Книга - Die Ex-Prinzessin

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Die Ex-Prinzessin
Fiona West


Eine Prinzessin rennt aufgrund einer chronischen Krankheit vor ihren Pflichten davon, findet aber fünf Jahre später heraus, dass ihr Heiratsvertrag noch immer bindend ist. Sie lässt sich auf eine Reise über wilde, ungezähmte, magiebeladene Länder ein, in der Hoffnung ihren Vater noch einmal zu sehen, bevor er stirbt, und irgendwie aus diesem Vertrag herauszukommen, obwohl sie ihren Verlobten liebt. Publishers Weekly sagt in einer Sternebewertung: »Fans von Final Fantasy werden Wests Debüt genießen, ein dynamisches Abenteuer zum Verschlingen, dessen technokratische Fantasiewelt auf ein großzügiges Verständnis der alltäglichen Einschränkungen und Liebe basiert. Diese perfekte Mischung zeigt soziales Bewusstsein, versetzt einen in Staunen und ist unvergesslich amüsant.« Wie sagt man seinem besten Freund, dass man ihn doch nicht heiraten kann? Abelia ist mit ihrer niederen Arbeit und ihrem winzigen Apartment zufrieden. Als royale Abgesandte eintreffen, um den Heiratsvertrag durchzusetzen, von dem sie dachte, dass er unwirksam war, hat sie nicht die Absicht gehabt mit ihnen das Unverschleierte zu durchqueren. Aber die Alternative bedeutet, dass sie die Möglichkeit verliert sich von ihrem sterbenden Vater zu verabschieden, und dass fünf Jahre der Stille das Letzte sein wird, was sie teilten … Edward wird unerwartet sein Königreich überreicht, als sein Bruder auf Abwege gerät. Jetzt muss er einen Krieg führen, von dem er nicht glaubt, dass er ihn gewinnen kann. Die einzige Aufgabe, die noch beängstigender ist, wird sein das Mädchen, das er sein ganzes Leben lang geliebt hat, davon zu überzeugen, dass sie kooperiert… wenn sie ihn nur zurückrufen würde. Niemand ist jemals aus einem internationalen Heiratsvertrag herausgekommen. Kann Abbie rechtzeitig ein Schlupfloch finden, um das Leben zu bewahren, welches sie sich zu leben erkämpft hat? Die Ex-Prinzessin ist das erste Buch der Grenz-Chroniken. Du wirst Fiona Wests Herz und Verstand in diesem Fantasy-Liebesroman lieben. Hol dir jetzt dein Exemplar!





Fiona West

Die Ex-Prinzessin




Die Ex-Prinzessin




der Grenz-Chroniken, Volume 1


Fiona West and Carolin Kern




Published by Tektime, 2020


This is a work of fiction. Similarities to real people, places, or events are entirely coincidental.

DIE EX-PRINZESSIN

First edition. April 3, 2020.

Copyright © 2020 Fiona West.

Written originally in English by Fiona West.

Translated into German by Carolin Kern.



LANDKARTE












KAPITEL EINS







ALS ABELIA AM GLEIS stand, die Vibration der Ankunft der öffentlichen Stadtbahn erwartete, hätte sie sich niemals vorstellen können, dass es das letzte Mal sein würde.

Es war ein Mittwoch, also liefen diejenigen ohne Zugbewilligung zur Arbeit, strömten schnell vorbei wie die Wasser eines Bachs, die meisten davon plapperten in ihre Telefone. Sie packte ihren Thermobecher mit Kaffee mit der einen Hand und stopfte die andere tief in ihren Arbeitsanzug, um menschlichen Kontakt zu vermeiden, während sich die Leute um sie herum drängten. Es machte keinen Sinn sich auf der Arbeit umzuziehen, besonders wenn man im Zug in etwas Klebrigem sitzen könnte.

Abbie liebte es Zug zu fahren. Sie liebte es die freien Räume zwischen den Vororten vorbeifliegen zu sehen. Sie liebte den Retrolook der Sitze und die Schaffner mit ihren kleinen Hüten, die auf den Telefonen der Menschen die Tickets scannten. Sie hatte kein Smartphone, also grub sie in ihrer übergroßen Tasche nach ihrem Papierschein herum.

Sie liebte es in der entgegengesetzten Richtung der meisten Menschen zu fahren. Es brauchte überhaupt keine Zeit die Stadt morgens zu verlassen, verglichen mit all den Trotteln, die in die Innenstadt fuhren und wie Vieh zusammengepfercht dastanden. Sie fuhr von Tanner’s Point durch Binderville, vorbei an Cottage Grove und Blakewood. Der Wald war herrlich zu dieser Jahreszeit; der Frühling stellte sich gerade ein und die Bäume waren voller Knospen und Möglichkeiten. Es ließ sie an einem Flüsschen sitzen und die Fische beim Springen beobachten wollen. Das Fenster, aus welchem sie blickte, schien stillzustehen, als die Bäume und Gebäude sich vorbeidrängten. Die Stimme vom Tonband kündigte Beaver Landing, die letzte Haltestelle, an und sie verdrückte sich.

Die Arbeit war eine andere Geschichte. Es war heiß unter der Erde—weniger wie in der Sonne und mehr wie in einer Sauna zu sein. Einer übelriechende Sauna. Die Arbeitsanzüge waren erstickend aber vorgeschrieben, deren Farbe zeigte den Rang an und ihr Gewebe sog unerwünschte Chemikalien aus der Luft auf. Sie wurden speziell entwickelt, aber sie funktionierten nicht so gut, wie die Hersteller behaupteten. Und das Schlimmste, den ganzen Tag über da drin zu sein machte ihre weiße sommersprossige Haut noch blasser, als diese von Natur aus wäre. Andererseits würde eine Abfallrückgewinnungs-Anlage nie ein attraktiver Arbeitsplatz sein.

»Fangt unten am Ende an und arbeitet auf mich zu«, rief Abbie ihrem Team über die zischende Luft, die aus den Entlüftungen kamen, hinweg zu. »Wir sollten in der Lage sein diese Ladung vor dem Mittagessen fertig zu bekommen. Achtet auf das Aluminium, ihr habt gestern etwas davon übersehen.« Als sie sich zerstreuten, wandte sie sich wieder ihrem Klemmbrett zu und begann die Kontingente des Tages durchzusehen.

»Abbie?«

»Jo«, antwortete sie ohne aufzusehen. Jemand räusperte sich.

»Abelia Olivia Jayne Venenza Ribaldi Porchenzii?«

Hierbei blickte sie langsam auf, ihr Stift schwebte noch über dem Papier. Zwei

Menschen, die aussahen als ob sie miteinander verwandt waren, lächelten sie an, dann sich selbst. Ihre blasse Haut sah unter dem fluoreszierenden Licht beinahe grün aus .

»Eure Hoheit, dem Woznick sei Dank, wir haben Euch gefunden! Wir müssen mit Euch sprechen.«

Abbies Mund wurde zu einer harten Linie. »Ich bin beschäftigt.« Sie drehte sich um

und ging ohne ein weiteres Wort zu ihrem Büro zurück.

Sie folgten ihr.

»Eure Hoheit«, begann die Frau, aber Abbie wirbelte herum, während sie eine Hand

zügelnd hochhob.

»Ich habe diesen Titel vor langer Zeit hinter mir gelassen. Bitte verwenden Sie ihn

nicht.«

»Wie sollen wir Euch dann nennen? Licht unserer Herzen? Barmherzige? Euer

Gnaden?« Die Frau hörte sich vollkommen ernst an. Abbie versuchte nicht die Augen zu verdrehen.

»Einfach nur Abbie ist in Ordnung«, sagte sie, während ihr Blick zum Klemmbrett

zurückkehrte.

»Das geht nicht an«, flüsterte die Frau dem Mann zu. Sie schnippte mit den Fingern.

»Dann nennen wir Euch Schwester?«

»Sind Sie in einer Sekte? Denn ich habe kein Interesse an Sekten. Kaffee ist meine

Religion.«

Der Mann nahm seinen Hut ab. »Möglicherweise möchte Eure Hoheit das an einem

etwas privateren Ort diskutieren?«

Abbie zwang sich dazu höflich zu lächeln. Nachdem Sie ihr Klemmbrett an die Wand

gehängt hat, verschaffte sie sich mit ihnen mit einem Ausweis Zugang zum Korridor der Büros, wo es ein wenig besser roch, und führte sie zu ihrem, schloss die Tür hinter ihnen.

»Bitte erlaubt mir uns vorzustellen«, sagte der Mann. »Ich bin Rubald Jerrinson und

das ist meine liebste Frau, Rutha.« Er sprach es »Ruut-ah« aus, ein Name den Abbie in

ihren 21 Jahren zuvor noch nie gehört hatte. Er räusperte sich nervös, als sie durch den Stapel Papiere in ihrem Postkorb blätterte. »Wir sind auf einer diplomatischen Mission von Orangiers«, fuhr er fort, »eine Mission von enormster Wichtigkeit.«

Hierbei flogen Abbies Augenbrauen nach oben. »Sie sind dann weit gereist.«

»Ja, Hoheit.«

»Ich dachte wir hätten uns auf Schwester geeinigt, Mr. Jerrinson«, sagte Abbie,

obwohl sie sich auf nichts dergleichen geeinigt hatten. Sie stieß einen Seufzer aus. »Ich will nicht, dass diese Leute wissen wer ich … war.«

In Wahrheit war Gardenias Hauptstadt ein beliebter Fleck für ehemalige Prinzen und Prinzessinnen aller Art und sie kannte einige, obwohl keiner aus so großen und mächtigen Ländern wie Brevspor kam. Die meisten waren ewige Studenten an der Universität mit Hauptfach Philosophie, die von treuhänderischem Vermögen lebten. Indem sie in der Fabrik arbeitete, war sie in der Lage gewesen ihre Identität unter Verschluss zu halten. Bis jetzt.

»Ja, Entschuldigung, ähm, Schwester,« sagte Rubald mit einem nervösen kleinen Husten. »Wir wurden geschickt, um Euch dazu zu bringen Eure vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen Seine Königliche Hoheit, Zweitgeborener von Orangiers, Prinz Edward Kenneth Keith Francis Benson Broward, zu heiraten. Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen.«

Abbie stand auf und ging in die Ecke ihres Büros, wo ein Mini-Kühlschrank und eine

Kaffeekanne hausten. Sie zog ein pinkes Gebäck für den Toaster heraus, ihr verlässliches-wenn-ich-völlig-gestresst-bin-Essen, und schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Sie setzte sich zurück an ihren Schreibtisch ohne den zwei Abgesandten etwas anzubieten.

»Der Vertrag ist ungültig geworden, als ich auf meinen Titel und meine Position in der Thronfolge verzichtet habe«, sagte sie während ihrem ersten riesigen Bissen vom Gebäck. Trotz ihrer größten Bemühungen begann ihr Puls zu klettern.

Das Paar lächelte sich wissend an und Rutha zog einen dünnen Stapel Papier aus

einer Umhängetasche, von der Abbie nicht bemerkt hatte, dass sie diese trug. »Diese Kopie des Vertrags besagt etwas anderes«, sagte die Frau. »Ihr könnt es selbst lesen, wenn Ihr möchtet, Eure Ho—äh, Schwester. Wir haben nur die hervorstechenden Konditionen dort markiert, unter ‚Konditionen der Braut’ … Euer royaler Stand ist keine davon. Bitte denkt daran, dass internationale Heiratsverträge in jedem Land auf dem Kontinent oder über das Funkelnde Meer hinweg durchsetzbar sind, Eure Anwesenheit in einem anderen Land ist also kein Hindernis. Wir haben mit den Anführern von Gardenia im Privaten gesprochen und sie haben zugestimmt Euch an Orangiers auszuliefern, falls notwendig.«

Ein Schraubstock zog sich in Abbies Brust zusammen, ihre Angst stieg schnell in einer

stürmischen, panischen Welle. »Ich brauche etwas Zeit, um diesen Vertrag durchzuschauen«, sagte sie, ihre Stimme überraschend flach in ihren eigenen Ohren. Sie stand auf und ging zur Tür. »Würden Sie beide bitte morgen wiederkommen, sagen wir um zehn Uhr herum, so dass wir dies weiter diskutieren können?« Ihre Gedanken rasten bereits zur ihrer besten Freundin Lauren mit ihrem rechtswissenschaftlichen Diplom voraus, zu einem großen Glas Wein und zur »Lauf-Tasche« mit einem Stapel neuer Identitäten in einem Schließfach im Bahnhof, welches sie seit fünf Jahren gemietet hatte. Alles außer dem furchterregenden Gespenst einer Hochzeit in einer Kirche für tausend Personen und wieder einem goldenen Diadem auf ihrem Kopf.

»Es gibt noch etwas, Schwester.« Rubald hielt inne. Sein blasses Gesicht war ernst. »Es geht um Euren Vater.« Hierbei querte sie zum Schreibtisch und setzte sich wieder hin. Rutha erhob sich und schloss leise die Tür, die sie offen gelassen hatte.

»Er hat Euch einen Brief geschrieben. Ich habe ihn hier.« Sie streckte die Hand aus

und nahm den großen braunen Umschlag, den Rubald ihr darbot. Das Wachssiegel ihres Vaters überspannte die Lasche. Sie brach es schnell und nahm den feinen Bogen aus Leinen heraus. Er war kürzer, als sie erwartet hatte.








LIEBSTE ABBIE,

du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst. Die Dinge laufen hier nicht gut und deine Hilfe wird benötigt. Ich bin krank. Die Menschen wünschen nicht, dass dein Bruder den Thron besteigt. Brevspor ist seit sechzehn Generationen ein Matriarchat gewesen und die Menschen akzeptieren die Art und Weise nicht, wie die Dinge jetzt sind. Sie haben meine Herrschaft, nachdem deine Mutter verschieden war, akzeptiert, da sie gewusst haben, dass du zu jung warst, um eine solche Verantwortung zu schultern, aber nicht länger.

Sie haben mir eine Petition eingereicht, dass ich deinen Heiratsvertrag erzwingen soll. Sie glauben, dass Brevspor unter deiner gemeinsamen Herrschaft mit Edward florieren würde, und ich stimme, natürlich, zu. Brevspor würde mit dir als Verwalterin als Territorium unter die Kontrolle von Orangiers kommen und sie hätten einmal mehr eine Porchenzii Königin, der sie vertrauen.

Es gibt noch mehr. Andere herrschende Mächte wissen welche mächtige Allianz dies wäre und arbeiten rasch daran dies zu verhindern. Du bist in Gefahr dort, wo du bist. Mir tut dies leid, aber ich dachte es ist besser, dass du es weißt.

Komm und verabschiede dich von mir, meine liebe Tochter, und nimm deinen rechtmäßigen Platz ein … um unser aller Willen.

In Liebe,

Paul Daniel Trevor Washington Frakes Porchenzii … alias Papa








ALLE KÖNIGLICHE AUSBILDUNG der Welt war nicht genug, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Fünf Jahre des Schweigens, das mit solchen Neuigkeiten gebrochen wurde. Sie konnte die Tränen, die ihr Sichtfeld verschwimmen ließen, nicht aufhalten und sie streifte sie mit wütenden Wischbewegungen ab. Sie las die ersten Zeilen wieder und wieder: Du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst.

»Welche Art von Krankheit ist es?«, fragte sie leise.

Mr. Jerrinson zuckte mit den Schultern, sein Gesichtsausdruck hilflos. »Es tut mir leid, Hoheit, ich weiß es nicht.« Sie bemühte sich nicht ihn zu korrigieren. Plötzlich fiel ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Zeile. Sie wischte den Rotz, der aus ihrer Nase trat, auf ihren Ärmel und fragte: »Was bedeutet das, ›deine gemeinsame Herrschaft‹? Ist Edward jetzt als Zweitgeborener an erster Stelle der Thronfolge?«

Rubald nickte. »Der Erstgeborene, Lincoln Atticus Jonathan Norris Bryant Broward versuchte die Macht an sich zu reißen, bevor sein Vater seine Absicht zurückzutreten verkündet hat. Er wurde als untauglich zu regieren erachtet und sitzt momentan im Exil in Op’ho’lonia. Er stellt dort sogar jetzt eine Armee auf, um einen weiteren Putsch zu versuchen—das heißt bis sein Bruder Euch heiratet und den Vorteil der Kräfte Eures Territoriums erlangt, an welchem Punkt er …«

»Unbedeutend sein wird«, beendete sie.

Es gab ein Klopfen an der Tür und ohne nachzudenken rief sie: »Herein!«

Zwei Arbeiter niedriger Stufe standen mit großen Augen in der Türöffnung. »Ähm, wir hatten eine Frage zur Temperatur des Abwassers was die Durchführbarkeit der Rückgewinnung des Quecksilbers betrifft …«, begann einer, aber verstummte allmählich, als er Abbies tränenverschmierte Wangen bemerkte.

»Wir kommen noch einmal«, sagte der andere und die Tür schloss sich einmal mehr.

Abbie wischte sich noch einmal über ihr Gesicht, die Tränen weigerten sich noch immer aufzuhören. Rutha bot ihr ein Taschentuch an, welches sie dankbar annahm.

»Verflixt«, flüsterte sie. »Verflixt und zur Jersey.«

»Majestät«, sagte Rutha leise, »wenn man die Gefahr bedenkt, von welcher Euer Vater gesprochen hat, glauben wir, dass Ihr beabsichtigen solltet hier so schnell wie möglich wegzugehen.«

»Nein«, gab sie zurück, putzte ihre Nase. Sie starrte sie durch gerötete Augen an, die zu ihrem Haar passten, bis sie wegsahen. »Sie können jetzt gehen.«

Zwei schockierte Gesichtsausdrücke erschienen auf den Gesichtern des Paars, aber Rubald fand zuerst seine Stimme wieder. »Majestät, wir beide haben das Gefühl—«

Abbie stand auf und ließ ihre Handflächen auf den Schreibtisch krachen, verstreute dabei Papiere und die Verpackung des Gebäcks auf dem Fußboden. »Mir ist egal, was Sie beide für ein Gefühl haben, oder was Sie denken, oder was Sie wollen«, sprach sie langsam und deutlich aus. »Ich habe dieses Leben permanent hinter mir gelassen. Ich werde niemals zu einem royalen Leben zurückkehren. Sie können gerne versuchen mich auszuliefern, wenn Sie es wagen.«

»Meine Güte«, murrte Rutha und Rubald schüttelte nur seinen Kopf. Sie starrten sie an, Rubalds Gesicht wurde fleckig rot, aber sie bewegten sich nicht, bis sie sich räusperte.

»Lassen Sie mich deutlicher werden. Raus hier.«




KAPITEL ZWEI







ABBIE SAGTE IHREM VORGESETZTEN, dass sie krank war und floh. Sie war sich sicher, dass sie so krank aussah, wie sie sich fühlte, also war es keine Lüge—nicht, dass sie es überhaupt ein bisschen störte jetzt gerade zu lügen. Sie machte sich zum Bahnhof auf, spähte über ihre Schulter, um zu sehen, ob Rubald und Rutha sich herumgedrückt haben; hatten sie nicht.

Ihre Finger juckten etwas zu tun und sie klammerte sich mit beiden Händen an die Träger ihrer Tasche. Die anderen Fußgänger ignorierten sie größtenteils, ihre Augen auf ihre Telefone gerichtet—ein Stück Schleier-Technologie, gewährt durch den magischen Vorhang, der diesen Teil des Landes umhüllte. Was er nicht erlaubte, waren motorisierte Fahrzeuge; die Verschmutzung sammelte sich im Inneren des Schleiers an und machte seine Bewohner krank. Sie hatte darüber nachgedacht in die Schleier-Tech anstatt der Abfallwirtschaft zu gehen, aber letztendlich hatte ihre Liebe zur Natur über die bessere Bezahlung von ST gesiegt.

