich.

„Danke“, sagte Null leise. „Du weißt, dass ich ohne dich nicht sehr weit käme.“

„Ohne mich wärst du tot.“ Alan grinste, obwohl es die Wahrheit war. „Also finden wir jetzt den Neurochirurgen…“

„Finden alles heraus, was er über den Fall weiß…“

„Dann finden wir den Agenten…“

„Und hoffen, dass er nicht tot ist“, schloss Null ab.

„Nichts leichter als das“, lachte Alan zu sich selbst, doch wurde schnell wieder ernst. „Wir werden den Typen finden. Aber dann gibst du mir zwei Drinks aus.“


*

Das Gemeindezentrum roch aus irgendeinem Grund nach Holzspäne. Jeder Raum, selbst die Gänge, rochen wie ein Hamsterkäfig. Sara dachte, dass der Geruch möglicherweise von dem Spielplatz draußen stammte, doch es war Februar. Die Fenster waren geschlossen und der Boden gefroren. Warum roch es trotzdem nach Streu?

Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, während sie den Pinsel in sanften Strichen bewegte. Es waren vierzehn im Unterricht, von ihrem Alter bis hin zu einem buckeligen, glatzköpfigen Mann, den sie für über sechzig hielt. Sie saßen auf Hockern an ihren Staffeleien, die im Kreis aufgestellt waren. Im Zentrum befand sich eine Schüssel Plastikobst auf einem Podest. Stillleben nannte man das.

Sara lachte fast laut. Stillleben. Bis vor ein paar Wochen war das noch eine ziemlich gute Metapher für ihre Gefühle.

Die Kunstlehrerin war eine zerbrechlich erscheinende, unkonventionell gekleidete Dame namens Ms. Guest, die Kaftans und eulenhafte Brillen trug. Sie zog sich Kopftücher über ihre krause, blonde Mähne. Sie ging langsam ihre Runden um den Kreis der Schüler. Hin und wieder hielt sie inne, um ein paar ermutigende Worte von sich zu geben, wie etwa „ja, gut“ und „wunderbare Perspektive, Mark“.

Sara spürte, wie ihr Rücken sich instinktiv - abwehrend- zusammenzog, als die Lehrerin hinter ihrer Staffelei Halt machte.

„Meine Güte“, hauchte Ms. Guest ihr ins Ohr. „Was für eine Vision, Sara. Es gibt hier keine falschen Antworten, aber bitte erkläre mir doch: was hat dich dazu inspiriert, die Banane rosa zu malen?“

Zuerst wollte sie die Frau auf den Arm nehmen, sie naiv ansehen und sagen: Was meinen Sie damit? Ist das nicht die richtige Farbe? So sieht sie für mich aus. Stattdessen biss sie sich auf die Lippe und überlegte sich eine Antwort, die eine Kunstlehrerin eines Gemeindezentrum für tiefgründig halten würde.

„Na ja“, sagte Sara mit einer dramatischen Pinselbewegung, „alle anderen sind gelb.“

Ms. Guest legte eine Hand auf ihr Herz. „Meine Liebe, du wirst noch große Dinge in dieser Welt verrichten.“

Sara hielt ein Lachen zurück, als die Lehrerin weiterging. Vielleicht war der Kunstunterricht ein Fehler. Doch sie hatte seit ziemlich langer Zeit nichts gemalt oder gezeichnet. Sie hasste zwar die Therapeutin in dieser lächerlichen Rehabilitationsanstalt, aber vielleicht hatte sie doch etwas Wahres gesagt, als sie vorgeschlagen hatte, dass Sara eine Leidenschaft finden sollte. Etwas, das sie liebte und an das sie sich während schlechter Zeiten wenden konnte. Malerei sollte es sein.

Es waren immer noch dunkle, schlechte Zeiten für sie. Der schlimmste Teil ihrer Abhängigkeit lag hinter ihr, selbst die Entzugserscheinungen waren jetzt geringer. Sie hatte seit Thanksgiving nicht mal eine Aspirin eingenommen. Doch sie fürchtete sich weiterhin vor der Dunkelheit in ihr. Die Möglichkeit, dass ihre Dämonen jederzeit wieder zurückkommen könnten, erschien ihr nur zu real. Sie befürchtete, dass die Dunkelheit in ihr sie eines Tages überrumpeln und überwältigen könnte, sie zurück in den tiefschwarzen, mentalen Abgrund stoßen würde, aus dem sie nicht mehr entkommen könnte.

Sie lachte fast schon wieder über sich selbst. Du bist wirklich eine gepeinigte Seele. Wenn Maya hier wäre, dann würde sie vermutlich vorschlagen, dass Sara sich ein wenig selbstkritischen Sarkasmus zulegen sollte, um mit der Situation umzugehen.

Doch Maya war nicht hier, weshalb Sara stattdessen rosa Plastikobst malte. An den Abenden lernte sie für ihren High School Abschluss. Normalerweise würde sie sich nicht so motiviert fühlen, doch die neue Einstellung ihres Vaters war einfach ein bisschen inspirierend. Das würde sie natürlich niemals offen zugeben! Sie machte sich zwar über ihn lustig, aber sie freute sich über die Veränderung.

