Книга - Sein Geliebter Wildfang

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Sein Geliebter Wildfang
Amanda Mariel


Werden sich zwei gesellschaftliche Außenseiter gegen äußere Umstände durchsetzen können und wahre Liebe finden? Der Marquess of Gulliver, Seth Mowbray, hat keine eigene Familie. Wenn er sich nicht in Gesellschaft seiner guten Freunde, des Dukes und der Duchess of Selkirk befindet, ertränkt er seine Einsamkeit, indem er sich den anrüchigen Dingen widmet, die das Leben zu bieten hat. Lady Constantine Hartley scheint sich den Regeln der Gesellschaft nicht beugen zu können. Zudem haben die gesellschaftlichen Zwänge ihr jedes Vergnügen genommen. Weshalb sich also abmühen? Sie hat beschlossen, den gesellschaftlichen Druck diese Saison zu ignorieren und sich einfach zu amüsieren.Nach einer zufälligen Begegnung ist Seth von dem Wildfang fasziniert. Auch Constantine ist vom Marquess hingerissen. Werden sich die beiden gesellschaftlichen Außenseiter gegen die äußeren Umstände durchsetzen können und wahre Liebe finden?





Amanda Mariel

Sein Geliebter Wildfang




SEIN GELIEBTER WILDFANG




AMANDA MARIEL




Übersetzt von LUISE PAWLIG



Für meinen Mann – meinen Lieblings-Halunken unter all denen, die sich gebessert haben.


Ich liebe dich!



Der Marquess of Gulliver, Seth Mowbray, hat keine eigene Familie. Wenn er sich nicht in Gesellschaft seiner guten Freunde, des Dukes und der Duchess of Selkirk befindet, ertränkt er seine Einsamkeit, indem er sich den anrüchigen Dingen widmet, die das Leben zu bieten hat.




Lady Constantine Hartley scheint sich den Regeln der Gesellschaft nicht beugen zu können. Zudem haben die gesellschaftlichen Zwänge ihr jedes Vergnügen genommen. Weshalb sich also abmühen? Sie hat beschlossen, den gesellschaftlichen Druck diese Saison zu ignorieren und sich einfach zu amüsieren.




Nach einer zufälligen Begegnung ist Seth von dem Wildfang fasziniert. Auch Constantine ist vom Marquess hingerissen. Werden sich die beiden gesellschaftlichen Außenseiter gegen die äußeren Umstände durchsetzen können und wahre Liebe finden?



Bei diesem Werk handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Vorkommnisse sind entweder Produkte der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv genutzt.




Copyright © 2020 by Amanda Mariel


Titel der englischen Originalausgabe: »His Perfect Hellion«


Herausgegeben von Brook Ridge Press




Für die deutschsprachige Ausgabe:


Copyright © 2020 by TekTime


Alle Rechte vorbehalten


Übersetzt von Louise Pawlig




Kein Teil dieses Buches darf vervielfältigt, oder in einem Datenabfragesystem gelagert, oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise übertragen werden, weder elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet noch anderweitig, ohne die ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des Verlegers.




Herausgegeben von TekTime.




KAPITEL 1




April 1818

London


In ihren eigenen Augen war Lady Constantine Hartley im Grunde keine Lady.

Dass ihr der notwendige Schliff fehlte, war nur eine ihrer vielen Unzulänglichkeiten. Die Tatsache, dass sie den größten Teil ihres Lebens zurückgezogen auf dem Land ohne die sanfte Hand einer Mutter verbracht hatte, hatte sie nicht gut auf die gehobene Gesellschaft Londons vorbereitet.

Niemand konnte bestreiten, dass sie in vielerlei Hinsicht unvollkommen war. Und dennoch war sie eine Lady. Der Unsinn von Stellung und sozialem Rang wollte ihr nicht einleuchten. Wie jemand Teil der gehobenen Gesellschaft sein konnte, ohne gänzlich von ihr akzeptiert zu sein, überstieg ihren Verstand.

Constantine ließ ihren Blick an der Tafel entlangschweifen. Sie musterte die elegant gekleideten Lords und Ladys, die um sie herum saßen.

Ihr eigenes Kleid war genauso elegant wie das jeder anderen Anwesenden. Juwelen schmückten ihren Hals und funkelten an ihren Ohren und ihr Haar war gekonnt zu einem modischen Knoten hochgesteckt, so dass einige gelöste Locken ihr Gesicht umspielten.