Sie ging durch den Damsey Park, große Eichen überragten sie, um deren Füße Knollige Seidenpflanzen, Astern und Wilde Bergamotte ordentlich gepflanzt waren. Gardenia war bekannt für seine Naturpracht—es war, was sie in den letzten fünf Jahren, die sie in diesem Land verbracht hatte, am meisten genossen hatte. Während sie ging, ertappte sie sich dabei, wie sie in die Erinnerung purzelte, als sie hier angekommen war, verzweifelt und alleine.

Hungrig. Sie war niemals zuvor so hungrig gewesen; es hatte sich angefühlt, als ob sich ihr Inneres nach außen kehrte. Es hat sie nachts wach gehalten, wie sie eingerollt auf dem rauen Beton in ebendiesem Park lag, bis ein Polizist ihr gesagt hatte, dass sie ihrer Wege gehen soll. Ein Mann in einer dicken karierten Jacke hatte sie, seit was hätte Abendessenszeit sein sollen, beobachtet. Er lehnte an einem Baum und nickte dem Polizisten kurz zu, der nickte kurz zurück, sagte aber nichts zu ihm. Abbie hatte finster dreingeblickt. Was machte diesen Typ besonders? Sie war es noch immer nicht gewohnt wegen ihres Geschlechts wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden; in Brevspor waren die Frauen in der sozialen Hierarchie wichtiger als die Männer. Es gab keine andere Art und Weise das zu sagen. Das war hier eindeutig nicht der Fall und sie war mit diesem Fakt auf zahlreiche Arten in Berührung gekommen: bei der Zoll- und Einwanderungsbehörde beiseitegeschoben zu werden, von Polizisten Mäuschen genannt zu werden, im Zug in ihr Hinterteil gekniffen zu werden … es ärgerte sie maßlos.

Der junge Mann war langsam auf sie zugekommen und sie fragte sich beiläufig, ob er für ihre Mutter arbeitete, ob er hierher geschickt worden war, um nach ihr zu suchen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie auf ihre Füße kam. Nie im Leben. Sie würde gegen ihn mit bloßen Fäusten kämpfen, bevor sie zulassen würde, dass sie zurück nach Hause befördert wurde. Als er ihre Körperhaltung sah, wurde er langsamer und hielt die Hände hoch.

»Wollte nur reden.« Seine Kleidung war schäbig, dreckig, aber sein Gesicht und seine Hände waren sauber und er behielt seine Augen auf ihrem Gesicht. Sie hielt ihre Wirbelsäule gerade, ihre Füße machten sich bereit zu kämpfen oder zu fliehen.

»Dann rede.«

»Ich bin Ward. Wie ist dein Name?«

»Geht dich nichts an.«

Er gluckste. »Richtig. Nicht aus der Gegend, was?«

»Was bringt dich da drauf?«

Er hatte ihr rotbraunes Haar und die helle Haut wahrgenommen. »Dein Teint, deine Haarfarbe. Dein Akzent.«

»Und?«

»Könnte jemanden brauchen, der aussieht, als ob er nicht hier aus der Gegend ist. Biete Essen im Tausch.«

»Ich mache für Essen nicht die Beine breit.«

Der Mann war einen Schritt näher gekommen, schmunzelte und kalter Schweiß brach entlang ihrer Wirbelsäule aus. »Nicht was ich wollte, aber gut zu wissen.« Er hatte sich dann umgeschaut, so als ob er ein Geheimnis teilte. »Finde einen netten Typen, der dich beschützt, oder du wirst diese Wahl vielleicht nicht haben.« Während er zurückwich, schenkte ihr der Mann einen bedeutungsvollen Blick, drehte sich dann, um zu gehen. Abbie schauderte.

»Warte …«

Durch das Knacken und Summen der elektronischen Ansage, die die Ankunftszeiten herausrief,  aus ihrem Schwelgen in Erinnerungen wachgerüttelt, blickte Abbie sich benebelt um. Sie war am Bahnhof angekommen. Sie setzte sich auf eine hölzerne Bank, beobachtete die Türen, um zu sehen, ob ihr jemand hinein gefolgt war. Sie erkannte niemanden wieder, weder an ihrem Gesicht noch an ihrer Körpersprache. Nach ein paar Momenten, in welchen sie sich beruhigte, erhob sich Abbie und ging zu ihrem Schließfach, dem einen, welches die ganze Zeit ihr Notfallplan gewesen war. Sie durchwühlte es, bis sie das Bargeld, das Pfefferspray und das Dörrfleisch und Studentenfutter gefunden hat, was wahrscheinlich zumindest noch immer grenzwertig essbar war, verstaute dann alles in ihrer Tasche. Aber als sie zu den Reisepässen kam, kamen die Tränen wieder zurück.

Ich entscheide mich allen Kontakt mit Lauren, mit Melinda, mit Davis, mit Ward, Patty, Jenny zu verlieren. Ich entscheide mich wieder von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck zu leben … einen neuen Job finden, und bäh, Jersey—auch neue Ärzte. Meinen Namen ändern. Ich entscheide mich meinen Vater sterben zu lassen ohne mich verabschiedet zu haben. Das ist, für was ich mich gerade entscheide.

Sie fühlte nach dem gleichen stählernen Entschluss, den sie gefasst hatte, als Ward in jener Nacht zum ersten Mal im Park auf sie zugekommen war, die gleiche innere Stimme, die ihr versprach, dass sie ihr eigenes Leben kontrollieren konnte, dass sie für das, was sie wollte, kämpfen konnte—und ging leer aus. Das war nicht richtig. Sie legte den Reisepass zurück und schlug das Schließfach zu. Es würde einen anderen Weg geben müssen.




KAPITEL DREI







BEVOR SIE DEN BAHNHOF verließ, benutzte Abbie ein öffentliches Telefon, um Lauren anzurufen.

»Hey, ich bin in großen, großen Schwierigkeiten. Ich brauche deine Hilfe. Kannst du gleich von der Arbeit weg und mich bei mir zuhause treffen?«

»Ähm, okay?«, antwortete Lauren langsam, die Stimme voller Besorgnis.

»Großartig, bis gleich«, sagte Abbie, legte auf, bevor Lauren anfangen konnte sie ins Kreuzverhör zu nehmen.

Gehen war zu langsam; sie nahm lieber eine Kutsche anstatt öffentliche Verkehrsmittel zu riskieren. Lauren wartete bereits draußen vor dem Gebäude, als sie dort ankam. Abbie schloss die Außentür zu ihrem schmuddeligen Gebäude auf, blickte dabei zum, wie es sich anfühlte hundertsten Mal, über ihre Schulter. Jeder der fünf unbeweglichen Männer, die auf der Straße herumhingen, könnte sie beobachten. Sie schob Lauren zur Seite. »Mensch, pass auf den Anzug auf, Abs. Ich muss zur Arbeit zurück, ohne dass die Leute denken, dass das eine telefonische Verabredung zum Sex war.«

»Hör einmal auf Witze zu machen. Ich bin hier wirklich in Schwierigkeiten«, zischte Abbie, milderte dann ihren Tonfall ab, ihre Schultern sackten zusammen. »Mein altes Leben hat mich eingeholt.«

Laurens Augenbrauen schossen hoch. »Was? Warum bist du dann nicht auf dem Weg zum Bahnhof? Ich dachte du hättest einen Plan.«

»Es gibt … Komplikationen.« Abbie schloss ihr Apartment auf. Sie brachte Lauren auf den neuesten Stand, während sie Kaffee in der Mikrowelle warm machte und Lauren leise den Vertrag durchlas. Schließlich legte sie den dünnen Stapel Papier ab und seufzte.

»Dieses Ding ist ein Kunstwerk, Abbie. Er fußt vollständig auf etwas, das sich Hapsburg-Test nennt, welcher deine Abstammung verfolgt und sie mit der deines vorgeschlagenen Ehemanns vergleicht. Die Linien dürfen nicht zu nahe beieinander liegen, oder der Test scheitert. Mitglieder des Königshauses zu finden, die nicht bereits verwandt sind, wird schwieriger und schwieriger.«

»Was bedeutet das also für mich?«

»Das bedeutet—oder zumindest denke ich, dass es bedeutet—dass der einzige Weg aus diesem Vertrag herauszukommen ist sich neue Eltern zu suchen. Nicht machbar. Es basiert vollständig auf deiner Genetik; deine Rolle als potentielle Königin von Brevspor war nebensächlich, wirklich.«

»Es gibt keine Reinheits-Klausel?«

Laurens Mund klappte auf und sie schoss Abbie einen lasziven Blick zu. »Mädchen, bist du endlich flachgelegt worden?«

Abbie schüttelte ihren Kopf. »Das lässt sich allerdings beheben.«

Lauren nahm ihre Brille ab und starrte sie an. Sie lehnte sich nach vorne über den Tisch. »Ist das dein Ernst?« Abbie schaute aus dem Fenster und sagte nichts. »Wir haben noch nie wirklich über diesen Teil deines Lebens gesprochen. War es so schlimm? Warum bist du gegangen?«

Abbie war für eine lange Zeit ruhig. Als sie wieder sprach, fühlten sich die Worte an, als ob sie durch irgendeine unsichtbare Kraft aus ihr herausgezogen wurden. »Als ich dreizehn war, haben sich die Dinge plötzlich verändert. Ich war nicht dafür vorgesehen die Nachfolge meiner Mutter anzutreten, aber meine Schwestern …« Abbie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Sie räusperte sich. »Meine Schwester Allegra war dazu vorgesehen den Thron zu besteigen.«

»Allegra? Hast du mir von ihr erzählt?«

Abbie fuhr den Rand ihrer Tasse gedankenverloren mit einem Finger nach und schüttelte ihren Kopf.

»Warum nicht?«

Abbie zuckte mit den Schultern, starrte in ihre Tasse. Die gute Sache war, sie war von früher ausgeweint. »Sie ist nicht mehr da, Laur. Es gab einen Unfall und sie … sie sind gestorben.«

Abbie blickte nicht zu ihrer Freundin hoch, da sie nicht den Gesichtsausdruck von Schock und Mitleid sehen wollte, der sie sicherlich begrüßen würde, wenn sie es tat. Einen Moment später spürte sie das Gewicht einer anderen Hand auf ihrer eigenen.

»Es tut mir leid, Süße«, sagte Lauren sanft. »Ich hätte nicht herumschnüffeln sollen. Aber das lässt die Bedingungen des Vertrags mehr Sinn machen. Sogar wenn du den Thron in deinem Königreich besteigst, würde Edward nicht für das Besteigen des Throns in seinem Königreich bedacht werden, also gäbe es keinen Konflikt.«

»Königinnenreich«, korrigierte Abbie. »In einem Matriarchat nennt man es Königinnenreich, beginnend mit Patrice Evelyn Georgina Deering Fletcher Compagnia in 37 Anno Tobak.« Sie konnte nicht glauben wie einfach diese lächerliche Information, welche seit ihrer Kindheit pflichtbewusst in ihren Kopf hineingehämmert worden war, nach all dieser Zeit zurückgekehrt war.

Lauren drückte ihre Hand. »Mädchen, bist du in Ordnung? Was kann ich tun? Wein? Toastergebäck? Schokolade?« Abbie schüttelte ihren Kopf. Sie saßen still da, als die Hochbahn vorbeifuhr, eine Lampe oben auf dem Bücherregal schwanken und die Vorhänge schwingen ließ.

Ein Gedanke zischte in Abbies Kopf, als das Rumpeln des Zugs verklang. »Warte, du hast etwas über … du hast gesagt, dass mein einziger Ausweg neue Genetik wäre.«

Lauren setzte sich ihre Brille wieder auf. »Richtig. Dieser Vertrag basiert auf deinen Genen. Aber ich denke nicht, dass es jetzt schon wissenschaftlich möglich ist—«

»Wer braucht das, wenn ich es auf altmodische Weise tun kann?«

Lauren runzelte die Stirn. »Ich kann dir nicht folgen, Süße.«

»Wenn ich meinen Vater dazu bringen könnte seine Elternschaft zu bestreiten, würde das funktionieren?«

Lauren zog ein skeptisches Gesicht. »Na ja, ich denke schon, aber wird das deinem Vater nicht richtig wehtun? Ich meine, im Grunde bittest du deinen Vater für dich zu lügen.«

Abbie schüttelte ihren Kopf. »Es ist sehr wahrscheinlich, dass meine Mutter ihm untreu war. Ich bin vielleicht überhaupt nicht seine Tochter. Er könnte sagen, dass sie gelogen haben, was bedeutet, dass sie herausbekommen müssten wer mein wirklicher Vater ist, um den Test noch einmal zu machen. Diese Verzögerung erkauft mir Zeit Edward Kenneth Keith Francis Benson Broward zu überzeugen, dass er diese Heirat sowieso nicht will und jemand anderen zu finden, der meinen Platz einnimmt.«

Lauren blickte wieder zerknirscht drein. »Ich weiß, dass dir deine Freiheit wichtig ist, aber damit wirst du das nicht erreichen. Im besten Fall ist das fadenscheinig und es gibt sehr wenige Präzedenzfälle dafür. Kannst du nicht einfach, ich weiß nicht, ihnen die Wahrheit sagen?«

»Die Wahrheit darüber, warum ich das nicht tun kann?«

»Ja. Ist das so unzumutbar?«

»Weißt du was für einen Shitstorm sie über mich bringen würden? Über meine Familie?«

Lauren neigte ihren Kopf auf eine Seite, warf ihren Blick über die Second-Hand Möbel des Wohnzimmers. »Ich verstehe das, aber das ist … das ist einfach …«

»Kaltschnäuzig? Kaltherzig? Unethisch? Abso-super-lut. Und das ist genau warum ich das tun werde.« Sie stand auf, mit gestrafften Schultern und einer Grimasse auf dem Gesicht. »Ich gehe nach Brevspor, um das Herz meines sterbenden Vaters zu brechen.«

Es gab ein kraftvolles Klopfen an der Tür und die zwei Frauen blickten einander mit großen Augen an. »Hast du die Tür verschlossen?«, flüsterte Lauren, fischte nach ihrem Handy. Abbie schüttelte ihren Kopf.

»Eure Hoheit, wir wissen, dass Ihr hier drin seid!«

Abbies Schultern entspannten sich und sie ließ einen Atemstoß heraus, von dem sie nicht wusste, dass sie ihn angehalten hatte. »Das sind nur diese Abgesandten von Orangiers, das geht in Ordnung«, flüsterte sie.

»Keine Hoheiten hier«, rief sie durch den Raum, täuschte Selbstvertrauen vor, »nur eine Müllfrau mittlerer Stufe und ihre Anwältin. Gehen Sie weg.«

Es gab eine gedämpfte Beratschlagung vor der Tür. »Majestät, bitte. Uns ist eine Mission übertragen worden und wir beabsichtigen sie zu erfüllen. Es ist eine Sache der Ehre. Zwingt uns nicht die Behörden einzuschalten. Das wäre eine steinige Weise Ihre Regentschaft zu beginnen.«

Abbie stürmte zur Tür und riss sie auf, schreckte damit das Paar auf, das schnell von der Tür weggetreten war. »Ich beabsichtige nicht zu regieren. Und Sie können dem Zweitgeborenen Sohn sagen, dass—«

»Eigentlich wünscht Seine Hoheit selbst mit Euch zu sprechen«, sagte Rubald, hielt dabei ein Smartphone hoch und Abbie sah, das es bereits verbunden war.

»Anruf abgelehnt. Sie können ihm sagen, dass—«

»Er kann Euch hören. Ihr könnt es ihm selbst sagen.«

Ihre Stimme verhärtete sich. »Unterbrechen Sie mich nicht. Sie können ihm sagen, dass ich heute Abend nach Brevspor fliegen werde, um dieses Durcheinander ein für alle Mal in Ordnung zu bringen.«

»Nein!« Abbie schreckte zusammen, als drei Stimmen, inklusive der einen am Telefon, sie alle auf einmal anschrien, besonders da sie erwartet hatte, dass sie von diesen Neuigkeiten entzückt wären.

»Euer Gnaden, Ihr könnt nicht fliegen. Schützen an der Grenze von Gratha schießen alle Luftschiffe ab, die versuchen ihre Grenze zu überschreiten, und die trellavische Regierung durchkämmt die Landschaft nach Euch. Sie sind entschlossen diese Vereinigung um jeden Preis zu verhindern. Versteht Ihr nicht?« Rubalds Stimme hatte einen flehenden Tonfall angenommen. »Es ist hier für Euch nicht sicher, noch an irgendeinem Ort zwischen Brevspor und Orangiers.«

»Aber es würde Wochen dauern über Land zu gehen!«

»Wir haben Pferde«, meldete sich Rutha zu Wort, als ob das die Situation reizvoller machen würde.

»Ja, danke, Rutha«, sagte Rubald nickend. »Wir haben Pferde und können aller Voraussicht nach mindestens dreißig Meilen am Tag schaffen. Wir schätzen, dass es höchstens drei Wochen wären.«

Abbie massierte ihre Schläfen. »Ich werde meinen Job verlieren«, murmelte sie.

»Seid realistisch, Liebchen! Ihr braucht keinen Job, wenn Ihr eine Königin seid«, sagte Rutha heiter, wurde dann ernster, nachdem sie Abbies stechenden Blick als Antwort sah. Abbie schloss die Tür zur Hälfte und sagte leise zu Lauren: »Also, was diese Reinheits-Klausel angeht …«

Lauren blätterte schnell durch das Dokument, ließ ihre Augen vor und zurück schnellen, schüttelte dann ihren Kopf.

Abbie öffnete die Tür und zog eine Grimasse. »Ich würde gerne so früh wie möglich abreisen.«

»Wundervoll. Habt Ihr das gehört, Eure Hoheit?«, fragte er, legte das Handy an sein Ohr und drehte sich von der Türöffnung weg. Rutha stand grinsend da, ihre Hände vor ihrer Brust ineinandergelegt. »Darf ich hereinkommen und Euch beim Packen helfen?«

Abbie schloss die Türe wieder zur Hälfte und schenkte Lauren einen flehenden Blick.

»Schau mich nicht an«, sagte sie, ihre Augen noch auf dem Vertrag. »Ich glaube nicht an einen durch einen Anwalt unterstützen Selbstmord.«

»Bitte kommen Sie herein«,  antwortete Abbie Rutha, als sie die Tür öffnete.




KAPITEL VIER







ABBIE LAG IN DIESER Nacht hellwach im Bett. Das Mondlicht strömte durch ihr Fenster auf die Steppdecke auf ihrem Bett, eines der wenigen Überbleibsel ihres alten Lebens. Ihre Großmutter hatte sie für sie gemacht—nicht ihre royale Großmutter, sondern die Mutter ihres Vaters. Sie hatte sie aus Kleidern und T-Shirts gemacht, die Abbie als Kind getragen hatte. Camp Soggyboggy T-Shirts … sie hatte ihren Palastwachen in dem Jahr Ärger eingehandelt, in welchem sie aus ihrer Schlafkabine verschwunden war, um Sternschnuppen mit Penelope Cunningham zu beobachten. Brevspor Nationwide Music Festival Bestes Fagott Solo. Highlands Junior Reitwettkampf Teilnehmer-T-Shirt. Porchenzii Familientreffen ’07. Das schweinchenrosa Satinkleid, welches sie getragen hatte, als sie zum ersten Mal am Hof präsentiert wurde. Ein kleines magentafarbenes Trägerkleid aus Kord mit Affen darauf. Das Abschlussballkleid, welches sie getragen hatte, als sie ihren ersten Kuss bekommen hat (nicht von Edward Kenneth Keith Francis Benson Broward) … sie lächelte reumütig bei der Erinnerung wie ihr Vater ihrem Date auf die Nase gehauen hatte. Arthur hätte es besser wissen müssen. Sie hatte bereits ihren Heiratsvertrag unterschrieben und er hätte nur als Freund einspringen sollen. Ihr Papa hatte sie immer verteidigt.