Der war trotzdem echt komisch. Menschen verändern sich nicht einfach so. Es gab immer einen Grund, einen Auslöser. Bei ihr war es die Genesung von ihrer Drogenabhängigkeit. Ihr Vater behielt seine Motivation für sich, das wusste sie. Doch sie hatte ihre eigenen Probleme, und Maya auch, weshalb keine der beiden weitere Fragen stellte.

„Leider ist unsere Zeit heute vorbei“, verkündete Ms. Guest. „Ich muss jetzt zu meinem Keramikunterricht. Ihr könnte eure Gemälde hier trocknen lassen, aber bitte reinigt eure Pinsel, bevor ihr geht. Danke!“

Sara seufzte. Sie hatte ihren Apfel orange gemalt und dachte darüber nach, ihn einfach zu einem Kürbis zu machen, doch das müsste warten. Sie räumte pflichtbewusst ihren Arbeitsplatz auf, hob ihren Rucksack auf eine Schulter und ging den Gang hinunter, der immer noch nach Zedernsägespäne roch.

Sie ließ sich Zeit, schlurfte und hatte es gar nicht eilig, mit dem Rad durch die Kälte nach Hause zu fahren. Maya hatte ihr angeboten, sie abzuholen, aber Sara wollte sie nicht stören oder sich von jemandem abhängig machen. Außerdem weckte sie der kalte Wind, der ihr ins Gesicht peitschte, auf.

Auf dem Weg zum Ausgang spähte sie in verschiedene Räume des Gemeindezentrums. Es fand Kindergymnastikunterricht statt. Ein Haufen von Bengeln, die sich auf Matten rollten und versuchten, einen Handstand zu machen. Sie kam am Töpfereiunterricht vorbei, Englisch-als-Fremdsprache, ein Computersaal…

Die Tür zu ihrer Linken stand nur ein paar Zentimeter weit offen, sie konnte nicht hineinsehen. Doch als sie vorbeikam, wehte ein Gesprächsfetzen heraus zu ihr.

„Ich hatte mir selbst versprochen, dass ich nie wieder Heroin nehmen würde.“

Sara erstarrte. Sie hatte wortwörtlich einen Fuß noch in der Luft und reckte ihren Hals in Richtung Tür.

„Aber wie ihr euch vorstellen könnt“, sagte eine Frau ernst aus dem Inneren, „hatte meine Abhängigkeit etwas anderes im Sinn. Eines Tages ging es mir richtig schlecht, da hielt ich es nicht mehr aus. Ich kannte einen Typen in der Nachbarschaft. Ich rief ihn an.“

An der Tür hing ein Schild. Es war ein einfaches Blatt weißes Papier mit einigen Worten, die in schwarzer Tinte darauf geschrieben standen. Mit Klebeband war es an der Tür befestigt.


Zusammengehörigkeit


Trauma teilen, Hoffnung teilen

„Es waren nur ein paar Minuten.“ Die Frau drinnen sprach leiser, fast so leise, dass Sara sie nicht mehr hören konnte. Sie drückte die Tür sanft auf, nur ein paar Zentimeter weiter. „Ich ließ meinen zweijährigen Sohn allein in der Wohnung, doch es waren nur ein paar Minuten.“ Im Zimmer konnte Sara Frauen sehen, die sich in einem Halbkreis gegenübersaßen. Ihre Gesichtsausdrücke waren ernst und traurig.

„Doch während dieser paar Minuten entschied sich mein Ex-Freund - der Vater meines Babys - vorbeizuschauen.“ Die Frau starrte auf den Boden, während sie sprach. Ihre Haut war blass und sie trug kein Makeup. Ihr braunes Haar hatte sie hastig zu einem einfachen Zopf gebunden. „Ich kam mit einem Tütchen Drogen in der Hand zurück und sah meinen Sohn in seinen Armen. Das war der Tag, an dem ich ihn verlor…“

Plötzlich erschien ein Gesicht in der halb geöffneten Tür. Sara erschreckte sich und sprang zurück. Die Frau lächelte ihr zu. Sie sah gleichzeitig jung und doch matronenhaft aus, wie eine Fußballmama aus der Vorstadt, welche die Freunde ihrer Kinder einlädt, zum Abendessen zu bleiben und Nein nicht als Antwort gelten lässt.

„Hallo“, sagte die Frau leise, um nicht das Treffen hinter ihr zu unterbrechen. „Bist du für Zusammengehörigkeit hier?“

„Ich, äh…“ Sara räusperte sich und schüttelte schnell den Kopf. „Nein. Das bin ich nicht. Ich spähte nur hinein. Tut mir leid.“

„Schon in Ordnung.“ Die Frau ging in den Gang hinaus und schloss sanft die Tür hinter sich. „Wir sind eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die verschiedene Arten von Trauma erlebt haben. Drogenabhängigkeit, häusliche Gewalt, posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen… Wir erzählen einander unsere Erlebnisse und durch die anderen finden wir -“

„Zusammengehörigkeit“, murmelte Sara. „Ja, ich verstehe.“

Die Frau lächelte. „Super.“ Dann tat sie etwas seltsames - sie blickte Sara direkt in die Augen. Sie runzelte zwar die Stirn, als wäre sie verärgert, doch das Lächeln verließ nie ihre Lippen. Sara gefiel der Blick gar nicht. Es kam ihr vor, als ob die Frau in ihr… lesen würde.