Tatsächlich wirkte Constantine ganz wie die wohlgeborene Lady, die sie war. Sie seufzte. Trotzdem konnte ihre äußere Erscheinung nicht über ihre mangelnden Umgangsformen hinwegtäuschen, das wusste sie nur zu gut.

Es bedeute rein gar nichts, dass sie elegant und vornehm aussah, wenn sie es nicht wirklich war. Da gab sich Constantine keinen Illusionen hin. Sie kannte die Wahrheit – sie war nicht damenhaft.

Wenn sie daran noch den geringsten Zweifel gehegt hätte, hätte spätestens die letzte Saison sie eines Besseren belehrt. Sie hatte sich bei mehreren Gelegenheiten blamiert, indem sie Regeln gebrochen hatte, bei denen ihr nicht einmal bewusst gewesen war, dass sie überhaupt existierten und sich so zum Gespött gemacht.

Schlimmer noch, je mehr Fehler sie beging, desto unsicherer fühlte sie sich, was nur dazu geführt hatte, dass sie noch mehr Fehler machte.

Gegen Ende der Saison hatte Constantine sich nichts sehnlicher gewünscht, als aufs Land zurückzukehren und den Rest ihres Lebens als Einsiedlerin zu verbringen oder einen Landedelmann zu heiraten und sich mit einem ruhigen Leben zu bescheiden. Auf jeden Fall hatte sie nicht in die gehobene Gesellschaft Londons zurückkehren wollen.

Constantines Blick blieb am Ende der Tafel hängen.

Tante Dorthy, die Witwe des Viscounts of Chadwick, thronte stolz über ihrer Abendgesellschaft und schmerzliches Bedauern stieg in Constantine auf. Um ihrer Tante willen wünschte sie, sie hätte sich nicht als eine solche Enttäuschung erwiesen. Schließlich hatte ihr Tantchen mehr getan, als nötig gewesen wäre, um Constantine in die gehobene Gesellschaft einzuführen.

Und Constantine hatte ihre Bemühungen bei jeder Gelegenheit zunichte gemacht. Mit fortschreitender Saison hatte ihr zunehmendes Unbehagen zu mehr und mehr Fehlschritten und Fauxpas geführt.

Sie ging jede Wette ein, dass niemand in den begehrten Kreisen der Gesellschaft sie zu sich einladen würde, wenn da nicht der soziale Status ihres Tantchens wäre.

Gerade, als Constantine dieser Gedanke durch den Kopf ging, erwiderte Tante Dorthy ihren Blick und schenkte ihr ein warmes Lächeln.

So war die Viscountess – freundlich, verständnisvoll und immer ermutigend.

Das war auch der Grund, aus dem ihr Tantchen trotz ihres Versagens darauf bestanden hatte, dass Constantine für eine weitere gesellschaftliche Saison zurückkehrte. Und Constantine liebte sie dafür, auch wenn sie selbst nicht glücklich über ihre Rückkehr war.

Constantine stieß den Atem aus und erwiderte das Lächeln ihrer Tante, bevor sie nach ihrem Suppenlöffel griff.

Um ihrer Tante willen würde sie ihr Bestes geben, aber sie war auch fest entschlossen, sich nicht von ihren Fehlern beherrschen zu lassen.

Diese Saison würde es anders sein.

Wenn sie schon eine weitere Saison über sich ergehen lassen musste, konnte sie ebenso gut versuchen, sie zu genießen. Was bedeutete, dass sie ihr Bestes tun würde, die vielen Regeln für wohlgeborene junge Damen zu befolgen, aber sie würde nicht an ihren Fehltritten verzweifeln.

Constantine rührte mit ihrem Löffel in der dickflüssigen braunen Suppe vor ihr. Sie hasste Schildkrötensuppe, aber sie hatte gelernt, dass es unhöflich war, sich ihren Abscheu anmerken zu lassen.

Das hatte ihr Tantchen ihr erklärt, nachdem Constantine während der letzten Saison einen Gang abgelehnt hatte. »Das war der Inbegriff schlechter Manieren«, hatte ihr Tantchen erklärt. Dann hatte sie hinzugefügt: »Spiel einfach damit, so dass es aussieht, als würdest du davon essen.«

Das erschien Constantine ziemlich unsinnig. Aber sie rührte mit ihrem Löffel geräuschvoll in der Suppe, während sie auf den nächsten Gang wartete.

»Ihr nehmt den falschen Löffel«, unterbrach eine tiefe Stimme sie und Constantine wandte sich dem Herrn an ihrer linken Seite zu.