Sie wischte eine Träne weg und seufzte tief. Er würde verstehen, was sie von ihm brauchte. Er musste es. Sie zog ihre Steppdecke hoch unter ihr Kinn und rollte sich auf die Seite. Sie würde es vermissen unter ihrem beruhigenden Gewicht zu schlafen, ihre Finger in die einfachen Satinschleifenknoten gewunden, die ihre Großmutter als Ende benutzt hatte. Sie würde die Steppdecke morgen hier lassen, zusammen mit ihren restlichen Habseligkeiten, mit Ausnahme einiger weniger lebensnotwendiger Dinge für den Weg. Sie wäre bald genug zurück.

Aus dem nächsten Zimmer hörte Abbie Mr. und Mrs. Jerrinson mit leisen Stimmen sprechen. Sie hatten sich geweigert zu gehen, als sie damit fertig waren ihr beim Packen zu helfen. Rutha hatte ihnen sogar Lasagne zum Abendessen gemacht, deren Reste Lauren schnell beansprucht hatte, als sie ging. Abbie linste durch ihre rissige Schlafzimmertür. Rubald saß dösend auf einem dick gepolsterten Stuhl, den er gegen die Vordertür geschoben hatte. Sein Handy klingelte und er richtete sich aus, so dass er die Nachricht lesen konnte. Abbie konnte gerade so Ruthas ergrauenden Kopf sehen, wie er auf der Armlehne der Couch ruhte. Wenn sie ihren Atem anhielt, konnte sie sie mit Mühe und Not hören.

»Er sagt, Lincoln bereitet sich darauf vor von der südlichen Grenze aus in Orangiers einzumarschieren, nahe der Tupelo Kreuzung«, sagte Rubald.

»Er beabsichtigt hinauszugehen, um ihn zu treffen?«

»Ja.«

»Es ist das Richtige, aber keine einfache Sache, besonders für ihn. Er verdient es die Nachfolge seines Vaters anzutreten«, sagte Rutha.

»Ja. Aber alles, was wir tun können, ist sie dorthin zu bringen. Der Rest liegt an ihm.«

Rutha schüttelte ihren Kopf langsam, traurig. »Möge Woz ihm beistehen.«

»Ja, er benötigt diese Art von Hilfe, denke ich.« Rubald war danach still und Abbie dachte er war weggenickt. Dann, seine Stimme schwer vom Schlaf, hörte sie ihn murmeln: »Du bist meine liebste Ehefrau, Rutha.«

»Ich liebe dich auch.«

Abbie kroch zurück in ihr Bett, um auf den Mond zu starren und den Schlaf zu erzwingen.








ABBIE NICKTE KURZ VOR der Dämmerung weg und erwachte zum Geruch nach Speck, Eiern und ihrem besten Freund, Kaffee. Sie stolperte aus ihrem Zimmer in einem weißen Unterleibchen und Jungen-Shorts und Rutha wandte schnell ihre Augen ab. Abbie sah, wie Rutha den Pfannenwender an Rubald weiterreichte, der nicht zu verstehen schien warum, bis er sich umblickte und Abbie sah. Er wandte ebenfalls schnell seine Augen ab.

»Schwester, warum helfe ich Euch nicht beim Anziehen?«, bot Rutha an und versuchte sie zurück in ihr Schlafzimmer zu führen. Abbie schüttelte ihren Kopf und schlurfte zur Kaffeekanne. Es gab eine schale Stille im Raum, nur durch einen Zug unterbrochen, der vorbei rumpelte … der, in welchem Abbie hätte sein sollen, um zur Arbeit zu gehen.

Rutha hustete. »Hoheit, es ist nicht angemessen für uns, dass wir Euch so sehen. Lasst uns Euch präsentabel machen.«

Abbie nahm ihren ersten Schluck Kaffee mit geschlossenen Augen. »Anstand hat für mich keine Priorität. Ich bin nicht majestätisch und Sie werden mich in schlechterer Verfassung sehen, bevor wir in Brevspor ankommen, das verspreche ich Ihnen. Das ist mein Haus. So kleide ich mich in meinem Haus.« Dann lächelte sie Rubald verschlafen an, welcher sehr konzentriert auf den Küchentisch starrte.

»Wie wäre es mit einem Morgenmantel? Ein guter Kompromiss? Hmm?«, fragte Rutha.

»Sicher. Aber ich besitze keinen. Ich habe nicht viele Gäste, die übernachten. Außerdem brennen Ihre Eier an.«

Rutha schnappte den Pfannenwender zurück von Rubald, der noch immer an Ort und Stelle erstarrt war, wie eine peinlich berührte Statue, und eilte zurück in die Küche. Abbie hatte nicht bemerkt wie rundlich sie war, bis sie gesehen hat, wie sie wackelte, wenn sie rannte. Es war liebenswert, dachte sie, während sie Rutha beobachtete, wie sie den Speck aus dem Ofen nahm.

»Wo haben Sie dieses Essen her?«

»Rubald hat es gestern Abend in einem örtlichen Supermarkt gekauft.« Rutha lächelte sie an und stellte zum ersten Mal an diesem Morgen richtigen Augenkontakt mit ihr her. Sie reichte Abbie einen Teller, dann einen zweiten für Rubald. »Eure Vorräte waren für die Reise nicht ausreichend«, fuhr sie fort. »Unter den gegebenen Umständen konnten wir nur genug für eine Woche packen.«

Abbie stellte den Teller ab. »Haben Sie Kaffee eingepackt?«

»Nein. Nur Lebensnotwendiges«, sagte Rubald zwischen Bissen von Speck. »Schlichtes Essen, das einfach zu kochen ist. Kaffee benötigt spezielle Ausrüstung.«

»Mr. Jerrinson, schauen Sie mich an.«

Rubald zwang seinen Blick von seinem Teller auf ihr Gesicht, wobei seines zu einem noch tieferen Rot als seine vorige Tomatenfärbung wurde.

»Kaffee ist essentielle Ausrüstung. Ich werde die Presse tragen. Ich werde auf die Kaffeesahne verzichten.«

»Es wird kaputtgehen.«

»Nein, wird es nicht.«

Rubald schüttelte resigniert seinen Kopf. »Ich habe Eurer Hoheit auch ein Handy gekauft«, sagte er, »auf Bitte des Zweitgeborenen.«

»Das hört sich nicht nach etwas Lebensnotwendigem an. Lassen Sie es besser hier. Es könnte kaputtgehen.«

»Er wünscht mit Euch zu sprechen. Ich habe die Nummer an niemand anderen herausgegeben.«

»Die magischen Eigenschaften eines Handys machen es einfach dich zu verfolgen. Wir versuchen unauffindbar zu sein, richtig? Lassen Sie es hier. Ich habe fünf Jahre lang keines gebraucht, also denke ich nicht, dass ich jetzt eines brauche.«

Rubald schüttelte wieder seinen Kopf, schaute zurück auf seinen Teller, dann wurde sein Gesichtsausdruck nachdenklich. »Ehefrau, wie lang ist es her, dass wir außerhalb des Schleiers waren?« Rutha schürzte ihre Lippen und berührte mit dem Pfannenwender ihren Mund, woraufhin Abbie froh war, dass sie bereits bedient worden war.

»Mindestens zwei Jahre, würde ich sagen. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die Dinge verändert haben. Oder eher, nicht haben.« Rutha wandte sich an Abbie. »Und Ihr, Schwester? Wann seid Ihr zuletzt hindurchgegangen?«

»Niemals.«

Beide ihrer Gäste ließen fallen, was sie gerade hielten, und Rubald fing an sich an seinem Essen zu verschlucken. Rutha klopfte ihm mit dem Pfannenwender auf den Rücken.

»Niemals, Schwester?«, fragte sie blass werdend. »Wie kann das sein?«

Abbie zuckte mit den Schultern, brachte ihre Tasse zurück an ihre Lippen. »Hat mich nie interessiert. Ich habe immer in Verschleierten Ländern gelebt. Aber ich habe früher einmal in den Thundercreek Highlands gecampt, also denke ich, dass ich weiß, auf was ich mich gefasst machen muss.«

Rubald murrte etwas zu Rutha in orangiersisch und Rutha antworte leise. Abbies Zorn begann anzusteigen. »Reden Sie nicht über mich, als ob ich nicht hier wäre. Übersetzung?«

Rubald drehte sich, um sie anzublicken. »Ihr habt keine Ahnung, auf was Ihr Euch einlasst. Bei allem Respekt, Majestät, Unverschleierte Länder sind nicht wie Camping. Ich dachte Ihr wärt zuvor einmal hindurch, ich dachte … ich habe nicht gewusst, dass dies Euer erstes Mal hinüber wäre. Wir hätten uns anders vorbereiten sollen.« Er wischte seinen Mund ab und erhob sich vom Tisch, ging hinüber zur Tür.

»Wo gehen Sie hin?«, fragte Abbie seinen Rücken.

»Kaffee und einen Morgenmantel kaufen«, gab er zurück. Die Tür schlug hinter ihm zu. Abbie lächelte und nahm ihren Teller.








BEIDE FRAUEN HATTEN gespeist, sich angezogen und gepackt, als Rubald vom Laden zurückkam.

»Wir haben ein paar Entscheidungen zu treffen«, sagte er, riss eine neue Landkarte auf und ebnete sie auf dem Küchentisch. »Ich habe gerade einen Anruf erhalten. Seine Hoheit der Zweitgeborene sagt, dass es einen Militärtransport gibt, der von Gardenia nach Orangiers geht und in zwei Tagen abfährt.«

»Wo in Gardenia?«

»Fairisle.«

Abbie fuhr mit ihren Fingern durch ihr Haar. »Aber das ist südwestlich von hier. Das ist in der falschen Richtung.«

»Korrekt.«

»Werden sie auf uns warten, wenn wir uns verspäten?«, fragte Rutha.

Rubald schüttelte seinen Kopf. »Der Zweitgeborene fürchtet, dass dies Verdacht erregen wird und das Schiff zu einem Ziel macht. Seine Truppen werden außerdem für den kommenden bewaffneten Konflikt gegen den im Exil lebenden Sohn gebraucht. Er kann sich  nicht verspäten.«

»Wie schnell kann es uns dorthin bringen?«

»Drei Tage.« Abbie seufzte und lehnte sich zurück, Arme überkreuzt. Sie starrte Rubald an, welcher auf die Landkarte starrte.

»Sie kennen das Gelände besser als ich. Sechs Tage sind um einiges besser als drei Wochen. Was denken Sie sollen wir tun?«

Rubald schien verblüfft zu sein. »Ich—ich weiß nicht, Majestät. Der Zweitgeborene wollte Euch auf diese Möglichkeit aufmerksam machen, aber hat selbst keine Empfehlung gegeben. Im Übrigen, er fragt immer noch danach mit Euch zu sprechen.«

Abbie ignorierte dies und drehte sich, um Mrs. Jerrinson anzusprechen. »Rutha, was denken Sie?« Die ältere Frau hatte den Tisch verlassen und spülte das Frühstücksgeschirr, während sie leise vor sich hin summte. Sie wischte ihre schaumigen Hände an ihrem Kleid ab und zuckte mit den Schultern.

»Es scheint mir einen Versuch wert zu sein, Majestät. Besonders, da die Gesundheit Eures Vaters anfällig ist.«

Abbie hatte daran nicht gedacht. Es war von keinem Nutzen nach Brevspor zu kommen und ihn tot aufzufinden. Sie würde auf diese Weise niemals aus ihrem Vertrag kommen. Sie hasste die Art und Weise, wie ihre Stimme in ihrem Kopf klang, kalt und berechnend. Sie hatte ihn all diese Jahre vermisst und ihn zu verlieren ohne sich verabschieden zu können, wäre … die Stimme in ihrem Kopf verstummte allmählich. Sie konnte es nicht aussprechen, sogar wenn sie es gar nicht sagte.

Abbie schüttelte ihren Kopf, um ihn von diesem Gedankenstrang zu befreien. »Wir werden nach Fairisle gehen. Es wird auf der Straße wie auch auf dem Schiff bestimmt sicherer sein und es wird Zeit sparen. Je früher wir dieses Durcheinander ausräumen können, desto besser.« Sie drückte sich vom Tisch weg und begann ihre Stiefel zu schnüren.

»Majestät …«, begann Rutha behutsam.

»Das ist das letzte Mal, dass sie mich so nennen dürfen«, knurrte Abbie, ihr Knie an ihrer Brust. »Sobald wir außerhalb dieses Apartments sind, gefährden Sie mein Leben, wenn sie es tun. Also hören Sie auf damit.«

Rutha seufzte: »Majestät, niemand ist jemals aus einem internationalen Heiratsvertrag herausgekommen. Möglicherweise solltet Ihr bedenken—«

»Nein, danke. Bereit zu gehen?« Sie nickten beide und mit einem kurzen, abschließenden Blick durch ihr Zuhause, fegte Abbie durch die Tür und verschloss sie hinter ihnen.




KAPITEL FÜNF







ES HÄTTE EINFACH SEIN sollen: Fairisle war an der südlichen Grenze des Kontinents, an der Küste. Nach Westen gehen, bis man auf den Ozean trifft, dann nach Süden. Aber hier waren sie, faulenzten zwischen zwei Maisfeldern, versuchten herauszufinden in welche Richtung sich die Sonne bewegte, wie ein Haufen stümperhafter Tölpel.

Abbie trug einen Cowboyhut mit breiter Krempe und ein langärmeliges Karohemd mit Jeans. Zu kochen beschrieb es nicht einmal annähernd. Sie zog an ihren Ärmeln und versuchte sich im Sattel zu verlagern, um den Druck auf ihr Steißbein zu mildern. »Hat Ihr Telefon kein GPS?«

Rubald kniff die Augen gegen die Sonne zusammen, während er versuchte dem Bildschirm seines Handys Schatten zu geben. »Es gibt hier kein Internet und offensichtlich wurde dieser Teil der Karte nicht heruntergeladen, bevor wir das Haus verlassen haben … Es tut mir Leid, Schwester.« Sie schwitzten alle übermäßig. Die Pferde waren glücklich, mampften den Schachtelhalm am Rande der Kiesstraße. Abbie starrte in den himmelblauen Himmel, beruhigte sich selbst, indem sie als Mantra wieder und wieder »himmelblau« vor sich hin murmelte, um nicht zu schreien. Ihre Koffein-Kopfschmerzen wuchsen. Sie kratzte geistesabwesend einen anhaltenden Juckreiz auf ihrem Arm.

»Wie wäre es mit etwas Mittagessen?«, fragte Rutha, stieg unbeholfen ab. Abbie tat es ihr gleich, aber mit mehr Elan, und setzte sich in den dürftigen Schatten des Mais’ beim Klingendrahtzaun und nahm ihren Hut ab. Rutha begann ihre Satteltasche zu durchstöbern, zog Cola in Glasflaschen, Erdnussbuttersandwiches und Äpfel heraus. Sie lief krummbeinig zu Abbie hinüber, hielt ihr zuerst das Getränk hin, welches Abbie höflich ablehnte. Mr. Jerrinson schaute sich noch immer um, kratzte seinen Kopf, murmelte vor sich hin, während er nach der Karte in seiner Satteltasche griff.

»Wundgescheuert?«, fragte Abbie.

Rutha schüttelte ihren Kopf. »Arthritis. Das hier ist ein bisschen körperlicher, als meine normale Arbeit.« Sie lächelte Abbie strahlend an. »Ihr saht dort oben jedoch aus, als ob Ihr dort zuhause seid.«

Abbie nickte, lächelte ein wenig bei den Erinnerungen, die hochkamen. »Ich hatte als Kind jahrelang Reitstunden. Ich hatte ein Pferd namens Elvis, mit dem ich durch die Seenlandschaften geritten bin.«

»Ja, ich habe Bilder gesehen.«

Abbie hob eine Augenbraue. »Haben Sie?«

»Natürlich, Liebes! Ihr werdet Teil seiner Familie sein!«, sagte sie, legte Rubalds Mittagessen in das Gras neben seinem gekrümmten Körper. »Ihr wart ein solch süßes kleines Mädchen.«

»Ich weiß. Was ist bloß passiert, oder?«

Ruthas Augen weiteten sich vor Verlegenheit. »Oh nein, Schwester, das ist überhaupt nicht, was ich gemeint habe! Seine Königliche Hoheit erfreut sich an Euch. Ihr dürft nicht anderweitig denken. Eure Schönheit ziemt sich Eurer Position.«

»Sie müssen das sagen«, sagte Abbie, schnaubte auf ausgesprochen unköniginnenhafte Art und Weise.

»Wir wollten alles über Euch wissen, was wir konnten, wir waren alle so begeistert. Und das Internet ist solch eine Erfindung, oder? Solch ein Wunder—«

»Ausgehend von dieser Karte«, unterbrach Rubald, ignorierte dabei Ruthas gutmütiges Augenrollen, »war unser Plan zuerst nach Süden zu steuern unklug. Diese Gebirgskette am südlichen Ende ist unmöglich zu Pferd zu überqueren. Ich denke, wenn wir jetzt nach Westen steuern, können wir die Küstengebirgskette überqueren, bevor sie zu hoch wird.«

»Großartig—diese Straße scheint jedoch von Norden nach Süden zu führen. Wollen Sie zurückkehren oder weiterreiten?«

Rubald seufzte und blinzelte gegen die Sonne. »Ich denke wir müssen umkehren.« Eine entmutigte Stille folgte.

»Essen, Rube. Iss.« Rutha zeigte auf sein Mittagessen, auf welches er sich umgehend stürzte, während er immer noch auf die Karte starrte. Rubald wühlte in seiner vorderen Tasche herum, zog etwas heraus und warf es Abbie zu. Sie fing es aus Reflex und stöhnte dann.

»Was ist das?«

»Euer Handy. Ich glaube Ihr habt es vielleicht aus Versehen zurückgelassen.«

»Sie wissen, dass das nicht wahr ist. Diplomaten sind die Schlimmsten.«

»Also, niemand wird Euch dann beschuldigen diese Ehre innezuhaben.«

Rutha kicherte, da sie sah, wie Abbies Mund vor Schock nach unten klappte.

»Mr. Jerrinson, ich glaube mein Respekt für Sie ist gerade gestiegen«, murmelte sie, als sie sich erholt hatte.

»Ruft ihn an«, bellte er.

»Nein, danke.«

Rubalds Gesichtsausdruck verdunkelte sich. »Schwester, wenn der zukünftige Anführer des viertmächtigsten Landes der Welt darum bittet, dass man ihn anruft, ist das nicht wirklich eine Bitte.«

Abbie seufzte und schüttelte ihren Kopf. »Na ja, dann sehe ich kein Weg, der daran vorbeiführt. Bringen wir es hinter uns.« Sie hielt ihm feierlich ihre zusammengepressten Handgelenke hin. »Klagen Sie mich wegen Hochverrat an.«

»Das würde ich sicherlich gerne. Ganz abgesehen von der Respektlosigkeit, die Ihr gegenüber Eurem zukünftigen Ehemann zeigt.«

»Sagt der Typ, der immer wieder seine Ehefrau unterbricht. Belehren Sie mich nicht über ehelichen Respekt, Mister. Und jetzt brauche ich ein Schläfchen.« Abbie streckte sich auf dem Gras aus, ihre Hände hinter ihrem Kopf, und starrte hoch in den saphirfarbenen Himmel.