„Bist du dir sicher, dass du nicht hereinkommen möchtest? Du kannst dich einfach setzen und zuhören. Du musst nichts sagen.“

„Nein. Danke. Ist schon… in Ordnung.“ Sara ging noch einen Schritt zurück. „Ich wollte eigentlich gerade gehen.“ Ihr ging es auch ohne Rehabilitation gut, sie brauchte ganz bestimmt keine „Selbsthilfegruppe“.

Sie drehte sich um, doch die Frau redete weiter. „Ich heiße übrigens Maddie.“

„Sara“, rief sie über ihre Schulter.

„Schön, dich kennenzulernen. Wir sehen uns noch, Sara.“

Das werden wir nicht. Sara eilte den Gang entlang. Plötzlich fand sie das kalte Februarwetter in Maryland gar nicht mehr so schlimm.




KAPITEL SECHS


Maya starrte das Handy in ihrer Hand an. Der Anrufspeicher war offen, die Nummer stand direkt da. Sie musste sie nur antippen.

Vielleicht morgen.

Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Doppelbett, das in der gegenüberliegenden Ecke von Saras Bett stand. Zwischen den beiden war etwa ein Meter Platz. Ihre Unterkunft war zwar etwas eng - doch gar nicht so unähnlich den Kasernen, an die sie sich in West Point gewöhnt hatte. Sara hatte in Jacksonville vier Mitbewohner gehabt, also war ihr Wohnarrangement für beide kein Problem. Mehr als einmal hatten sie das Angebot ihres Vaters, in das größere Schlafzimmer der Wohnung umzuziehen, abgelehnt.

Maya warf das Handy auf die Zudecke neben das Buch Ulysses, das sie größtenteils ignorierte (ihr Vater nannte es einen „Triumph in Masochismus“), und einen angebissenen Proteinriegel. Sie wollte einfach anrufen. Das täte sie auch. Aber nicht heute.

Die Nummer, die sie sich nicht traute zu wählen, würde sie mit dem Büro der Dekanin von West Point, Brigadier-General Joanne Hunt, verbinden. In den letzten Wochen hatte Dekanin Hunts Büro Maya vier Mal angerufen. Sie hatten allerdings keine Mailbox-Nachrichten oder sonstigen Anzeichen für den Grund ihrer Anrufe hinterlassen.

Das brauchten sie auch nicht, Maya wusste warum. Nach dem fürchterlichen Erlebnis in einem Umkleideraum für Mädchen, in dem es zu einer Auseinandersetzung mit drei Jungs gekommen war, von denen Maya zwei schwer zusammengeschlagen und den dritten fast umgebracht hatte, hatte ihr Dekanin Hunt netterweise angeboten, den Rest des Herbstsemesters auszusetzen, damit sie im Januar nach den Winterferien wieder zurückkommen konnte.

Doch Maya war nicht zurückgekehrt und jetzt war es zu spät dafür. Sie hatte zu viel verpasst. Sie hatte ihre Ausbildung um mindestens sechs Monate unnötigerweise verlängert - das war ein gewaltiger Schlag, wo es doch ihr Ziel war, die jüngste CIA-Agentin in der Geschichte der Agentur zu werden.

Doch sie brauchte nicht nur Zeit. Das war es, was sie ihrem Vater und ihrer Schwester erzählt hatte. Einfach nur ein wenig mehr Zeit mit ihnen und für sich, dann ginge sie zurück. Doch sie wusste nur zu gut, dass jeder Tag, den sie verstreichen ließ, ohne anzurufen und zu versprechen, im nächsten Semester zurückzukehren, ein weiterer Tag war, an dem sie sich überlegen konnte, überhaupt nicht mehr zurückzukehren.

Die Eingangstür der Wohnung öffnete sich und Maya schreckte kurz zusammen. Das war eine ganz natürliche Reaktion, wenn man bedachte, wie oft schon jemand in ihr Zuhause eingebrochen war, um ihre Familie zu töten oder zu entführen. Doch sie hatte gelernt, die Schritte ihres Vaters zu erkennen; sein frustriertes Seufzen, wenn die Tür ein wenig hängenblieb, weil sie sich wegen der Kälte verzogen hatte. Maya atmete auf.

„Liebes, ich bin zu Hause!“ rief er.

„Wer ist denn ,Liebes‘?“ wollte Maya lächelnd wissen.

„Wer immer auf ,Liebes‘ antwortet, schätze ich.“

„Ich bin allein hier.“

Er erschien in der Tür und grinste. „Na, in dem Fall: Hallo Liebes. Wo ist deine Schwester?“

„Kunstunterricht im Gemeindezentrum.“

„Stimmt. Ich hatte vergessen, dass sie dahingeht. Aber ich freue mich darüber. Soll ich sie abholen?“

„Ist mit dem Rad gefahren.“

Ihr Vater blinzelte unverständig. „Im Februar?“

„Sie sagte, dass sie die Kälte mag. Hält sie munter.“

„Sowas. Und mich nennt sie komisch.“

Maya rutschte vom Bett und folgte ihm in die Küche, wo er im Kühlschrank herumkramte und ein Light-Bier herauszog. Nachdem er den Kronkorken abgedreht hatte, fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar und seufzte, bevor er den ersten Schluck nahm.

„Du bist frustriert“, bemerkte Maya.