Ihr Mund wurde ganz trocken, als sie ihn einzuschätzen versuchte. Er war der Traum jeder Debütantin – groß, dunkelhaarig, gutaussehend – und einen Moment lang konnte sie ihn nur anstarren.

Haar von der Farbe schwarzer Tinte umrahmte sein Gesicht und saphirblaue Augen blickten sie freundlich an. Seine Gesichtszüge waren vornehm mit einer geraden Nase und einem markanten Kinn.

Am faszinierendsten jedoch war das verwegene Funkeln, das in seinem Blick lag und die herausfordernde Andeutung eines Grinsens, das um seinen vollen Lippen spielte.

Constantine schluckte, ignorierte die Hitze, die ihr ins Gesicht gestiegen war, und erwiderte: »Ach, tatsächlich?« Sie hob herausfordernd eine Braue und zwang sich zu innerer Ruhe.

Das Grinsen des Herrn wurde breiter. »Ja, in der Tat.«

Constantines Schultern versteiften sich. »Ich nehme an, das ist der Moment, in dem ich vor Scham leuchtend rot anlaufen, meinen Fehler korrigieren und Euch danken sollte.« Sie achtete nicht auf das Glühen ihres Gesichts und auf das leichte Zittern in ihrer Stimme. Sie würde es ihrem Unbehagen nicht gestatten, sie gänzlich zu überkommen.

»Nun, da Ihr es erwähnt – Ihr seid tatsächlich errötet.« Das Grinsen des Mannes wurde zu einem breiten Lächeln, in dem Belustigung schwang. »Und in der Tat wäre das die zu erwartende Antwort.«

»Vielleicht bin ich dann etwas ungewöhnlich, denn ich werde mich nicht entschuldigen«, gab Constantine zurück und überging die Tatsache, dass er bemerkt hatte, wie rot sie geworden war. »Ich werde auch den Löffel nicht wechseln.«

»Zweifellos seid Ihr äußerst ungewöhnlich.« In seiner Stimme klang zunehmendes Interesse durch, als er fortfuhr. »Miss…« Er sah sie erwartungsvoll an.

»Hartley«, half sie ihm aus. »Lady Constantine Hartley.« Verflixt! Sie war in ein weiteres Fettnäpfchen getreten und dabei hatten sie noch nicht einmal die Suppe hinter sich gebracht.

Wie war es überhaupt möglich, dass sie neben einem Gentleman platziert worden war, den man ihr nicht vorgestellt hatte? Das war wohl kaum ihre Schuld. Oder?

»Lady Constantine Hartley…« Seine Worte verklangen, als er sie musterte, während er mit seinen langen Fingern über seine Krawatte strich. »Der Name steht Euch.«

Constantine schenkte ihm ein feines Lächeln, das ihre Lippen nur andeuteten. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Suppe zu. Sie tat ihr Bestes, den Knoten zu ignorieren, der sich in ihrem Magen gebildet hatte und rührte weiter in dem verhassten Essen in ihrer Schale herum. Was sie empfand, war ungewöhnlich. Das, und Tatsache, dass sie sich nicht sicher war, ob ihre Reaktion von den Nerven herrührte – oder von etwas ganz anderem.

»Lord Gulliver.« Seine tiefe Stimme sandte ein angenehmes Prickeln durch ihren Körper.

Constantine neigte den Kopf, um den gutaussehenden Fremden anzusehen. »W-wie bitte?«

»Mein Name. Lord Gulliver. Seth Mowbray, Marquess of Gulliver, um genau zu sein.« Er legte seinen Löffel beiseite und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf sie. »Es ist mir ein Vergnügen, Eure Bekanntschaft zu machen.«

»Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, seufzte Constantine. In ihrem Magen flatterte es auf einmal, als ob ein Sperling mit den Flügeln in dem verzweifelten Versuch schlüge, zu entkommen. Daraus schloss sie, dass das, was sie empfand, wenig mit den Nerven zu tun hatte. Sie würgte den Knoten in ihrer Kehle herunter, dann neigte sie zustimmend den Kopf.

Mit heißen Wangen wandte Constantine ihre Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu. Sie fühlte sich aufs Äußerste beschämt und war angesichts der Reaktionen ihres Körpers verwirrt.