»Schwester, wenn Ihr etwas zu sagen habt über meine—«

»Rube, da kommt jemand.« Rutha nickte in Richtung der Straße, wo eine von Pferden gezogene Kutsche schnell näherkam. Abbie konnte gerade eine Gestalt ausmachen, schwarzes Haar flog hinter ihr, eine junge Frau, welche die Zügel knallen ließ, um ihr Gespann anzutreiben. Es war schwer zu erkennen, wer sie jagte, wenn es überhaupt jemand tat.

Sehr zu ihrer Überraschung riss die Frau die Zügel zurück, sobald sie sie sah. In einer geschmeidigen Bewegung sprang sie auf ihre Füße und legte einen Pfeil in einen großen Bogen ein, welchen sie von ihrem Rücken herunter gezogen hatte. Sie zielte damit auf Abbie, die jetzt auf ihren Füßen war, und Rube trat unverzüglich zwischen sie.

»Das willst du nicht tun, Schwester«, sagte er, seine Stimme fiel eine Oktave tiefer als gewöhnlich. Die Frau senkte ihre Waffe nicht. Sie verlagerte sich, um in Abbies Augen zu blicken.

»Bist du sie?«

»Darf ich fragen, nach wem du suchst, Schwester?«, fragte Rutha. »Wir reisen durch; möglicherweise haben wir gesehen—«

»Halt den Mund«, schrie das Mädchen und positionierte ihre Waffe neu. »Bist du sie?«, wiederholte sie und Abbie hielt ihre Hände hoch, etwas das sie sofort hätte tun sollen, begriff sie. Verdammt, das Entführungs-Training war lange Zeit her. »Weiß ich nicht, bis du mir sagst, wer sie ist, Schätzchen.«

»Hört mit den Schätzchen und Schwestern auf. Bist du Abelia?«

Abbie versuchte Ruthas Gesicht über Rubes Schulter zu sehen, aber ihr Pferd, Stargazer, war im Weg. Gab es irgendeine Chance, dass diese schwarzhaarige Frau in Wirklichkeit versuchte ihr zu helfen, und sollte sie die Wahrheit sagen? Aber das Gesicht der Frau war voller Eindringlichkeit und ohne Sorge.

Sie war auf einer Jagd.

»Schau, mein Name ist Sarafeen. Ich kenne niemanden namens Abelia«, sagte Abbie geschmeidig. »Das ist mein Vater, Gerald, und meine Mutter, Brica. Wir sind auf dem Weg nach Fairisle, um meinen Bruder zu sehen, der gerade erst aus der Navy gekommen ist.«

Die Frau beäugte sie einen Moment länger, senkte dann ihren Bogen und schob ihren Hut schmollend herunter.

»Woz, ich werde diese Tussi nie finden. Ihr seid die vierte Gruppe Reisende, die ich heute aufgehalten habe. Tut mir leid, Leute.«

»Das ist in Ordnung«, sagte Rutha gleichmäßig. »Es war ein ehrlicher Fehler. Hat diese Abelia deiner Familie etwas angetan? Oder wird sie vom Gesetz gesucht?«

Die Frau nickte. »Letzteres, gewissermaßen. Es gibt eine Belohnung von einer Million Dollar für ihre lebendige Ergreifung. Der oberste Kriegsherr von Gratha hat diesen Haftbefehl heute Morgen erlassen.«

»Kein Preis, wenn sie tot ist?«, fragte Abbie.

Die Frau grinste höhnisch. »Nö. Wünschte ich hätte das gewusst, bevor ich die erste Gruppe getroffen habe. Wie auch immer, Entschuldigung fürs Aufhalten. Bitte dankt eurem Sohn für seinen Dienst. Ich war mal mit einem Soldaten zusammen. Liebe diese Uniformen.«

»Wird gemacht«, sagte Rube, tippte an seinen Hut und bewegte sich auf sein Pferd zu. Die Frau ließ die Zügel knallen und startete die Straße herunter, suchte bereits die Felder nach anderen Reisenden und die Straßen nach Staubwolken ab. Sie warteten bis sie außer Sicht war, um sich zu beratschlagen.

»Ein Preis auf meinen Kopf? Wollt ihr mich verarschen? Warum zur Jersey würde er so etwas tun?«

Rube strich über seinen Bart. »Er versucht sich bei Seiner Königlichen Hoheit dem Zweitgeborenen einzuschmeicheln. Wenn er Euch sicher heimbringt, ist ihm eine lukrative Allianz mit dem neuen gemeinsamen Königreich garantiert. Sehr raffiniert, eigentlich.«

»Raffiniert?«, zischte Abbie. »Diese Frau hat an diesem Morgen irgendeine arme Dame erschossen, weil sie wie ich ausgesehen hat!«

»Du musst zustimmen, Rube, dass dies nicht ist, was wir dachten, was es sein würde«, fügte Rutha hinzu.

»Wir müssen es so schnell wie möglich jenseits des Schleiers schaffen«, sagte Abbie. »Je schneller wir von Gardenia City wegkommen, desto besser.«

»Ihr habt Recht. Lasst uns etwas Entfernung zwischen uns und hier bringen; wir können später herausfinden, wie wir über die Berge kommen. Die Geschichte, die Ihr geschaffen habt, wird gut funktionieren, Abbie; wir werden dabei bleiben. Hat der Bruder einen Namen?«

»Äh, Sajek?«, spuckte Abbie aus.

Das Paar nickte. Sie wandten sich ihren Pferden zu, aber Abbie legte eine Hand auf Rubes Arm.

»Danke für … ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich verteidigt haben.«

Er zuckte mit den Schultern. »Wenn ich hierbei versage, kann ich genauso gut tot sein. Alles hängt hiervon ab.«

»Ich weiß, wie Sie sich fühlen«, sagte Abbie, während sie ihren Hut wieder aufsetzte.




KAPITEL SECHS







ABBIE WACHTE DESORIENTIERT auf. Sie rollte sich in Richtung des Reisverschlusses ihres Zelts und ihr Körper protestierte sofort. Richtig—sie hatte gestern auf der Reise durch Gardenia den ganzen Tag lang ein Pferd geritten. Ihr Rücken war besonders erbost. Sie hatte mit einem Stein unter ihrer rechten Hüfte geschlafen, nachdem sie praktisch kollabiert war, als sie ihr Lager nach Sonnenuntergang aufgeschlagen hatten.

Sie waren an den Ausläufern eines ziemlich beeindruckenden Bergs. Da es Frühling war, hatte der ziemlich beeindruckende Berg keinen Schnee, aber es war immer noch ein Berg. Ein Berg, bei dem sie maximal achtundvierzig Stunden Zeit hatten, um ihn zu überqueren, wenn sie diesen Militärtransport antreffen wollten. Sie würde ihnen später mitteilen, dass sie an lähmender Seekrankheit litt.

Sie konnte Rutha und Rubald leise reden hören, sie kicherten über etwas, das sie nicht verstehen konnte. Nachdem Abbie ihre Stiefel gefunden hatte, steckte sie die Schnürsenkel ins Innere und glitt mit ihren nackten Füßen hinein und stand dann auf. Da begann ihr Körper ernsthaft zu protestieren. Tatsächlich hatte es mehr von einem Putsch; sie fiel hin.

Rutha und Rube drehten sich, um Abbie von dem Stumpf aus, auf welchem sie saßen, anzublicken. Sie hatten ein Feuer gemacht, wo sie Backwaren ohne Toaster toasteten.

»Morgen«, krächzte sie, als sie versuchte wieder auf ihre Füße zu springen. Sie schaffte eher ein Taumeln als einen Sprung. »Irgendetwas anderes zum Frühstück?«

Ruthas Augen wurden groß. »Ich habe gesehen, wie Ihr diese an dem Tag gegessen habt, an welchem wir in Ihr Büro gekommen sind. Ich habe angenommen, dass es ein bevorzugtes Essen sei.«

Abbie schüttelte ihren Kopf. »Ich würde etwas anderes vorziehen.«

»Lasst mich Euch etwas Haferbrei zurechtmachen«, sagte Rutha, während sie sich schnell erhob und zu ihrem Rucksack ging.

»Ist er instant?«

»Ja …«

»Dann nicht nötig.«

Sie sah aus ihrem Augenwinkel wie Rutha und Rube einen Blick austauschten, als sie hinüber ging, um nach Stargazer zu sehen, der friedlich nahe einer Gruppe von Birken stand. Sie hatte etwas Studentenfutter in ihrer Satteltasche, das für heute genügen würde, aber sie hatte nicht genug für drei Wochen mitgenommen. Sie wusste, dass sich die Jerrinsons über ihre Unhöflichkeit wegen des Essens wundern mussten, aber sie hatte nicht die Energie—oder, offen gesagt, den Wunsch—es zu erklären.








ABBIE HATTE SICH ANGEWÖHNT auf Edward als »er« oder »ihm« zu sprechen zu kommen, teilweise um der Sicherheit willen, aber hauptsächlich weil ihre Feindseligkeit gegenüber dem Mann selbst tatsächlich wuchs. Sie war fünf Jahre weggewesen; hätte er nicht jemand anderen zum Heiraten finden können? War es nicht offensichtlich, dass sie nicht länger interessiert war? Was ist der Sinn darin ihren Vertrag zu erzwingen? Sicherlich ersparte es ihm bestenfalls nicht mehr als ein paar Wochen und sie nutzten diese bereits, um klammheimlich über den Kontinent zu reisen.

»Rubald, hat er irgendetwas über den Zustand meines Vaters gesagt?« Der Gesandte schien es aufgegeben zu haben sie zu überzeugen, dass sie Edward mit dem Handy anrief, welches er vorerst gekauft hatte, aber seine Antwort war knapp.

»Nein. Er ist gerade ein bisschen damit beschäftigt einen Krieg zu führen.«

»Na ja, hat er nicht irgendwelche Minister, die da nachforschen können? Wer schaut nach seinem Königreich, während er weg ist? Das ist genau die Art von schlampigem verschlafenem Nest—«

Rubald erhob sich auf die Füße und zeigte wütend mit seinem Gebäck auf sie. »Vorsicht, Schwester. Mitglied des Königinnenhauses oder nicht, das ist mein Königreich, von dem Ihr sprecht.« Rutha tätschelte seine Hand.

»Oh, bleiben Sie locker«, murmelte Abbie, »es war nur eine Beobachtung.« Sie setzte sich hin und streckte ihre Tasse von sich. Rutha schenkte ihr etwas Kaffee ein.

»Schwester, ich bin sicher, dass Ihr besorgt seid, wie die Krankheit Eures Vaters fortschreitet, das ist verständlich.« Rube setzte sich hin, murmelte flüsternd, warf Kiefernnadeln ins Feuer, und Rutha fuhr fort. »Gibt es nicht jemanden in Brevspor, den Ihr anrufen könntet? Ihren Bruder vielleicht?«

»Kurt und ich sind uns nie nahe gestanden. Er ist immer noch ziemlich angepisst, dass er wegen mir den Thron am Hals hat. Würde ich vermuten. Es ist nicht wahrscheinlich, dass er meine Anrufe annimmt. Ich habe seine Nummer sowieso nicht.«

»Ihr seid also mit niemandem in Kontakt geblieben?« Rutha schüttelte traurig ihren Kopf. »Familie ist so wichtig in Orangiers. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«

Abbie räusperte sich. »Es ist auch in Brevspor wichtig. Wir haben ein Sprichwort: ›Enkel sind die Krone der Betagten und der Ruhm der Kindern ist ihren Vätern.‹«

»Endlich!«, grunzte Rubald. »Ich dachte Ihr hättet all eure Sprichwörter vergessen.«

»Will heißen?«

Rutha lächelte. »Es bedeutet nur, dass ihr Brevsporer berühmt für eure ›Sprichwörter‹ seid, dafür für jede Situation einen prägnanten Spruch zu haben.«

Abbie schmunzelte. »Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber ich vermute das tun wir irgendwie.«

»Mein Liebstes ist«, fuhr Rutha fort, »›besser eine kleine Portion Gemüse mit Liebe, als ein gemästetes Kalb mit Hass‹. Fasst mein Leben sehr gut zusammen, würde ich sagen.« Sie blickte zu Rubald, welcher es nicht zu bemerken schien, da er interessierter daran war ins Feuer zu starren.

»Was ist mit Ihnen, Mr. Jerrinson? Haben Sie ein Lieblingssprichwort?«

»Ja.«

»Und welches ist das?«

»Esst auf. Wir durchqueren den Schleier an diesem Morgen.« Damit standen die Jerrinsons auf und gingen hinüber, um damit zu beginnen ihr Zelt abzubauen.

»Witzig«, sagte Abbie, während sie die Schokoladenstücke aus ihrem Studentenfutter herauspickte. »An dieses erinnere ich mich nicht.« Rubalds Rucksack stand neben ihr. Abbie konnte nicht widerstehen. Sie ließ das Handy aus ihrer Tasche gleiten und begann den Reißverschluss an der Vordertasche seines Rucksacks zu öffnen.

»Wir gehen in zehn Minuten«, rief er vom Inneren des Zelts aus, erschreckte sie damit. Abbie stopfte das gehasste Ding zurück in ihre Tasche und rief über ihre Schulter: »Ich habe noch nicht einmal meine Schuhe zugebunden!« Entnervt warf sie die Nüsse und Rosinen, die noch in ihrer Handfläche waren, in ihren Mund und beeilte sich so zügig zu packen, wie es ihre steifen Muskeln erlaubten.








DER PFAD, WENN MAN es so nennen konnte, war steil. Abbie konnte sich nicht entscheiden, was sie mehr nervte: die Serpentinen, die den Fortschritt sich unmessbar klein anfühlen ließen, oder der gerade-hoch, halt-deinen-Hut-fest, fühlt-sich-an-als-ob-ich-falle-Aufstieg, der ihre Bauchmuskeln schmerzen ließ. Abelia vermutete, dass sie Bauchmuskeln hatte, obwohl sie nie einen Beweis davon gesehen hatte. Dennoch, sie waren wahrscheinlich dort drin, irgendwo.

Der Wald bestand nur aus trockenen Kiefernadeln und Gestrüpp. Ein paar Gelb-Kiefern ragten über ihnen auf. Die unzähligen Wacholdersträucher sahen stummelartig und unterentwickelt aus, nicht lang und windgepeitscht, wahrscheinlich weil die Berge den Wind blockierten. Die Wachholder verbargen die Spitze des Berges, was zu dem Gefühl beitrug, dass man endlos auf einem Laufband ging. Abbie versuchte sich auf den Pfad zu konzentrieren, nach Hasen und Wieseln Ausschau zu halten. Vielleicht konnte Rube einen fangen und für sie kochen. Die Sonne stand hoch am Himmel, als Abbie schließlich aus der Mitte der Karawane heraus das Wort ergriff.

»Wann durchqueren wir den Schleier?«

Rube drehte seinen Kopf, um über seine Schulter zu rufen. »Haben wir bereits, vor ungefähr zwei Meilen.«

»Was? Nein, haben wir nicht.«

»Da war ein Schild. Es war grün.«

»Was stand darauf? ›Sie durchqueren jetzt den Schleier … Verlassen auf eigene Gefahr‹?«

Rubald räusperte sich. »Nein, da steht nur darauf: ›Viel Glück und Lebwohl.‹«

Abbie schürzte ihre Lippen. »Rutha, haben Sie das Schild gesehen?«

»Ehrlich, nein, ich habe es verpasst, Schwester.«

»Na ja, ich bin enttäuscht. Das Unverschleierte erscheint mir völlig sicher. Die Menschen können so melodramatisch sein. Und sollte es nicht heißen: ›Lebwohl und Viel Glück‹? Scheint es nicht, als ob man es verschreit, wenn man Lebwohl sagt, nachdem man Viel Glück wünscht?«

Niemand antwortete.

»Es gibt ein weiteres Sprichwort, das hier zutrifft. ›Lass einen Mann eher eine Bärin treffen, die ihrer Jungen beraubt wurde, als einen Narren in seiner Torheit.‹«

Rube bewegte sein Pferd in einem Kreis, um ihr Gesicht sehen zu können. »Und wie trifft das zu?«

Abbie zeigte nach Osten. »Da drüben ist ein Bär.«

Es war der größte Bär, den Abbie jemals gesehen hatte. Sie hatte keine Jungen bei sich, aber es war schwer zu sagen, ob sie sie bemerkt hatte oder nicht. Und dann war es das nicht. Die Bärin brach in ihre Richtung auf, zuerst gehend, nahm dann Geschwindigkeit zu einem leichten Galopp auf.

»Geht!«, schrie Rube Abbie und Rutha zu und er gab dem Rumpf ihres Pferds einen starken Klaps. Das musste Stargazer nicht zweimal gesagt werden. Er startete, krachte durch das Gebüsch, versuchte den Hang geradewegs hochzukommen, anstatt dem Pfad zu folgen. Abbie riss an den Zügeln, versuchte verzweifelt die Kontrolle wiederzuerlangen, aber die Zügel zu halten bedeutete, dass sie sich nicht am Pferd festhalten konnte. Sie gab die Zügel auf und klammerte sich fest an Stargazers nassen Hals, seine kräftigen Muskeln spannten sich unter ihren Armen an, ihr Gesicht an sein ahornfarbenes Fell gepresst. Sie schloss ihre Augen, der Geruch seines Schweißes und des Schmutzes, der in seinem Fell hing, war stark in ihren Nasenlöchern. Seine rasende Atmung war sonderbar beruhigend; zumindest holte einer von ihnen noch Luft.

Als Stargazer langsamer wurde, hatte Abbie Angst ihre Augen zu öffnen. Sie hatte sich an ihrem Pferd festgehalten, aber mit geschlossenen Augen hatte sie keine Ahnung in welche Richtung er gestürmt war. Es kam eine Brise auf ihr Gesicht, was bedeutet, dass sie den Hügel erklommen hatte … aber welchen Hügel? Und hatten Rube und Rutha gesehen, in welche Richtung sie verschwunden war? So sehr sie auch nicht mit ihnen zusammen sein wollte, wollte sie ebenfalls nicht ohne sie sein. Sie öffnete ihre Augen zu einer spektakulären Aussicht auf den Ozean in der Ferne und unterdrückte ein Schluchzen.

»Das Schlimmste ist«, sagte sie zu Stargazer, »sie haben das ganze Essen.«

»Das ist eine Schande«, erwiderte er, als sich seine Atmung verlangsamte.




KAPITEL SIEBEN







EDWARD KENNETH KEITH Francis Benson Broward saß auf der Kante seines Armeefeldbetts, sein Kopf in seinen Händen, seine Haut in Farbe von Ebenholz fügte sich in die Dunkelheit ein, als sich die Nacht breitmachte. Er starrte auf das malträtierte, von der Sonne ausgehungerte Gras unter seinen Stiefeln. Er hörte den Geräuschen der Männer außen am Feuer zu, wie sie über die ausgeschmückten Geschichten von einander lachten. Er prüfte die Spannung in seinen Schultern, die Anspannung in seinem Rücken, das Pochen in seinen Schläfen. Er drückte seine Finger in die engen Dreadlocks auf seinem Kopf. Er las Rubalds SMS noch einmal.

Von A getrennt bei einer Bärenattacke; niemand verletzt. Versuchen ihr Handy zu orten. Bringe baldmöglichst auf den neuesten Stand.

Der Prinz seufzte tief. Er hätte niemals Rubald schicken sollen. Der Mann hatte erstaunliche Schutzinstinkte und er war übertrieben loyal … aber er hätte einfach eine Einsatzmannschaft schicken sollen, um sie um sich tretend und schreiend zurück nach Orangiers zu schleppen, so dass sie von Angesicht zu Angesicht sprechen konnten. Er hatte beabsichtigt ihrer Beziehung auf dem rechten Fuß Starthilfe zu geben; ihr den Vorteil vom Zweifel gegeben, dass sie das Richtige tun würde, indem er einen Diplomat anstatt einem Mann des Militärs geschickt hatte … wobei das Richtige wäre schnell und leise zu kommen. Offensichtlich war das zu viel erwartet.