„Nö, mir geht’s gut. Glücklich und froh wie der Mops im Haferstroh.“ Er versuchte, es mit einem Grinsen abzutun, doch sie bemerkte es. „Es sollte eigentlich ,Glücklich und froh wie der Mops im Haferstroh, wenn es dort was Leckeres zu Fressen gibt‘ heißen. Weißt du eigentlich, woher das Sprichwort kommt? Einige meinen es stammt von…“

Er hielt inne, als sie ihre Arme verschränkte und eine Augenbraue hochzog. „Du bist frustriert. Oder irgendwas ärgert dich. Vielleicht auch beides. Du hast deine Schuhe nicht ausgezogen, als du hereinkamst. Du hast dir sofort ein Bier geholt, dir durch die Haare gefahren -“

„Das bedeutet doch gar nichts“, argumentierte er.

„Und jetzt versuchst du abzulenken“, beendete sie ihren Satz. „Ich könnte wetten, du schlägst gleich vor, dass wir heute Abend Pizza bestellen.“ Pizza war sein typisches Abendessen, wenn er zu viel im Kopf hatte.

„OK, du hast mich erwischt.“ Er fügte murmelnd hinzu: „Manchmal wünsche ich mir, ihr wärt dümmer oder nicht so aufmerksam.“

„Willst du mir erzählen, wie es dir bei den ,Besorgungen‘ erging?“ fragte Maya.

Er dachte einen Moment darüber nach und sagte dann: „Zieh dir eine Jacke an.“

Sie zog sich einen Mantel an und folgte ihm auf den kleinen Balkon hinaus. Er war kaum groß genug für die zwei Stühle und den kleinen Glastisch zwischen ihnen. Doch sie setzten sich nicht. Ihr Vater schloss die Glastür hinter ihnen und lehnte sich gegen das Geländer.

Maya knöpfte ihren Mantel zu und verschränkte die Arme, um sich gegen die eisige Winterluft zu wehren. „Raus damit.“

„Ich suche nach jemandem“, sagte er ihr und sprach so leise, dass nur sie ihn hören konnte. „Ein Agent oder jemand, der mal einer war, vor etwa fünf Jahren. Er heißt Connor.“

„Vor- oder Nachname?“ wollte Maya wissen.

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er könnte tot sein. Und wenn er es nicht ist, dann hat er sich sehr gut versteckt.“

Sie runzelte die Stirn, wunderte sich, warum ihr Vater nach einem vermutlich toten Agenten suchte. „Was brauchst du von ihm?“

Ihr Vater nahm einen langen Schluck aus der Flasche und murmelte dann etwas vor sich hin. Maya konnte es nicht ganz verstehen, aber es schien ihr fast als ob er „Papierkram“ gesagt hätte.

„Was?“

„Nichts“, sagte er ihr. „Ich kann dir das nicht sagen. Es hat was… mit der Arbeit zu tun.“

„Ich verstehe.“ Doch angesichts seines Verhaltens und der Tatsache, dass er nicht bei der CIA war, um eine großangelegte Suchaktion nach diesem Mann zu starten, vermutete sie, dass es sich ganz und gar nicht um Arbeit handelte. „Und warum erzählst du mir das hier draußen in der verdammten Kälte?“

Er antwortete nicht, sondern schoss ihr einen scharfen Blick zu. Sie brauchte einen Moment, um ihn zu verstehen, doch dann drehte sich ihr der Magen um.

„Oh Gott, du glaubst doch nicht wirklich…?“ Sie hielt sich davon zurück, es laut auszusprechen. Er dachte, ihre Wohnung könnte verwanzt sein.

„Ich bin mir nicht sicher. Alan hat sie ein paar Mal durchsucht, doch die werden immer kreativer.“

Maya schüttelte angewidert den Kopf bei dem Gedanken, dass alles was sie sagte, vielleicht sogar alles was sie tat - um schon gar nicht ihre kleine Schwester zu erwähnen - auf einer CIA-Datenbank irgendwo aufgezeichnet wurde. Man hatte ihr einmal einen Ortungschip unter die Haut eingepflanzt. Sie hatte es schon schlimm genug gefunden, dass damals ihr Aufenthaltsort jederzeit bekannt war.

Doch wirklich beobachtet zu werden… es rief ihr die Erinnerung an diese drei Teenager in West Point ins Gedächtnis. Sie hatten sich im Umkleideraum versteckt, hatten gewartet, bis sie aus der Dusche kam, um sie anzugreifen. Wer wusste, wie lange sie da gewesen waren, was sie gesehen hatten…?

Sie verdrängte den Gedanken. Ihr Vater wusste über den Vorfall nur in groben Zügen Bescheid und sie hatte keine Lust, jetzt noch einmal darüber zu sprechen. Das war ihr Problem und er hatte sein eigenes.

„Was hast du als nächstes vor?“ fragte sie.

Er winkte mit der Hand ab. „Es gibt da möglicherweise einen Doktor, der ihn kennt. Oder kannte. Ich weiß es noch nicht. Ich warte auf Informationen von Reidigger.“ Er lächelte sie über seine Schulter an. „Komm schon, lass uns wieder reingehen.“

„Warte mal. Wenn du darüber eigentlich nicht reden solltest, warum erzählst du mir das alles?“

Er starrte sie einen Moment lang an. Lang genug, um sie denken zu lassen, dass er sich auch nicht sicher war, warum.