Sie war dankbar für die Stille, die herrschte, als der Fisch aufgetragen wurde und die auch beim Hammelfleisch und beim Rinderbraten danach anhielt. Als allerdings der Salat gereicht wurde, wandte Lord Gulliver Constantine wieder seine Aufmerksamkeit zu.

»Woher kommt Ihr?«, fragte er.

»Carlisle«, entgegnete sie, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Ich bin in Carlisle aufgewachsen.«

»Ein Landmädchen also.«

Sie verengte die Augen und sah ihn an. »Passt Euch etwas nicht an Mädchen vom Land?«

»Ganz und gar nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt finde ich Euch recht erfrischend.«

Sie unterdrückte ein Aufstöhnen, während ihre Wangen heiß anliefen. Wieso brachte dieser Mann sie immer wieder zum Erröten? Constantine täuschte Gleichgültigkeit vor und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Mahlzeit.

»Wieso bin ich Euch nicht schon eher in London begegnet?« Seine Stimme klang näher und ihr Pulsschlag beschleunigte sich.

Sie ließ sich Zeit, als sie auf dem Käsestück kaute, das sie sich einen Augenblick zuvor in den Mund geschoben hatte. Als sie es heruntergeschluckt hatte, erwiderte sie seinen Blick. »Ihr habt wohl nicht richtig hingesehen.«

Sie wandte sich ab und schalt sich wegen ihrer bissigen Antwort. Sie musste ihre Zunge besser im Zaum halten. Davor hatte ihr Tantchen sie schon oft gewarnt, aber manchmal konnte Constantine sich einfach nicht zurückhalten.

Lord Gulliver machte sie auf eine Weise nervös, wie es noch niemand zuvor getan hatte. Er brachte ihren Herzschlag zum Rasen und weckte Schmetterlinge in ihrem Bauch. Ganz zu schweigen von den Hitzewallungen, die sie auf einmal plagten.

Das hier war mehr als Unbehagen. Und es war wirklich beunruhigend. Wenn das so weiterging, wusste sie nicht, wie sie das Dinner überstehen sollte.

Vielleicht würde ihre unverschämte Antwort ihn während der letzten Gänge von ihr fernhalten – dann wäre alles gut.

Es dauerte nicht lange, ehe ihre Hoffnungen zerschlagen wurden, denn mit den Desserts wurde ihr Lord Gullivers erneute Aufmerksamkeit zuteil. Als sie die Gabel in ihr letztes Stück überbackenen Custard stieß, neigte er sich zu ihr hin und flüsterte: »Ich habe einmal einen Frosch zum Dinner gebracht und ihn beim letzten Gang freigelassen.«

Constantine sah ihn mit großen Augen an. »Das habt Ihr nicht!«, rief sie ungläubig.

Er nickte ihr ernst zu. »Das habe ich allerdings. Und schlimmer noch, das Tier sprang geradewegs auf den Schoß meiner Schwester, die daraufhin Hals über Kopf vom Tisch gestürzt ist.«

Constantine musste lachen und presste sich die Hand vor den Mund, um es zu unterdrücken. Eigentlich sollte sie jetzt erröten und auf ihren Gefühlsausbruch beschämt reagieren, der so ganz und gar nicht ladylike war. Aber aus irgendeinem Grund schämte sie sich nicht im Geringsten.

Fasziniert legte sie ihre Gabel beiseite und neigte sich leicht zu Lord Gulliver hin. »Erzählt mir mehr«, bat sie und hob interessiert eine Augenbraue. »Wie alt wart Ihr? Habt Ihr dafür Ärger bekommen?«

Bevor er etwas erwidern konnte, drang die Stimme der Viscountess durch das Esszimmer, »Meine Damen, begeben wir uns doch ins Empfangszimmer, während die Herren ihren Brandy genießen.«

Seufzend erhob sich Constantine. Als sie Lord Gullivers sanfte Berührung am Handgelenk spürte, hielt sie inne. Ihr Blick traf auf seine saphirblauen Augen. Ihre Lippen öffneten sich überrascht. Nie zuvor hatte ein Mann sie so unverfroren berührt – in solcher Vertrautheit.

»Ich werde Euch Eure Fragen das nächste Mal beantworten, wenn sich unsere Wege kreuzen.« Er ließ ihr Handgelenk los und wandte sich mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen ab.

Constantine verspürte den plötzlichen Drang, dafür zu sorgen, dass sie einander eher früher über den Weg liefen als später.




KAPITEL 2




Eine Woche später

Auf dem Anwesen des Dukes und der Duchess of Selkirk


Seth Mowbray, der Marquess von Gulliver, blinzelte im Licht der Morgensonne, als eine weibliche Gestalt in sein Blickfeld kam.