Nun war Edward hin- und hergerissen zwischen der Sorge um ihr Wohlergehen und der Verzweiflung angesichts seiner eigenen Situation—natürlich in der Annahme, dass es nicht die ganze Zeit ihre Absicht gewesen war in das Unverschleierte zu schlüpfen und zu verschwinden. Rubald zufolge wusste sie kaum etwas über dieses Gebiet, also könnte sie ihre Möglichkeit sie abzuschütteln überschätzt haben. Edwards Kopf drehte sich unerträglich. Er hörte, wie jemand genau vor seinem Zelt anhielt.

»Ja?«

Colonel Gasper, seine rechte Hand, stieß seinen Kopf in die Dunkelheit, seine Augen suchend. »Entschuldigt, dass ich Euch störe, Sir. Sie warten auf Euch.«

»Ich bin sofort da.« Edward nahm sein Handy und schrieb Rubald schnell zurück.

Wenn A nicht innerhalb von 8 Stunden gefunden wird, sind weitere Maßnahmen nötig. Halten Sie mich auf dem Laufenden.

Er wusste, dass Rubald es niemals zugeben würde, wenn er den Job nicht erledigen könnte; wenn Edward Verstärkung schicken müsste, würde es dem Stolz des Mannes erheblich schaden. Er war im Rat seines Vaters gesessen, bevor Edward geboren war. Er hatte ihn Onkel Rubald genannt, um Woz’ willen. Obwohl er ihn nicht beleidigen wollte, wäre es vielleicht notwendig. Edward ärgerte sich bereits über die Langzeitfolgen der Entscheidung. Er drückte sich aus dem Zelt und der Colonel fiel mit ihm in Schritt, während sie das Camp durchquerten.

»Sir?«

»Ja, Colonel.«

»Funktioniert der Lichtkörper in Eurem Zelt? Wenn nicht, kann ich jemanden schicken, der ihn ersetzt.«

»Nein, Colonel, er funktioniert. Aber da ist etwas …« Er hielt an der Tür zum Speisezelt inne. »Könnten Sie dafür sorgen, dass nach dieser Besprechung Abendessen in meine Quartiere gebracht wird? Ich habe zuvor die Möglichkeit versäumt am Speisesaal vorbeizugehen.«

Der alte Man lächelte. »Ihr müsst niemals fragen, Sir, oder Euch erklären. Gebt einfach den Befehl.«

Er zuckte lächelnd mit den Schultern. »Richtig.« Befehle geben. Das ist, was Männer des Militärs tun … und Könige. Offensichtlich wird es mehr brauchen, um sich daran zu gewöhnen. Edward ging in Richtung des Speisezelts, welches im Moment eine doppelte Aufgabe erfüllte, da es auch als Treffpunkt für seinen Rat und seine Strategen genutzt wurde. Edward wollte in das Zelt gehen, aber Gasper räusperte sich.

»Entschuldigt, Sir, aber Ihr müsst angekündigt werden, auch für formlose Situationen.«

»Sehr wohl, Colonel.«

Gasper räusperte sich und bellte heraus: »Auf die Füße für den Thronerben, Edward Kenneth Keith Francis Benson Broward, der Zweitgeborene.« Er hasste diesen Titel. Eine beständige Erinnerung, dass er nicht der ursprüngliche Erbe war, dass er die Reserve war. Die Menschen, die um den Tisch herum standen, hatten eine Vielzahl an Hautfarben und er dachte flüchtig, dass sie die Vielfalt in Orangiers gut repräsentierten. Edward bedeutete ihnen sich hinzusetzen und er setzte sich ebenfalls.

Sie starrten ihn schweigend an, warteten auf seinen Einsatz. Edward schaute Gasper an, der sich räusperte.

»Beginnen Sie mit dem Status der Regenten, Paris.«

»Ja, Sir«, sagte Lieutenant Paris, während sie sich von ihrem Stuhl erhob. »Botschafter Brighton in Brevspor berichtet, dass König Pauls Zustand offiziell unverändert ist. Er hört jedoch Gerüchte, dass sich sein Zustand etwas verbessert hat.«

»Moment—verbessert? Dann stirbt er nicht?«

»Wir können noch nicht zu diesem Schluss kommen. Wenn es jedoch wahr ist, erkauft es uns Zeit, bevor Brevspor ins Chaos stürzt. Es könnte wahrscheinlicher sein, dass sie Truppen schicken, um unseren Einsatz zu unterstützen, wenn der König sich erholt, auch wenn es nur vorübergehend ist. Aber die politische Situation dort verbleibt zerbrechlich, besonders da Abelias Absichten noch immer fraglich sind.«

»Konntet Ihr mit ihr in Kontakt treten, Sir?«

Edward schüttelte seinen Kopf. »Jerrinson hat ihr das Handy übergeben, aber sie hat es, meines Wissens nach, noch nicht benutzt.«

»Das verheißt nichts Gutes.«

Nein, dachte Edward, das habe ich von ihr erwartet. Aber sich im Unverschleierten verirrt zu haben … das verheißt nichts Gutes. Nach außen hin nickte er einfach. »Was ist mit meinem Vater?«

»Der Bericht vom Hof besagt, dass es ihm gut geht, wenn man die Situation bedenkt. Er ist etwas ermüdet, aber abgesehen davon, ist er bei guter Gesundheit. Macht sich Sorgen um Euch beide, natürlich.«

Edward blinzelte. Er hatte in der Tat nie innegehalten, um darüber nachzudenken, ob sich sein Vater Gedanken um Lincoln machte. Er drängte die Scham herunter, welche im Inneren nach oben quellte, und wandte seine Aufmerksamkeit zurück auf Gasper.

»Welche Zahlen weist Lincoln auf?«

Der Colonel blätterte durch einen Stapel Papier auf einem Klemmbrett, während er seinen Kopf schüttelte. »Na ja, es ist besser, als wir gehofft hatten. Er hat jetzt gerade 5.000 Truppen, größtenteils von Op’ho’lonia. Er hat außerdem ein paar grathanische Söldner gewonnen.«

»Wissen wir, wie er sie entschädigt? Oder was er ihnen verspricht, sollte ich sagen?«

General Tybald gluckste am Ende des Tischs. »Grathanische Söldner kämpfen nicht für Versprechungen, Sir. Sie nehmen nur Bares, im Voraus. Jemand investiert schwer in diese Unternehmung, und wenn ich raten müsste, wären es die Kiriiener. Brevspor importiert eine Menge derer Güter, und wenn sich Orangiers und Brevspor vereinigen, verlieren sie eine Menge dieses Handels. Ganz abgesehen von Lincolns Vertrag mit Heather.«

»Ich denke Descaret mischt auch mit«, fügte Gasper hinzu. »Die sind rassistisch wie Jersey; sie wollen, dass ihre Monarchie so weitergeht wie bis jetzt, mit schwarzen Herrschern: Punkt. Keine Verehrer gemischter Rassen für Prinzessin Crescena. Sie haben immer mit dem Gedanken gespielt, sie an Abelias Platz zu bekommen, nachdem diese abgehauen ist. Das würde auch ihr Territorium stark erweitern, ihnen die komplette nördliche Küste geben.«

Edward schüttelte seinen Kopf. »Nicht möglich. Sogar wenn Malieka die finanziellen Mittel hätte, was sie nicht hat, benötigen sie unser Bündnis. Für uns geht das tiefer als politische Bindungen.«

»Sir, wir sind uns noch immer nicht im Klaren worauf Lincoln letztlich hofft. Er teilt den Kontinent auf, und das nicht entlang ordentlicher Linien.«

Edward seufzte. »Es ging bei ihm immer um Kontrolle, die Dinge zu manipulieren. Er wird die absolut ultimative Kontrolle und Begünstigung haben wollen, wie auch immer das aussieht. Ich bin sicher, dass er alle Arten von Geschichten zusammenspinnt und alle möglichen Sachen verspricht, welche er nicht abliefern wird. Es gibt keinen zweiten Platz bei ihm. Etwas, das wir nicht vergessen sollten, während wir vorwärtsgehen.«

»Eure Hoheit,  die Jerrinsons berichten auch, dass jemand sie am Arrow Point aufhielt, der nach Abelia gesucht hat. Sie waren in der Lage ihre Angreiferin zu täuschen, aber sie behauptete, dass der oberste Kriegsherr von Gratha eine große Belohnung für Abelias lebendige Ergreifung ausgesetzt hat. Es sieht also so aus, als ob er plant von beiden Seiten aus Kasse zu machen.«

»Das klingt nach Gratha«, sagten Colonel Gasper und General Tybald gemeinsam und jeder lachte, außer Edward.

»Das ist eine ernste Gefahr für ihre Sicherheit. Ich mache mir Sorgen, dass manche sein Angebot missverstehen und versuchen ihr etwas zuleide zu tun; sperrt eure Ohren auf und seht, ob wir eine Bestätigung seines Angebots bekommen, bevor wir anfangen Botschafter mitmischen zu lassen.«

»Ja, Sir«, sprachen sie im Chor, als sie schnell nüchtern wurden und Edward innerlich eine Grimasse zog. Faszinierend; Befehle zu geben ist einfacher, wenn das Leben meiner zukünftigen Ehefrau in Gefahr ist.

»General, Ihre Pläne sind für alle sechs Szenarien vorhanden, welche wir besprochen haben, bezüglich Lincolns Fortschritt bei der Tupelo-Kreuzung?«

»Beinahe, Sir. Sobald wir die Truppen von Fairisle haben, sind wir bereit.«

»Gut. Sie sind entlassen.«








EDWARD VERWEILTE NICHT am Tisch. Er wählte ihre Nummer, während er das Lager durchquerte. Es begann zu klingeln, als er sich in sein Zelt duckte … das war neu. Sein Puls verdoppelte sich. Zweites Klingeln. Komm schon, Abelia, nimm einfach den Anruf ab. Drittes Klingeln. Nimm ab, verdammt, ich kann dir helfen. Viertes Klingeln. Er holte tief Luft, bereitete sich darauf vor eine weitere Mailbox-Nachricht zu hinterlassen.

»Hallo?« Ihre Stimme war geschäftsmäßig und für einen Moment war er sich nicht sicher, ob sie es war.

»H-Hallo, ist dort …« Sollte er ihren echten Namen benutzen? »… Abelia?«

»Ja, wie geht’s dir, Onkel Ed?« Ihre Stimme war gleichmäßig, aber er konnte die Schärfe darin spüren; er hörte andere Stimmen im Hintergrund, manche davon klangen wie Kinder. Okay, sie ist also bei Menschen, aber sie weiß nicht, ob sie ihnen trauen kann. Clever.

»Jetzt gerade bin ich nur froh deine Stimme zu hören. Rubald hat mir erzählt, was passiert ist. Geht es dir gut? Bist du verletzt?«

»Mir geht es gut, aber ich muss eine Nachricht zu Mama und Papa bekommen …« Mama und Papa; ihre Mutter ist tot, also muss sie Rubald und Rutha meinen.

»Ja, das kann ich tun.« Er tastete im pechschwarzen Zelt nach einem Stift und Papier.

»Sag ihnen, dass ich sie in Fairisle treffen werde, an den Docks.«

Er erstarrte.

»Nein, Abelia, geh nicht weiter ohne sie. Das ist eine schreckliche Idee. Sag mir einfach, wo du bist, und ich lasse sie zu dir kommen.«

»Hab dich auch lieb, Onkel Ed.«

»Aktiviere ›Orte Mein Handy‹, so dass wir dein Handy—«

»Okay, wir sprechen uns bald!«

»Abelia! Geh nicht ohne sie weiter! Hörst du mich? Das ist ein Befehl!«

Die Verbindung brach ab. Edward sackte wieder auf dem Bett zusammen, dieses Mal landete er im Tablett, das sie für ihn vorbereitet hatten.




KAPITEL ACHT







ABBIE GLITT VON STARGAZER herunter und ging um ihn herum, um ihm in die Augen zu blicken. Das war überraschend schwer bei einem Pferd, da seine Augen auf jeweils einer Seite seines Kopfes waren. Sie legte sich auf ein Auge fest.

»Hast du gerade gesagt: ›Das ist eine Schande‹?«, fragte sie.

»Ja, ich vermute das habe ich«, erwiderte er.

»Wann hast du gelernt wie man spricht? Und wichtiger, wie hast du gelernt wie man spricht?«

Er ließ seinen langen, schwarzen Schweif herumschnellen. »Ich glaube das war, als wir durch diesen elektrisierten Vorhang gegangen sind. Ich hatte bereits all die Wörter in meinem Kopf, bevor ich herausgefunden habe, dass ich sie benutzen konnte. Ziemlich unüblich.«

»Muss dir da zustimmen«, sagte Abbie kopfschüttelnd. Sprechende Pferde. Natürlich würde es sprechende Pferde geben. »Vorhang … du musst den Schleier meinen.«

»Wenn du das sagst, Knödel.«

Abbie hob eine Augenbraue. »Ich würde es vorziehen, wenn du mich Abbie nennst.«

»Oh? Mein vorheriger Besitzer hat mich immer Knödel genannt. Ich habe angenommen, dass es ein allgemeines Wort für Bekanntschaften in höflicher Konversation wäre. Ich bitte um Entschuldigung, Abbie.«

»Eigentlich ist es eine Art von Essen und ein Kosename.«

»Ich verstehe. Leckeres Essen?«

»Ja, aber eine Stunde später wirst du wieder Hunger haben.«

Abbie ging zum Rand des Kamms in der Richtung, aus der sie gekommen waren, während Stargazer seine neuen Informationen zu bedenken schien. Eventuell könnte sie Anzeichen von Rubald und Rutha entdecken. Den Schleier aus diesem Winkel zu sehen ließ das Tal aussehen, als ob es in einem wässrigen Würfel eingeschlossen war, der sich zum oberen Rand der Troposphäre ausdehnte. Seine Barrieren waren schärfer, als sie es sich vorgestellt hatte. Seine Vollkommenheit schien durch die Vögel, die durch ihn hindurchflogen, unbeeinflusst zu sein. Ein marmorierter Schimmer bewegte sich über seine Oberfläche, welcher weniger durchscheinend als der Rest davon war.

»Abbie?«, sagte Stargazer hinter ihr. »Ich bin durstig.«

Sie seufzte. »Jaah, ich auch.« Sie starrte den Hügel herunter, schaute nach einem Anzeichen von Bewegung. Sie horchten beide. »Ich kann nichts hören. Das Protokoll besagt, dass man an einem Ort bleibt, wenn man sich verirrt hat … aber ich habe keine Zeit fürs Protokoll. Gleichwohl werde ich es niemals ohne die Jerrinsons rechtzeitig nach Fairisle schaffen, um das Schiff anzutreffen. Ich habe offensichtlich keine Ahnung was hier vor sich geht … angesichts dessen, dass ich mit meinem Pferd rede.«

Stargazer nickte mit seinem riesigen Kopf, warf dabei seine Mähne herum. »Es ist ein verfängliches Rätsel.«

»Richtig.« Abbie stakste herüber zu Stargazer und schwang sich in den Sattel hoch. »Lass uns zurückgehen und sehen, was passiert. Aus welcher Richtung sind wir gekommen?«

»Ich bin nicht sicher …« Stargazer schwang seinen Kopf von einer Seite zur anderen. »Aus dieser Richtung vielleicht?«

»Dann dieser Weg.« Stargazer bewegte sich nicht und Abbie schaute zu ihm herunter. Sie räusperte sich. »Entschuldige, ich fühle mich jetzt unwohl dabei dir einen Stoß zu geben … kann ich dich einfach darum bitten loszugehen?«

»Oh, das. Das spüre ich kaum. Du bist im Vergleich zu mir ziemlich schwach, weißt du. Ich fasse es als ein Klopfen auf die Schulter auf.«

Abbie lächelte, schnalzte dann mit ihrer Zunge, um ihn vorwärtszutreiben. Sie folgten dem Kamm für eine halbe Meile, bevor sie einen Pfad fanden, nicht wissend, ob es derjenige war, den Rutha und Rubald benutzen würden. Während sie ihm hinabfolgten, konnten sie fließendes Wasser hören. Sie ließ Stargazer seinen Willen und er führte sie an seinen Ursprung, einem tröpfelnden Bach, umgeben von struppigem Gras und niederen Büschen. Als sie sich umblickte, erkannte sie, dass dies wahrscheinlich nicht der beste Ort wäre, um sich aufzuhalten, für den Fall, dass Rubald den Bär tatsächlich nicht getötet hatte. Es war alles so friedlich, es war schwer zu glauben, dass sie gerade beinahe von einem wilden Tier attackiert worden waren. Abbie stieg ab, um auch etwas zu trinken, und bemerkte einen schmalen, gut genutzten Pfad, welcher die Anhöhe hoch ging, wo nahe der Spitze eine Hütte lag.

»Bleib hier«, sagte sie zu Stargazer, »ich werde sehen, ob sie in diese Richtung gegangen sind. Wenn einer von ihnen verletzt ist, haben sie vielleicht dort nach Hilfe gesucht.«

Er legte seine Ohren flach gegen seinen Kopf. »Eigentlich komme ich mit«, sagte Stargazer, »es ist gruselig hier alleine.«

»Wie du willst, aber es ist ziemlich eng.«

»Ich bin Schlimmeres hoch. Habe ich dir jemals von der Wanderung erzählt, die ich mit Susan durch das Bluebrook Gebirge gemacht habe?«

»Nein«, sagte Abbie, begann den Hügel hochzugehen. Sie beschloss die Tatsache, dass er bis vor ein paar Stunden noch nicht sprechen konnte, nicht anzusprechen.

»Oh, nun, es war eine ziemliche Erfahrung, lass dir sagen–«

»Ich würde gerne davon hören … später.«

»Oh. Nicht jetzt?«

Abbie versuchte ein Grinsen zu verstecken. »Nein, nicht jetzt, Star. Genau genommen, lass uns weitergehen und deine Fähigkeit zu sprechen für den Moment verstecken.«

»Oh, ich verstehe.«

Abbie blickte ihn über ihre Schulter an und er lächelte, zeigte dabei alle seiner großen gelben Zähne. Sie lachte, nicht in der Lage es nicht zu tun.

»Wer ist da?«

Abbie drehte sich bei der Kinderstimme um. Ein dünnes Mädchen, das ein zu kleines T-Shirt und abgeschnittene Jeansshorts trug, spähte hinter einer Gelb-Kiefer hervor. Zwei dünne rote Flechtzöpfe, die schlaff an den Seiten ihres Kopfes hingen, umrahmten ihr sommersprossiges Gesicht.

»Ich bin Abbie. Ich suche nach ein paar—nach meinen Eltern.« Verdammt, sie hatte ihren wirklichen Namen genannt. Das war dumm, dachte sie, während sie das Kind anlächelte.

Das Mädchen trat hinter dem Baum hervor. »Hab niemandes Eltern gesehen. Mit wem redest du?«

»Nur mit mir. Redest du nie mit dir selbst?«

Das Mädchen zeigte ein kleines Lächeln, aber schüttelte ihren Kopf. »Du kannst gerne kommen und auf die Veranda sitzen und dich ein wenig ausruhen. Du kannst meine Schwester kennenlernen.«

»Sicher. Ich danke dir.« Es ist mitten in der Woche, dachte Abbie. Warum ist sie nicht in der Schule?

Das Mädchen drehte sich um und huschte den rutschigen, mit Kiefernadeln bedeckten Berghang hinauf. Die Sonne begann sich seitwärts durch die Bäume zu neigen, erleuchtete den Staub, der sich hinter ihr erhob wie Dampf von einem See im Morgengrauen. Das Haus war aus Holz mit einem Wellblechdach; die Konstruktion war stark nach links geneigt, und sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie um alles in der Welt sie die Vordertüre öffnen konnten, wenn sie nicht in einem rechten Winkel war. Als das zweite Mädchen aus dem ebenerdigen Fenster auf die Veranda kletterte, war ihre Frage beantwortet.