„Wenn ich frustriert bin“, sagte er schließlich, „dann fühle ich mich weniger frustriert, wenn ich mit dir rede. Deshalb.“

Er klopfte ihr auf die Schulter und sie gingen wieder rein, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Sara die Eingangstür hinter sich schloss. Sie zog ihre Wollmütze aus, ihre Nase und Wangen waren gerötet und spröde von der Winterluft.

Sara blickte ihren Vater nur einmal an und nickte. „Pizza zum Abendessen, was?“

Er schlug sich die Hände über dem Kopf zusammen. „Bin ich wirklich so berechenbar?“

Maya grinste - doch dann bemerkte sie, dass irgendetwas nicht mit Sara stimmte. Sie bewegte sich steif, es schien mehr als nur die Kälte dahinterzustecken. Selbst nachdem sie sich ihren Parka ausgezogen hatte, schien ihre jüngere Schwester immer noch die Ellenbogen einzuziehen. Man könnte fast meinen, sie wollte sich verteidigen.

„Alles in Ordnung?“ fragte Maya.

Sara schniefte. „Ja. Ist nur… meine gewöhnliche Scheiße.“

„ Wie redest du denn?“ rief ihr Vater aus der Küche. Und dann: „Ja, zwei große Pizzas bitte…“

„Mir geht’s gut“, versicherte ihr Sara und ging auf ihr geteiltes Schlafzimmer zu.

Maya glaubte das nicht, doch sie wusste, dass sie Sara zu nichts zwingen konnte. Sie hatten alle ihre eigenen Probleme und sie kümmerten sich jeder auf seine Weise darum. Sie schienen allerdings eine ganze Menge Geheimnisse voreinander zu haben, obwohl sie doch eine Familie waren, die sich versprochen hatte, ehrlich miteinander zu sein. Aber es war keine Frage der Unehrlichkeit, es war eine Frage der Unabhängigkeit. Es ging darum, für sich selbst verantwortlich zu sein.

Allerdings fühlte sich das manchmal auch sehr einsam an.

Aber vielleicht muss es das gar nicht sein. Sie dachte über diesen vermissten Connor nach. Es musste doch einen Weg geben, diesen Typen zu finden… vielleicht könnte jemand, der so schlau war wie sie, das sogar herausfinden. Vielleicht gab es etwas, das sie für ihren Vater tun könnte. So könnte sie ihm zeigen, anstatt es ihm nur zu sagen, dass er nicht immer allein auf seinen Problemen sitzen musste.

Wenn sie nur lernen könnte, ihre eigenen Ratschläge anzunehmen.




KAPITEL SIEBEN


Präsident Jonathan Rutledge lehnte sich auf dem gestreiften Sofa im Oval Office zurück, zog beide Schuhe aus und legte seine Füße auf den polierten Couchtisch vor sich. Er war sich ziemlich sicher, dass das Sofa (eines von zwei, die im 90 Grad-Winkel zum Schreibtisch standen) gestern noch nicht da war, doch er wusste es nicht genau. Normalerweise war der Raum so voll von Geschehen. Berater, vereinigte Generalstabschefs und Verwalter wirkten hier und dort beschäftigt, weshalb die Möbel mehr zum Hintergrund als zu Dekorationsstücken wurden. Dazu kam noch, dass seine Frau, Deirdre, es sich zur Aufgabe gemacht hatte, dem Design Team des Weißen Hauses „auszuhelfen“, jedes Zimmer scheinbar einmal wöchentlich umzumodellieren. So kam es ihm zumindest vor.

Es war ein hübsches Sofa. Er hoffte, dass es eine Weile im Büro bliebe.

Rutledge war letzten November fast wie ein Möbelstück  aussortiert worden. Vor nur ein paar Monaten hatte er sich ernsthaft überlegt, von der Präsidentschaft zurückzutreten, da er sich für untauglich für den Posten gehalten hatte. Er war vom Posten als Sprecher des Repräsentantenhauses direkt nach oben befördert worden. Das lag an dem riesigen Skandal seines Vorgängers mit Russland. Er hatte etwas Zeit gebraucht, um sich an die neue Stellung zu gewöhnen; sowohl an die Macht als auch an die Verantwortung, die sie mit sich brachte.

Doch das lag hinter ihm. Er hatte sich dazu entschieden, im Amt zu bleiben, und dann hatte er die kalifornische Senatorin Joanna Barkley zu seiner Vizepräsidentin ernannt. Bisher machte sie ihre Sache traumhaft. Sein Beliebtheitsgrad war so hoch wie noch nie, selbst die Konservativen mochten Rutledge. Mitte Dezember hatte es eine kleine Absenkung gegeben. Dazu war es gekommen, weil er den fürchterlichen Fehler begangen hatte, sein Haar in seinem ursprünglichen kastanienbraunen Ton zu färben. Er hatte das nur getan, weil die grauen Strähnen ihm auf die Nerven gegangen waren. Es war ihm nicht darum gegangen, jünger auszusehen und es war auch nicht aus Eitelkeit geschehen, sondern deshalb, weil er sein Selbstbewusstsein beibehalten wollte. Trotzdem hatten die Medien für zweieinhalb Tage nicht aufgehört, darüber zu spekulieren, was er damit beweisen wollte. Anscheinend stand das Haarefärben nicht im großen Buch ungeschriebener präsidentieller Gesetze. Man erwartete, dass er entweder in Würde oder ganz fürchterlich alterte, so wie jene, die vor ihm kamen.

