Книга - Reich der Drachen

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Reich der Drachen
Morgan Rice


Das Zeitalter der Magier #1
„Hat alle Zutaten für sofortigen Erfolg: Verschwörungen, Gegenkomplotte, Geheimnisse, tapfere Ritter und jung erblühende Beziehungen voller gebrochener Herzen, Täuschung und Verrat. Es wird Ihnen stundenlange Unterhaltung verschaffen und alle Altersgruppen begeistern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Fantasy-Leser.“

– Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (zu Ring der Zauberer)



„Dies ist der Beginn von etwas Bemerkenswertem“

– San Francisco Book Review (zu Queste der Helden)



Von der #1 Bestseller-Autorin Morgan Rice, Autorin von Queste der Helden (über 1.300 5-Sterne-Bewertungen) kommt eine packende neue Fantasy-Serie:



REICH DER DRACHEN (Das Zeitalter der Magier – Buch Eins) erzählt die epische Geschichte über das Erwachsenwerden eines höchst ungewöhnlichen 16-jährigen Jungen – der Sohn eines Schmieds aus einer armen Familie, dem keine Chance geboten wird, seine Kampffähigkeiten unter Beweis zu stellen und in die Reihen der Adligen einzubrechen. Doch er besitzt eine Macht, die er nicht leugnen kann, und einen vom Schicksal bestimmten Weg, dem er folgen muss.



Es erzählt die Geschichte einer 17-jährigen Prinzessin, der Großes vorherbestimmt ist, am Vorabend ihrer Hochzeit – und ihrer jüngeren Schwester, von ihrer Familie verschmäht und den Tod durch eine seltene Seuche vor Augen.



Es erzählt die Geschichte ihrer drei Brüder, drei Prinzen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – alle wetteifern um die Macht.



Es erzählt die Geschichte eines Königreichs im Wandel, von Invasion; von der aussterbenden Gattung der Drachen, deren Überlebende täglich vom Himmel herabfallen.



Es erzählt die Geschichte zweier rivalisierender Königreiche, der Stromschnellen des Flusses, der sie trennt, einer Landschaft mit schlafenden Vulkanen und einer Hauptstadt, die nur während der Gezeiten zugänglich ist. Es ist eine Geschichte von Liebe, Leidenschaft, Hass und Geschwisterrivalität; von Schurken und verborgenen Schätzen; Geheimnissen; von Mönchen und Kriegern; von Ehre, Verrat und Täuschung.



Es ist die Geschichte von Dragonfell, eine Geschichte von Ehre und Tapferkeit, von Magiern, Zauberei, Schicksal und Bestimmung. Es ist eine Geschichte, die Sie bis in die frühen Morgenstunden fesseln wird. Sie wird Sie in eine andere Welt entführen und Sie werden Figuren erleben, die Sie nie vergessen werden. Es ist großartige Unterhaltung, geschlechter- und generationenübergreifend für alle, die eine gute Fantasy-Saga zu schätzen wissen.



Die Bücher zwei und drei (THRON DER DRACHEN und VON DRACHEN GEBOREN) können jetzt vorbestellt werden.



„Eine temperamentvolle Fantasy-Saga … Der Beginn einer epischen Serie für junge Erwachsene.“

– Midwest Book Review (zu Queste der Helden)



„Aktionsgeladen … Rices Stil ist wasserdicht und die Prämisse faszinierend.“

– Publishers Weekly (zu Queste der Helden)





Morgan Rice

REICH DER DRACHEN




REICH DER DRACHEN




(DAS ZEITALTER DER MAGIER – BUCH EINS)




MORGAN RICE



Morgan Rice

Morgan Rice ist #1 Bestseller-Autor und USA Today-Bestsellerautor der epischen Fantasy-Serie RING DER ZAUBEREI, die siebzehn Bücher umfasst; der Bestseller-Serie WEG DER VAMPIRE, bestehend aus zwölf Büchern; der Bestseller-Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, einem postapokalyptischen Thriller mit drei Büchern; der epischen Fantasy-Serie VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN, bestehend aus sechs Büchern; der epischen Fantasy-Serie FÜR RUHM UND KRONE, bestehend aus acht Büchern; der epischen Fantasy-Serie EIN THRON FÜR SCHWESTERN, bestehend aus acht Büchern; der neuen Science-Fiction-Serie CHRONIK DER INVASION mit vier Büchern; der Fantasy-Serie OLIVER BLUE UND DIE SCHULE FÜR SEHER, bestehend aus vier Büchern; der Fantasy-Serie DER WEG DES STAHLS, bestehend aus vier Büchern; und der neuen Fantasy-Serie DAS ZEITALTER DER MAGIER. Morgans Bücher sind in Audio- und Printausgaben erhältlich, und Übersetzungen sind in über 25 Sprachen erhältlich.



GEWANDELT (Buch #1 in der Reihe Weg der Vampire), ARENA EINS (Buch #1 der Trilogie des Überlebens) und QUESTE DER HELDEN (Buch #1 in der Reihe Ring der Zauberei), DER AUFSTAND DER DRACHEN (Buch #1 in der Reihe Von Königen und Zauberern), EIN THRON FÜR SCHWESTERN (Buch #1), ÜBERMITTLUNG (Buch #1 der Reihe Chronik der Invasion) und DIE ZAUBERFABRIK (Buch #1 der Reihe Oliver Blue und die Schule für Seher) stehen jeweils als kostenloser Download bei Google Play zur Verfügung!



Morgan freut sich, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie also www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/), um sich in die E-Mail-Liste einzutragen, ein kostenloses Buch und kostenlose Werbegeschenke zu erhalten, die kostenlose App herunterzuladen, die neuesten exklusiven Nachrichten zu erhalten und sich auf Facebook und Twitter zu verbinden. Und bleiben Sie in Kontakt!



Ausgewähltes Kritikerlob für Morgan Rice

"Wenn Sie glaubten, dass es nach dem Ende der Serie RING DER ZAUBEREI keinen Grund mehr zum Leben gäbe, haben Sie sich geirrt. Mit DER AUFSTAND DER DRACHEN hat Morgan Rice eine weitere brillante Serie entwickelt, die uns in eine Fantasy-Welt von Trollen und Drachen, von Tapferkeit, Ehre, Mut, Magie und Schicksal entführt. Morgan hat es wieder geschafft, starke Figuren zu kreieren, mit denen wir auf jeder Seite mitfiebern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Leser, die eine gut geschriebene Fantasystory lieben.“



    – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos

"Eine actiongeladene Fantasystory, die Fans von Morgan Rices früheren Romanen und Fans von Werken wie DIE ERAGON-TETRALOGIE von Christopher Paolini begeistern wird. Fans von Fiktion für junge Erwachsene werden diese neueste Arbeit von Rice verschlingen und um mehr bitten.“



    – The Wanderer, A Literary Journal (zu Der Aufstand der Drachen)

„Eine temperamentvolle Fantasy-Erzählung, die Elemente von Geheimnis und Intrige in ihre Handlung einbindet. Bei Queste der Helden geht es darum, den Mut zu finden, seiner Bestimmung zu folgen, die zu Wachstum, Reife und Brillanz führt. Wer kraftvolle Fantasy-Abenteuer sucht, wird von den Protagonisten und Aktionen dieser Erzählung mit packenden Begegnungen belohnt. Thors Entwicklung von einem verträumten Kind zu einem jungen Erwachsenen mit unmöglichen Überlebenschancen findet vor diesem mitreißenden Hintergrund statt. Der Beginn einer epischen Serie für junge Erwachsene.“



    – Midwest Book Review (D. Donovan, eBook-Rezensent)

“Der Ring der Zauberei hat alle Zutaten für einen umgehenden Erfolg: Komplotte, Gegenkomplotte, Geheimnisse, tapfere Ritter und junge, erblühende Beziehungen voller gebrochener Herzen, Täuschung und Verrat. Es wird Ihnen stundenlange Unterhaltung verschaffen und alle Altersgruppen begeistern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Fantasy-Leser.“



    – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos

„In diesem actiongeladenen ersten Buch der epischen Fantasy-Reihe Ring der Zauberei (die derzeit 14 Bücher umfasst) stellt Rice den Lesern den 14-jährigen Thorgrin "Thor" McLeod vor, dessen Traum es ist, sich der Silberlegion anzuschließen, den Elite-Rittern des Königs. Rices Stil ist wasserdicht und die Prämisse faszinierend. “



    – Publishers Weekly



BÜCHER VON MORGAN RICE

DAS ZEITALTER DER MAGIER

REICH DER DRACHEN (BUCH #1)

THRON DER DRACHEN (BUCH #2)

VON DRACHEN GEBOREN (BUCH #3)



OLIVER BLUE UND DIE SCHULE FÜR SEHER

DIE ZAUBERFABRIK (BUCH #1)

DIE KUGEL VON KANDRA (BUCH #2)

DIE OBSIDIANE (BUCH #3)

DAS FEUERZEPTER (BUCH #4)



DIE INVASIONSCHRONIKEN

ÜBERMITTLUNG (BUCH #1)

ANKUNFT (BUCH #2)



DER WEG DES STAHLS

EHRE WEM EHRE GEBÜHRT (BUCH #1)

NUR DEN TAPFEREN (BUCH #2)

NUR DEN AUSERWÄHLTEN (BUCH #3)



EIN THRON FÜR SCHWESTERN

EIN THRON FÜR SCHWESTERN (BUCH #1)

EIN GERICHT FÜR DIEBE (BUCH #2)

EIN LIED FÜR WAISEN (BUCH #3)

EIN KLAGELIED FÜR DIE PRINZESSIN (BUCH #4)

EIN JUWEL FÜR KÖNIGE (BUCH #5)

EIN KUSS FÜR KÖNIGINNEN (BUCH #6)

EINE KRONE FÜR MÖRDER (BUCH #7)

EIN HÄNDEDRUCK FÜR THRONERBEN (BUCH #8)



FÜR RUHM UND KRONE

SKLAVIN, KRIEGERIN, KÖNIGIN (BUCH #1)

SCHURKIN, GEFANGENE, PRINZESSIN (BUCH #2)

RITTER, THRONERBE, PRINZ (BUCH #3)

REBELL, SCHACHFIGUR, KÖNIG (BUCH #4)

SOLDAT, BRUDER, ZAUBERER (BUCH #5)

HELD, VERRÄTER, TOCHTER (BUCH #6)

HERRSCHER, RIVALE, VERBANNTE (BUCH #7)

SIEGER, BESIEGTER, SOHN (BUCH #8)



VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN

DER AUFSTAND DER DRACHEN (BUCH #1)

DER AUFSTAND DER TAPFEREN (BUCH #2)

DAS GEWICHT DER EHRE (BUCH #3)

DIE SCHMIEDE DES MUTS (BUCH #4)

EIN REICH DER SCHATTEN (BUCH #5)

DIE NACHT DER VERWEGENEN (BUCH #6)



DER RING DER ZAUBEREI

QUESTE DER HELDEN (BUCH #1)

MARSCH DER KÖNIGE (BUCH #2)

FESTMAHL DER DRACHEN (BUCH #3)

KAMPF DER EHRE (BAND #4)

SCHWUR DES RUHMS (BAND #5)

ANGRIFF DER TAPFERKEIT(BAND #6)

RITUS DER SCHWERTER (BAND #7)

GEWÄHR DER WAFFEN (BAND #8)

HIMMEL DER ZAUBER (BAND #9)

MEER DER SCHILDE (BAND #10)

REGENTSCHAFT DES STAHLS (BAND #11)

LAND DES FEUERS (BAND #12)

DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)

DER EID DER BRÜDER (BAND #14)

DER TRAUM DER STERBLICHEN (BAND #15)

DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)

DAS GESCHENK DER SCHLACHT (BAND #17)



DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS

ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)

ARENA ZWEI (BAND #2)



DER WEG DER VAMPIRE

GEWANDELT (BAND #1)

VERGÖTTERT (BAND #2)

VERRATEN (BAND #3)

BESTIMMT (BAND #4)

BEGEHRT (BAND #5)

VERMÄHLT (BAND #6)

GELOBT (BAND #7)

GEFUNDEN (BAND #8)

ERWECKT (BAND #9)

ERSEHNT (BAND #10)

BERUFEN (BAND #11)

BESESSEN (BAND #12)



GEFALLENE VAMPIRE

VOR DEM MORGENGRAUEN (BUCH #1)




KAPITEL EINS


König Godwin III. vom Nordreich hatte zu seiner Zeit viele Dinge gesehen. Er hatte Armeen marschieren sehen und er hatte erlebt, was Magie bewirken konnte, doch jetzt konnte er nur auf den Körper der Kreatur starren, die ausgestreckt und unbeweglich vor ihm im Gras lag – dessen Knochen und Schuppen diesen Moment im Abendlicht surreal, ja gar unmöglich erscheinen ließen.

Der König stieg von seinem Pferd ab, das sich weigerte, näher heranzugehen, sei es, dass die Kreatur ihm Angst machte oder der Ort, an dem sie sich befanden. Sie waren mehr als einen Tag lang von Royalsport gen Süden geritten, sodass sie nun das Rauschen des Slate aus nur noch ein paar Dutzend Metern Entfernung hören konnten – die Landschaft seines Königreiches stürzte hier herab, in das brüllende, gnadenlose, gewaltige Wasser des Flusses. Dahinter, auf der anderen Seite, stünden vielleicht Beobachter aus dem Süden, die ihrerseits starrten, selbst über die gewaltige Breite des Flusses hinaus. Godwin hoffte, dass es nicht so war, und nicht nur, weil er und die anderen so weit von zu Hause entfernt waren, ungeschützt jedem ausgeliefert, der über die Brücken zwischen den Königreichen gelangen konnte. Er wollte nicht, dass sie dies hier sahen.

König Godwin trat vor und die kleine Menge, die mit ihm gekommen war, schien zu überlegen, ob sie das Gleiche tun sollte. Es gab nicht viele von ihnen, denn er war nicht sicher … ob er wollte, dass die Leute diesen Anblick sähen. Sein ältester Sohn, Rodry, war da, dreiundzwanzig, und das Ebenbild des Mannes, der Godwin einst gewesen war, groß und kräftig gebaut – allein das helle Haar, an den Schläfen rasiert, damit es seine Schwertkunst nicht behindern konnte, erinnerte an seine Mutter. Rodrys Brüder, Vars und Greave, waren immer noch zu Hause, keiner von ihnen war der Typ, der auf einen solchen Ausritt ging. Vars würde sich wahrscheinlich beschweren, dass Rodry dafür ausgewählt worden war – nicht, dass Vars sich jemals für irgendetwas, das den Hauch einer Gefahr bergen könnte, freiwillig gemeldet hätte. Greave steckte wahrscheinlich bei seinen Büchern in der Bibliothek.

Seine Töchter wären, offen gesagt, eher mitgekommen, oder zumindest zwei von ihnen. Die jüngste, Erin, hätte das Abenteuer genossen. Nerra hätte gerne die Seltsamkeit der Kreatur mit eigenen Augen gesehen und wahrscheinlich über ihren Tod getrauert, trotz dessen, was es war. Godwin lächelte bei dem Gedanken an ihr gütiges Wesen, doch, wie immer, starb das Lächeln bei dem Gedanken an ihren letzten Hustenanfall und an die Krankheit, die sie so sorgfältig verborgen hielten, ein wenig ab. Lenore hätte es wahrscheinlich vorgezogen, im Schloss zu bleiben, doch sie musste sich auch auf eine Hochzeit vorbereiten.

Anstelle dieser anderen jedoch, waren es Godwin und Rodry. Ein halbes Dutzend Ritter des Sporns begleiteten ihn, Lars und Borus, Halfin und Twell, Ursus und Jorin, alles Männer, denen Godwin vertraute und die ihm teilweise jahrzehntelang gute Dienste geleistet hatten – ihre Rüstungen, die mit den von ihnen gewählten Symbolen geprägt waren, glänzten leicht von der sprühenden Gischt des Flusses. Dann waren da noch die Dorfbewohner, die dieses Ding gefunden hatten, und, auf einem kränklich aussehenden Pferd, saß die in eine Robe gehüllte Gestalt seines Magiers.

„Grey“, sagte König Godwin und winkte den Mann heran.

Meister Grey trat langsam vor und stützte sich auf seinen Stab.

Unter anderen Umständen hätte König Godwin über den Kontrast zwischen ihnen gelacht. Grey war schlank und sein Kopf rasiert, seine Haut war so blass, dass sie seinem Namen gerecht wurde, und er kleidete sich in Gewänder aus Weiß und Gold. Godwin war größer, breitschultrig und, offen gesagt, diese Tage auch recht umfangreich um die Taille, in voller Rüstung und mit vollem Bart, mit dunklen Haaren bis zu den Schultern.

„Glaubt Ihr, die machen uns hier etwas vor?“, fragte König Godwin und nickte in Richtung der Dorfbewohner.

Godwin wusste, auf welche Weisen die Männer es versuchten, mit Kuhknochen und Lederstücken, aber sein Magier beantwortete seine Frage nicht. Grey schüttelte nur den Kopf und sah ihm direkt in die Augen.

Ein Schauer lief Godwins Rücken herunter. Es gab keinen Zweifel an der Realität. Dies war kein Schwindel, den die Männer erfunden hatten, um sich Geld oder Gefallen zu verschaffen.

Dies war ein Drache.