»Hallo, ich bin Abbie«, sagte sie. Die zwei Mädchen setzten sich jeder auf ein Ende der Schaukel, lasen Steine aus den Bohnen und warfen heimliche Blicke auf sie, also setzte sie sich zwischen sie. »Gehört dieser Ort euren Eltern?«

Die Mädchen schüttelten ihren Kopf. »Eltern vor einer Weile gestorben. Wir wohnen jetzt bei Tantchen Marie.«

»Arbeiten für sie, meinst du«, murmelte das zweite Mädchen.

»Ruhe, Fadline. Wegen dir werden wir noch hinausgeworfen.« Die Rothaarige drehte sich Abbie zu. »Tantchen ist gerade nicht da; sie wird bald zurück sein. Ich bin Theresas.« Abbie bot eine Hand und das Mädchen gab ihr einen festen, staubigen Handschlag. Als Abbie ihre Hand zurückzog, packte das Mädchen fester zu, starrte genauer in ihr Gesicht. »Du bist ein … Funkler?«

»Was ist das?«, fragte Abbie, während sie behutsam versuchte ihre Hand aus Theresas’ unnachgiebigem Griff zurückzuziehen.

»Sapperlot, du hast Recht, Schwester«, sagte Fadline, während sie näher zu Abbie kam. Es misslang ihr dem Finger, den Fadline in ihren Wangenknochen stieß, auszuweichen. »Schau, es ist sogar in ihren Haaren!« Beide Mädchen begannen ihre Finger durch Abbies Pferdeschwanz zu kämmen, die Bohnen vergessen.

»Entschuldigt, aber könnt ihr mir sagen, worüber ihr redet? Bitte? Und mir ein bisschen persönlichen Freiraum geben?« Beide Mädchen hörten auf sie zu hätscheln, aber es war eindeutig, dass sie deswegen außer sich waren.

»Wir haben gehört, dass Menschen in der Box die Sterne in ihrer Haut haben … Ich wusste, dass es wahr ist!«

Abbie schüttelte ihren Kopf. »Meine Haut ist die Gleiche wie eure.«

Theresas riss ihren Arm herüber, schob ihren langen Ärmel hoch und hielt ihn zum Vergleich neben ihren eigenen Arm und Abbie keuchte. Ihre Haut schillerte, leuchtete mit einem Schimmer, wie der, der sich über die Oberfläche des Schleiers bewegte. Sie rieb an ihrer Haut, aber der Schimmer leuchtete nur heller.

Abbie versuchte die Panik aus ihrer Stimme zu halten. »Entschuldigt mich, Mädels, ich muss das abwaschen.«

Die Mädchen lachten. »Es geht nicht weg, Dummerchen, es ist ein Teil von dir. Du kannst es in der Box nur nicht sehen.«

Abbie blickte zu Stargazer, der am Rand des Hofs Gras mampfte. Er wippte mit dem Kopf in ihre Richtung, aber sie konnte nicht sagen, ob er damit irgendetwas meinte. Ihr Verstand drehte sich.

»Es tut mir leid, Mädels. Ich sollte weiter nach meinen … meinen Eltern suchen.«

»Tantchen Marie war unterwegs; vielleicht hat sie sie gesehen. Möchtest du, dass wir sie anrufen?«

Abbie erinnerte sich plötzlich daran, ausnahmsweise einmal, dass sie auch ein Handy hatte. Sie beeilte sich zu ihrer Tasche zu kommen, zog es heraus und schaltete es an. Dreißig verpasste Anrufe. Junge, dieser Edward war allerdings hartnäckig—auf keinen Fall würde sie ihn miteinbeziehen, außer sie wäre verzweifelt. Rubald hatte sein Wort gehalten: er hatte ihre Nummer nicht. Die Integrität zahlte sich bis jetzt nicht aus.

Ohne Warnung ging die Sonne aus.

»Oh, sapperlot«, murmelte Theresas in die Schwärze.

»Na ja, das war’s dann. Wir können heute Abend nichts mehr tun.« Abbie fühlte, wie sich die Schaukel nach hinten kippte, als sie sich hinüber lehnten, um ihre Körbe zum Bohnen sortieren mit genauso schweren Seufzern fallen ließen.

Abbie schüttelte mit donnerndem Herzen ihren Kopf. »Was passiert hier?«

»Oh, die Sonne ist ausgegangen. Wir sind fertig mit arbeiten«, sagte Fadline, als ob es völlig normal war das zu sagen.

»Aber ich muss heute Abend meine Eltern finden!«

Theresas und Fadline kicherten, ihre Gesichter plötzlich im Licht ihrer Handybildschirme erleuchtet. Abbie überkreuzte ihre Arme und versuchte nicht hörbar zu schnauben.

»Wann kommt denn … die Sonne wieder?«

Fadline lächelte und nickte. »Wie viele Sterne sind am Himmel?«

Theresas stieß sie mit dem Ellbogen an und sagte: »Oh, ich hab’ einen—wann werden die Berge in das Meer sinken?«

Fadline klatschte in die Hände. »Oh! Wir wär’s damit: Wie oft muss man lecken, um in die Mitte von einem—«

»Was tut ihr?«, fragte Abbie, nicht in der Lage die Verbitterung aus ihrem Tonfall zu halten.

Theresas blickte nicht von ihrem Handy auf. »Wir tun, was du tust. Das Unbeantwortbare-Fragen-Spiel spielen.«

Abbies Gesicht wurde rot und sie war vorübergehend dankbar für die Dunkelheit. »Meine Frage war ernsthaft. Ich habe es ernst gemeint.«

Theresas und Fadline kicherten wieder, wurden dann sachlich. Theresas räusperte sich. »Entschuldige, Schwester. Meine Mama hat immer gesagt, dass der König Bogenschützen hat, die ständig brennende Pfeile auf die Sonne feuern, in der Hoffnung sie sehr schnell wieder anzustecken.«

»Das ist nicht wahr«, sagte Abbie. »Das ist unmöglich.«

»Ich habe gehört«, schob Fadline ein, unbeeindruckt von Abbies fassungsloser Skepsis, »dass sie Sonne selbst uns vor Sternschnuppen beschützt, die uns sonst alle umbringen würden, und das ist, was die Sonne wieder anzündet. Ist es dann das?«

»Natürlich nicht!«, schrie Abbie, verlor ihre Beherrschung, und die Mädchen zuckten zusammen, schauten auf den Boden und krümmten ihre Schultern in beinahe perfektem Einklang. Es gab etwas Beunruhigendes an diesen Schwestern, etwas … etwas Argwöhnisches, ungeachtet ihres Kicherns und ihren kindlichen Spitzen Abbies Unwissenheit gegenüber. »Es tut mir leid, Mädels, ich wollte euch keine Angst machen. Aber die Sonne ist nie so ausgegangen, als ich—«

»In der Box gelebt hast?«, fragte Theresas sacht. »Ja, ich weiß. Aber Schwester … du bist jetzt unter dem freien Himmel.«

»Ist es nicht dieselbe Sonne?« Schulter an Schulter fühlte sie, wie sie mit den Schultern zuckten. Es kam ihr in den Sinn, dass es einen eindeutigen Grund für ihre alarmierende Unwissenheit geben könnte. »Solltet ihr nicht in der Schule sein? Es ist Freitag, oder?«

»Tantchen und Onkel sagen, dass wir unsere Arbeit nicht schnell genug machen.«

Fadline fügte leise hinzu: »Tantchen sagt vielleicht nächstes Jahr, wenn wir artig sind.«

Abbie glitt herunter, ließ ihren erschöpften Kopf an der Rückseite der Schaukel ruhen, starrte dabei hoch auf die Sterne, welche plötzlich ebenfalls erschienen waren. Die Erkenntnis überkam sie, dass es alle möglichen Arten von Gefängnissen gab, die keine Gitter oder Ketten benötigten, nur einen meisterhaften Manipulator und ein Opfer ohne die Mittel zu gehen.

»Solltest das nicht tun«, sagte Fadline, während sie auf ihr Handy starrte.

»Was tun?«, fragte Abbie niedergeschlagen.

»Hochschauen.«

»Warum nicht?«

»Wenn die Sonne sich wieder entzündet, wird sie dich blind machen. Und man weiß nie—«

»Richtig. Man weiß nie, wann das sein wird.«




KAPITEL NEUN







IM DUNKELN SITZEND, wählte Fadline die Nummer der Tante der Mädchen, und Abbie räusperte sich nervös, als es klingelte.

»Fadline, was zur Jersey machst du am Telefon? Ich schwöre, wenn das Unkraut im Garten nicht gejätet ist, bis wir zurückkommen, Sonne oder keine Sonne, wirst du nicht—«

»Ja, hallo, mein Name ist Abbie und ich bin in den Wäldern vom Weg abgekommen. Ihre Nichten waren nett genug, um mich ihr Handy benutzen zu lassen.« Peinliche Stille folgte, also holte Abbie tief Luft und füllte sie. »Jedenfalls, ich bin bei einem Bärenangriff von meinen Eltern getrennt worden und ich weiß, dass Sie auf dem Weg zurück hierher sind … ich dachte möglicherweise haben Sie sie gesehen.«

»Meine Güte, du armes Schätzchen, das ist aber eine Geschichte«, gurrte die Frau, stellte ihren harschen Tonfall von der Begrüßung in etwas Schmeichlerisches um. »Ich fürchte wir haben sie nicht gesehen, aber ich kann eine Nachricht bei meinen Nachbarn hinterlassen, dass sie ein Auge offen halten sollen. Sind die Mädchen höflich zu dir gewesen, Schätzchen? Wir werden auf die Poutine-Hochzeit gehen, wenn wir zurück sind, aber du kannst dich gerne zu uns gesellen.«

Abbie versteifte sich. Je mehr Menschen sie sahen, je länger sie sich herumdrücken musste, desto wahrscheinlicher würde sie erkannt werden.

»Oh, das ist so nett von Ihnen, aber das könnte ich Ihnen nicht aufbürden.«

»Kein Problem—wir bestehen darauf. Zudem bringt es Glück. Ich werde dir ein Kleid leihen, wenn du eines brauchst. Wird eine Menge gutes Essen geben.«

Abbie schluckte ihre Einwände herunter, nicht willens die wahrscheinlich einzige Person zu kränken, die zwischen ihr und heute Nacht alleine im Wald zu schlafen stand. »Ich danke Ihnen so sehr Mrs. …?«

»Rogier. Marie Rogier.«

»Mrs. Rogier, ich schätze das sehr und bitte richten Sie meinen Dank ebenfalls Ihrem Ehemann aus.«

Die Mädchen kicherten und Abbie fragte sich, was sie dieses Mal falsch verstanden hatte.

»Ich werde deinen Dank sicherlich meinem Mann ausrichten. Wir sehen euch bald.« Sie legte auf.

Fadline stupste Abbie an. »Tantchen und Onkel sind nicht verheiratet, Dummerchen. Sie sind zu arm dafür.« Sie nahm ihr Handy zurück und trug ihre angezündete Lampe zur Rückseite des Hauses, wo Abbie gerade noch einen großen Gemüsegarten ausmachen konnte. Mit einem Seufzer sank Fadline neben Theresas auf die Knie, spähte zwischen die grün geblätterten Pflanzen, um die fehlerhaften Setzlinge auszukundschaften.








ABBIE HATTE NICHT BEABSICHTIGT in der Schaukel zu dösen, aber es war ein ziemlich langer Tag und der Schlaf vorige Nacht war ein wenig, nun, steinig gewesen. Das behutsame Schwingen, die Nähe der Mädchen, der Chor der Zikaden, welche beschlossen haben zu singen, ungeachtet der Tatsache, dass es erst drei Uhr nachmittags war, das fehlende Mittagessen …

Sie wachte durch Kichern und Selfies auf, von denen sie nicht wusste, dass sie gemacht wurden. Dieses Haut-Phänomen muss eine ziemliche Attraktion gewesen sein, wenn sie Bilder von ihr im Schlaf machen wollten. Sie blinzelte und kniff die Augen zusammen. Die Sonne war wieder da … äh, wieder entzündet. Die Mädchen hatten ihre vorige Arbeit wieder aufgenommen, Weidenkörbe auf dem Schoß. Stargazer wieherte leise eine sachte Warnung und sie schaute auf. Ein Paar kam auf Pferden näher und Abbie versuchte zu sehen, ob es Rubald und Rutha waren, ohne zu verzweifelt auszusehen, aber sie waren es nicht. Wo zur Jersey waren sie? Ihre Sorge um sie stieg rapide und sie mussten krank vor Sorge um sie sein … sollte sie losgehen und nach ihnen suchen? So fixiert sie auch darauf war diesen Frachter anzutreffen, es war es nicht wert dafür jemand anderen zu opfern. Sie selbst eingeschlossen.

Das Paar, das der krummen Hütte näherkam, schien die Tante und der Onkel zu sein, deren Veranda sie belegte. Ihre Ankunft schickte ihre Nichten in ein Gestöber der Aktivität, das Tor öffnen, die Pferde zur Rückseite führen, Hand für Hand mit einem alten Margarinebehälter Wasser aus dem Brunnen schöpfen, welcher in der harten Erde nahe dem Garten eingebettet war. Wie kaltes Wasser für eine durstige Seele, so sind gute Nachrichten aus einem fernen Land. Seit Rubald diese alten Sprichwörter erwähnt hatte, kamen sie zurück zu ihr getrieben, wie Luft verlierende Ballons, die auf einer Brise ritten, welche sie nicht länger tragen konnte. Woz weiß, dass sie versuchte sie oben zu halten, schlug sie weg, versuchte dieses Kapitel ihres Lebens für immer zu beenden. Aber sie brauchte jetzt gute Nachrichten. Sie hatte es selten mehr gebraucht.

»Abbie? Willkommen! Lass uns dich umziehen«, sagte Mrs. Rogier lächelnd. Obwohl sie so weiß wie die Mädchen war, endeten die Ähnlichkeiten dort: sie hatte eine kurvige Sanduhr-Figur, ihre langen dicken Haare in einem unnatürlichen Blond gefärbt und ihre Kleidung passte ihr gut. Sie hielt ihren Arm aus dem offenen Fenster, durch das Abbie klettern sollte. »Warst du jemals auf einer Hochzeit außerhalb der Box?«

Abbie lächelte und schüttelte ihren Kopf, duckte sich in das Haus. Sie erwartete sägeraue Möbel, zusammengeworfen aus Überbleibseln, so krumm im Innern wie außen. Stattdessen trat sie auf gewachste Holzböden, der im Licht des niederen Feuers schimmerte. Bänke mit hohen Rückenlehnen standen um einen langen Tisch herum, und als sich ihre Augen anpassten, erkannte sie, dass die Rückseiten nicht nur mit Mustern verschönert waren, sondern mit ganzen Bildern. Bären mit offenen Kiefern über einem kauernden Farmer, dem seine Heugabel aus der Hand fiel. Berglöwen, die von niederen Zweigen nach Soldaten schlugen, die rittlings auf ihren Rössern saßen. Wildpferde, die über flache Flüsse galoppieren … Abbie streckte sich, um die komplizierten Details der Wassertröpfchen, welche durch die Pferdehufe aufgespritzt werden, zu berühren, und Mrs. Rogier räusperte sich.

Abbie zog schnell ihre Hand zurück und stand auf. »Es tut mir leid«, begann sie, aber die Frau winkte abweisend mit ihrer Hand.

»Es ist schön zu sehen, dass ein Funkler seine Arbeit bewundert. Marc hat ein Talent für die Handwerkskunst, aber wenige bemerken es.« Abbie wollte fragen, warum er nicht all diese Fähigkeiten dazu benutzt hatte, um am Gerüst seines Hauses zu arbeiten, hielt aber ihren Mund. Sie folgte Marie in das Schlafzimmer, welches mit einem Kopfteil auftrumpfte, das die gleichen beeindruckenden Details aufwies, nur dass dieses Mal Marc und Marie, kaum bekleidet, horizontal und sich umarmend, das Thema waren. Jahre mit Kunsterziehungsunterricht bedeuteten, dass sie von Nacktheit nicht einfach peinlich berührt wurde, aber sie bekämpfte ganz gleich den Drang wegzublicken und die Frau kicherte und wandte sich einem kleinen Kleiderschrank zu.

Sie zog ein Stretchkleid aus Polyester mit einem türkis-weißen-Zickzackdruck heraus und hielt es Abbie hin. Es war schulterfrei, kurz und sehr figurbetont. Abbie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen.

»Du hast eine nette sexy Figur, Süße, das sollte funktionieren«, sagte Marie freiheraus.

»Ähm … Es tut mir leid, dass ich wählerisch bin, aber ich sehe wirklich besser mit Ärmeln aus.«

Die Frau schüttelte ihren Kopf. »Nein, das wirst du nicht. Dieses Kleid wird wundervoll an dir sein. Probier es an und lass es mich sehen.«

Laune, Laune, Laune, ermahnte sie ihr Herz mit jedem Schlag. Das ist kein Streit wert. Trag das Kleid. Krieg ihre Hilfe. Finde deine Begleiter. Mach weiter. Abbie legte ein falsches Lächeln auf und nahm das Kleid, drehte sich dann, um ein Badezimmer oder auch nur einen Platz hinter einer Türe zu suchen … nur um Marie vorzufinden, die ihre Arme über ihrer Mitte gefaltet hatte und genervt aussah.

»Wir sind bereits zu spät.«

»Es tut mir leid«, murmelte sie, drehte sich um, so dass sie zumindest Marie nicht dabei beobachten musste, wie sie sie anstarrte. Sie knöpfte ihr Hemd auf und versuchte ihre Wanderstiefel von sich zu schleudern.

»Oh, du wirst auch Schuhe brauchen, oder?«

»Ja, ich schätze. Vielen Dank noch mal, dass Sie mich mit einschließen.«

Marie winkte wieder mit ihrer Hand. »Kein Problem. Wie wäre es mit diesen?«

Abbie drehte sich um und Marie reichte ihr ein Paar acht-Zentimeter Pumps in silber. Abbie starrte sie an, entgeistert. »Wie reite ich denn in denen?«

Marie warf ihren Kopf zurück und lachte so laut, dass es in dem beengten Raum widerklang. »Mädchen, du reitest in denen kein Pferd! Wir nehmen das Fuhrwerk, so dass wir nicht zerzaust werden. Du kannst dein Pferd hier lassen.« Sie fuhr fort, bevor Abbie protestieren konnte. »Du hast Glück, dass du zu uns gekommen bist, bevor manche der anderen in der Gegend dich entdeckt haben. Deren Gemeine Sprache ist nicht so gut wie unsere.« Sie plusterte sich auf, als sie aufhörte zu sprechen, die Augen voller Stolz.

Abbies Augenbrauen hoben sich. »Wirklich? Sogar so nah an der … Box?«

Marie nickte. »Viele sprechen gerade so viel, dass sie ›Gib mir einen Dollar‹ sagen können«, lachte sie. »Nicht viele Reisende überqueren die Grenze auf diesem Weg … außer denjenigen, die nicht bemerkt werden wollen.« Sie blickte aus ihrem Augenwinkel auf Abbie, als diese sich umdrehte, um das Kleid über ihre Brust herunterzuziehen. Abbie glitt mit ihren Fingern durch ihr Haar und versuchte beschwichtigend zu lächeln, ignorierte dabei die Andeutung im Ton der Frau.