Es war einer der seltenen Momente, in denen er allein war. Er genoss ihn, indem er die Jacke über den Stuhl warf und seine Füße in den schwarzen Socken auf den Tisch legte. Natürlich war er niemals wirklich allein. Es gab Kameras im Raum und mindestens zwei Secret-Service-Agenten standen direkt vor den Türen. Doch das reichte schon und er genoss diese kurzen Momente, wenn es ihm möglich war - es gab nur so wenige davon.

Die Beziehungen der USA mit Russland waren schon seit ein paar Jahren ein Drahtseilakt, selbst bevor Rutledge zum Präsidenten der Vereinigten Staaten wurde. Und jetzt war China auch noch auf der falschen Seite. Der Handelskrieg war vorbei und die chinesische Regierung gab sich freundlich. Doch das lag nur daran, dass Rutledge persönlich damit gedroht hatte, die ganze Geschichte mit der Ultraschallwaffe ans Tageslicht zu bringen und die Identitäten der Kommandosoldaten freizugeben, die mit ihr geschickt wurden. Derzeitig gab es einen Waffenstillstand, doch der war so zerbrechlich wie Glas und könnte in die Brüche gehen, sobald die Chinesen eine Möglichkeit witterten.

Aber etwas musste getan werden. Rutledge wusste das. Er hatte sogar eine Idee, aber es war Barkley, die ihn davon überzeugt hatte, dass man sie verwirklichen konnte. Sie war dafür bekannt, riesige, scheinbar unmögliche Probleme anzugehen und sie in mehrschrittige Lösungen zu verwandeln. Er dachte, dass sie eine großartige Mathematikerin hätte sein können. Sie unterteilte jedes Problem in seine einfachsten Bestandteile.

Um es einfach auszudrücken, war das Ziel der Friede im Nahen Osten. Nicht nur zwischen den Vereinigten Staaten und jedem Mitgliedsland, sondern auch zwischen den einzelnen Ländern. Sicherlich war das weit hergeholt, doch jeder Schritt ginge hierbei in die richtige Richtung.

Zwei Monate lang hatten sie mit Treffen, Planung und Hoffnung verbracht. Sie hatten sich die Stimmen der Pessimisten angehört, Strategien entworfen und sich überlegt, wie sie sich beliebt machen könnten. Man hatte Reden geschrieben und Alpträume überlebt. Doch jetzt geschah es.

„Morgen kommt der Ajatollah vom Iran nach Washington.“

Er sagte es laut zu sich selbst in dem ansonsten leeren Oval Office, als ob er es darauf angelegt hätte, dass jemand hereinkam, um ihm zu widersprechen. Doch es stimmte: der höchste Anführer des Irans, ein Mann, der einst öffentlich geschworen hatte, dass er sich niemals den Vereinigten Staaten ergeben würde; ein Mann, der das ganze Land verteufelt hatte, sollte am nächsten Tag eintreffen. Erst würde er das UN-Gebäude in New York besuchen, wo das Abkommen derzeit noch einmal überprüft wurde. Dann würde der Ajatollah nach Washington DC reisen, um sich mit Rutledge zu treffen und das für beide Seiten vorteilhafte Abkommen zu unterzeichnen. Es würde nicht nur den Frieden zwischen ihnen absichern, sondern auch dem Volk des Ajatollahs Unterstützung versprechen. In einer perfekten Welt würde es auch dazu beitragen, islamischen Fremdenhass in den USA zu vermindern.

Rutledge war nervös, doch verspürte auch Optimismus. Sollte der Ajatollah den Bedingungen des Abkommens zustimmen, dann würde das nicht nur in die Geschichte eingehen, sondern es würde auch zum Vorbild für Frieden mit anderen islamischen Ländern werden.

Oder zumindest mit den meisten von ihnen, dachte er verbittert. Barkley hatte ihn über alle Details ihrer kürzlichen Reise nach Saudi-Arabien zum Begräbnis des Königs informiert, auch über die Forderungen des Prinzen - vielmehr war er jetzt der neue König. Die US-Truppen verließen schon ihre Befehlsstände und zogen sich in benachbarte Länder zurück. Die Botschaften wurden geräumt. Rutledge hatte dort drüben Leute vor Ort, die versuchten, es soweit wie möglich vor der amerikanischen Öffentlichkeit geheimzuhalten, doch das war eine unmögliche Aufgabe. Die Gerüchteküche brodelte und Berichte verließen Saudi-Arabien auf andere Weise.

Letztendlich würde er öffentlich über den derzeitig zerbrechlichen Stand der Dinge zwischen dem Iran, Saudi-Arabien und den USA sprechen. Bald schon gäbe es einen Maßnahmenplan und Pressekonferenzen.

Letztendlich. Doch das müsste warten, bis der Besuch des iranischen Anführers vorbei war. Er hatte zu viel Zeit damit verbracht, diesen Besuch möglich zu machen.

Ein kurzes Klopfen an der Tür riss ihn nicht nur aus seinen Gedanken, sondern erschreckte ihn ausreichend, damit er die Füße vom Couchtisch nahm und sich gerade aufsetzte. Es schien fast, als ob seine eigene Mutter ihn mit den Füßen auf den Möbeln erwischt hätte.