Die Schuppen waren rot wie Blut, das über rostiges Eisen gegossen wurde. Seine Zähne waren wie Elfenbein, so lang, wie ein Mann groß war, und seine Krallen waren rasiermesserscharf. Große Flügel breiteten sich aus, zerlumpt und zerrissen, riesig und fledermausartig, und schienen kaum kraftvoll genug, um ein so großes Tier in die Luft zu schwingen. Der Körper der Kreatur lag zusammengerollt auf dem Boden, länger als ein Dutzend Pferde, groß genug, um Godwin wie ein Spielzeug in die Höhe zu heben, wäre er noch am Leben.

„Ich habe noch nie zuvor einen gesehen“, gab König Godwin zu und legte eine Hand auf die schuppige Haut. Er erwartete halbwegs, dass  sie warm wäre, doch stattdessen fühlte er nur die kalte Stille des Todes.

„Das haben auch nur wenige“, sagte Grey. Wo Godwins Stimme tief und klangvoll war, war Greys Stimme fast wie ein Flüstern, wie das Rascheln von Papier.

Der König nickte. Natürlich würde der Magier nicht alles preisgeben, was er wusste. Es war kein Gedanke, der ihn tröstete. Gerade jetzt einen Drachen zu sehen, und einen toten Drachen dazu …

„Was wissen wir darüber?“, fragte der König. Er ging die Länge der Kreatur entlang, bis zum Schwanz, der sich unglaublich lang dahinter erstreckte.

„Ein Weibchen“, sagte der Magier, „und rot – mit allem, was dies impliziert.“

Natürlich erklärte er nicht, was es bedeutete. Der Magier ging um den Drachen herum und sah nachdenklich aus. Gelegentlich warf er einen Blick ins Landesinnere, als würde er etwas berechnen.

„Wie ist sie gestorben?“, fragte Godwin. Zu seiner Zeit hatte er genug Schlachten erlebt, aber er konnte an der Kreatur weder eine Axt- noch eine Schwertwunde entdecken, mehr noch, er konnte sich auch nicht vorstellen, welche Waffe einem solchen Tier schaden könnte.

„Vielleicht … nur das Alter.“

Godwin starrte zurück.

„Ich dachte, sie würden ewig leben“, sagte Godwin. In diesem Moment war er kein König, sondern der Junge, der vor all den Jahren zum ersten Mal Meister Grey aufgesucht hatte, auf der Suche nach Hilfe und Wissen. Der Magier schien schon damals alt gewesen zu sein.

„Nicht ewig. Tausend Jahre, geboren nur am Drachenmond“, sagte Grey und klang, als würde er etwas zitieren.

„Tausend Jahre sind immer noch zu viele Jahre für uns, um hier einen toten Drachen zu finden“, sagte König Godwin.“Es gefällt mir nicht. Es fühlt sich zu sehr wie ein Omen an.“

„Möglich“, gab Grey zu und er war kaum der Mann, der so etwas gerne zugab. „Der Tod ist manchmal ein mächtiges Omen. Manchmal bedeutet es nur den Tod. Und manchmal auch das Leben.“

Er warf einen Blick zurück in Richtung des Königreichs.

König Godwin seufzte und zweifelte daran, dass er den Mann jemals wirklich verstehen würde. Dann starrte er das Tier an und versuchte, herauszufinden, wie etwas so Mächtiges, so Großartiges hatte sterben können. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes, keine offensichtlichen Wunden. Er starrte in die Augen der Kreatur, als ob sie ihm irgendeine Antwort geben könnten.

„Vater?“, rief Rodry.

König Godwin wandte sich seinem Sohn zu. Er sah genauso aus wie Godwin in seinem Alter, muskulös und kraftvoll, obwohl er eine Spur von dem guten Aussehen und den helleren Haaren seiner Mutter hatte, die ihn nun, da sie gegangen war, an sie erinnerten. Er saß auf einem Streitross, seine Rüstung schimmerte blau. Er wirkte ungeduldig, die Aussicht, dort still und untätig herumzustehen, gefiel ihm nicht. Wahrscheinlich hatte er gehofft, als er hörte, dass man einen Drachen gefunden hatte, dass er die Gelegenheit erhalten würde, gegen einen zu kämpfen. Er war noch jung genug, um zu glauben, er könne jeden Kampf gewinnen.

Die Ritter um ihn herum warteten geduldig auf die Anweisungen ihres Königs.

König Godwin wusste, dass sie nicht all zu viel Zeit hier draußen verbringen sollten. So nah am Fluss bestand die Gefahr, dass die Südländer über eine der Brücken glitten, und es wurde dunkel.

„Wenn Ihr Euch zu viel Zeit lasst, wird die Königin denken, dass wir beide versuchen, uns vor den Hochzeitsvorbereitungen zu drücken“, bemerkte Rodry. „Wir werden lange genug brauchen, um zurückzukehren, auch wenn wir hart reiten.“

Und da war dieses. Da Lenores Hochzeit nur eine Woche entfernt war, würde Aethe wahrscheinlich nicht besonders verständnisvoll reagieren, besonders nicht, wenn er mit Rodry unterwegs war. Trotz seiner Bemühungen glaubte sie immer noch, dass er seine drei Söhne von Illia gegenüber den drei Töchtern bevorzugte, die sie ihm geschenkt hatte.

„Wir werden bald zurück sein“, sagte König Godwin. „Zuerst müssen wir jedoch etwas dagegen unternehmen.“ König Godwin warf einen Blick zu Grey hinüber, bevor er fortfuhr. „Wenn die Leute von einem Drachen hören, ganz zu schweigen von einem toten Drachen, werden sie denken, dass es ein böses Omen ist, und ich erlaube in der Woche von Lenores Hochzeit keine schlechten Omen.“

„Nein, natürlich nicht“, sagte Rodry und sah beschämt aus, dass er selbst nicht daran gedacht hatte. „Also, was machen wir?“

Darüber hatte der König schon nachgedacht. Seinen Taschen entnehmend, was immer er an Münzen hatte, ging er zuerst zu den Dorfbewohnern hinüber.

„Ihr habt meinen Dank dafür, dass Ihr mir davon erzählt habet“, sagte er und reichte ihnen die Münzen. „Kehrt jetzt nach Hause zurück und erzählt niemandem, was Ihr gesehen habt. Ihr wart nicht hier, dies ist nicht geschehen. Wenn ich etwas anderes höre …“

Sie nahmen die unausgesprochene Drohung wahr und verneigten sich hastig.

„Ja, mein König“, sagte einer, bevor sie beide davon eilten.

„Und nun“, sagte er und wandte sich an Rodry und die Ritter.“Ursus, Ihr seid der Stärkste; mal sehen, wie viel Kraft Ihr tatsächlich habt. Hole Seile, einer von Euch, damit wir alle das Biest ziehen können.“

Der größte seiner Ritter nickte zustimmend, und alle machten sich an die Arbeit und wühlten in ihren Satteltaschen, bis einer von ihnen dicke Seile hervorzog. Twell, dem Vorausplaner, konnte man vertrauen, dass er stets auf alles vorbereitet war.

Sie banden die Überreste des Drachen zusammen und brauchten dafür länger, als es König Godwin lieb war. Die schiere Masse des Tieres schien den Versuchen zu widerstehen, es zusammenzubinden, sodass Jorin, der wendigste unter ihnen, mit einem Seil über der Schulter über die Kreatur klettern musste, damit sie es fesseln konnten. Selbst mit seiner schweren Rüstung sprang er leichtfüßig wieder hinunter. Irgendwann hatten sie es geschafft, den Drachen zusammenzubinden. Der König ging zu ihnen hinunter und ergriff das Seil.

“Nun?“, sagte er zu den anderen.“Glaubt Ihr, ich werde das alleine in den Slate schleppen?“

Es gab eine Zeit, in der er vielleicht geglaubt hätte, dass er es tun könnte, als er so stark gewesen war wie Ursus oder Rodry. Jetzt kannte er sich jedoch gut genug, um zu wissen, wann er Hilfe brauchte. Die Männer dort verstanden den Hinweis und nahmen das Seil. König Godwin spürte den Moment, in dem sein Sohn begann, seine Kraft mit einzubringen, indem er von der anderen Seite gegen die Leiche des Drachen drückte und dabei vor Anstrengung stöhnte.

Langsam begann er sich zu bewegen und hinterließ Spuren im Dreck, als sie seine Masse verlagerten. Nur Grey beteiligte sich nicht an den Bemühungen. Ehrlich gesagt, es hätte auch kaum einen Unterschied gemacht. Schritt für Schritt zog die Gruppe den Drachen näher an den Fluss.

Schließlich erreichten sie das Ufer und hielten ihn an der Stelle in Position, an der der Boden in Richtung des Flusses abfiel, und die sowohl die Grenze des Königreichs als auch seine Verteidigungslinie darstellte. Sie hatten die Kreatur so perfekt in Position gebracht, als ob jederzeit ein Atemzug hindurchwehen könnte, und sie nach einem kurzen Blick zu König Godwin, wieder bereit wäre, in die Länder des Südens hinauszufliegen.

Er stellte einen Stiefel gegen seine Flanke und trat das Drachenweibchen, keuchend vor Anstrengung, über die Uferböschung.

„Es ist geschafft“, sagte er, als sie mit einem klatschenden Geräusch auf das Wasser schlug.

Sie verschwand jedoch nicht sofort . Stattdessen wogte sie dort hin und her, die schiere Wildheit des stahlgrauen Wassers genug, um es flussabwärts wegzutragen – der Körper des Drachen prallte gegen Felsen und drehte sich in der Strömung. Es war eine Strömung, gegen die kein Mann anschwimmen konnte und in der selbst ein gewaltiger Drache verschwindend geringe Bedeutung hatte. Er wurde in Richtung des wartenden Meeres heruntergezogen, und das dunkle Wasser raste, um sich mit dem größeren der beiden Körper zu verbinden.

„Hoffen wir nur, dass sie noch kein Gehege angelegt hat“, murmelte Grey.

König Godwin stand am Ufer, zu müde, um den Mann zu fragen, und seine Augen folgten der Leiche der Kreatur, bis sie außer Sichtweite war. Er wollte sicher sein, dass sie nicht in sein Königreich zurückkehrte, sagte er sich, dass sie nicht zurückkam, um erneut Ärger zu verursachen. Er sagte sich, dass ihm in diesem Moment der Atem stockte, weil er kein junger Mann mehr war. Das war jedoch nicht die Wahrheit. Die Wahrheit war, dass er besorgt war. Er hatte sein Königreich lange Zeit regiert und  dergleichen hatte er noch nie zuvor erlebt. Dass es jetzt geschah, bedeutete, dass noch etwas Bedeutenderes im Anzug war.

Und König Godwin wusste, dass es, was auch immer es war, das ganze Königreich betreffen würde.




KAPITEL ZWEI


Devin träumte und in seinem Traum befand er sich an einem Ort weit außerhalb der Schmiede, in der er arbeitete, und sogar außerhalb der Stadt Royalsport, in der er und seine Familie lebten. Er träumte oft und in seinen Träumen konnte er überall hingehen, alles sein. In seinen Träumen konnte er der Ritter sein, der er immer sein wollte.

Dieser Traum war allerdings seltsam. Zum einen wusste er, dass er sich in einem Traum befand, was er normalerweise nicht tat. Es bedeutete, dass er darin herumwandern konnte, und er schien sich zu verändern, während er ihn betrachtete, sodass er selbst die Landschaften um sich herum schuf.

Es war, als würde er über das Königreich schweben. Unten konnte er sehen, wie sich das Land unter ihm ausbreitete, der Norden und der Süden, geteilt durch den Slate, und Leveros, die Mönchsinsel, im Osten. Im hohen Norden, am Rande des Königreichs, fünf oder sechs Tagesritte entfernt, konnte er die Vulkane sehen, die seit Jahren ruhten. Weit im Westen konnte er gerade noch den Dritten Kontinent erkennen, von dem die Leute nur flüsternd sprachen, aus Ehrfurcht vor den Dingen, die dort lebten.

Es war nur ein Traum, aber er wusste, dass er dennoch eine bemerkenswert genaue Sicht auf das Königreich hatte.

Jetzt befand er sich nicht mehr über der Welt. Jetzt befand er sich in einem dunklen Raum, und etwas war mit ihm darin: es war eine Gestalt, die diesen Raum ausfüllte, sie roch muffig, trocken und reptilisch. Flackerndes Licht spiegelte sich in den Schuppen, und im Halbdunkel glaubte er, das Rascheln der Bewegungen und das Atmen zu hören, wie ein Blasebalg. In seinem Traum spürte Devin, wie seine Angst zunahm, seine Hand sich reflexartig um den Griff eines Schwertes schloss und eine Klinge aus blauschwarzem Metall hob.

Große goldene Augen öffneten sich im Dunkeln, erneut flackerte Licht auf. Darin konnte er einen großen Körper mit dunklen Schuppen erkennen, etwas so Großes hatte er noch nie zuvor gesehen. Die Flügel waren zusammengerollt und der Mund weit geöffnet, er offenbarte ein Licht im Inneren. Devin blieb nur ein Moment, um zu erkennen, dass es das Flackern von Flammen war, das aus dem Mund der Kreatur kam, und dann gab es nur noch Flammen, die ihn umgaben und die ganze Welt erfüllten …

Die Flammen wichen zurück, und jetzt saß er in einem Raum, dessen Wände ihn kreisförmig umgaben, so, als befände er sich ganz oben in einem Turm. Der Platz war vom Boden bis zur Decke mit Krimskrams gefüllt, der aus Dutzenden von Orten und Zeiten zusammengetragen worden sein musste. Siebdrucke bedeckten die Wände und in Regalen standen Messinggegenstände, von denen Devin nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wozu sie gut sein könnten.

Dort saß ein Mann mit gekreuzten Beinen an einer der wenigen freien Stellen in einem Kreidekreis, umgeben von Kerzen. Er war kahl und er blickte sehr ernst drein – seine Augen waren auf Devin fixiert. Er trug üppige Roben, die mit Siegeln bestickt waren, und Schmuck, der mystische Muster verkörperte.

„Kennt Ihr mich?“, fragte Devin, als er näher kam.

Eine lange Stille folgte, sie war so lang, dass Devin sich fragte, ob er die Frage überhaupt gestellt hatte.

„Die Sterne sagten, wenn ich hier träume, würdest Du kommen“, sagte die Stimme schließlich. „Derjenige, der sein soll.“

Devin wurde klar, wer dieser Mann war.

„Ihr seid Meister Grey, der Magier des Königs.“

Er schluckte bei dem Gedanken daran. Sie sagten, dass dieser Mann die Macht habe, Dinge zu sehen, die kein vernünftiger Mann würde sehen wollen; dass er dem König den Moment des Todes seiner ersten Frau vorhergesagt hatte und alle gelacht hatten – bis der Ohnmachtsanfall sie überkam und ihr Kopf auf dem Stein einer der Brücken zersplittert war. Sie sagten, er könne in die Seele eines Mannes schauen und alles herausholen, was er dort gesehen habe.

Derjenige, der sein soll.

Was könnte das heißen?

„Ihr seid Meister Grey.“

„Und Du bist der Junge, der an dem unmöglichsten aller Tage geboren wurde. Ich habe gesucht und gesucht, und Du solltest nicht existieren. Aber Du tust es.“

Devins Herz raste bei dem Gedanken, dass der Magier des Königs wusste, wer er war. Warum sollte sich ein Mann wie dieser für ihn interessieren?

Und er wusste in diesem Moment, dass dies mehr als nur ein Traum war.

Dies war eine Begegnung.

„Was wollt Ihr von mir?“, fragte Devin.

„Wollen?“ Die Frage schien den Magier fast zu überraschen, wenn dies überhaupt möglich war.“Ich wollte Dich nur höchstpersönlich sehen. Dich an dem Tag sehen, an dem sich Dein Leben für immer verändern wird.“

Devin brannte mit Fragen, aber in diesem Moment griff Meister Grey nach einer der Kerzen um ihn herum und löschte sie mit zwei langen Fingern, während er etwas kaum hörbares murmelte.

Devin wollte vortreten, wollte begreifen, was vor sich ging, aber stattdessen spürte er eine Kraft, die er nicht verstehen konnte und die ihn rückwärts aus dem Turm zurück in die Dunkelheit zog.


***

„Devin!“, rief seine Mutter. „Wach auf, oder Du wirst das Frühstück verpassen.“

Devin fluchte und seine Augenlider flogen nach oben. Das Morgengrauen warf bereits die ersten Lichtstrahlen durch das Fenster des kleinen Hauses seiner Familie. Es bedeutete, dass er, wenn er sich nicht beeilte, nicht früh genug zum Haus der Waffen gelangte, er keine Zeit mehr für irgendetwas anderes haben würde, sondern sich direkt in die Arbeit stürzen musste.

Er lag schwer atmend im Bett und versuchte, die Schwere, die Echtheit der Träume abzuschütteln.

Aber wie er es auch versuchte, er schaffte es nicht. Es hing wie ein schwerer Umhang über ihm.

“DEVIN!“

Devin schüttelte den Kopf.