»Das ist interessant. Meine Eltern und ich sind auf dem Weg, um meinen Bruder in Fairisle in Empfang zu nehmen; er kommt gerade erst aus der Navy. Wir wollten eine angenehmere Reise durch die entzückenden, kühlen Wälder, anstatt der staubigen Landstraße.«

»Ich verstehe«, sagte sie. »Marc!«, rief sie durch die Türöffnung, »gehst du morgen nicht nach Fairisle?«

»Sicher, so hatte ich es vorgehabt«, kam die Antwort.

Marie zuckte mit einer Schulter. »Siehst du? Problem gelöst. Marc kann dich morgen mitnehmen und wir werden eine Nachricht bei jedem auf der Hochzeit lassen, dass deine Eltern wissen, dass sie dich dort treffen sollen. Sie werden die Nachricht bekommen.«

»Oh, ich schätze Ihr Angebot, aber ich kann nicht ohne meine Eltern gehen.«

»Sicher kannst du das. Es ist kein Problem. Marc geht sowieso.«

»Nein, kann ich nicht.« Ihre wahren Gefühle waren für einen Moment an die Oberfläche gebrodelt und sie trat sich selbst dafür, wie scharf sie gesprochen hatte. Marie schaute fragend vom Schnallen ihrer eigenen unvernünftig hohen Schuhe hoch.

»Warum nicht?«

»Sie sind … sie sind betagt, verstehen Sie. Ich befürchte, dass ihnen etwas zustoßen wird. Ich kann nicht gehen, bis ich weiß, dass sie sicher sind. Ich habe Angst, dass die Bärin sie erwischt hat.«

»Wer, Betsy? Sie ist harmlos, es wird ihnen gut gehen. Sie haben so lang gelebt, oder nicht? Denk nicht, dass sie dumm sind, Mädchen.« Damit drehte Marie sich um und verließ das Schlafzimmer, rief Fadline und Theresas zu, dass sie in das Fuhrwerk steigen sollen. Abbie folgte eine Grimasse ziehend. Betsy?

Sie manövrierte sich vorsichtig mit dem Kopf voraus durchs Fenster, ließ dann ihre Knie zusammen hindurch schlüpfen, um das abscheuliche Kleidungsstück, welches sie trug, nicht zu zerreißen. Sie stopfte ihre Kleidung in Stargazers Satteltasche und löste sie, um sie mit sich zu schleppen.

»Mädchen! Auf geht’s!«, rief Marc von der Rückseite her. Abbie versuchte bei der Wahl der Anrede des Mannes nicht hochzugehen.

»Komme gleich!«, rief sie zurück, dann sagte sie leiser zu Stargazer: »Folge uns. Lass sie dich nicht sehen.« Er wippte mit dem Kopf und sie lächelte und tätschelte seinen starken Hals. Dann beeilte sie sich, so sehr wie man es in acht-Zentimeter-Absätzen einen schmalen Erdpfad hinab konnte, um zu ihren seltsamen Gastgebern aufzuholen.




KAPITEL ZEHN







ABBIE SASS IM HINTEREN Teil des offenen Wagens, schwankte und schaukelte zwischen den Schwestern, welche Schminke auf ihrem Schoß hin- und herreichten. Sie war ziemlich sicher, dass jemandem ein Auge ausgestochen werden würde; sie hoffte nur, dass sie es nicht wäre.

»Lass uns deins machen, Abbie!«, sagte Fadline, ein Glitzern in ihren Augen.

Abbie schüttelte lachend ihren Kopf. »Ich denke nicht.«

»Möchtest’e nicht einen Geck finden?« Fadline reichte die Mascara herüber und Abbie bemerkte einen leichten Bluterguss knapp über ihrem Ellbogen, so als ob ihr Arm gepackt und gedreht worden war. Sie war zu abgelenkt, als dass sie die Frage genau gehört hatte.

»Einen was?«

»Einen Freund!«, quäkte Theresas, während sie schimmernden Lidschatten dick und ungleich auftrug.

»Oh, ich habe tatsächlich einen.« Technisch gesehen keine Lüge, dachte sie.

Abbies Handy klingelte und die Mädchen kreischten.

»Ist er das?«

Sie schaute auf den Bildschirm, welcher eine orangiersische Handynummer zeigte. Abbie zögerte.

»Geh ran!«, forderten die Mädchen einstimmig auf und sie konnte spüren, wie sich Maries Aufmerksamkeit vom vorderen Sitz ihr zuwandte. Abbie nahm einen tiefen Atemzug und ließ ihren Daumen über den Bildschirm gleiten.

»Hallo?«

»H-Hallo, ist dort … Abelia?« Seine Stimme war jetzt viel tiefer, als sie es im letzten Sommer, den sie miteinander verbracht hatten, gewesen war, aber sie erkannte sie sofort.

Wie könnte sie die Stimme ihres besten Freunds vergessen?

»Ja, wie geht’s dir, Onkel Ed?« Die Schwestern lehnten sich enttäuscht zurück und kehrten dazu zurück ihre Gesichter zu richten. Was sie ihm anerkennen musste, Edward kommentierte es nicht als Onkel Ed tituliert worden zu sein.

»Jetzt gerade bin ich nur froh deine Stimme zu hören. Rubald hat mir erzählt, was passiert ist. Geht es dir gut? Bist du verletzt?«

»Mir geht es gut, aber ich muss eine Nachricht zu Mama und Papa bekommen …« Würde er wissen, was sie meinte? War immer ziemlich schlau gewesen …

»Ja, das kann ich tun«, erwiderte er ohne Pause.

Sie hörte wie Marie sich räusperte und sie hoffte, dass ihr rasendes Herz nicht so offensichtlich war, wie es sich anfühlte. »Sag ihnen, dass ich sie in Fairisle treffen werde, an den Docks.«

»Nein, Abelia, geh nicht ohne sie weiter«, sagte er, seine Stimme plötzlich voller Anspannung. »Das ist eine schreckliche Idee. Sag mir einfach, wo du bist, und ich lasse sie zu dir kommen.«

Nicht möglich, Kumpel. »Okay, liebe Grüße an Tante Viv.«

»Abelia, aktiviere ›Orte Mein Handy‹, so dass wir deinen Aufenthaltso—«

»Jep, wir sprechen uns bald.«

»Abelia! Geh nicht ohne sie weiter! Hörst du mich? Das ist ein Befehl!«

Das schien wie die perfekte Gelegenheit aufzulegen. Beim letzten Befehl, der Abelia gegeben worden war, war ihr geheißen worden, dass sie »anständig gekleidet« zum Ball am Weihnachtsabend vor sechs Jahren auftauchen soll. Ihr karierter Flannelpyjama war nicht sehr gut angekommen, auch wenn sie ihre Haare gelockt hatte. Sie steckte das Handy zurück in ihre Umhängetasche.

»Also«, sagte Marie vom Vordersitz, »jetzt kannst du morgen mit Marc weiter nach Fairisle gehen. Keine Probleme.«

Als Abbie nickte, machte ihr Handy ein Geräusch wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird. Plonk. Da war eine SMS.

E hat mir die Nummer gegeben. Glaubt, dass es eine kompromittierende Situation gibt. Baldmöglichst anrufen.

Sie sperrte es und drehte sich Theresas zu, die noch immer auf ihre Haut starrte. Ihre knochigen Schultern standen aus ihren Kleiderärmeln auf eine Art und Weise heraus, die komisch wäre, wenn es nicht so verstörend wäre. Fadlines waren nicht besser. Bekamen sie nichts zu essen? Marie und Marc sahen aus, als ob sie gut genug aßen.

Während das Fuhrwerk weiterrumpelte und die Mädchen ihre Zeit aufteilten, indem sie mehr billige Schminke auflegten und Abbies schillernde Haut beäugten, traf Abbie eine Entscheidung.

»Würdet ihr Mädchen mit uns mitkommen wollen? Kommt ihr oft dorthin?«

Es gab eine lange Stille; Theresas öffnete ihren Mund, aber blickte zu Marie, bevor sie sprach. Sie schloss ihn wieder und schaute nach unten.

»Sicher kennt ihr den Weg?«

Theresas nickte.

»Ich bezahle euch gerne für eure Zeit; ich habe bemerkt, dass ich sie von ihrer Arbeit abgehalten habe. Ich habe es einfach so genossen sie diesen Nachmittag kennenzulernen, sie wären wundervolle Reisegefährten.«

»Und ich nicht?«, schnaubte Marc und dabei lachten alle Damen.

»Ich nehme an sie könnten gehen, solange sie geradewegs zurückkommen, und solange wir entschädigt werden …«, sagte Marie, ignorierte die aufgeregten Gesichter der Mädchen.

Sie hatten ebendiesen Hügel erklommen und stiegen in Richtung der Küste ab, als Abbie einen kleinen Gemischtwarenladen bemerkte.

»Können wir hier anhalten und nach meinen Eltern fragen? Bitte? Es tut mir leid, dass ich eine Plage bin.«

»Mach schnell«, sagte Marc und die Mädchen halfen ihr vom Fuhrwerk herunterzuhüpfen. Aus ihrem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Stargazer seinen Abstand hielt, sich vom Weg herunter in den dichteren Teil des Unterholzes bewegte.

Abbie eilte hinein und ging durch die Gänge, weg von den Fenstern. Sie pfuschte sich ihren Weg durch die Einstellungen, um die Ortungsfunktion zu aktivieren, rief dann Rubald an.

»Oh, gepriesen sei der Schöpfer; sie weiß wie man das Gerät bedient.«

»Keine Zeit für Witze. Ich bin in einem Gemischtwarenladen nahe der Spitze des Hügels auf der Hauptstraße. Kennen Sie ihn?«

»Ja. Wir sind vor circa fünf Meilen daran vorbei.«

»Kommen Sie schnell hierher. Ich versuche hierzubleiben, aber sie könnten das vielleicht nicht mögen.«

»Verstanden.«

»Außerdem, wie viel Geld haben wir?«

»Reichlich. Warum?«

»Sie werden sehen. Einfach hierherkommen.« Sie fühlte eine Hand auf ihrer Schulter und drehte sich langsam um.

Fadline und Theresas grinsten sie an. »Mit wem redest du?«, fragten sie im Chor.

»Meine Eltern, ich konnte schließlich doch mit ihnen in Kontakt treten.«

»Oh, das ist schön«, sagte Theresas, noch immer offensichtlich enttäuscht, dass sie nicht mit der Liebe ihres Lebens gesprochen hatte.

»Möchtet ihr Mädels einen Keks?«

Beide nickten eifrig und sie blickte aus dem Fenster auf Marc, der vom Fuhrwerk heruntergesprungen war und versuchte in die Fenster des Ladens zu spähen.

»Seid ihr glücklich mit eurer Tante und eurem Onkel?«

Beide Mädchen erstarrten. Sie starrten sie mit offenen Mündern an, alle Spuren ihrer übersprudelnden Freude darüber Schminke aufzutragen und über Jungs zu sprechen waren im Nu verschwunden.

»Ich habe nicht viel Zeit hier. Glücklich oder nicht?«

»Nicht«, flüsterte Fadline und Theresas stieß sie mit ihrem Ellbogen an, sagte aber nichts, ihre Augen groß. Eingeschüchtert. Ich wusste es, dachte Abbie mit einer üblen Verdrehung ihres Magens.

»Bleibt bei mir. Einverstanden?«

Marc erschien in der Türöffnung und die Mädchen zuckten zusammen. »Was braucht’n so lang?«

»Entschuldigung, die Mädchen wollten einen Keks.«

»Das brauchen sie nicht, es gibt reichlich kostenloses Essen auf der Party. Auf geht’s.«

»Tatsächlich habe ich Kontakt mit meinen Leuten hergestellt und sie werden mich hier treffen. Ich würde die Mädchen trotzdem gerne mit uns mitnehmen, wenn Sie zustimmen. Meine Eltern sind nicht vertraut mit—«

»Nein.« Marc bewegte sich zur Seite, während die Mädchen hinaus zum Fuhrwerk eilten. »Ich weiß nicht, wer du bist oder für wen du dich hältst, aber diese Mädchen gehören uns. Bleib hier, wenn du willst. Viel Glück dir.« Er begann wegzulaufen, drehte sich dann zurück. »Oh, und lass Maries Kleid und Schuhe beim Ladenbesitzer. Er wird sie ihr zurückbringen.«

Abbies Verstand raste. Sie konnte nicht so einfach aufgeben. Diese Kinder waren versklavt, Eigentum. Nur der Gedanke an sie, wie sie in der Dunkelheit Unkraut jäteten, ließ glühend heißen Zorn ihr Sichtfeld verschleiern und Marc war eindeutig ebenso kontrollierend wie Marie. Möglicherweise schlimmer.

Stimme, nicht zittern. Nicht zittern. Konstant, selbstbewusst … Abbie schritt hinaus auf die Veranda und sagte: »Ich kaufe sie Ihnen ab.«

Marc schleuderte ihre Umhängetasche über die Seite des Fuhrwerks und sie landete mit einem puff im Staub.

»Nein. Du gehst deinen Weg. Wir gehen unseren.« Er ließ die Zügel knallen und die Pferde starteten in einem Trab die Fahrspur hinauf in den Wald. Theresas und Fadline hielten sich im hinteren Teil des Fuhrwerks die Hände, Tränen in ihren Augen glitzernd, ihre Lippen zusammengepresst. Marie drehte sich nicht einmal um. Als Abbie vor Wut zitternd beobachtete, wie sie in den Wäldern verschwanden, wusste sie, dass sie einen riesigen Fehler gemacht hatte. Und noch schlimmer, dass nicht sie diejenige wäre, die den Preis dafür bezahlte.








DER LADENBESITZER WAR bereits zur Hochzeit gegangen, als Rubald und Rutha ankamen. Abbie hatte nicht gedacht, dass die ältere Dame so rasch absteigen könnte, und sie fand sich plötzlich am empfangenden Ende einer sehr inbrünstigen Umarmung wieder. Abbie tätschelte steif Ruthas Rücken, immer noch angespannt und gezeichnet von ihrer Begegnung.

»Dachten, wir haben Euch verloren«, flüsterte Rutha, als sie sich zurückzog und Abbie an den Schultern packte, um sie besser zu sehen.

»Kein solches Glück.« Abbie schenkte ihr ein knappes Lächeln. »Ich bin ebenfalls froh Sie zu sehen.«

»Geht es Euch gut?«, fragte Rubald, musterte sie, während er den Reisestaub von seinem Hut klopfte. Abbie nickte. »Was ist mit dem Kleid?«

»Sie haben es mir geliehen, um mich auf eine Hochzeit mitzunehmen.«

Rubald und Rutha schauten einander an und lachten. »Weil du Glück bringst?«

»Ja, woher wissen Sie das?«

»Oh, es hätte ihren Rang in der Gemeinschaft beträchtlich gesteigert, wenn sie erfolgreich gewesen wären. Funkler bringen Glück, jeder weiß das.«

»Ich nicht«, sagte Stargazer und sie alle drehten sich um, um Stargazer anzublicken.

»Oh, verzeihen Sie. Rubald, Rutha, das ist Stargazer.«

Sie starrten und Stargazer lächelte sie mit seinen großen gelben Zähnen an. Abbie fühlte, wie sich etwas von der Schwere von ihrem Herz hob. Du hast getan, was du konntest, sagte eine kleine Stimme in ihrem Inneren. Du hast es versucht. Sie stieß einen Seufzer aus und rieb sich mit beiden Händen über ihr Gesicht.

»Nun, das ist eine Überraschung«, murmelte Rubald, ging zurück zu seinem Pferd. Er und Rutha schienen ihren Gemütszustand nicht bemerkt zu haben, aber das war wahrscheinlich das Beste. Rubald hatte einen Fuß im Steigbügel, als er plötzlich innehielt, eine Augenbraue in Richtung seines Pferds zucken ließ. »Pferd, kannst du … kannst du auch …?«

»Oh, nein, Sir, Ihr Pferd scheint nicht die gleichen Fähigkeiten zu haben«, schob Stargazer ein. »Ich habe vorhin versucht ein Gespräch über die gute Qualität des Klees hier anzufangen und wurde ignoriert. Eventuell bin ich auch einfach langweilig, aber ich denke nicht. Er schien aufrichtig verwirrt.«

Rutha verdeckte ihr Lächeln mit der Rückseite ihrer Hand und Rubald schüttelte seinen Kopf.

»Gut. Lasst uns hier verschwinden, solange wir noch sehen können, wo wir hingehen.«




KAPITEL ELF







DIE DREI REISENDEN stiegen in das Tal ab, als die Sonne begann unterzugehen. Während ihrer ganzen Zeit in Gardenia, war Abbie nie am Ozean gewesen und die Sonne zu beobachten, wie sie in dessen Tiefen zu versinken schien, ließ sie vor Faszination wie gelähmt sein. Sie brannte und pulsierte am Horizont, färbte die Schiffe, welche versuchten nach Hause zu kommen, bevor es dunkel wurde, in kräftigem Pink und Orange. Ich frage mich, ob sie morgen wieder ausgeht. Die ganze Erfahrung hatte sie aufgewühlt. Die Sonne fühlte sich wie eines der Dinge an, auf die man sich verlassen können sollte, wie die Schwerkraft. Was wenn die Schwerkraft aufhört zu funktionieren? Gibt es ein Notverfahren dafür? Was, wenn ich wieder allein bin?

Ihr Verstand schweifte immer wieder zu Fadline und Theresas zurück. Ich hätte härter kämpfen sollen. Ich hätte mehr tun sollen. Vielleicht wenn ich einfach auf Stargazer gesprungen und mit ihnen abgehauen wäre … er hätte uns wahrscheinlich nicht fangen können, da das Fuhrwerk ihn abbremste. Jaah, es war stehlen—aber stahlen Marc und Marie nicht ihre gesamte Kindheit?

Mit einem Schnalzen ihrer Zunge, trieb sie Stargazer an ihre Beschützer einzuholen, als die Straße sich verbreiterte. »Rubald«, sagte sie leise, als sie neben ihm heranzog. »Ich habe ein paar Fragen.«

»Schießt los, Schwester.«

»Als die Sonne ausging …«

»Oh, ja.«

»Passiert das hier häufig?«

Er zuckte mit den Schultern. »Es hängt davon ab, wo man ist. Es passiert nicht überall im Unverschleierten.«

»Sie nennen es nicht so. Sie sagten wir wären … unter …« Sie versuchte, ohne Erfolg, die Müdigkeit von ihrem Gehirn zu schütteln.

»Unter freiem Himmel?«

»Ja. Was bedeutet das?«

»Bin nicht sicher. Aber die meisten Menschen im Unverschleierten beneiden das Leben ›in der Box‹ nicht, wie sie es nennen.«

»Was? Das macht auf mich einen … na ja, bizarren Eindruck. Und warum funkeln wir? Und ist Sklaverei hier legal? Warum haben sie nicht diesen Bären getötet? Und—«

Rubalds Seufzer schien von ganz unten von seinen Fersen zu kommen. »Eventuell hat das Gästehaus ein Exemplar von Auf der würdelosen Straße reisen. Ich denke es würde helfen ein paar Eurer Fragen zu beantworten. Es ist nur noch eine Meile oder zwei. In der Nacht zu reisen ist nicht sicher, also habe ich zuvor eine Reservierung gemacht, als es schien, dass wir nicht am Hafen ankommen.«

»Diese Menschen, bei denen ich war—einer von ihnen reist morgen auf dieser Straße. Es wäre wahrscheinlich das Beste, wenn wir nicht wieder auf ihn treffen. Wir haben uns nicht gerade im Guten getrennt.«

Rubald hob eine Augenbraue. »Es ist das Beste, wenn wir uns nicht in die örtliche Politik einmischen, Schwester.«

Abbie schaute geradeaus und sagte nichts, seufzte frustriert.

»Stimmt Ihr nicht zu, Schwes—«

»Absolut. Leuchtet mir ein.«

Sie hörte ein leises Wiehern von Stargazer. »Abbie?«

»Ja, Stargazer?«

»Sind wir bald da?« Er hörte sich erschöpft an. Sie hatte vergessen, dass er heute ebenfalls kaum etwas gegessen hatte.