„Mr. Präsident?“

Er räusperte sich. „Ja, treten Sie ein, Tabby.“

Der linke Flügel der cremefarbenen Tür öffnete sich gerade weit genug, damit Tabitha Halpern ihren Kopf mit der kastanienbraunen Bobfrisur hineinstecken konnte. „Entschuldigen Sie bitte, Sir, aber Sie werden sofort gebraucht. Im -“

„Lassen Sie mich raten.“ Rutledge rieb sich die Stirn. „Im Krisensaal.“

Die Stabschefin des Weißen Hauses runzelte die Stirn. „Hat Sie jemand angerufen?“

„Nein, Tabby. War nur eine wohlbegründete Vermutung.“ Er griff nach seinen Schuhen. „Nur eine Woche. Wenn wir mal nur eine Woche keine Krise hätten. Das wäre doch was.“


*

Der John F. Kennedy-Konferenzsaal befand sich im Untergeschoss des West-Wings. Es war ein tausendfünfhundert Quadratmeter großes Zentrum, das für gewöhnlich der Krisensaal genannt wurde. Der Name passte auch, denn Präsident Rutledge trat dort nur ein, wenn es eine Krise gab.

Und scheinbar gibt es immer eine Krise.

Die zwei Secret-Service-Agenten gingen voran, zwei weitere folgten ihnen. Tabby Halpern, mit ihren ein Meter sechzig, musste doppelt so viele Schritte machen, um mitzuhalten. Dabei las sie ihm aus einer einseitigen Einweisung vor, die sie Momente zuvor erhalten hatte. Es ging um irgendetwas mit Südkorea und einem gestohlenen Schiff. Rutledge war immer noch ziemlich in seine eigenen Gedanken vertieft.

Bitte keine Katastrophe. Nicht vor einem solch historischen Besuch.

Die üblichen Anwesenden und bekannten Gesichter waren schon um den polierten Konferenztisch versammelt - die meisten von ihnen. Der Verteidigungsminister Colin Kressley stand vor seinem Stuhl neben dem Direktor des nationalen Nachrichtendienstes, David Barren. Ihnen gegenüber war CIA-Direktor Edward Shaw, ein Mann mit einer Haltung, die vermuten ließ, dass sein Rückgrat aus Stahl war und sein Mund nur existierte, um Grimassen zu schneiden. Die beiden Männer an Shaws Seite kannte er nicht.

Er bemerkte Vizepräsidentin Barkleys Abwesenheit. Das Protokoll schrieb vor, dass ihre Anwesenheit bei solchen Treffen optional war. Es hing von der Art der Krise ab und womit sie zu der Zeit beschäftigt war.

„Meine Herren“, begrüßte sie Rutledge, während er und Tabby in den Saal eilten. „Bitte, setzen Sie sich. Ich glaube nicht, dass ich Sie daran erinnern muss, was Morgen stattfindet und wie wichtig dieser Besuch sein könnte. Bitte sag mir jemand, dass dies hier eine Sicherheitseinweisung oder eine Überraschungsparty ist.“

Niemand verzog sein Gesicht zu einem Lächeln, Direktor Shaws Miene schien sich noch weiter zu verdunkeln. Rutledge erinnerte sich daran, sein normalerweise ungezwungenes Verhalten zu unterdrücken, während er sich in einem Raum befand, der dazu gedacht war, Katastrophen zu besprechen.

„Mr. Präsident“, sprach General Kressley’s raue Bassstimme. „Vor zwei Tagen, um etwa siebzehn Uhr East-Standard-Zeit, registrierte ein Satellit über dem nördlichen Pazifik eine kurzzeitige Spannungsspitze, mehr als fünfhundert Kilometer südöstlich von Japan.“

Der Präsident runzelte die Stirn. Er hatte Tabby auf dem Weg zum Krisensaal nur halb zugehört, doch sie hatte ein vermisstes Schiff erwähnt.

„Ursprünglich dachte man, die Spannungsspitze wäre ein mächtiger Blitzschlag oder möglicherweise eine Explosion, die durch geothermale Energie ausgelöst wurde“, fuhr Kressley fort. „Doch jetzt haben wir Grund anzunehmen, dass es etwas ganz anderes war…“

„Entschuldigung, General“, unterbrach ihn Rutledge mit erhobener Hand. „In der Einweisung stand, dass ein Boot aus Südkorea vermisst wird. Falls das was mit dieser Spannungsspitze zu tun hat, können wir dann schneller zur Sache kommen?“

Kressley stockte einen Moment, doch nickte Direktor Shaw zu.

„Sir.“ Shaw faltete seine Hände auf dem Tisch. Es war eine seltsame Gewohnheit, die Rutledge jedes Mal bemerkte, wenn der ehemalige NSA-Direktor sprach. „Vor weniger als dreißig Minuten hat die südkoreanische Regierung der CIA eine interne, geheime Akte zugeschickt. Wenn es stimmt, was sie behaupten, dann haben sie eine sehr starke Waffe entwickelt und sie auf einem kleinen Tarnkappenschiff angebracht. Das Schiff wurde bei seinem ersten Test im Pazifik - der Ursprung der Spannungsspitze, die der Verteidigungsminister gerade beschrieb - angegriffen. Die gesamte Mannschaft wurde getötet. Das Schiff und die Waffe wurden gestohlen.“

Rutledge entfuhr ein Zischen, das zu seinen Gefühlen passte, die plötzlich in sich zusammensanken. Er musste so viel Informationen in kurzer Zeit verdauen.