Er sprang aus dem Bett und beeilte sich, sich anzuziehen. Seine Kleider waren einfache, schlichte Stücke, stellenweise geflickt. Einige waren alte Kleidungsstücke seines Vaters, die ihm nicht gut passten, da Devin mit sechzehn Jahren immer noch schlanker war als er, nicht breiter als der Durchschnitt für einen Jungen in seinem Alter, auch wenn er etwas größer war. Er strich sich sein dunkles Haar aus den Augen, mit den Händen, die bereits ihren Teil an kleinen Brandflecken und Schnittwunden aus dem Haus der Waffen erhalten hatten, er wusste, dass es schlimmer werden würde, wenn er älter wäre. Der alte Gund konnte einige seiner Finger kaum bewegen, die anstrengende Arbeit hatte ihm so viel abverlangt.

Devin zog sich an und eilte in die Küche des Familienhäuschens. Er saß da und aß mit seiner Mutter und seinem Vater Eintopf am Küchentisch. Er moppte die Reste mit einem Stück hartem Brot auf und wusste, dass, auch wenn es einfaches Essen war, er es für den harten Arbeitstag im Haus der Waffen brauchen würde. Seine Mutter war so zart wie ein kleiner Vogel und neben ihm sah sie so zerbrechlich aus, dass es schien, als würde sie unter der Last der Arbeit, die sie jeden Tag leistete, zerbrechen, aber sie tat es nie.

Sein Vater war auch kleiner als er, doch er war breit und muskulös und hart wie Teakholz. Jede seiner Hände war wie ein Hammer, und auf seinen Unterarmen liefen Tätowierungen, die von anderen Orten erzählten, vom südlichen Königreich bis zu den Ländern auf der anderen Seite des Meeres. Es gab sogar eine kleine Karte, die beide Länder zeigte, aber auch die Insel Leveros und den Kontinent Sarras, der so weit weg über das Meer lag.

„Warum starrst Du auf meine Arme, Junge?“, fragte sein Vater mit rauer Stimme. Er war kein Mann, dem es jemals leicht gefallen war, Zuneigung zu zeigen. Selbst als Devin seine Arbeitsstelle im Haus bekommen hatte, selbst als er die Fähigkeit bewiesen hatte, Waffen zu schmieden, die denen der besten Meister in nichts nachstanden, hatte sein Vater kaum genickt.

Devin wollte ihm unbedingt von seinem Traum erzählen. Aber er wusste es besser. Sein Vater würde ihn demütigen, Eifersucht würde in ihm ausbrechen.

„Ich habe nur ein Tattoo entdeckt, das ich noch nicht gesehen habe“, sagte Devin. Normalerweise trug sein Vater längere Ärmel, und Devin war selten lange genug da, um genauer hinzusehen. „Warum hat dieses Sarras und Leveros darauf? Seid Ihr dorthin gegangen, als Sie ein …“

„Das geht Dich nichts an!“, schnappte sein Vater, das Maß seiner Verärgerung widersprach merkwürdigerweise der Einfachheit der Frage. Hastig zog er seine Ärmel herunter und band die Stege an den Handgelenken zusammen, sodass Devin nichts mehr sehen konnte. „Es gibt Dinge, nach denen Du nicht fragst!“

„Es tut mir leid“, sagte Devin. Es gab Tage, an denen Devin kaum wusste, was er seinem Vater sagen sollte; Tage, an denen er sich kaum wie sein Sohn fühlte. „Ich sollte mich auf den Weg zur Arbeit machen.“

„So früh? Du wirst doch wieder mit dem Schwert üben, oder?“, wollte sein Vater wissen. „Du versuchst immer noch, ein Ritter zu werden.“

Er wirkte wirklich wütend und Devin wusste einfach nicht warum.

„Wäre das so eine schreckliche Sache?“, fragte Devin vorsichtig.

„Kenne Deinen Platz, Junge“, spuckte sein Vater. „Du bist kein Ritter. Nur ein Bürgerlicher – wie der Rest von uns.“

Devin unterdrückte eine wütende Antwort. Er hatte mindestens noch eine Stunde, bevor er zur Arbeit gehen musste, aber er wusste, wenn er blieb, wäre ein Streit fast unumgänglich, so wie bei all den Streitigkeiten zuvor.

Er stand auf, machte sich nicht einmal die Mühe, sein Essen zu beenden, und ging hinaus.

Gedämpftes Sonnenlicht empfing ihn. Um ihn herum schlief der größte Teil der Stadt noch und sie lag ruhig in dieser frühesten Morgenstunde, selbst diejenigen, die nachts gearbeitet hatten, waren nach Hause zurückgekehrt. Es bedeutete, dass Devin die meisten Straßen für sich alleine hatte, als er sich auf den Weg zum Haus der Waffen machte und angestrengt, so schnell er konnte, über die Pflastersteine rannte. Je früher er dort ankam, desto mehr Zeit hätte er – in jedem Fall jedoch hatte er auch mitgehört, dass die Schwertmeister dort ihren Schülern sagten, dass diese Art von Übung unerlässlich sei, wenn sie Ausdauer im Kampf haben wollten. Devin war sich nicht sicher, ob einer von ihnen sie hatte, aber er hatte sie. Er würde jede Fähigkeit brauchen, die er nur erlangen könnte, wenn er Ritter werden wollte.

Devin ging weiter durch die Stadt, rannte schneller und härter und versuchte immer noch, die Überreste des Traumes abzuschütteln. War es wirklich eine Begegnung gewesen?

Derjenige, der sein soll.

Was könnte das heißen?

Der Tag, an dem sich Dein Leben für immer ändern wird.

Devin sah sich um, als suchte er nach einem Hinweis darauf, was sich für ihn an diesem Tag verändern würde.

Doch er sah nichts anderes als das gewöhnliche Treiben in der Stadt.

War es nur ein törichter Traum gewesen? Ein Wunsch?

Royalsport war ein Ort voller Brücken und Gassen, dunkler Ecken und seltsamer Gerüche. Bei Ebbe, wenn das Wasser des Flusses zwischen den Inseln, die ihn formten, niedrig genug war, gingen die Menschen über die Flussbetten, obwohl die Wachen versuchten, den Strom der Menschen zu regulieren und sicherzustellen, dass keiner von ihnen Gebiete betrat, in denen sie nicht erwünscht waren.

Die Wasserstraßen zwischen den Inseln bildeten eine Reihe konzentrischer Kreise, die reicheren Teile zum Herzen hin, waren geschützt durch die Ebenen des Flusses dahinter. Es gab dort Unterhaltungsviertel und Adelsviertel, dann die Viertel der Händler – und ärmere Gegenden, wo jeder, der sie passierte, gut beraten war, seinen Geldbeutel im Auge zu behalten.

Die Häuser ragten aus der Silhouette der Stadt heraus, ihre Gebäude beherbergten die alten Institutionen, die so alt waren wie das Königreich; älter noch, denn sie waren Relikte aus der Zeit, als die Drachenkönige regiert haben sollen, vor den Kriegen, die sie vertrieben hatten. Das Haus der Waffen stieß trotz der frühen Stunde schon Rauch aus, das Haus des Wissens bestand aus zwei ineinander verschlungenen Türmen, das vergoldete Haus der Kaufleute glänzte und das Haus der Seufzer stand im Herzen des Vergnügungsviertels. Devin schlängelte sich durch die Straßen und mied die wenigen anderen Gestalten, die wie er zu früher Stunde unterwegs waren, auf seinem Weg zum Haus der Waffen.

Als er ankam, war das Haus der Waffen fast so still wie der Rest der Stadt. Es gab einen Wachmann an der Tür, aber er kannte Devin vom Sehen und war es gewohnt, dass er zu seltsamer Stunde hereinkam. Devin nickte ihm im Vorbeigehen zu und trat ein. Er nahm das Schwert, an dem er zuletzt gearbeitet hatte – solide und zuverlässig, passend für die Hand eines echten Soldaten. Er beendete die Wicklung auf dem Griff und nahm es dann mit nach oben.

Dieser Raum hatte weder den Gestank der Schmiede noch den Dreck. Es war ein Ort aus sauberem Holz und Sägemehl, das verspritztes Blut auffangen sollte, dort lagen Waffen und Rüstungen auf Ständen und ein Übungsblock mit 12 Seiten stand in der Mitte. Er war umgeben von einer kleinen Anzahl von Bänken, auf denen die auf den Unterricht wartenden Personen Platz nahmen. Es gab dort Stangen und Bündel, alles war bereit, sodass edle Schüler hier üben konnten.

Devin ging zum drehenden Roland, einem Pfosten, der größer war als er, auf einem Sockel stehend und mit Metallstangen ausgestattet, die Waffen simulierten und als Reaktion auf die Schläge eines Schwertkämpfers frei schwangen. Die Fähigkeit, die man bei der Übung mit dem drehenden Roland erlangen sollte, war, zu schlagen und sich dann zu bewegen oder zu parieren, anzubinden, ohne die Waffe zu verlieren, und zu schlagen, ohne getroffen zu werden. Devin nahm eine hohe Position ein und tat den ersten Hieb.

Seine ersten Hiebe waren gleichmäßig, er vertiefte sich in seine Arbeit und testete das Schwert, das er hielt. Er fing die ersten paar Rückschläge der Pfosten auf, entglitt geschickt den nächsten und bekam langsam ein Gefühl für das Schwert, das er in der Hand hielt. Er begann, das Tempo zu erhöhen, seine Beinarbeit anzupassen und mit seinen Hieben von einer Seite des Roland zur nächsten zu wechseln: Ochs, Zornhut, Langer Ort und wieder zurück.

Irgendwo inmitten des Schauers von Hieben hörte er auf, an die einzelnen Bewegungen zu denken, an die Hiebe und Paraden und das Anbinden, und alles floss zu einem Ganzen zusammen – wo Stahl auf Stahl klang, und seine Klinge züngelte immer wieder vor, um zu schneiden und zu stoßen. Er arbeitete, bis ihm der Schweiß ausbrach. Die Stange bewegte sich jetzt mit Geschwindigkeiten, die Blutergüsse oder Verletzungen hervorrufen könnten, wenn er die Dinge einmal falsch einschätzte.

Schließlich trat er zurück und salutierte dem Roland, so wie er es bei Schwertkämpfern beobachtet hatte, die einem Gegner salutierten und prüfte dann die Klinge auf Schäden. Es gab keine Kerben oder Risse. Das war gut.

„Deine Technik ist gut“, sagte eine Stimme, Devin wirbelte herum und sah sich einem Mann von vielleicht dreißig Jahren gegenüber. Er trug eine Reithose und sein Hemd war fest an seinen Körper gebunden, um zu vermeiden, dass sich der Stoff mit einer vorbeiziehenden Klinge verhedderte. Er hatte langes dunkles Haar, das zu Zöpfen zusammengebunden war, die sich in einem Kampf nicht lösen würden, und eine Adlernase, über der stechend graue Augen seinem Blick begegneten. Er ging mit einem leichten Hinken wie von einer alten Verletzung. „Aber Du solltest Dein Gewicht von den Fersen lassen, wenn Du Dich umdrehst, es macht es Dir schwer, Dich anzupassen, solange Du in der Drehung bist.“

„Ihr … Ihr seid Schwertmeister Wendros“, sagte Devin. Das Haus hatte viele Schwertmeister, aber Wendros war derjenige, dem die Adligen am meisten zahlten, damit er sie lehrte, manche warteten Jahre darauf.

„Bin ich das?“ Er nahm sich einen Moment Zeit, um in einer Rüstung aus Plattenpanzern auf sein Spiegelbild zu starren. „Na, sieht so aus, als wäre ich das. Hmm, ich würde auf das hören, was ich dort gesagt habe, wenn ich Du wäre. Man sagt mir, ich weiß alles, was man über das Schwert wissen muss – als ob das viel wäre.“

„Jetzt höre Dir noch einen Rat an“, fügte Schwertmeister Wendros hinzu. „Gib es auf.“

„Was?“, sagte Devin geschockt.

„Gib Deinen Versuch auf, ein Schwertkämpfer zu werden“, sagte er. „Soldaten müssen nur wissen, wie man in einer Reihe steht. Ein Krieger zu sein, bedeutet mehr.“ Er beugte sich vor. „Viel mehr.“

Devin wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste, dass er auf etwas Größeres anspielte, etwas jenseits seiner Weisheit; er hatte jedoch keine Ahnung, was es sein könnte.

Devin wollte etwas sagen, aber ihm fielen keine Worte ein.

Und damit drehte Wendros sich um und marschierte in den Sonnenaufgang.

Devin dachte an den Traum, den er gehabt hatte. Er fühlte, dass diese beiden Ereignisse miteinander verbunden waren.

Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, heute sei der Tag, der alles verändern würde.




KAPITEL DREI


Prinzessin Lenore konnte kaum glauben, wie schön das Schloss war, als die Diener es zur Vorbereitung ihrer Hochzeit umgestalteten. Es verwandelte sich von einem Ding aus grauem  Stein zu etwas, das mit blauer Seide und eleganten Wandteppichen überzogen war, Ketten von gewebten Versprechungen und baumelnden Schmuckstücken. Um sie herum beschäftigten sich ein Dutzend Dienstmädchen mit Kleidungs- und Dekorationselementen und sie schwirrten wie ein Schwarm von Arbeiterbienen um sie herum.

Sie taten es für sie und Lenore war wirklich dankbar dafür, auch wenn sie wusste, dass sie es als Prinzessin erwarten sollte. Lenore fand es immer erstaunlich, dass andere bereit waren, so viel für sie zu tun, nur weil sie es war. Sie schätzte Schönheit fast mehr als alles andere, und hier waren sie so fleißig dabei, gestalteten so viel mit Seide und Spitze, um das Schloss einfach wunderbar zu machen …

„Du siehst perfekt aus“, sagte ihre Mutter. Königin Aethe, ganz in dunklen Samt und glänzende Juwelen gehüllt, gab vom Zentrum dieser ganzen Geschäftigkeit aus ihre Anweisungen und sah dabei prächtig aus.

„Glaubt Ihr das?“, fragte Lenore.

Ihre Mutter führte sie vor den großen Spiegel, den ihre Dienstmädchen arrangiert hatten. Darin konnte Lenore die Ähnlichkeiten zwischen ihnen erkennen, von den fast schwarzen Haaren bis zu dem großen, schlanken Körper. Mit Ausnahme von Greave schlugen alle ihre Geschwister nach ihrem Vater, aber Lenore war definitiv die Tochter ihrer Mutter.

Dank der Bemühungen ihrer Zofen strahlte sie in Seide und Diamanten, ihr Haar war mit blauem Faden geflochten und ihr Kleid mit Silber bestickt. Ihre Mutter nahm geschickt noch die winzigsten Änderungen vor und küsste sie dann auf die Wange.

„Du siehst perfekt aus, genau wie eine Prinzessin es sollte.“

Von ihrer Mutter war dies das größte Kompliment, das sie bekommen konnte. Sie hatte Lenore immer gesagt, dass es ihre Pflicht als älteste Schwester war, die Prinzessin zu sein, die das Reich brauchte, und jederzeit so auszusehen und so zu agieren. Lenore tat ihr Bestes und hoffte, dass es genug sein würde. Und auch wenn es nie so schien, so versuchte Lenore dennoch, allen Erwartungen an sie gerecht zu werden.

Das erlaubte natürlich auch ihren kleinen Schwestern … andere Dinge zu sein. Lenore wünschte, Nerra und Erin wären auch da. Oh, Erin würde sich darüber beschweren, ein Kleid anprobieren zu müssen, und Nerra würde wahrscheinlich auf halbem Weg aufgeben müssen, weil sie sich unwohl fühlte, aber Lenore konnte sich niemanden vorstellen, den sie lieber hier haben wollte.

Nun, da war eine Person.

„Wann wird er hier sein?“, fragte Lenore ihre Mutter.

„Sie sagen, das Gefolge von Herzog Viris sei heute Morgen in der Stadt angekommen“, sagte ihre Mutter. „Sein Sohn sollte dabei sein.“

„Ist das so?“ Sofort rannte Lenore zum Fenster und hinaus zum Balkon, sie beugte sich darüber, als könnte sie, wenn sie sich etwas näher zur Stadt hinauslehnte, sehen, wie ihr Verlobter ankam. Sie blickte auf die durch Brücken verbundenen Inseln, die Royalsport ausmachten, aber aus dieser Höhe war es nicht möglich, Individuen zu erkennen, nur die konzentrischen Wasserringe zwischen den Inseln und die Gebäude, die dazwischen standen. Sie konnte die Wachbaracken sehen, in denen bei Ebbe Männer umherliefen, um den Verkehr über die Flüsse zu regeln, und die Häuser – mit Waffen und Seufzern, Wissen und Kaufleuten –, die jeweils im Herzen ihres Bezirks standen. Es gab die Häuser der ärmeren Leute auf den Inseln am Rande der Stadt und die großen Häuser der Reichen in der Nähe, einige sogar auf ihren eigenen kleinen Inseln. Das Schloss überragte selbstverständlich alles, aber das bedeutete nicht, dass Lenore den Mann finden konnte, den sie heiraten würde.

„Er wird hier sein“, versprach ihre Mutter. „Dein Vater hat morgen im Rahmen der Feierlichkeiten eine Jagd arrangiert, und der Herzog wird es nicht riskieren, sie zu verpassen.“

„Sein Sohn wird zu Vaters Jagd kommen, aber nicht, um mich zu sehen?“, fragte Lenore. Für einen Moment fühlte sie sich so nervös wie ein Mädchen, keine Frau von achtzehn vollen Sommern. Es war nur zu leicht vorstellbar, dass er sie nicht wollte, nicht liebte, in einer auf diese Weise arrangierten Ehe.