»Bald, denke ich. Es tut mir leid, ich bin auf diesem Weg auch noch nicht gereist.«

»Ich bin so hungrig, ich könnte einen Menschen essen.«

Rubald und Rutha versuchten beide ihr Kichern zu verstecken.

»Ich kann Sie hören, wissen Sie. Pferde haben ein exzellentes Gehör.«

Ein fluoreszierendes Licht erschien zwischen den Bäumen. Ein schlecht instandgehaltenes Gebäude aus Zementblöcken, das nur zur Hälfte gestrichen war, trug ein Schild zur Schau, auf welchem in grün BESTE ZEIT GÄSTEHAUS stand. Ein Schwimmbecken voller Blätter lag zur Rechten des Eingangs. Abbie spähte hinein, als sie vorbeigingen, und das Wasser kräuselte sich.

»Was war das?« Stargazer schoss in einem Trab vorwärts, bis Abbie die Zügel zurückzog.

»Bleib locker, Neuer. Bleiben wir zumindest ein bisschen cool, okay?«

»Ich entschuldige mich, ich verstecke meine Gefühle nicht gut. Ich habe wortwörtlich keine Übung darin.«

»Na ja, du verängstigst die Wortlosen, also lass das sein.«

Abbie stieg ab und reichte Rubald die Zügel, der die Pferde rückwärtig zur Scheune führte. Ihre Beine zitterten, ihr Kopf schmerzte und ihr Rucksack fühlte sich an, als ob er fünfhundert Pfund wog. Sie stolperte in das Foyer und wurde von niemandem begrüßt.

»Hallo?«

Ein apathischer Angestellter schlurfte aus einem Hinterzimmer, rieb sich über das Gesicht, als ob er geschlafen hatte.

»Reservierung?«, murmelte er.

»Ja, wir haben reserviert.«

»Jerrinson«, sagte Rutha, als sie an ihrer Seite erschien. Der Mann durchwühlte ein paar Papiere, während Abbie die Viehbremsen beobachtete, wie sie sich auf die einzelne Lampe an der Decke warfen. Tief seufzend fand er, nach was er gesucht hatte, und ließ eine gut einstudierte Rede vom Stapel.

»Das ist das Beste Zeit Gästehaus. Willkommen. Trinken Sie nicht das Wasser im Waschbecken. Öffnen Sie nicht die Fenster. Nicht Rennen. Frühstück um sieben. Ihr Zimmer, oben an der Treppe, rechte Seite.«

»Sir?« Der Mann bemerkte nicht, dass Abbie mit ihm sprach, bis sie sich räusperte.

»Ja?«

»Wo bekomme ich Trinkwasser?«

Er zeigte auf einen leeren zwanzig-Liter-Behälter, der auf dem Kopf in einem staubigen ausgesteckten Trinkwasserspender steckte.

»Das ist leer.«

Er nickte. »Wasser-Typ kommt zur Morgenzeit.«

»Ich brauche jetzt Wasser.«

Er gestikulierte über seine Schulter, mischte noch immer Papierkram auf eine Weise durcheinander, die unmöglich produktiv sein konnte. »Der Mann kommt jetzt nicht. Bach diese Richtung.«

»Ist es sicher, das Wasser vom Bach zu trinken?«

Er legte seinen Kopf schief und blickte sie an.

»Bachwasser sauber?« Sie hatte nicht beabsichtigt seinen Akzent nachzuahmen, aber es schien ihm zu helfen sie zu verstehen.

»Nein.«

Rutha legte eine Hand auf ihren Arm. »Wir haben Tabletten, um da auszuhelfen. Sie schmecken … effektiv. Ich gebe dir etwas von meinem Wasser, Liebes.«

Abbie nickte dankbar. Rutha öffnete ihre Feldflasche und reichte sie Abbie, welche sie annahm. Sie standen still da.

Rutha blinzelte sie erschöpft an. »Wirst du es nicht trinken?«

»Das werde ich in einer Minute.« Auf keinen Fall würde sie alles hier in der Lobby auspacken.

Rubald kam herein, staubte noch immer seine Hände ab. »Worauf warten wir?«, bellte er.

Abbie war viele Male von Lauren angeklagt worden, dass sie »hangry« wäre, eine Kombination aus hungrig und angry, also wütend. Ihre begrenzte Erfahrung mit Rubald brachte sie dazu Lauren anrufen zu wollen und zu fragen, was das Wort für müde und aus der Ruhe wäre … »mungeduldig«, vielleicht? Oder vielleicht war auch ungeduldig genug.

»Schlüssel, Liebling. Alles unter Kontrolle.«

»Schlüssel, Sohn?« Rubald hatte seine Stimme um mindestens zehn Dezibel erhoben.

Der Mann suchte in einer Schublade herum ohne sie zu finden. Nachdem er es mit zwei weiteren Schubladen versucht hatte, drehte er sich mit einem breiten Lächeln herum und reichte einen dem Paar und einen ihr.

»Zwei Schlüssel, nur ein Raum.« Abbie zog eine Grimasse. Großartig. Heute Nacht wieder nichts zwischen ihr und Rubalds Schnarchen. Aber da sie neue Ebenen der Erschöpfung erreichte, würde sie dieser Faktor wahrscheinlich nicht vom Schlafen abhalten können.

»Auf geht’s, die Damen. Nach oben. Wenn ich nicht bald aus diesen Stiefeln komme, werden sie zu einem permanenten Teil von mir werden.« Er übernahm die Führung die unebenen Stufen auf Zement hinauf und Rutha und Abbie reihten sich pflichtbewusst hinter ihm ein.

»Sie? Miss?«

Abbie drehte sich am Fuß der Treppe zurück.

»Sie sind … aus der Box?« Abbie wartete einen Herzschlag lang, aber das schien sicher genug, um es zu enthüllen.

»Ja.«

»Sie sind sehr schön.«

Abbie schluckte schwer und sie spürte, wie ihr Gesicht rot wurde. Vielleicht wäre ein Schlafzimmer mit Rubald zu teilen, der die Rolle des überfürsorglichen Vaters spielte, am Ende doch keine so schlechte Sache.

»Danke.«

»Sie haben eine Telefonnummer?«

»Äh …«

»Ich würde gerne besser Gemeine Sprache sprechen. Vielleicht rufe ich an, zeige mein Zuhause, Sie können mir helfen besser sprechen.«

»Es tut mir leid, ich kann nicht. Ich werde nicht lange hier sein.«

»Ich brauche Geld. Meine Ehefrau, sie braucht eine Operation. Frauenprobleme.« Der Gesichtsausdruck des Mannes änderte sich im Nu von kokett zu sorgenvoll.

Oh, das ist einfach zu viel. Abbie ließ ihre Taschen fallen und überkreuzte ihre Arme, ging langsam zum Schreibtisch zurück.

»Warum nennen Sie mich schön und laden mich zu sich ein, wenn Sie verheiratet sind?«

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht nicht für lange verheiratet—Frauenprobleme, sagte ich. Nicht viel, nur 500 $.«

»Oh, ist das alles?«

Er missdeutete ihren Sarkasmus als Interesse und sein Eifer verstärkte sich. »Ja, das ist alles, sehr preiswert, richtig?« Sein Eifer ihr Geld zu bekommen stieß sie ab und sie hatte null emotionale Reserven im Moment. Sie war kurz davor ihm ein Stück ihres hungrigen, an Schlafentzug leidenden Gemüts zu geben, als sie Rubalds schwere Schritte am oberen Ende der Zementtreppe hörte.

»Tochter?«, brüllte er, was sie hoffen ließ, dass er gerade nicht die anderen Gäste aufgeweckt hatte.

»Das ist mein Vater. Viel Glück mit Ihren Problemen. Komme, Papa!«

Verstimmt schlurfte der Mann zurück ins Büro. Abbie hoffte sie würde nicht noch einmal mit ihm reden müssen. Sie versuchte ihren Rucksack die Treppen hinaufzuschleppen, ohne ihn auf ihre Schultern zu heben, und sie hörte, wie Rubald herunter gepoltert kam.

»Ich hab’s im Griff«, sagte sie ohne Augenkontakt herzustellen. Ohne ein Wort hob er den Rucksack an und bedeutete ihr vor ihm zu gehen. Rutha war bereits in ihrem schlichten Nachthemd, rieb weiße Creme auf ihr Gesicht, ihr ergrauendes Haar fiel offen in Wellen ihren Rücken herunter. Sie saß auf einer ausgezogenen Couch, die Matratze praktisch in der Mitte heruntergeklappt.

»Ihr seid im Queen Size Bett, Schwester.«

»Nein, ich bin auf der Couch.«

Rubald senkte seine Stimme. »Majestät …«

»Nö. Ich gebe keinen verbrannten Brownie auf Ihre Gepflogenheiten. Ich bin eine und Sie sind zwei. Außerdem ruiniert es den Anschein einer glücklichen Familie, wenn ich das große Bett habe. Ziehen Sie nicht einmal in Betracht mit mir zu streiten, weil ich sonst die Beherrschung verliere, hören Sie mich? Ich. Verliere. Sonst. Die. Beherrschung.«

Das Paar tauschte einen Blick aus, bevor beide nickten.

»Gut. Wo ist das Badezimmer?«

»Im unteren Stockwerk, neben der Rezeption.«

Abbie seufzte. »Ziehen Sie Ihre Schuhe noch nicht aus, Rubald; ich brauche eine Eskorte und Rutha kann so nicht heruntergehen.«

»Oh, macht mal halblang—sicherlich nicht. Ihr braucht eine Eskorte? Um sich hinzuhocken?«

»Rubald, Sprache«, rügte Rutha, während sie ein Gähnen unterdrückte.

»Sehen Sie, es gab etwas … Unannehmlichkeiten zwischen dem Mann an der Rezeption und mir. Er wird mich in Ruhe lassen, wenn Sie bei mir sind.«

»Nur weil er Eure Haut betrachtet hat …«

»Es war mehr als das.«

Er faltete seine Arme vor seiner Brust, eine unangenehme Härte in seinem Blick. »Mehr, hä?«

»Ja. Vertrauen Sie mir einfach. Auf lange Sicht sparen wir Zeit; Sie wollen mich nicht wegen Körperverletzung durch Kaution aus dem Gefängnis holen.«

Rubald murmelte etwas vor sich hin, bevor er auf den Flur hinaus schritt, und Abbie beeilte sich ihren Medi-Beutel, Pyjama, Morgenmantel, ihre Zahnbürste und Ruthas Wasser zu schnappen. Die ältere Frau war bereits unter der Decke, atmete gleichmäßig und tief.

Sie stiegen die Treppe so leise hinab, wie es Rubalds Stiefel zuließen, aber es gab keine Spur vom Empfangschef, sehr zu Abbies Erleichterung. Als sie das Licht an schnippte, kämpften sich fünf Kakerlaken in der Größe ihres Daumens in eine Spalte unter der Wanne und sie erschauderte. Die Wände im Badzimmer waren gefliest. Abbie starrte auf die Arbeit, die identischen Teile säumten die Wände beinahe bis zur Decke. Sie können die Außenseite des Gebäudes nicht streichen, das Wasser ist nicht trinkbar, aber die Badezimmerwände sind gefliest. Sie schüttelte ihren Kopf. Die Prioritäten dieser Menschen waren unverständlich.

Abbie reihte ihre Medis auf dem Rand der Wanne auf. Zuhause hatte sie einen Spender, den sie einmal in der Woche auffüllen konnte, aber da sie drei Wochen weg war, musste sie die Flaschen mitnehmen. Sie war auch wegen des Grenzübergangs mit den unbeschrifteten Pillen besorgt gewesen. Es gab nichts zu drastisches in ihrer momentanen Aufstellung, aber sie könnten ihr vielleicht nicht glauben.

Das Verschreibungspflichtige zuerst … hatte sie gestern ihre Steroide genommen? Sie konnte sie wahrscheinlich noch einmal nehmen. Ihr gesamter Körper tobte, war entzündet, ihre Knie und Schultern geschwollen und steif. Die Kakerlaken vergessend glitt sie auf den kalten Boden und setzte sich hin. Es fühlte sich gut an alleine zu sein. Es fühlte sich gut an ohne Stargazers holprigen Gang zu sitzen, der sie hin und her wiegen ließ. Sie seufzte und schüttelte ihren Kopf, konzentrierte sich wieder auf die Medikamente. Methotrexat, ja. Aspirin, ja. Sie wollte auch eine NSAID, aber sie konnte es sich nicht leisten … Belimumab, ja. Fischöl, ja; die war wie eine Bowlingkugel beim Herunterschlucken und sie hustete, versuchte sie dazu zu bringen sich zu drehen.

»Tochter? Geht es dir gut?«

»Ja, ich bin okay, danke, äh, Papa.«

Vitamin E, ja. D3, auslassen; sie hatte genug Sonne. Zu viel wahrscheinlich. Doppelte Dosis Kurkuma für die Gelenkschmerzen, Spirulina, Magnesium, MSM, DHEA … das war es für heute Nacht. Als ob das nicht genug wäre. Abbie stürzte die Letzte herunter, ließ ein kleines bisschen Wasser in der Feldflasche. Sie fegte die Flaschen zurück in ihren Badezimmerbeutel, zog sich schnell um und putzte ihre Zähne, hielt nicht inne, um ihr Spiegelbild zu überprüfen. Sie wollte den Ausschlag nicht sehen; sie konnte ihn gut genug spüren, und wenn sie ihn ignorierte, würde er bis zum Morgen vielleicht schwinden. Abbie seufzte sehnsüchtig in Richtung der Dusche, verließ dann das Badezimmer.

Oben betraten sie leise das Zimmer. Die Deckenlampe war aus, aber Rutha rollte sich herum.

»Jemand hat geschrieben, Liebes.«

»Mir?«, fragte Rubald, während er durch seinen Rucksack wühlte.

»Nein, nicht du-Liebes, Abbie-Liebes«, stellte Rutha klar, als ob die Ex-Prinzessin seit zwei Tagen zu kennen ihr jedes Recht gab sie »Liebes« zu nennen. Abbie nuschelte eine Entschuldigung und fummelte in ihren Laken herum, bis sie es fand. Sie wusste von wem die Nachricht sein würde.

Liebe Abbie, ich bin so erleichtert zu erfahren, dass du sicher bist. Bitte ruf mich am Morgen an; wir haben viel zu besprechen—Onkel Ed

Wow, Semikola in einer SMS. Entspann dich, Onkel Ed. Sie lächelte knapp, bevor sie das Handy verstummen ließ, es lud und für die Nacht auf der schwindenden Matratze kollabierte, nur um auf die Zimmerdecke zu starren.




KAPITEL ZWÖLF







FÜNF SIT-UPS MEHR. Fünf Sit-ups mehr und dann konnte Edward sein Handy überprüfen. Er war beinahe mit Set fünf seines Fitness-Pyramidentrainings fertig und hatte bereits beschlossen, dass er nicht wieder sein Training unterbrechen würde, um es zu überprüfen. Er würde es zwischen den Sets überprüfen und er würde es am Ende überprüfen, aber es gab keinen Grund sich deswegen anzustellen. Außer es klingelt, sagte er zu sich selbst, während er auf die Füße kam. Wenn es klingelt, ist das eine andere Geschichte.

»Ihr seid hinterher, Sir.« Lieutenant James grinste ihn mit rotem Gesicht an. Er hing bereits zwei Sets hinter jedem her, obwohl jeder zu höflich war es zu erwähnen. Leibesübungen, obwohl die eines seiner am wenigsten liebsten Dinge waren, fühlten sich einfacher mit seiner alten Kompanie an, und da er dabei war von, na ja, allem das Sagen zu haben, hatten sich seine Berater nicht beschwert.

»Er wartet darauf, dass ein Määädchen anruft«, hechelte Simonson in einem Singsang zwischen Sit-ups, seine walnussfarbene Haut glänzte. »Ich vermute das Gras ist nicht immer grüner auf der anderen Seite …«

Edward war die Hänselei gewohnt und schüttelte nur seinen Kopf, grinste, als er mit seinen Liegestützen begann. Kompanie D war bis zu seiner abrupten Beförderung, die auf Lincolns versuchten Putsch gefolgt war, Zuhause gewesen. Seine Sit-ups wurden schneller, während er daran dachte. Er prüfte sein Handy, während er verschnaufte. Keine Anrufe, keine SMS, noch immer nicht. Es war 6.30 Uhr am Morgen; er war sicher Rubald würde sie inzwischen auf die Straße gebracht haben. Wenn nicht, hätten sie keine Chance es zum Frachter zu schaffen. Sie würde bald anrufen … hoffte er.

Edward wollte gerade sein Handy auf den Baumstumpf zurücklegen, als es zu klingeln begann. Die Männer um ihn herum brachen in spontanen Applaus aus und er wich von der Gruppe zurück, um besser hören zu können.

»Hallo?«

»Guten Morgen, Edward … wie geht es dir?« Edward zuckte zusammen und schüttelte seinen Kopf und die Eigenart breitete sich schnell auf die Männer um ihn herum aus.

»Mir geht es gut, Crescena, wie geht es dir?«

»Mir geht es sehr gut, ich danke dir. Ich mache mir jedoch Sorgen um dich.«

»Das ist sehr aufmerksam von dir, aber mir geht es gut. Wirklich.«





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Eine Prinzessin rennt aufgrund einer chronischen Krankheit vor ihren Pflichten davon, findet aber fünf Jahre später heraus, dass ihr Heiratsvertrag noch immer bindend ist. Sie lässt sich auf eine Reise über wilde, ungezähmte, magiebeladene Länder ein, in der Hoffnung ihren Vater noch einmal zu sehen, bevor er stirbt, und irgendwie aus diesem Vertrag herauszukommen, obwohl sie ihren Verlobten liebt. Publishers Weekly sagt in einer Sternebewertung: »Fans von Final Fantasy werden Wests Debüt genießen, ein dynamisches Abenteuer zum Verschlingen, dessen technokratische Fantasiewelt auf ein großzügiges Verständnis der alltäglichen Einschränkungen und Liebe basiert. Diese perfekte Mischung zeigt soziales Bewusstsein, versetzt einen in Staunen und ist unvergesslich amüsant.« Wie sagt man seinem besten Freund, dass man ihn doch nicht heiraten kann? Abelia ist mit ihrer niederen Arbeit und ihrem winzigen Apartment zufrieden. Als royale Abgesandte eintreffen, um den Heiratsvertrag durchzusetzen, von dem sie dachte, dass er unwirksam war, hat sie nicht die Absicht gehabt mit ihnen das Unverschleierte zu durchqueren. Aber die Alternative bedeutet, dass sie die Möglichkeit verliert sich von ihrem sterbenden Vater zu verabschieden, und dass fünf Jahre der Stille das Letzte sein wird, was sie teilten … Edward wird unerwartet sein Königreich überreicht, als sein Bruder auf Abwege gerät. Jetzt muss er einen Krieg führen, von dem er nicht glaubt, dass er ihn gewinnen kann. Die einzige Aufgabe, die noch beängstigender ist, wird sein das Mädchen, das er sein ganzes Leben lang geliebt hat, davon zu überzeugen, dass sie kooperiert… wenn sie ihn nur zurückrufen würde. Niemand ist jemals aus einem internationalen Heiratsvertrag herausgekommen. Kann Abbie rechtzeitig ein Schlupfloch finden, um das Leben zu bewahren, welches sie sich zu leben erkämpft hat? Die Ex-Prinzessin ist das erste Buch der Grenz-Chroniken. Du wirst Fiona Wests Herz und Verstand in diesem Fantasy-Liebesroman lieben. Hol dir jetzt dein Exemplar!

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