„Diese Waffe.“ Rutledges Stimme war leise, doch erklang laut in dem ansonsten stillen Raum. „Wurde diese Waffe geheim entwickelt?“

„Ja, Sir.“

„Und geheim getestet.“

„Richtig, Sir.“

„Und die Südkoreaner haben zwei ganze Tage damit gewartet, uns mitzuteilen, dass sie gestohlen wurde.“ Rutledge musste einfach bestätigen, das alles stimmte, was er gerade über seine sogenannten Verbündeten auf der koreanischen Halbinsel gehört hatte.

„Korrekt, Mr. Präsident.“ Shaw hielt einen Moment inne, bevor er hinzufügte: „Es scheint, dass sie anfänglich hofften, sie wieder zurückzubekommen. Doch jetzt bitten sie uns um unsere Hilfe.“

Rutledge biss die Zähne aufeinander. Das hier war schlimmer als er sich hätte vorstellen können. Nicht nur hatte irgendjemand diese Waffe - was immer sie auch war - sondern es sah auch wirklich nicht gut aus, wenn Bündnisse zerbrachen, während sie versuchten, ein neues zu schaffen.

„Was ist das für eine Waffe?“ wollte er wissen.

„Um das zu beantworten“, sagte Shaw, „lasse ich besser Dr. Michael Rodrigo sprechen.“ Er zeigt auf den Mann zu seiner Linken, er war ganz offensichtlich der Jüngste im Raum und auf keinen Fall älter als vierzig. „Unser bester Experte für fortgeschrittene Waffentechnik und der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die US-Navy.“

„Danke, Mr. Präsident“, sagte Dr. Rodrigo eilig. „Es ist eine Ehre hier zu sein und Sie bezüglich dieser Angelegenheit zu beraten -“

„Was ist das für eine Waffe?“ wiederholte Rutledge.

Der Doktor rückte sich seine Krawatte zurecht. „Nun, Sir, wenn die Akte aus Südkorea echt ist, dann haben die ein Plasma-Schienengewehr entworfen.“

Rutledge blickte unverständig. Er hatte den Ausdruck „Schienengewehr“ zuvor gehört und wusste, dass die Navy irgendwo ein funktionsfähiges Modell für eins gelagert hatte. Doch es klang trotzdem wie etwas aus einem Science Fiction Film. „Ein was?“

„Ein Plasma-Schienengewehr“, wiederholte der Wissenschaftler. „Um ehrlich zu sein war diese Art von Waffe bisher rein theoretisch. Es fällt mir auch eher schwer, ganz an ihre Existenz zu glauben, bis das vermisste Schiff gefunden wird -“

„Oder die Waffe verwendet wird“, brummte Kressley.

„Nun… ja“, stimmte der Doktor zu. „Man muss erwähnen, dass das Schienengewehr eine Projektilwaffe ist und die Kapazität hat, jegliches Zielobjekt aus ein paar hundert Meilen Entfernung zu zerstören.“





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„Sie werden nicht schlafen, bis Sie AGENT NULL zu Ende gelesen haben. Ein erstklassiges Werk, mit einer Reihe von gut entwickelten, sehr genießenswerten Figuren. Die Beschreibung der Action-Szenen befördert uns direkt in eine Realität, in der man meinen könnte, man säße im Kino mit Surround-Sound und 3D (es würde wirklich einen tollen Hollywood Film abgeben). Ich kann die Fortsetzung kaum abwarten.”. –Roberto Mattos, Books and Movie Reviews. KÖDER NULL ist Buch #8 der #1 Bestseller AGENT NULL-Reihe, die mit AGENT NULL (Buch #1) beginnt. Es erhielt fast 200 Fünf-Sterne-Rezensionen und kann kostenlos herunterladen werden… Ein neues high-tech Schienengewehr, das die Fähigkeit hat, eine unaufhaltsame Rakete mit einer Geschwindigkeit sieben Mal so schnell wie Schall zu feuern, wurde erfunden - und das Schicksal Amerikas ist bedroht. Wer oder was ist das Zielobjekt? Und wer steckt hinter dem Abschuss?. In einem verrückten Wettstreit gegen die Zeit muss Agent Null all seine Fähigkeiten einsetzen, um die Quelle dieser unaufhaltsamen Waffe zu entdecken und ihr Ziel herauszufinden, bevor es zu spät ist… Doch gleichzeitig erfährt Null von einer schockierenden Neuentwicklung in seinem mentalen Zustand, die ihn endgültig außer Gefecht setzen könnte. Kann er die Welt retten - und kann er sich selbst retten?. KÖDER NULL (Buch #8) ist ein Spionage-Thriller, den man einfach nicht aus der Hand legen kann. . „Thriller-Schriftstellerei vom besten.”. –Midwest Book Review (in Bezug auf Koste es was es wolle). „Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe.”. –Books and Movie Reviews (in Bezug auf Koste es was es wolle). Jack Mars’ #1 Bestseller LUKE STONE THRILLER Serie (7 Bücher) ist ebenfalls erhältlich. Sie beginnt mit Koste es was es wolle (Buch #1), das gratis heruntergeladen werden kann und über 800 fünf-Sterne-Rezensionen erhielt!

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