„Er wird Dich sehen und er wird Dich lieben“, versprach ihre Mutter. „Wie könnte jemand das nicht tun?“

„Ich weiß nicht, Mutter … er hat mich noch nicht einmal kennengelernt“, sagte Lenore und spürte wie ihre Nerven drohten, sie zu überwältigen.

„Er wird es bald tun, und …“ Ihre Mutter hielt inne, als ein Klopfen an der Tür zur Kammer zu hören war. „Komm herein.“

Ein anderes Dienstmädchen trat ein, sie war weniger reich gekleidet als die anderen, sie war eine Dienerin für die Burg, nicht für die Prinzessin.

„Eure Majestät, Eure Hoheit,“ begann sie mit einem Knicks. „Ich wurde geschickt, um Euch mitzuteilen, dass Finnal, der Sohn von Herzog Viris, angekommen ist und im Vorzimmer wartet, wenn Ihr Zeit habt, ihn vor dem Festmahl zu empfangen.“

Ah, das Festmahl. Ihr Vater hatte ein Festmahl für eine ganze Woche und mehr angekündigt, voller Unterhaltung und offen für jedermann.

„Wenn ich Zeit habe?“, fragte Lenore und erinnerte sich dann daran, wie die Dinge am Hof gehandhabt wurden. Schließlich war sie eine Prinzessin. „Natürlich. Bitte sagt Finnal, dass ich direkt nach unten komme werde.“

Sie drehte sich zu ihrer Mutter um. „Kann es sich Vater leisten, beim Festmahl so großzügig zu sein?“, fragte sie. „Ich bin nicht … ich verdiene keine ganze Woche und mehr und sicher reißt es ein großes Loch in unsere Finanzen und unsere Vorräte.“

„Dein Vater will großzügig sein“, sagte Lenores Mutter. „Er sagt, dass die Jagd morgen genug Beute bringen würde, um dafür wieder gutzumachen.“ Sie lachte. „Mein Mann hält sich immer noch für den großen Jäger.“

„Und es ist eine gute Gelegenheit, Dinge zu organisieren, während die Leute mit dem Schlemmen beschäftigt sind“, vermutete Lenore.

„Das auch“, sagte ihre Mutter. „Nun, wenn es ein Fest geben soll, sollten wir sicherstellen, dass Du dafür gut aussiehst, Lenore.“

Sie friemelte noch ein paar Augenblicke an Lenore herum, und Lenore hoffte, dass sie gut genug aussah.

„Gehen wir jetzt zu deinem zukünftigen Ehemann?“

Lenore nickte, es war ihr nicht möglich, die Aufregung zu dämpfen, die aus ihrer Brust quoll. Sie ging mit ihrer Mutter und ihren Dienstmädchen durch das Schloss und zu dem Vorzimmer, das in den großen Saal führte.

Es waren so viele Leute im Schloss, die alle an den Vorbereitungen für die Hochzeit arbeiteten, viele von ihnen gingen auch in Richtung des großen Saals. Die Burg war ein Ort verwinkelter Ecken und Räume, die ineinander übergingen. Die gesamte Anordnung war in ähnlicher Weise gewunden, wie die der Stadt, sodass sich jeder Angreifer Schicht für Schicht der Verteidigung stellen musste. Ihre Vorfahren hatten jedoch mehr daraus gemacht, als nur eine Verteidigungsanlage aus grauem Stein. Jedes Zimmer war in so strahlenden Farben gestrichen, dass es die Außenwelt hereinzubringen schien. Nun, vielleicht nicht die Welt aus dieser Stadt; vieles davon war durch Regen, Schlamm, Rauch und erstickende Dämpfe viel zu trübe geworden.

Lenore schritt durch eine Promenadengalerie, in der an einer Wand Gemälde ihrer Vorfahren zu sehen waren, von denen jeder stärker und raffinierter aussah als der vorherige. Von dort nahm sie eine Wendeltreppe, die durch eine Reihe von Empfangsräumen zu einem Ort führte, in dem sich ein Vorraum vor der großen Halle befand. Sie stand mit ihrer Mutter vor der Tür und wartete, bis die Diener sie öffneten und sie ankündigten.

„Prinzessin Lenore des Nordreichs und ihre Mutter, Königin Aethe.“

Sie traten ein und da war er.

Er war … perfekt. Sie fand kein anderes Wort dafür, als er sich zu Lenore umdrehte, mit der anmutigsten Verbeugung, die sie seit langer Zeit gesehen hatte. Sein dunkles Haar fiel in sanften Locken auf seine Schultern und umrahmte seine edlen, fast wunderschönen Gesichtszüge. Sein Körper, sowohl schlank als auch athletisch, war in ein rotes, geschlitztes Wams und eine graue Hose gekleidet. Er wirkte vielleicht ein oder zwei Jahre älter als Lenore, doch das war eher aufregend als beängstigend.

„Majestät“, sagte er mit einem Blick auf Lenores Mutter. „Prinzessin Lenore. Ich bin Finnal aus dem Haus Viris. Ich kann Euch kaum sagen, wie lange ich mich auf diesen Moment gefreut habe. Ihr seid noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte.“

Lenore errötete auf eine subtile, unmerkliche Weise. Ihre Mutter hatte ihr immer gesagt, dass das Erröten für eine Prinzessin unpassend sei. Als Finnal seine Hand ausstreckte, nahm sie sie so anmutig wie möglich, spürte die Kraft in diesen Händen und stellte sich vor, wie es für sie wäre, ihn an sich zu ziehen, damit sie sich küssen könnten oder mehr als nur küssen …

„Neben Euch fühle ich mich kaum wie die Schöne“, sagte sie.

„Wenn ich strahle, dann nur, weil ich Euer Licht reflektiere“, antwortete er. So gutaussehend und er konnte auch ein so poetisches Kompliment machen?

„Es ist schwer zu glauben, dass wir in nur einer Woche verheiratet sein werden“, sagte Lenore.

„Ich denke, das könnte daran liegen, dass wir nicht diejenigen sind, die monatelange Arbeit in die Aushandlung der Ehe stecken mussten“, antwortete Finnal. Er lächelte ein schönes Lächeln. „Aber ich bin froh, dass es unsere Eltern getan haben.“ Er sah sich im Zimmer um, blickte zu ihrer Mutter und den Dienstmädchen. „Es ist fast schade, dass ich Euch nicht für mich alleine haben kann, Prinzessin, aber vielleicht ist es auch gut. Ich fürchte, ich könnte mich beim Blick in Eure Augen verlieren und dann wäre Euer Vater verärgert, weil ich so viel von seinem Festmahl verpasst habe.“

„Gebt Ihr immer so schöne Komplimente?“, fragte Lenore.

„Nur wenn sie gerechtfertigt sind“, antwortete er.

Seine Nähe wühlte Lenore auf, als sie neben ihm an der Tür stand, die vom Vorzimmer in die große Halle führte. Als die Diener sie öffneten, konnte sie das Fest in vollem Gange sehen; konnte die Musik von Minnesängern hören und die Akrobaten sehen, die weiter unten im Flur, wo das Volk saß, Unterhaltung boten.

„Wir sollten hineingehen“, sagte ihre Mutter. „Dein Vater wird zweifellos seine Zustimmung zu dieser Ehe zeigen wollen, und ich bin sicher, dass er sehen möchte, wie glücklich Du bist. Bist Du glücklich, Lenore?“

Lenore sah ihrem Verlobten in die Augen und konnte nur nicken.

„Ja“, sagte sie.

„Und ich werde mich bemühen, dass es so bleibt“, sagte Finnal. Er nahm ihre Hand und hob sie an seine Lippen, und die Hitze dieses Kontakts schoss durch Lenore. Sie stellte sich alle anderen Orte vor, die er küssen könnte, und Finnal lächelte wieder, als wüsste er, welche Wirkung er hatte. „Bald, meine Liebe.“

Seine Liebe? Liebte Lenore ihn so kurz, nachdem sie ihn getroffen hatte? Konnte sie ihn lieben, wenn es nur diesen kurzen Moment des Kontakts gegeben hatte? Lenore wusste, dass es Unsinn war zu glauben, dass sie es könnte, dies war Material für die Lieder eines Barden, aber in diesem Moment tat sie es. Oh, wie sie es tat.

Lächelnd trat sie vor, ihr Schritt in perfektem Einklang mit Finnal, und sie wusste, dass sie für jene, die zusahen, wirkten, wie etwas aus einem Märchen, sie bewegten sich wie eine perfekte Einheit, verbunden in Ewigkeit. Bald würden sie das sein, und mehr wollte Lenore in diesem Moment, als sie den Festsaal betrat, nicht.

Nichts, dachte sie, könnte diesen Moment ruinieren.




KAPITEL VIER


Prinz Vars stürzte durstig einen Krug Bier hinunter und stellte sicher, dass er dabei einen guten Blick auf Lyril hatte. Sie lag, immer noch ausgezogen, in seinem Bett, die blauen Flecken der vergangenen Nacht waren kaum sichtbar. Sie setzte sich auf und beobachtete ihn mit ebenso offensichtlichem Interesse,

Das sollte sie auch, dachte Vars. Immerhin war er ein Prinz des Blutes, vielleicht war er nicht so muskulös wie sein älterer Bruder, aber mit einundzwanzig war er noch jung, noch gutaussehend. Sie sollte ihn mit Interesse und Ehrerbietung betrachten und vielleicht auch ein wenig Furcht, wenn sie wüsste, was genau in diesem Moment in seiner Fantasie vorging.

Nein, es wäre besser, wenn sie es nicht erfahren würde. Sie grob zu behandeln war eine Sache, doch sie war gerade edel genug, um wichtig zu sein. Das volle Ausmaß seiner Fantasie in diesem Moment war besser für jene aufgehoben, die niemand vermisste.

Lyril war eine schöne Frau, Vars würde auch nicht mit ihr schlafen, wenn sie es nicht wäre: flammendes Haar und cremefarbene Haut, mit vollen Lippen und grünen Augen. Sie war die älteste Tochter eines Adligen, der sich gerne als Kaufmann betrachtete oder eines Kaufmanns, der sich Adel gekauft hatte. Vars konnte sich nicht erinnern, welches von beiden es war und er scherte sich auch nicht sonderlich darum. Sie war von niedrigerem Rang als er, also tat sie, was er von ihr wollte. Alles andere war unwichtig.

“Habt Ihr genug gesehen, mein Prinz?“, fragte sie. Sie stand auf und ging zu ihm hinüber. Vars gefiel die Art und Weise, wie sie das tat. Ihm gefiel die Art, wie sie viele Dinge tat.

„Mein Vater möchte, dass ich morgen mit ihm auf die Jagd gehe“, sagte Vars.

„Ich könnte mit Euch ausreiten“, sagte Lyril. „Ich könnte Euch beobachten und Euch meine Gunst anbieten, während Ihr reitet.“

Vars lachte amüsiert. Falls ihr das einen Stich versetzte, wen kümmerte es? Außerdem war Lyril inzwischen daran gewöhnt. Normalerweise schlief er nicht für lange Zeit mit derselben Frau. Irgendwann setzte die Langeweile ein oder sie gingen ihrer Wege oder er verletzte sie zu sehr und sie liefen weg. Lyril hatte sich länger als die meisten gehalten. Jahre waren es jetzt schon, obwohl es offensichtlich in dieser Zeit auch andere gegeben hatte.

„Ist es Euch peinlich, mit mir gesehen zu werden?“, fragte sie.

Vars trat näher an sie heran und sein Blick gebot ihr, zu schweigen. In diesem Moment der Angst war sie schöner als jede andere, die er gesehen hatte.

„Ich werde tun, was ich will“, sagte Vars.

„Ja, mein Prinz“, antwortete sie mit Zittern in der Stimme, als Antwort darauf lief ein Schauer des Verlangens über Vars' Arme.

„Ihr seid so schön wie jede andere Frau und edel geboren und perfekt“, sagte er.

„Warum lasst Ihr Euch dann so lange Zeit, mich zu heiraten?“, fragte Lyril. Es war ein altbekanntes Argument. Sie hatte gefragt, angedeutet und kommentiert, solange Vars sich erinnern konnte.

Er unterbrach das Ganze schnell und scharf und packte sie an den Haaren. „Euch heiraten? Warum sollte ich Euch heiraten? Denkt Ihr, Ihr seid etwas Besonderes?“

„Ich muss es wohl sein“, konterte sie. „Oder ein Prinz wie Ihr würde mich niemals wollen.“

Damit hatte sie ihn.

„Bald“, sagte Vars und schluckte seinen Zorn herunter. „Wenn die Dinge richtig laufen.“

„Und wann werden die Dinge richtig laufen?“, wollte Lyril wissen. Sie hatte kaum begonnen, sich anzuziehen, schon wollte Vars sie wieder ausziehen. Er ging zu ihr und küsste sie mit Verlangen.

„Bald“, versprach Vars, denn das Versprechen war einfach. „Vorerst aber …“

„Im Moment sollen wir beim Fest Eures Vaters sein und die Ankunft des Verlobten Eurer Schwester feiern“, sagte Lyril. Sie sah für einen Moment nachdenklich aus. „Ich frage mich, ob er hübsch ist.“

Vars drehte sie zu ihm und ergriff sie so fest, dass sie nach Luft schnappte. „Bin ich Euch nicht genug?“

„Genug und mehr als genug.“

Vars stöhnte über die Falle, die er darin sah. Er begann ebenfalls, sich anzuziehen, fand eine Flasche Wein und nippte daran, während er sich vorbereitete. Er bot sie Lyril an, und sie trank ebenfalls. Sie gingen hinaus in die Burg und bahnten sich ihren Weg hinunter in Richtung der großen Halle.

„Eure Hoheit, meine Dame“, sagte ein Diener, als sie vorbeikamen, „das Fest hat bereits begonnen.“

Vars drehte sich zu dem Mann um. „Glaubst Du , dass Du mir das sagen musst? Denkst Du ich bin dumm oder ich kenne die Zeit nicht?“

„Nein, mein Prinz, aber Euer Vater –“

„Mein Vater wird mit der Politik des Ganzen beschäftigt sein, oder er wird Rodry zuhören, der damit prahlt, was immer auch mein Bruder jetzt getan hat“, sagte Vars.

„Wie Ihr sagt, Ihre Hoheit“, sagte der Mann. Er wollte gehen.

„Warte“, sagte Lyril. „Denkt er, er kann einfach gehen? Er sollte sich beim Prinzen und bei mir dafür entschuldigen, dass er uns unterbrochen hat.“

„Ja, natürlich“, sagte der Diener. „Es tut mir …“

„Eine richtige Entschuldigung“, sagte Lyril. „Auf den Knien.“

Der Mann zögerte einen Moment und Vars sprang ein. „Auf die Knie.“

Der Diener sank auf die Knie. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich Euch, Eure Hoheit, meine Dame, gestört habe. Ich hätte es nicht tun sollen.“

Vars sah, wie Lyril darüber lächelte.

„Nein“, sagte sie. „Jetzt verschwinde aus unseren Augen.“

Der Diener lief auf ihren Befehl davon, ähnlich, wie ein Windhund hinter einem Kaninchen herrennt. Vars lachte, als er ging.

„Ihr könnt manchmal köstlich grausam sein“, sagte er. Das gefiel ihm an ihr.

„Nur, wenn es amüsant ist“, antwortete Lyril.

Sie gingen weiter, bis zum Festsaal. Als sie eintraten, war es natürlich in vollem Gange, alle tranken und tanzten, aßen und amüsierten sich. Vars konnte seine Halbschwester vorne sehen, zusammen mit ihrem zukünftigen Ehemann stand sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Warum das Kind der zweiten Frau eines Königs solche Aufmerksamkeit verdienen sollte, war ihm ein Rätsel.

Es war schon schlimm genug, dass Rodry mit einer Gruppe edler Jugendlicher in einer Ecke anwesend war und ihre Bewunderung genoss, als er Geschichten über seine Heldentaten erzählte und wieder erzählte. Warum hatte das Schicksal es für angebracht gehalten, ihn zum ältesten zu machen? Für Vars ergab es keinen Sinn, wenn es doch offensichtlich war, dass Rodry für die künftige Rolle des Königs in etwa so gut geeignet war wie für das Fliegen, indem er mit den muskulösen Armen flatterte.

„Natürlich bietet eine Hochzeit wie diese Möglichkeiten“, sagte Lyril. „Es bringt so viele Herren und Damen zusammen …“

„Die dann zu unseren Freunden gemacht werden können“, sagte Vars. Er verstand, wie das Spiel funktionierte. „Natürlich hilft es, wenn man ihre Schwächen kennt. Wusstet Ihr, dass Graf Durris da drüben eine Schwäche dafür hat, Blutharz zu rauchen?“

„Das wusste ich nicht“, sagte Lyril.

„Auch sonst niemand, wenn er sich daran erinnert, dass ich sein Freund bin“, sagte Vars. Er und Lyril gingen weiter durch die Menge und langsam trennten sich ihre Wege. Er konnte sehen, wie sie die Frauen musterte und versuchte zu entscheiden, ob sie weniger hübsch waren als sie oder schwächer oder einfach unter ihrem Niveau. Vermutlich versuchte sie auch, alle Vorteile herauszufinden, die sie daraus ziehen könnte. Diese Einschätzung offenbarte eine gewisse Härte, die Vars gefiel. Vielleicht war das ein Teil dessen, warum er so lange bei ihr war.

„Natürlich ist das ein weiterer Grund, morgen nicht an der Jagd teilzunehmen“, sagte er. „Wenn alle Idioten weg sind, kann ich tun, was ich will und vielleicht Dinge zu meinem Vorteil einrichten.“

„Habe ich etwas von der Jagd gehört?“

Die Stimme seines Bruders war so dröhnend und raubeinig wie immer. Vars wandte sich an Rodry und erzwang das Lächeln, das er in so vielen Jahren seiner Kindheit gelernt hatte.

„Rodry, Bruder“, sagte er. „Ich hatte nicht bemerkt, dass Du zurück bist … wo waren Du und der Vater noch einmal?“

Rodry zuckte mit den Schultern. „Du hättest kommen und es herausfinden können.“

„Ah, aber Du warst sehr in Eile“, sagte Vars, „und Du bist derjenige, der für ihn wichtig ist.“

Wenn Rodry die Schärfe bemerkte, zeigte er es nicht.

„Komm schon“, sagte Rodry und klopfte ihm auf den Rücken. „Geselle Dich zu mir und meinen Freunden.“

So wie er es sagte, klang die Aussicht, sich dem Haufen junger Narren anzuschließen, die ihn beinahe als Helden verehrten, eher nach einem großartigen Geschenk als dem Horror, für dessen Vermeidung Vars solides Gold bezahlt hätte. Sie benahmen sich so, als seien sie die Ritter seines Vaters, aber noch keiner von ihnen hatte sich einen Namen gemacht. Sein Lächeln wurde angespannter, als er in ihre Mitte trat, und er griff zur willkommenen Ablenkung nach einem Becher Wein. In nur kurzer Zeit war dieser verschwunden, also griff er nach einem weiteren.

„Wir reden über Jagden, an denen wir teilgenommen haben“, sagte Rodry. „Berwick sagt, dass er einmal einen Eber mit einem Dolch besiegt hat.“

Einer der jungen Männer dort verbeugte sich und Vars wollte ihm ins Gesicht treten. „Ich wurde zweimal durchbohrt.“

„Dann hättet Ihr vielleicht einen Speer benutzen sollen“, sagte Vars.

„Ich habe meinen Speer auf dem Trainingsgelände des Hauses der Waffen zerbrochen“, sagte Berwick.

„Wann warst Du das letzte Mal auf dem Trainingsgelände, Bruder?“, fragte Rodry und wusste offensichtlich die Antwort. „Wann wirst Du Dich den Rittern anschließen, wie ich?“

„Ich trainiere mit dem Schwert“, sagte Vars, wahrscheinlich etwas defensiver als er sollte. „Ich denke nur, dass es nützlichere Dinge gibt, als jeden wachen Moment damit zu verbringen.“

„Oder behagt Dir vielleicht der Gedanke nicht, Dich einem Feind zu stellen, der bereit ist, Dich niederzuschlagen, Bruder?“, sagte Rodry und klopfte Vars auf die Schulter. „So wie Du es nicht magst, auf die Jagd zu gehen, weil Dir etwas passieren könnte.“

Er lachte und das Grausamste war, dass sein Bruder es wahrscheinlich nicht einmal als verletzend ansah. Rodry ging einfach nur relativ sorglos durch die Welt.

„Nennst Du mich einen Feigling, Rodry?“, fragte Vars.

„Oh nein“, sagte Rodry. „Es gibt Männer, die draußen in der Welt kämpfen sollen, und andere, die besser dran sind, zu Hause zu bleiben, oder?“

„Ich könnte jagen, wenn ich wollte“, sagte Vars.

„Ah, der tapfere Ritter!“, sagte Rodry, und das brachte ein weiteres Lachen mit sich, niemand außer Vars schien die Grausamkeit zu erkennen, die darin lag. „Na dann solltest Du mit uns kommen! Wir fahren in die Stadt, um sicherzustellen, dass wir die Waffen haben, die wir für morgen brauchen.“

„Und das Fest verlassen?“, erwiderte Vars.

„Das Fest wird noch Tage dauern“, gab Rodry zurück. „Komm schon, wir können Dir einen schönen Speer aussuchen, damit Du uns zeigen kannst, wie man Eber jagt.“

Vars wünschte, er könnte einfach weggehen oder noch besser das Gesicht seines Bruders auf den nächsten Tisch schlagen. Vielleicht einfach so lange weiterschlagen, bis es zu Brei zerfallen war und er als der Erbe zurückblieb, der er immer hätte sein sollen. Stattdessen wusste er, dass er über die Brücken in die Stadt hinuntergehen musste – zumindest jedoch, fand er dort unten vielleicht jemanden, an dem er seine Wut auslassen konnte. Ja, Vars freute sich darauf und auf mehr. Vielleicht sogar darauf, eines Tages König zu werden.Für den Moment jedoch sagte ihm jener Teil von ihm, der ihn immer vor Gefahren bewahren wollte, dass er seinen Bruder besser nicht konfrontieren solle. Nein, das würde warten müssen.

Aber wer sich ihm in der Stadt in den Weg stellte, würde bezahlen.




KAPITEL FÜNF


Devin schwang seinen Hammer und schlug ihn auf den Metallklumpen, der zu einer Klinge werden sollte. Die Muskeln auf seinem Rücken schmerzten  davon, und in der Hitze der Schmiede lief der Schweiß in seine Kleidung. Im Haus der Waffen war es immer heiß und so nahe an einer der Schmieden war es fast unerträglich.

„Du machst das gut, Junge“, sagte der alte Gund.

„Ich bin sechzehn, ich bin kein Junge“, sagte Devin.

„Ja, aber Du bist immer noch so groß wie einer. Außerdem seid ihr für einen alten Mann wie mich alle Jungs.“

Devin zuckte mit den Schultern. Er wusste, dass vom Äußeren her niemand in ihm den Schmied vermuten würde, aber er dachte; das Metall verlangte nach Nachdenken, um es wirklich zu verstehen. Die subtilen Abstufungen von Hitze und Stahlmustern, die den Unterschied zwischen einer fehlerhaft und einer perfekt geschmiedeten Waffe ausmachten, waren fast magisch, und Devin war entschlossen, sie alle zu kennen, um sie wirklich zu verstehen.

„Vorsichtig, sonst wird es zu sehr abkühlen“, sagte Gund.

Schnell brachte Devin das Metall wieder auf den richtigen Hitzegrad, beobachtete den Schatten, bis es genau der richtige Moment war und zog es dann heraus, um es zu bearbeiten. Es war nah dran, aber es war immer noch nicht ganz so wie es sein sollte. Etwas an der Schneide war nicht ganz perfekt. Devin wusste es so sicher, wie er seine rechte Hand kannte.

Er war noch jung, aber er kannte sich mit Waffen aus. Er wusste, wie man sie am besten herstellt und schärft … er wusste sogar, wie man sie handhabt, obwohl sowohl sein Vater als auch Meister Wendros entschlossen zu sein schienen, ihn davon abzubringen. Die Ausbildung, die das Haus der Waffen anbot, richtete sich an Adlige, junge Männer, die hierherkamen, um von den besten Schwertmeistern zu lernen, darunter auch der unglaublich geschickte und erfahrene Wendros. Devin musste das komplette Training alleine absolvieren, von Schwertern zu Äxten und Speeren zu Messern, Schneiden an Pfosten und hoffen, dass es richtig war.

Ein Lärm von der Vorderseite des Hauses lenkte kurzzeitig Devins Aufmerksamkeit von der Arbeit ab. Die großen Metalltüren vorne standen offen, sie waren perfekt ausbalanciert, sodass sie bei der kleinsten Berührung in Schwung gerieten. Die jungen Männer, die durch diese Türen soeben hereinkamen, waren eindeutig von edlem Geblüt und ebenso eindeutig leicht betrunken. Betrunken zu sein, war im Haus der Waffen eine gefährliche Sache. Ein Mann, der hier betrunken zur Arbeit erschien, wurde nach Hause geschickt, tat er es mehr als einmal, wurde er entlassen.

Sogar Kunden wurde die Tür gezeigt, wenn sie nicht nüchtern genug waren. Ein betrunkener Mann mit einer Klinge war ein gefährlicher Mann, auch wenn er es nicht beabsichtigte. Diese hier trugen jedoch königliche Farben, und etwas anderes zu sein als unterwürfig, bedeutete, mehr zu riskieren, als nur die Arbeit, mit der man sein täglich Brot verdiente.

„Wir brauchen Waffen“, sagte der Mann, der die Gruppe anführte. Devin erkannte Prinz Rodry sofort, wenn nicht persönlich, so doch anhand der Geschichten über ihn. „Morgen findet eine Jagd statt, und nach der Hochzeit wird es wahrscheinlich ein Turnier geben.“

Gund ging ihnen entgegen, um sie zu begrüßen, denn er war hier einer der Meisterschmiede. Devin konzentrierte sich weiterhin auf die Klinge, die er schmiedete, da durch den geringsten Ausrutscher oder Fehler Luftblasen entstehen konnten, durch die sich Risse bildeten. Für ihn war es eine Frage der Ehre, dass keine der Waffen, die er schmiedete, bei einem Hieb zersplitterten oder zerbrachen.

Auch wenn das Metall seiner größten Aufmerksamkeit bedurfte, war Devin nicht in der Lage, seine Augen von den jungen Adligen abzuwenden, die in das Haus der Waffen gekommen waren. Sie schienen in seinem Alter zu sein; Jungen, die versuchten, ein Freund des Prinzen zu sein – nicht die Ritter des Sporns, die seinem Vater dienten. Gund zeigte ihnen zunächst Speere und Klingen, die zu den Armeen des Königs passen würden, doch schnell winkten sie ab.

„Dies sind die Söhne des Königs!“, sagte einer der Männer und deutete auf Prinz Rodry und einen anderen, von dem Devin vermutete, dass er Prinz Vars sein musste, doch auch nur, weil er nicht schlank, düster oder mädchenhaft genug wirkte, um Prinz Greave sein zu können. „Sie verdienen feineres Zeug als das.“

Sie wollten feinere Dinge und so begann Gund, ihnen feinere Dinge zu zeigen, Waffen mit vergoldeten Griffen oder Verzierungen, die in die Köpfe der Speere eingearbeitet waren. Er zeigte ihnen sogar einige der Meisterwerke – mit Schichten aus feinstem Stahl, wellenförmigen Mustern, die durch Lehm-Hitzebehandlung eingearbeitet wurden, und mit Schneiden, die bei Bedarf auch als Rasiermesser dienen konnten.

„Zu fein für sie“, murmelte Devin vor sich hin. Er nahm die Klinge, die er schmiedete und begutachtete sie. Sie war fertig. Er erhitzte sie noch einmal und war dann bereit, sie in der langen Wanne mit dunklem Öl, die bereits vorbereitet war, abzulöschen.

An der Art und Weise, wie sie die Waffen aufnahmen und mit ihnen herumspielten, konnte er erkennen, dass die meisten dort keine wirkliche Ahnung hatten, was sie taten. Mit Ausnahme von Prinz Rodry vielleicht, aber dieser war inzwischen auf der anderen Seite des Erdgeschosses des Hauses und probierte einen großen Speer mit einer blattförmigen Spitze – er drehte ihn mit dem Fachwissen, das ein Mann nur in langjähriger Praxis erwarb. Im Gegensatz dazu wirkten seine Begleiter weniger wie Ritter, eher so, als spielten sie Ritter. Devin konnte die Unbeholfenheit in einigen ihrer Bewegungen sehen und die Art und Weise, wie sie die Waffen hielten, war auf subtile Weise falsch.

„Ein Mann sollte die Waffen kennen, die er herstellt und benutzt“, sagte Devin, als er die Klinge, die er hergestellt hatte, in den Abschrecktrog tauchte. Es flackerte und flammte für einen Moment, dann zischte es, als sich die Waffe langsam abkühlte.

Er übte mit Klingen, um zu wissen, wann sie für einen ausgebildeten Krieger perfekt waren. Er arbeitete an seinem Gleichgewicht und seiner Beweglichkeit sowie an seiner Stärke, denn es schien richtig, dass ein Mann sich selbst genauso wie jede Waffe formte. Er fand beides schwierig; das Wissen um die Dinge war für ihn jedoch einfacher zu erlangen, das Herstellen perfekter Werkzeuge, das Verstehen des Augenblicks, in dem –

Ein krachendes Geräusch von dort, wo die Adligen mit den Waffen spielten, erregte seine Aufmerksamkeit und Devins Blick wanderte rechtzeitig hinüber, um zu sehen wie Prinz Vars inmitten eines  Haufens von Rüstungen stand, der von seinem Stand heruntergefallen war. Er starrte Nem an, einen anderen der Jungen, die im Haus der Waffen arbeiteten. Nem war Devins Freund gewesen, solange er sich erinnern konnte, groß und, ehrlich gesagt, etwas zu gut genährt, vielleicht nicht der hellste, aber mit geschickten Händen, die feinste Metallteile formen konnten. Prinz Vars schubste ihn heftig, so wie Devin vielleicht eine klemmende Tür gestoßen hätte.

„Dummer Junge!“, schnappte Prinz Vars. „Kannst Du nicht aufpassen, wohin Du gehst?“

„Entschuldigung, mein Herr“, sagte Nem, „aber Ihr wart derjenige, der in mich hineingelaufen ist.“

Devins Atem stockte, weil er wusste, wie gefährlich es war, einem Adligen Widerworte zu geben, dazu noch einem betrunkenen Adligen. Prinz Vars richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schlug Nem dann auf das Ohr, hart genug, um ihn auf den Boden zu senden, mitten in einen Haufen Stahl. Er schrie auf und hellrotes Blut begann, sich auf seinem Arm auszubreiten, von der Stelle, wo etwas Scharfes eingedrungen war.

„Wie kannst Du es wagen, so mit mir zu reden?“, fragte der Prinz. „Ich sage, Du bist in mich hineingelaufen und Du nennst mich einen Lügner?“

Eine andere Person wäre vielleicht nun wütend aufgestanden, bereit zum Kampf, doch trotz seiner Größe war Nem immer sanftmütig gewesen. In diesem Moment wirkte er nur verletzt und ratlos.

Devin zögerte einen Moment und sah sich um, um zu sehen, ob einer der anderen eingreifen würde. Keiner von Prinz Rodrys Begleitern schien sich jedoch einmischen zu wollen, wahrscheinlich zu besorgt darüber, jemanden zu beleidigen, dessen Rang sogar ihnen als Nobelmänner so weit überlegen war. Vielleicht glaubten einige von ihnen auch, dass sein Freund eine Tracht Prügel für das verdiente, was er ihrer Meinung nach getan hatte.

Prinz Rodry war immer noch auf der anderen Seite des Hauses und übte mit dem Speer. Wenn er den Tumult über dem Lärm von Arbeitshämmern und rauschenden Schmiedebälgen gehört hatte, dann hatte er es nicht gezeigt. Gund würde sich nicht einmischen – der alte Mann hatte in dieser Umgebung nicht so lange überlebt, wie er es in der Schmiede getan hatte, indem er gesellschaftlich höher Gestellten Ärger bereitete.

Devin wusste, dass auch er sich still verhalten sollte, selbst in dem Moment, als er sah, wie der Prinz erneut die Hand hob.

„Wirst Du Dich entschuldigen?“, wollte Vars wissen.

„Ich habe nichts getan!“, beharrte Nem, wahrscheinlich zu fassungslos, um sich daran zu erinnern, wie die Welt hier funktionierte. Um ehrlich zu sein, war er bei solchen Dingen nicht besonders schlau. Er dachte immer noch, die Welt sei fair und nichts Falsches getan zu haben, sei Unschuld genug.

„So redet niemand mit mir“, sagte Prinz Vars und schlug erneut auf Nem ein. „Ich werde ein paar Manieren in Dich hineinprügeln, und wenn ich fertig bin, wirst Du mir für die Lektion danken. Und wenn Du meinen Titel falsch nennen solltest, werde ich das auch in Dich hineinprügeln. Oder nein, lasse uns Dir doch gleich eine echte Lektion erteilen.“

Devin wusste, dass er nichts tun sollte – er  war nicht so jung wie Nem und er wusste, wie die Welt funktionierte. Wenn ein Prinz des Blutes auf Deinen Zehen stand, entschuldigtest Du Dich bei ihm oder danktest ihm für das Privileg. Wenn er Deine beste Arbeit haben wollte, dann verkauftest Du sie ihm, obwohl es so aussah, als könne er es nicht richtig schwingen. Man hielt einfach den Mund und mischte sich nicht ein, denn das bedeutete Konsequenzen für Dich und Deine Familie.

Devin hatte eine Familie außerhalb der Mauern des Hauses der Waffen. Er wollte nicht, dass sie verletzt wurden, nur weil er hitzig war und sich nicht um seine Manieren gekümmert hatte. Er wollte aber auch nicht zusehen, wie ein Junge sinnlos für die Launen eines betrunkenen Prinzen geprügelt wurde. Seine Hand spannte sich fester um seinen Hammer, Devin setzte ihn ab und bemühte sich, sich zurückzuhalten.

Dann griff Prinz Vars nach Nems Hand. Er drückte sie auf einen der Ambosse.

„Mal sehen, wie gut Du als Schmied mit einer gebrochenen Hand noch sein kannst“, sagte er. Er nahm einen Hammer und hob ihn hoch, und in diesem Moment wusste Devin, was geschehen würde, wenn er nichts tat. Sein Herz raste.

Ohne nachzudenken, stürzte Devin nach vorne und griff nach dem Arm des Prinzen. Er hatte den Schlag nicht weit abgelenkt, aber es reichte aus, dass er Nems Hand verfehlte und auf das Eisen des Ambosses traf.

Devin hielt den Griff, nur für den Fall, dass der Prinz als Nächstes ihn damit schlagen wollte.

„Was?“, fragte Prinz Vars. „Nimm Deine Hände von mir.“

Devin rang und drückte die Hand auf den Boden; so nah bei ihm konnte Devin den Alkohol in seinem Atem riechen.

„Nicht, wenn Ihr meinen Freund weiter schlagen werdet“, sagte Devin.

Er wusste, dass er sich dadurch, dass er den Prinzen angegriffen hatte, selbst Ärger eingebrockt hatte, aber jetzt war es zu spät.

„Nem versteht es nicht und er war nicht der Grund, warum Ihr die Hälfte der Rüstungen hier umgeworfen habt. Das war eher der Alkohol.“

„Nimm Deine Hand von mir, sagte ich“, wiederholte der Prinz und seine andere Hand wanderte in Richtung des Essmessers an seinem Gürtel.

Devin drückte ihn so sanft er konnte zurück. Ein Teil von ihm hoffte immer noch, dass dies friedlich enden könnte, obwohl er genau wusste, was als Nächstes passieren würde.

„Das wollt Ihr nicht, Hoheit.“

Vars starrte ihn schwer atmend an, mit einem Ausdruck puren Hasses.

„Ich bin nicht derjenige, der hier den Fehler gemacht hat, Verräter“, knurrte Prinz Vars, eine tödliche Drohung klang in seiner Stimme.

Vars stellte seinen Hammer ab und nahm ein Ritterschwert von einer der Bänke, obwohl Devin sehen konnte, dass er damit nicht umgehen konnte.

„Das ist richtig – Du bist ein Verräter. Ein Mitglied des Königshauses anzugreifen, ist Verrat und Verräter sterben dafür.“

Er schwang das Schwert nach Devin und Devin griff instinktiv nach dem, was er finden konnte. Es stellte sich heraus, dass es sich um seinen eigenen Schmiedehammer handelte, und er hob ihn, um den Schlag zu blockieren – er hörte den Klang von Eisen auf Eisen, als er das Schwert daran hinderte, seinen Kopf zu zerschmettern. Der Aufprall erschütterte seine Hände, und jetzt war keine Zeit mehr zum Nachdenken. Er packte die Klinge mit dem Kopf des Hammers, riss sie mit aller Kraft aus dem Griff des Prinzen und warf sie klirrend über den Boden, wo sie sich dem Haufen heruntergeworfener Rüstungen anschloss.

Dann stoppte er sich selbst. Er war wütend, dass der Prinz hereinkommen und ihn so angreifen konnte, aber Devin war die Geduld selbst. Die Arbeit mit Metall verlangte diese Eigenschaft. Ein Mann, der in der Schmiede ungeduldig war, wurde unwillkürlich verletzt.„Seht Ihr?“, rief Prinz Vars und zeigte mit einem Finger, der vor Wut – oder Angst – zitterte, auf ihn. „Er schlägt mich an! Fasst ihn. Ich will, dass er in die tiefste Zelle des Schlosses geschleppt wird und im Morgengrauen seinen Kopf auf einem Spieß.“

Die jungen Männer um ihn herum reagierten zögerlich, aber es war genauso offensichtlich, dass sie nicht bereit waren, zuzusehen, wie jemand von solch niederer Geburt wie Devin, einen Prinzen angriff. Die meisten von ihnen hielten noch die Schwerter oder Speere, mit denen sie so dilettantisch herumgespielt hatten, und jetzt befand sich Devin inmitten eines Kreises solcher Waffen, die alle direkt auf sein Herz gerichtet waren.

„Ich will keinen Ärger“, sagte Devin und wusste nicht, was er sonst tun sollte. Er ließ den Hammer mit einem lauten Knall zu Boden fallen, weil er für ihn nun nutzlos war. Was konnte er tun, um sich gegen so viele durchzusetzen? Obwohl er vermutete, dass er besser mit einer Klinge umgehen konnte als die Männer dort, gab es zu viele, um es überhaupt zu versuchen, und wenn ja, was dann? Wohin könnte er dann laufen und was würde es für seine Familie bedeuten, wenn er es tun würde?

„Vielleicht braucht man keine Zelle“, sagte Prinz Vars. „Vielleicht schlage ich seinen Kopf gleich hier ab, wo die Leute es sehen können. Zwingt ihn auf die Knie. Auf die Knie, sagte ich!“, wiederholte er, als die anderen der Anweisung nicht schnell genug folgten.

Vier von ihnen traten vor und drückten Devin nieder, während die anderen ihre Waffen auf ihn gerichtet hielten. Prinz Vars hatte inzwischen das Schwert wieder aufgehoben. Er hob es und prüfte offensichtlich das Gewicht. In diesem Moment wusste Devin, dass er sterben würde. Angst erfüllte ihn, weil er keinen Ausweg sah. Egal wie viel er nachdachte, egal wie stark er war, es würde nichts ändern. Die anderen dort waren vielleicht nicht einverstanden mit dem, was der Prinz vorhatte, aber sie würden trotzdem nichts dagegen tun. Sie würden dort stehen und zusehen, wie der Prinz das Schwert schwang und …

… und in diesem Moment schien die Welt sich auszudehnen, ein Herzschlag verschwand im nächsten. In diesem Moment war es, als könnte er jeden Muskel im Körper des Prinzen sehen, die Funken seiner Gedanken, die ihn antrieben. In diesem Moment war es einfach, sie zu erfassen und nur einen von ihnen zu ändern.

„Au! Mein Arm!“, schrie Prinz Vars, sein Schwert fiel zu Boden.

Devin starrte fassungslos zurück. Er versuchte, zu verstehen, was er gerade getan hatte.

Und er erschrak vor sich selbst.

Der Prinz stand da, umklammerte seinen Arm und versuchte, das Gefühl zurück in die Finger zu reiben.

Devin konnte ihn nur anstarren. Hatte er das wirklich irgendwie gemacht? Wie? Wie könnte irgendjemand einen Krampf bei einem anderen auslösen, nur, indem er daran dachte?

Er erinnerte sich an den Traum …

„Das ist genug“, rief eine Stimme und unterbrach sie. „Lasst ihn gehen.“

Prinz Rodry trat in den Kreis der Waffen, und die jungen Männer dort reagierten auf seine Anwesenheit, sie senkten die Waffen und atmeten beinahe erleichtert auf, dass er dort war.

Devin tat dies definitiv, dennoch behielt er Prinz Vars im Auge und die Waffe, die er in seiner, jetzt gefühllosen, Hand hielt.

„Das ist genug, Vars“, sagte Rodry. Er trat zwischen Devin und den Prinzen, und Prinz Vars zögerte einen Moment. Devin vermutete, er könnte das Schwert trotzdem schwingen, unabhängig von der Anwesenheit seines Bruders.

Dann warf er die Klinge zur Seite.

„Ich wollte sowieso nicht hierherkommen“, sagte er und stolzierte davon.

Prinz Rodry wandte sich an Devin und es brauchte kein weiteres Wort, damit die Männer, die ihn festhielten, ihn losließen.

„Du warst mutig, Dich für den Jungen einzusetzen“, sagte er. Er hob den Speer, den er hielt. „Und Du machst gute Arbeit. Mir wurde gesagt, dass dies einer von Deinen ist.“

„Ja, Hoheit“, sagte Devin. Er wusste nicht, was er denken sollte. Innerhalb weniger Sekunden hatte er, in der Gewissheit, dass er sterben würde, sein Leben wiedergewonnen, war beschuldigt worden, ein Verräter zu sein und erhielt nun ein Kompliment für seine Arbeit. Es ergab keinen Sinn, aber warum sollte es auch einen Sinn ergeben, in einer Welt, in der er irgendwie gerade … etwas Magisches getan hatte?

Prinz Rodry nickte und drehte sich dann um, um zu gehen. „Sei in Zukunft vorsichtiger. Ich bin vielleicht das nächste Mal nicht hier, um Dich zu retten.“

Es dauerte noch einige Sekunden, bis Devin wieder aufstehen konnte, sein Atem kam in kurzen, heftigen Schüben. Er sah zu Nem hinüber, der versuchte, die Wunde an seinem Arm geschlossen zu halten. Er wirkte verängstigt und erschüttert über das, was passiert war.

Der alte Gund war da, nahm Nems Arm und wickelte einen Stoffstreifen um ihn. Er sah zu Devin hinüber.

„Musstest Du Dich einmischen?“, fragte er.

„Ich durfte nicht zulassen, dass er Nem wehtut“, sagte Devin. Das war eine Sache, die er hundertmal wieder tun würde, würde man ihn vor die Wahl stellen.

„Das Schlimmste, was er bekommen hätte, wäre eine Tracht Prügel“, sagte Gund. „Wir haben alle Schlimmeres erlebt. Und jetzt … musst Du gehen.“

„Gehen?“, sagte Devin. „Für heute?“

„Für heute und alle folgenden Tage, Du Narr“, sagte Gund. „Glaubst du, wir können einen Mann, der sich gegen einen Prinzen erhebt, im Haus der Waffen bleiben lassen?“

Devin spürte, wie der Atem seine Brust verließ. Das Haus der Waffen verlassen? Das einzige echte Zuhause, das er jemals gekannt hatte?

„Aber ich habe nicht …“, begann Devin und hielt inne.

Er war nicht Nem, der glaubte, dass die Welt so werden könnte, wie er es wollte, nur weil es das Richtige war. Selbstverständlich würde Gund wollen, dass er ging; Devin hatte gewusst, was ihn das kosten könnte, noch bevor er eingegriffen hatte.

Devin starrte zurück und nickte – es war alles, was er dazu antworten konnte. Er drehte sich um und begann, langsam zum Ausgang zu gehen.

„Warte“, rief Nem. Er rannte zu seiner Werkbank und kam dann mit etwas in Stoff gewickeltem zurück. „Ich … ich habe sonst nicht viel. Du hast mich gerettet. Das solltest Du haben.“

„Ich habe es getan, weil ich Dein Freund bin“, sagte Devin. „Du musst mir nichts geben.“

„Ich will es“, antwortete Nem. „Wenn er meine Hand geschlagen hätte, könnte ich nichts anderes mehr machen, also möchte ich, dass Du etwas hast, das ich gemacht habe.“

Er gab es Devin und Devin nahm es vorsichtig. Als er es auspackte, konnte er sehen, dass es … na ja, nicht genau ein Schwert war. Ein langes Messer lag da, zu lang, um ein echtes Messer zu sein, nicht lang genug, um ein Schwert zu sein. Es war einschneidig mit einem Griff, der nur auf einer Seite herausragte, und einer keilförmigen Spitze. Es war die Waffe eines Bauern, weit entfernt von den Langschwertern und Rüstschwertern der Ritter. Aber es war leicht. Tödlich. Und schön. Er drehte es und es schimmerte im Licht und Devin konnte auf einen Blick erkennen, dass es weitaus schneller und tödlicher sein konnte als jedes richtige Schwert. Es war eine Waffe der List, Gerissenheit und Geschwindigkeit. Eine, die perfekt zu Devins leichtem Körperbau und seinen jungen Jahren passte.

„Es ist noch nicht fertig“, sagte Nem, „aber ich weiß, Du kannst die Arbeit besser vollenden als ich, und der Stahl ist gut, das verspreche ich.“

Devin schwang es probeweise und spürte, wie die Klinge die Luft durchtrennte. Er wollte sagen, dass es zu viel war, dass er es nicht annehmen konnte, aber er konnte sehen, wie sehr Nem wollte, dass er es annahm.

„Danke, Nem“, sagte er.

„Ihr zwei seid fertig?“, fragte Gund. Er sah zu Devin hinüber. „Ich werde nicht sagen, dass es mir nicht leid tut, Dich gehen zu sehen. Du bist ein guter Arbeiter und ein feiner Schmied, besser als die meisten hier. Aber Du darfst nicht hier sein, wenn dies auf uns zurückfällt. Du musst gehen, Junge. Jetzt.“

Devin hätte fast etwas gesagt, doch er wusste, dass es zwecklos war und er erkannte auch, dass er selber nicht mehr dort sein wollte. Er würde nicht an einem Ort bleiben, wo man ihn nicht wollte. Dies war nie sein Traum gewesen. Dies war ein Weg, um zu überleben. Sein Traum war es immer gewesen, ein Ritter zu sein, und jetzt ……

Jetzt schien es, dass seine Träume noch viel seltsamere Dinge für ihn bereithielten. Er musste herausfinden, was sie waren.

Der Tag, der Dein Leben für immer verändern wird.

Könnte es das sein, was der Magier meinte?

Devin hatte keine Wahl. Er konnte sich jetzt nicht umdrehen, konnte nicht zu seiner Schmiede zurückkehren, um alles wieder in den Zustand zurückzuversetzen, wie es sein sollte.

Stattdessen ging er in die Stadt hinaus. In sein Schicksal.

Und in den Tag hinein, der ihn erwartete.




KAPITEL SECHS


Nerra spazierte alleine durch den Wald, schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch und genoss die wärmende Sonne auf ihrem Gesicht. Sie stellte sich vor, dass inzwischen jeder im Schloss bemerkt hatte, dass sie sich hinausgeschlichen hatte, aber sie vermutete auch, dass es sie nicht so sehr kümmern würde. Sie würde die Hochzeitsvorbereitungen mit ihrer Anwesenheit nur erschweren.

Hier, in die freie Natur, passte sie besser hinein. Sie flocht Blumen in ihr dunkles Haar, passend zu ihren Zöpfen. Sie zog ihre Stiefel aus und band sie über ihrer Schulter zusammen, damit sie die Erde unter ihren Füßen fühlen konnte. Ihre schlanke Gestalt bewegte sich zwischen den Bäumen, leichtfüßig, in einem Kleid in herbstlichen Farben. Die Ärmel waren selbstverständlich lang. Ihre Mutter hatte das Bedürfnis, ihre Arme zu verhüllen, schon vor langer Zeit fest in ihr verankert. Ihre Familie wusste vielleicht von ihrer Krankheit aber sonst sollte es niemand tun.

Sie liebte die Natur. Sie liebte es, die Pflanzen zu betrachten und sich ihre Namen in Erinnerung zu rufen, Glockenblume und Bärenklau, Eiche und Ulme, Lavendel und Pilz. Sie wusste auch mehr darüber als nur ihre Namen, denn jede hatte ihre eigenen Eigenschaften, Dinge, bei denen sie helfen oder Schaden, den sie verursachen konnte. Ein Teil von ihr wünschte, sie könnte ihr ganzes Leben hier draußen frei und in Frieden verbringen. Vielleicht konnte sie es; vielleicht könnte sie ihren Vater überreden, ein Haus im Wald bauen zu lassen, und ihr Wissen darüber sinnvoll einsetzen, um Kranke und Verletzte zu heilen.

Nerra lächelte traurig dabei, denn obwohl sie wusste, dass es ein guter Traum war, würde ihr Vater niemals mitmachen, und selbst wenn …… Nerra hielt den Gedanken für einen Moment zurück, konnte es aber nicht für immer. In jedem Fall würde sie wahrscheinlich nicht lange genug leben, um sich ein Leben aufzubauen. Die Krankheit tötete – oder veränderte – den Leidenden dafür zu schnell.

Nerra pflückte an einem Strang der schmerzlindernden Weidenrinde und steckte Streifen davon in ihre Gürteltasche.

Ich werde es wahrscheinlich bald genug brauchen, vermutete sie. Heute hatte sie keine Schmerzen, aber wenn nicht sie, dann vielleicht der Junge von Witwe Merril in der Stadt. Sie hatte gehört, dass er Fieber hatte und Nerra wusste viel mehr über den Umgang mit Kranken als die meisten.

Ich will nur einen Tag erleben, ohne darüber nachdenken zu müssen, dachte Nerra bei sich.

Fast, als würde der Gedanke daran es herbeiführen, fühlte Nerra sich plötzlich schwindelig und griff Halt suchend nach einem der Bäume. Sie klammerte sich daran fest und wartete darauf, dass der Schwindel vorüberging. Sie spürte, wie ihr das Atmen immer schwerer fiel. Sie konnte auch das Pulsieren  in ihrem rechten Arm spüren, es juckte und pochte, als wollte sich etwas unter der Haut lösen.

Nerra setzte sich, und hier, in der Einsamkeit des Waldes, tat sie, was sie im Schloss nie tun würde: Sie krempelte den Ärmel hoch und hoffte, dass die Kühle der Waldluft etwas Gutes tun würde, wo sonst nichts geholfen hatte.

Die Spuren auf ihrem Arm waren inzwischen vertraut, schwarz und venenartig, und hoben sich von der fast durchscheinenden Blässe ihrer Haut ab. Waren die Spuren gewachsen, seit sie sie das letzte Mal angeschaut hatte? Es war schwer zu sagen, weil Nerra es in der Regel vermied, sie anzusehen, und es nicht wagte, sie jemand anderem zu zeigen. Selbst ihre Brüder und Schwestern  kannten nicht die volle Wahrheit, sie wussten nur über die Ohnmachtsanfälle Bescheid, nicht über den Rest. Davon wussten nur sie, ihre Eltern und Meister Grey, sowie der einzige Arzt, den ihr Vater ins Vertrauen gezogen hatte.

Nerra wusste, warum. Jene, die die Spuren der Schuppen trugen, wurden verbannt oder  Schlimmeres, aus Angst davor, dass sich der Zustand verbreitete und aus Angst vor dem, was es mit sich bringen könnte. Diejenigen mit der Schuppenkrankheit, so sagten die Geschichten, verwandelten sich schließlich in Dinge, die alles andere als menschlich waren und tödlich für jene, die zurückblieben.

„Und so muss ich allein  bleiben“, sagte sie laut und zog ihren Ärmel wieder herunter, weil sie den Anblick dessen, was sie dort sah, nicht länger ertragen konnte.

Der Gedanke, alleine zu sein, störte sie fast genauso. So sehr sie den Wald mochte, der Mangel an Menschen tat weh. Schon als Kind hatte sie keine engen Freunde haben können, hatte nicht die vielen Dienstmädchen und jungen adligen Damen um sich herum gehabt, wie Lenore, weil eine von ihnen vielleicht etwas gesehen hätte. Die Aussicht auf Liebhaber und Verehrer für ein Mädchen, das offensichtlich krank war, waren noch weniger wahrscheinlich. Ein Teil von Nerra wünschte sich, sie hätte das alles gehabt und stellte sich ein Leben vor, in dem sie normal, gesund und sicher gewesen wäre. Ihre Eltern hätten einen jungen Adligen finden können, der sie heiratete, so wie sie es für Lenore getan hatten. Sie hätten ein Zuhause und eine Familie haben können. Nerra hätte Freunde haben und Menschen helfen können. Stattdessen …… gab es nur dies.

Jetzt habe ich sogar den Wald traurig gemacht, dachte Nerra mit einem schwachen Lächeln.

Sie stand auf und ging weiter, entschlossen, wenigstens die Schönheit dieses Tages zu genießen. Morgen würde eine Jagd stattfinden, aber das waren zu viele Leute, um wirklich die Natur genießen zu können. Von ihr würde erwartet, sich daran zu erinnern, wie man mit jenen plauderte, die es als Tapferkeit betrachteten, die Tiere des Waldes zu töten, und das Geräusch der Jagdhörner würde ohrenbetäubend sein.

In diesem Moment hörte Nerra etwas anderes. Es war kein Jagdhorn, aber es klang immer noch, als wäre jemand in der Nähe. Sie meinte, sie hätte einen Blick auf jemanden in den Bäumen erhascht, vielleicht einen kleinen Jungen, obwohl es schwer zu sagen war. Dann begann sie, sich zu sorgen. Wie viel hatte er gesehen?

Vielleicht war es ja nichts. Nerra wusste, dass es an anderen Stellen im Wald Menschen geben musste. Vielleicht waren es Holzkohlebrenner oder Förster; vielleicht waren sie Wilderer. Wer auch immer sie waren, Nerra würde ihnen wahrscheinlich begegnen, wenn sie weiterlief. Dieser Gedanke behagte ihr nicht, das Risiko, dass sie mehr sahen, als sie sollten, gefiel ihr nicht. Also schlug sie sich in eine neue Richtung, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Sie kannte den Wald gut, sodass sie sich keine Sorgen machte, sich zu verlaufen. Sie ging einfach weiter – und nun entdeckte sie Stechpalme und Birke, Schöllkraut und wilde Rosen.

Und etwas anderes.

Nerra hielt inne, als sie eine Lichtung erblickte, die aussah, als wäre etwas Großes hier entlang gezogen, Äste waren abgebrochen, der Boden zertrampelt. War es ein Eber gewesen oder gar ein ganzes Rudel? Gab es irgendwo einen Bären, der groß genug war, sodass eine Jagd Sinn machte? Nerra konnte jedoch keine Bärenspuren zwischen den Bäumen sehen oder überhaupt irgendetwas, was darauf hindeutete, dass etwas zu Fuß durchgekommen war.

Mitten in der Lichtung  konnte sie ein Ei sehen, das seitlich im Gras lag.

Sie erstarrte und musterte es erstaunt.

Das kann nicht sein.

Selbstverständlich gab es Geschichten und die Galerien des Schlosses hatten einige versteinerte Exemplare, denen kein Leben mehr innewohnte.

Aber das … es konnte nicht wirklich sein …

Sie ging näher heran, und jetzt begann sie, die schiere Größe des Eis in sich aufzunehmen. Es war riesig, so groß, dass Nerras Arme kaum ausreichen würden, hätte sie versucht, es zu umarmen. Groß genug, dass kein Vogel es hätte legen können.

Es war ein sattes, tiefes Blau, fast schwarz,und mit goldenen Adern, die wie Blitze über einen Nachthimmel liefen. Als Nerra ganz vorsichtig versuchte, es zu berühren, fühlte sie, dass die Oberfläche seltsam warm war, so wie es kein Ei hätte sein sollen. Das bestätigte, genau wie alles andere, was sie sah, was sie gefunden hatte.

Ein Drachenei.

Das war unmöglich Wie lange war es her, dass jemand einen Drachen gesehen hatte? Und selbst in den Geschichten, die man hörte, erzählte es von großen geflügelten Tieren, die über den Himmel flogen, nicht von Eiern. Drachen waren niemals hilflose, kleine Dinge. Sie waren riesig und schrecklich und unmöglich. Aber Nerra konnte sich nicht vorstellen, was das sonst sein könnte.

Und jetzt liegt die Wahl bei mir.

Sie wusste, dass sie jetzt nicht einfach weggehen konnte, da sie das Ei hier gesehen hatte, verlassen, ohne Anzeichen eines Nestes, wie ein Vogel sein Gelege legen würde. Wenn sie das tat, bestand die Chance, dass irgendetwas einfach kommen und das Ei essen und die Kreatur darin zerstören würde. Das, oder es würde Leute geben, und sie hatte keinen Zweifel daran, die es verkaufen würden. Oder aus Angst zermalmen. Die Leute konnten manchmal grausam sein.

Sie konnte es auch nicht mit nach Hause nehmen. Man stelle sich vor, sie ginge mit einem Drachenei in der Hand durch die Tore des Schlosses. Ihr Vater würde es ihr sofort abnehmen lassen, wahrscheinlich, damit Meister Grey es studieren konnte. Bestenfalls würde man die Kreatur in einen Käfig sperren und an ihr herumexperimentieren. Im schlimmsten Fall … Nerra schauderte bei dem Gedanken, dass das Ei von Gelehrten des Hauses des Wissens zerlegt wurde. Sogar Medicus Jarran würde es wahrscheinlich auseinandernehmen wollen, um es zu studieren.

Wo dann?

Nerra versuchte nachzudenken.

Sie kannte den Wald so gut wie den Weg zu ihren Gemächern. Es musste einen Ort geben, der besser wäre, als das Ei einfach im Freien zu lassen …

Ja, sie kannte genau den Ort.

Sie schlang die Arme um das Ei, die Hitze drückte sich seltsam gegen ihren Körper, als sie es anhob. Es war schwer und für einen Moment befürchtete Nerra, sie könnte es fallen lassen, aber sie schaffte es, ihre Hände zusammenzuklammern und begann, durch den Wald zu laufen.

Es dauerte eine Weile, bis sie die Stelle gefunden hatte, sie hielt nach den Espen Ausschau, die den kleinen Ort markierten, an dem sich die alte Höhle befand, umgeben von den vor langer Zeit schon von Moos überwucherten Steinen. Inmitten des Waldes war die Höhlenöffnung, an der Seite eines kleinen Hügels. Nerra konnte vom Boden aus erkennen, dass nichts beschlossen hatte, die Höhle als Lager zu nutzen. Das war gut; Sie wollte ihr kostbares Mitbringsel nicht an einen Ort bringen, wo es in ganz neuer Gefahr wäre.

Die Lichtung ließ die Vermutung zu, dass Drachen keine Nester bauten, aber Nerra baute dennoch eines für das Ei, sammelte Zweige und Äste, Unterholz und Gras und verwob dann alles langsam zu einem einfachen Oval, auf dem sie das Ei zur Ruhe legen konnte. Sie schob das ganze Gebilde zurück in die dunkle Hälfte der Höhle und vertraute darauf, dass es von außen nicht entdeckt werden konnte.

„Da“, sagte sie zu ihm. „Du bist jetzt in Sicherheit, zumindest bis ich herausgefunden habe, was ich mit Dir machen soll.“

Sie suchte Äste und Blätter zusammen, die den Eingang bedecken sollten. Sie nahm Steine und rollte sie vor den Eingang, jeder von ihnen war so groß, dass sie ihn kaum bewegen konnte. Sie hoffte, es würde ausreichen, um all die Dinge fernzuhalten, die versuchen könnten, hineinzukommen.

Sie war gerade fertig, als sie ein Geräusch hörte, erschrocken drehte sie sich um. Dort zwischen den Bäumen war der Junge, den sie zuvor gesehen hatte. Er stand da und starrte sie an, als versuche  er, zu verstehen, was er gesehen hatte.

„Warte“, rief Nerra ihm zu, aber der Schrei genügte, um ihn zu verschrecken. Er drehte sich um und rannte weg. Nerra fragte sich, was genau er gesehen hatte und wem er es erzählen würde.

Sie hatte das bange Gefühl, dass es zu spät war.




KAPITEL SIEBEN


Prinzessin Erin wusste, dass sie nicht hier sein sollte, auf dem Ritt durch den Wald Richtung Norden zum Sporn. Sie sollte im Schloss sein und ihr Kleid für die Hochzeit ihrer älteren Schwester anprobieren – doch alleine bei dem Gedanken daran sträubten sich ihr die Nackenhaare.

Stattdessen fielen ihr all die wichtigeren Dinge ein – was sie als Nächstes erwarten könnte und warum sie gegangen war. In jedem Fall jedoch befand sie sich lieber auf diesem Ritt, bekleidet mit einer Tunika, einem Wams und einer Hose, als dort Anziehpuppe zu spielen, während Rodry sich mit seinen Freunden über sie lustig machte, und Greave rummopperte und Vars … Erin schauderte. Nein, besser hier draußen zu sein und etwas Nützliches zu tun, etwas, das beweisen würde, dass sie mehr als nur eine Tochter war, die es zu verheiraten galt.

Sie ritt durch den Wald und sog die Pflanzenpracht entlang des Weges in sich auf, obwohl das mehr Nerras Passion war als ihre. Sie ritt an stattlicher Eiche und Weißbirke vorbei, sah die Schatten, die sie warfen, und versuchte, nicht daran zu denken, dass diese Schatten für jemanden, der sich verstecken wollte, die perfekten Gelegenheiten boten.

Ihr Vater wäre wahrscheinlich wütend auf sie, weil sie ohne Begleitung aus dem Haus gegangen war. Prinzessinnen mussten beschützt werden, würde er ihr sagen. Sie gingen nicht alleine an Orte wie diesen, wo der Wald sich vor ihnen zu verdichten schien und der Weg kaum mehr als ein Trampelpfad war. Dies war jedoch nicht der einzige Grund, aus dem er wütend wäre. Er glaubte wahrscheinlich, dass sie das Gespräch mit ihrer Mutter nicht gehört hatte, das sie praktisch dazu gebracht hatte, in den Stall zu rennen.

„Wir müssen einen Ehemann für Erin finden“, hatte ihre Mutter gesagt.

„Einen Ehemann? Eher noch würde sie weitere Schwertstunden verlangen“, hatte ihr Vater geantwortet.

„Und genau das ist der Punkt. Ein Mädchen sollte solche Dinge nicht tun und sich selbst in diese Gefahr bringen. Wir müssen einen Ehemann für sie finden.“

„Nach der Hochzeit“, hatte ihr Vater gesagt. „Es werden viele Adlige zum Festmahl kommen und für die Jagd. Vielleicht finden wir einen jungen Mann, der einen passenden Ehemann für sie abgibt.“

„Möglicherweise müssen wir eine Mitgift anbieten.“

„Dann werden wir das tun. Gold, ein Herzogtum, was auch immer für meine Tochter am besten ist.“

Der Verrat war vollkommen und es gab kein Zurück. Erin war in ihr Zimmer gegangen, um ihre Sachen einzusammeln: ihren Stab und ihre Kleidung, ein Päckchen mit Vorräten. Sie hatte sich in diesem Moment geschworen, dass sie nicht zurückkommen würde.

„Außerdem“, sagte sie zu ihrem Pferd, „bin ich alt genug, um zu tun, was ich will.“

Sie mochte die jüngste ihrer Geschwister sein, aber sie war immerhin bereits sechzehn. Sie war vielleicht nicht ganz das, was ihre Mutter wollte – zu knabenhaft mit den schulterlang geschnittenen dunklen Haaren, und sie hatte nie Lust, zu nähen, zu knüpfen oder auf der Harfe zu spielen –, aber sie war doch mehr als fähig, auf sich selbst aufzupassen.

Zumindest glaubte sie, dass sie das war.

Sie würde es sein müssen, wenn sie sich den Rittern des Sporn anschließen wollte. Allein der Name des Ordens ließ Erins Herz höher schlagen. Sie waren die besten Krieger des Reiches, jeder einzelne von ihnen ein Held. Sie dienten ihrem Vater, ritten aber auch aus, um Unrecht zu richten und Feinde zu bekämpfen, die kein anderer besiegen konnte. Erin würde alles geben, um sich ihnen anzuschließen.

Deshalb ritt sie nach Norden, zum Sporn. Das war auch der Grund, warum sie diese Route durch Teile des Waldes nahm, die lange für gefährlich gehalten wurden. Sie ritt weiter und sog den Ort in sich auf. Zu jeder anderen Zeit wäre es wunderschön gewesen, aber zu jeder anderen Zeit wäre sie nicht hier gewesen. Stattdessen sah sie sich um, ihre Augen schwenkten blitzschnell hin und her – nur allzu deutlich war sie sich der Schatten auf beiden Seiten des Pfades bewusst, nahm sie wahr, wie die Zweige sie beim Reiten berührten. Es war ein Ort, an dem sie sich vorstellen konnte, dass jemand verschwand und niemals zurückkehren würde.

Trotzdem war es der Weg, den sie einschlagen musste, um die Ritter des Sporns zu erreichen. Besonders, wenn sie sie beeindrucken wollte, wenn sie dort ankam. Daran gemessen, spielte ihre Angst keine Rolle.

„Warum haltet Ihr nicht dort an?“, rief eine Stimme ihr aus einiger Entfernung vom Waldpfad zu.

Da war es. Erin verspürte ein kurzes Gefühl der Angst bei den Worten, ein Flattern lief durch ihren Bauch. Sie hielt ihr Pferd an und schwang sich geschmeidig aus dem Sattel. Fast nebensächlich, nahm sie ihren kurzen Stab herunter und hielt ihn locker mit ihren behandschuhten Händen.

„Nun, was denkt Ihr wohl, werdet Ihr mit diesem Stock tun?“, sagte der Mann weiter unten im Wald. Er trat heraus, in grobe Kleidung gekleidet und mit einem Beil in der Hand. Zwei weitere Männer traten hinter Erin aus dem Dunkel der Bäume. Einer hielt ein langes Messer in der Hand, der andere ein Ritterschwert, das darauf hindeuten mochte, dass er einst für einen Adligen gekämpft hatte.

„In einem Dorf, durch das ich vor einer Weile gezogen bin“, sagte Erin, „haben sie mir von Banditen im Wald erzählt.“

Sie schienen es nicht seltsam zu finden, dass sie hierhergekommen war. Erin konnte die Angst in sich spüren. Hätte sie hierherkommen sollen? Sie hatte viele Trainingskämpfe erlebt, aber dies hier … war anders.

„Sieht so aus, als wären wir berühmt, Jungs“, rief der Anführer mit einem Lachen.

Berühmt war eine Art, das zu betrachten. Im Dorf hatte sie mit einer jungen Frau gesprochen, die mit ihrem Ehemann gereist war. Sie hatte gesagt, selbst als sie diesen Männern alles gegeben hatten, was sie besaßen, wollten sie noch mehr, und sie nahmen es sich. Sie hatte Erin alles genau erzählt und Erin hatte sich gewünscht, sie könne so mit Menschen umgehen wie Lenore oder hätte Nerras Mitgefühl. Erin hatte keines von beiden; alles, was sie hatte, war dies.

„Sie sagen, Ihr tötet diejenigen, die kämpfen“, sagte Erin.

„Na dann“, sagte der Anführer, „werdet Ihr wissen, dass Ihr nicht kämpfen solltet.“

„Es lohnt sich kaum“, sagte einer der anderen. „Kann kaum als Mädchen durchgehen.“

„Ihr beschwert Euch?“, schoss der Anführer zurück. „Bei den Dingen, die Ihr auch mit Jungs getan habt?“

Erin stand da und wartete. Die Angst war immer noch da, und sie war zu einem monströsen Ding angewachsen, so groß wie ein Bär, und es drohte, sie zu lähmen. Sie hätte nicht hierherkommen sollen. Dies war kein Trainingskampf und sie hatte noch nie wirklich gegen jemanden gekämpft. Sie war nur eine junge Frau, die im Begriff war, getötet zu werden, oder schlimmeres …

Nein. Erin dachte nach, dachte an die Frau aus dem Dorf, und der Zorn überwältigte ihre Angst.

„Wenn Ihr es Euch leicht machen wollt, gebt Ihr alles ab, was Ihr habt. Das Pferd, Eure Wertsachen, alles.“

„Und zieht Euch aus“, sagte der andere, der gesprochen hatte. „So vermeiden wir, dass Blut draufkommt.“

Erin schluckte bei dem Gedanken, was das bedeuten könnte. „Nein.“

„Na dann“, sagte der Anführer. „Sieht so aus, als ob wir das auf die harte Tour machen.“

Der mit dem langen Messer griff Erin zuerst an, grapschte nach ihr und hieb mit dem Messer. Erin riss sich los, aber die Klinge glitt so leicht durch ihre Kleidung wie durch die Butter eines Milchmädchens. Der triumphale Blick des Mannes verwandelte sich jedoch schnell in Schock, als die Klinge stoppte und das Geräusch von Metall auf Metall erklang.

„Ein Kettenhemd auszuziehen, ist harte Arbeit“, sagte Erin.

Sie schlug mit ihrem Stab zu, traf den Mann mit dem Stiel ins Gesicht und er stolperte zurück. Der Anführer kam mit seinem Beil auf sie zu, sie holte mit dem Stab von der Seite aus und schlug die Waffe aus der Bahn. Sie stieß mit dem Ende zu und stieß es in die Kehle des Mannes, er gurgelte und stolperte davon.

„Miststück!“, sagte der Messermann.

Jetzt drehte Erin den Stab und zog das Ende ab, um die lange Klinge darunter zu enthüllen, die fast halb so lang war. Dunkel warf es die Lichtflecken des Waldes zurück. In der seltsamen Stille, die folgte, sprach sie. Jetzt war nicht die Zeit, noch irgendetwas zu verschleiern.

„Als ich jung war, zwang mich meine Mutter, Nähstunden zu nehmen. Die Frau, die uns unterrichtete, war jedoch fast blind, und Nerra, meine Schwester, pflegte mich zu decken, während ich hinauslief und die Jungs mit Stöcken bekämpfte. Als meine Mutter es herausfand, war sie wütend, aber mein Vater sagte, ich könnte es genauso gut richtig lernen, und er war der König, also …“

„Euer Vater ist der König?“, sagte der Anführer. Furcht überfiel sein Gesicht für einen Moment, doch bald siegte die Gier. „Wenn sie uns erwischen, bringen sie uns um, aber das hätten sie trotzdem getan, und das Lösegeld, das wir für jemanden wie Euch bekommen …“

Wahrscheinlich würden sie es bezahlen. Allerdings, angesichts dessen, was Erin gehört hatte und wie viel sie bereit wären, zu zahlen, um sie loszuwerden …

Der Bandit stürzte sich wieder auf Erin und unterbrach ihren Gedankengang, er schwang sein Beil und trat nach ihr. Erin fegte das Beil mit einer Hand zur Seite, drückte auf den Ellbogen des Mannes und trat ihn dann gegen das Knie, als er versuchte, sie zu treten, was ihn zu Boden sandte. Ihr Lehrer wäre wahrscheinlich verärgert, weil sie es nicht vorher zu Ende gebracht hatte.

In Bewegung bleiben, schnell beenden, kein Risiko eingehen. Erin konnte fast die Worte ihres Lehrers, des Schwertmeisters Wendros, hören. Er war derjenige, der ihr geraten hatte, den kurzen Speer zu benutzen, eine Waffe, die ihren Mangel an Größe und Kraft mit ihrer Schnelligkeit und Reichweite ausgleichen konnte. Erin war zu der Zeit ein wenig enttäuscht von der Wahl, doch jetzt war sie es nicht mehr.

Sie packte ihre Waffe mit beiden Händen und wirbelte herum, auf der Hut, als der mit dem Schwert auf sie zukam. Sie wehrte sein Stöße ab, den ersten, dann den zweiten, und zielte dann mit einem Hieb auf ihn. Ein Speer kann sowohl schneiden als auch stoßen. Er versuchte, die Attacke abzulenken, sein Schwert hob sich, um dem Speer zu begegnen – Erin drehte ihre Handgelenke, und ließ ihre Klinge geschickt unter seiner Abwehr hindurch tanzen. Noch im Sterben, schwang der Mann einen weiteren Hieb auf sie, Erin fegte ihn zur Seite, sie ging bereits zum nächsten Gegner.

Haltet nicht an. Bleibt in Bewegung, bis der Kampf beendet ist.

„Sie hat ihn getötet!“, schrie der Messermann. „Sie hat Ferris getötet!“

Er stürzte sich mit dem langen Messer auf sie, offensichtlich, um zu töten, nicht, um sie gefangenzunehmen. Er stürzte sich hinein und versuchte, in ihre Nähe zu kommen, wo die größere Länge von Erins Waffe ihr keinen Vorteil mehr bringen würde. Erin täuschte einen Rückschritt vor, tauchte dann aber unerwartet nach vorne und rollte ihn über ihre Hüfte, er landete schmerzhaft auf dem Boden und die Luft entwich ihm.

Zumindest hätte er es getan, wenn er sie nicht im Fallen mitgerissen hätte.

Nicht prahlen, Mädchen. Tut einfach, was Ihr tun müsst.

Dafür war es jetzt zu spät, sie rang mit dem Messermann auf dem Boden und war dort gefangen, während er auf sie einstach – nur ihr Kettenhemd bewahrte sie vor dem Tod. Sie war übermütig gewesen und dafür war sie jetzt in einer Situation, in der die größere Kraft des Mannes seinem Vorteil diente. Er war jetzt über ihr und sein Messer näherte sich ihrer Kehle …

Irgendwie schaffte Erin es, nahe genug zu kommen, um ihn zu beißen, und das gab ihr genug Raum, sich freizustrampeln – es war weder Kunst noch Können, nur reine Verzweiflung. Der Anführer war inzwischen wieder auf den Beinen und schwang seine Waffe erneut. Noch auf den Knien parierte Erin den ersten Schlag so gerade eben, doch sie erhielt einen Tritt in die Mitte und spuckte Blut, als sie wieder hochkam.

„Ihr habt die falschen Leute ausgewählt, mit denen Ihr Euch anlegen wollt, Miststück“, sagte der Anführer, sein Schlag kam nun von oben und zielte auf ihren Kopf.

Es gab keine Zeit auszuweichen, keine Zeit zu parieren. Alles, was Erin tun konnte, war sich zu ducken und mit ihrem Speer nach oben zu stoßen. Sie spürte das Knirschen, als es durch das Fleisch ging, sie erwartete, dass die Waffe ihres Gegners in ihrem eigenen Körper eindringen würde, doch für einen Moment schien alles zu erstarren. Sie wagte es, aufzublicken, und da war er, durchbohrt, am Ende ihres Speers – und starrte so verwirrt auf die Waffe hinab, dass er seinen eigenen Angriff nicht beendet hatte.

Es ist eine feine Sache, Glück zu haben, und eine große Dummheit, sich darauf zu verlassen, klang die Stimme von Schwertmeister Wendros in ihrem Kopf.

Der Messermann war immer noch am Boden und versuchte, sich zu erheben.

„Gnade, bitte“, sagte der Messermann.

„Gnade?“, fragte Erin zornig. „Wie viel Gnade habt Ihr den Menschen gezeigt, die Ihr beraubt, getötet und vergewaltigt habt? Habt Ihr sie ausgelacht, als sie Euch angefleht haben? Habt Ihr sie niedergemetzelt, als sie versuchten, zu fliehen? Wie viel Gnade hättet Ihr mir gezeigt?“

„Bitte“, sagte der Mann und stand auf. Er drehte sich zum Laufen um und hoffte wahrscheinlich, dass er Erin im Dickicht des Waldes abschütteln könnte.

Sie hätte ihn fast gehen lassen, aber was würde er dann tun? Wie viele Menschen würden noch sterben, wenn er glaubte, er wäre wieder damit durchgekommen? Sie drehte die Klinge um, hob sie und warf.

Über eine lange Strecke hätte es nicht funktioniert, da der Speer kürzer war als ein echter Speer, aber über den kurzen Abstand zwischen ihnen segelte er perfekt durch die Luft, er sank in den Rücken des Banditen und brachte ihn zu Fall. Erin trat zu ihm, setzte einen Fuß auf seinen Rücken und zog den Speer heraus. Sie hob ihn hoch und brachte ihn ohne Zögern wieder auf seine Kehle herunter.

„Das ist so viel Gnade wie ich heute habe“, sagte sie.

Sie blieb für einen Moment dort stehen und betrachtete ihn, dann trat sie an den Wegesrand, denn plötzlich war ihr übel. Es hatte sich so richtig und so einfach angefühlt, als sie gekämpft hatte, aber jetzt …

Sie musste sich übergeben. Sie hatte noch nie zuvor jemanden getötet und jetzt waren der Schrecken und der Gestank fast überwältigend. Sie kniete dort – stundenlang, so schien es –, bevor ihr Verstand ihr befahl, sich zu bewegen. Die Stimme von Schwertmeister Wendros kam wieder ihr in den Sinn ……

Wenn es getan ist, ist es getan. Konzentriert Euch auf das Praktische und bereut nichts.

Das war leichter gesagt als getan, aber Erin rappelte sich auf. Sie  wischte ihr Schwert an der Kleidung des Banditen ab und zog die Leichen  bis zum Rand des Waldweges. Das war der schwierigste Teil von allem, denn sie waren alle größer als sie und eine Leiche fühlte sich schwerer an als ein lebendes Wesen. Als sie fertig war,  klebte mehr Blut auf ihren Kleidern als während des Kampfes, ganz zu schweigen von dem Schnitt, wo der Messermann sie getroffen hatte. Sie hatte plötzlich den seltsamen Gedanken, dass ihre Kleider möglichst schnell zu einem Diener gebracht werden sollten, um sie auszubessern, bevor ihre Mutter sie sah. Sie begann, zu lachen und konnte sich nicht beruhigen. Die Folgen des Kampfrausches. Die größte Bedrohung für einen Schwertkämpfer und die größte Droge, die die Welt jemals gekannt hat.

Erin verweilte noch einen Moment und spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern pulsierte, das der Kampf ausgelöst hatte. Sie hatte Männer getötet –  doch sie hatte mehr als das getan. Sie hatte sich bewiesen. Die Ritter des Sporns würden sie jetzt akzeptieren müssen.




KAPITEL ACHT


Renard hatte vor allem drei Gründe, warum er immer wieder zum Gasthaus Zum Zerbrochenen Krug zurückkehrte, und keiner davon hatte mit dem, ehrlich gesagt, schrecklichen Bier zu tun. Der erste Grund war die Bardame Yselle, die ein Faible für stämmige Männer mit roten Haaren zu haben schien und die ihn abwechselnd beschuldigte, sie betrogen zu haben, und verlangte, dass er öfter vorbeikam.

Der zweite Grund war, dass es an den Tagen, wenn er geneigt war, seinen Lebensunterhalt ehrlich zu bestreiten, sie nichts dagegen hatten, dass er seine Laute herausnahm und ein paar der alten Balladen spielte. Meistens hatte Renard keine Lust dazu, aber manchmal juckten seine Finger, sodass er spielen musste.

Der dritte Grund war, dass seine Finger häufiger nach anderen Dingen juckten und das Gasthaus ein guter Ort war, um Gerüchte aufzufangen .

„Es klingt zu sehr nach einer erfundenen Geschichte“, sagte er zu dem Mann, der ihm gegenüber saß, wobei er vorsichtig die Ablenkung ausnutzte, um eine Karte gegen eine der Karten auszutauschen, die er in seinem Ärmel versteckt hatte.

„Ihr könnt es eine Geschichte nennen, wenn Ihr möchtet, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen“, beharrte der Mann. Er  trug grobe Seemannskleidung und behauptete, er habe auf den Schiffen gearbeitet, die die lange Strecke abseits der mörderischen Stromschnellen des Flusses und über das Meer fuhren. Das allein machte Renard misstrauisch. Seeleute waren Verrückte; das mussten sie sein, denn der Handel zwischen dem nördlichen und dem südlichen Königreich war viel einfacher über die Brücken zu bewerkstelligen, als sich in die Gefahren des tiefen Wassers zu begeben.

„Also erzählt es mir noch einmal“, sagte Renard und legte die Karten nieder.

„Ha, ich gewinne!“, sagte der Matrose. „Normalerweise habe ich nie dieses Glück.“

Das liegt daran, dass Ihr so ein schrecklicher Kartenspieler seid, sagte Renard nicht. Er war sich nicht sicher, ob er es gutheißen konnte, betrügen zu müssen, um zu verlieren, da dies, offen gesagt, dem ganzen Zweck des Betruges zu widersprechen schien, aber hoffentlich zahlte es sich am Ende aus.

„Erzählt es mir noch einmal“, beharrte Renard.

„Ah, wollt Ihr ein neues Lied daraus machen?“, fragte der Matrose.

„Könnte sein.“

„Nun, das ist wahrscheinlich nichts für Lieder“, sagte der Seemann. „Lord Carrick würde es nicht mögen.“

Renard zuckte mit den Schultern. „Erzählt es mir trotzdem. Vielleicht ändere ich ein paar Dinge. Ihr wisst schon, dass Sänger flunkern dürfen.“

„Aye“, sagte der Seemann. Er nahm einen weiteren Schluck von dem Bier, das Renard ihm gekauft hatte. „Götter, das ist schreckliches Zeug. Wo war ich jetzt?“

„Die Geschichte.“

„Oh ja. Nun, ich war auf einem Schatzschiff unterwegs, nicht wahr, weil König Ravin von seinen Kolonien im Westen, auf Sarras, bezahlt werden muss.“

Die Erwähnung des südlichen Königs genügte, um Renards Interesse zu wecken. „Und dann was?“

„Sind wir doch am Ausläufer einer der Gezeiten gefangen, nicht wahr?“, sagte der Seemann. „Gingen bei Flut zu nahe an die Flussmündung und dann hat’s uns an die Felsen gesaugt.“ Der entsetzte Ausdruck auf seinem Gesicht, als er daran zurückdachte, genügte, um ihn für Renard glaubwürdig zu machen. Warum sich jemand der mächtigen Strömung des Slate überhaupt nähern sollte, wusste er  allerdings nicht.

„Ich bin gerade erst vom Schiff gegangen“, sagte der Mann. „Ich und ein paar von den anderen. Offensichtlich ist der Kapitän zu diesem Zeitpunkt tot und einige der Jungs sind dumm genug, zum Ortsherrn zu gehen. Sagen, was wir haben, und sagen, dass sie ihm zeigen, wo es ist. Zu einem Preis, versteht sich“





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„Hat alle Zutaten für sofortigen Erfolg: Verschwörungen, Gegenkomplotte, Geheimnisse, tapfere Ritter und jung erblühende Beziehungen voller gebrochener Herzen, Täuschung und Verrat. Es wird Ihnen stundenlange Unterhaltung verschaffen und alle Altersgruppen begeistern. Eine Bereicherung für die Bibliothek aller Fantasy-Leser.“

– Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (zu Ring der Zauberer)

„Dies ist der Beginn von etwas Bemerkenswertem“

– San Francisco Book Review (zu Queste der Helden)

Von der #1 Bestseller-Autorin Morgan Rice, Autorin von Queste der Helden (über 1.300 5-Sterne-Bewertungen) kommt eine packende neue Fantasy-Serie:

REICH DER DRACHEN (Das Zeitalter der Magier – Buch Eins) erzählt die epische Geschichte über das Erwachsenwerden eines höchst ungewöhnlichen 16-jährigen Jungen – der Sohn eines Schmieds aus einer armen Familie, dem keine Chance geboten wird, seine Kampffähigkeiten unter Beweis zu stellen und in die Reihen der Adligen einzubrechen. Doch er besitzt eine Macht, die er nicht leugnen kann, und einen vom Schicksal bestimmten Weg, dem er folgen muss.

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Es erzählt die Geschichte ihrer drei Brüder, drei Prinzen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – alle wetteifern um die Macht.

Es erzählt die Geschichte eines Königreichs im Wandel, von Invasion; von der aussterbenden Gattung der Drachen, deren Überlebende täglich vom Himmel herabfallen.

Es erzählt die Geschichte zweier rivalisierender Königreiche, der Stromschnellen des Flusses, der sie trennt, einer Landschaft mit schlafenden Vulkanen und einer Hauptstadt, die nur während der Gezeiten zugänglich ist. Es ist eine Geschichte von Liebe, Leidenschaft, Hass und Geschwisterrivalität; von Schurken und verborgenen Schätzen; Geheimnissen; von Mönchen und Kriegern; von Ehre, Verrat und Täuschung.

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Die Bücher zwei und drei (THRON DER DRACHEN und VON DRACHEN GEBOREN) können jetzt vorbestellt werden.

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– Midwest Book Review (zu Queste der Helden)

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– Publishers Weekly (zu Queste der Helden)

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