Eine zierliche Frau saß im Gras am Ufer des Baches. Sie hatte die Knie unter ihren Röcken angezogen und ihre Haube lag samt ihren Stümpfen neben ihr im Gras.

Ihm stockte der Atem, als er ihr Gesicht erkannte, und er beschleunigte seine Schritte. Die Frau war niemand anderes als Lady Constantine Hartley.

Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und erwiderte seinen Blick.

Neckend lächelte er ihr zu. »Es scheint Euch zu gefallen, die Grenzen des Anstands auszureizen«, scherzte er und ließ seinen Blick über sie wandern. Beim Anblick ihrer nackten, kleinen runden Zehen hielt er inne. Er verspürte plötzlich den Drang, sie zu streicheln. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr hübsches Gesicht. »Nicht, dass ich mich darüber etwa beklagen wollte.« Er zwinkerte ihr zu, um noch eins draufzusetzen.

Sie errötete und ihre pfirsichfarbene Haut färbte sich rosig. »Ich hatte nicht damit gerechnet, jemandem zu begegnen«, erwiderte sie und griff nach ihren Strümpfen.

»Meinetwegen müsst Ihr Euch nicht anziehen.«

»Ich bin wohl kaum nackt.« Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Mit gerunzelter Stirn, die geschwungenen Lippen geschürzt, schüttelte sie den Kopf.

»Das ist allerdings bedauerlich«, sagte er gedehnt und trat näher auf sie zu.

Ihre Wangen färbten sich leuchtend rot. Constantine richtete ihre Aufmerksamkeit auf die vor ihr liegende Aufgabe und hielt den Blick auf ihren Strumpf gerichtet, während sie ihn über den Fuß zog und ihn über ihre Wade nach oben schob.

Seth unterdrückte ein sehnsuchtsvolles Stöhnen und ließ sich neben ihr nieder. »Ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Ich wollte Euch nur ein Kompliment aussprechen. Ihr seid eine schöne Frau, Lady Constantine. Ich kann nicht umhin, mir vorzustellen, dass Ihr noch atemberaubender seid, wenn Ihr nicht mit Musselin und Flitterkram bedeckt seid.«

»Das ist wohl kaum wohl kaum ein angemessenes Thema für eine Konversation, Mylord.« Sie lächelte. »Aber ich danke Euch für das Kompliment und möchte Euch bitten, von diesem Gesprächsthema Abstand zu nehmen.«

»Verbringt Ihr viel Zeit draußen mit nackten Füßen?«

»Lord Gulliver!«, schalt sie.

Seth gab sich geschlagen und hob die Hände. »Nun gut, was haltet Ihr für ein angemessenes Gesprächsthema?«, fragte er.

Während sie sich mit ihren knöchelhohen Stiefeln abmühte, antwortete sie: »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich weiß, dass das vorige Thema eindeutig unangemessen ist.« Ihre Schultern hoben und senkten sich leicht, als sie einen Seufzer ausstieß. »Vielleicht sollten wir uns über das Wetter unterhalten?«

»Das wäre ausgesprochen langweilig.« Er schüttelte den Kopf. »Da werdet Ihr Euch schon mehr Mühe geben müssen.«

Sie griff nach ihrer Haube und sah sie voller Bedauern an, ehe sie sie aufsetzte. Die weite Krempe bedeckte ihr Gesicht so, dass er nicht länger die Empfindungen in ihren warmen goldbraunen Augen lesen konnte.

Es juckte ihn in den Fingern, ihr das monströse Ding abzunehmen, um ihr das Haar zu lösen. Er ging jede Wette ein, dass die honigfarbenen Locken sich unter seiner Berührung seidenweich anfühlen würden.

»Ah…«, begann sie und stieß den Atem aus. Dann reckte sie das Kinn in die Höhe. »Über Politik oder gelehrte Themen können wir nicht sprechen. Wir können auch keinen Klatsch austauschen oder von privaten Angelegenheiten sprechen. Ich fürchte, Religion kommt auch nicht in Frage.« Sie runzelte die Stirn und schüttelte leicht den Kopf. »Dann bleibt uns also nur das Wetter.«

Sie erhob sich und drehte sich zu ihm um. »Es ist ein bezaubernder Tag, findet Ihr nicht auch?«

»In der Tat«, sagte er langsam und erhob sich ebenfalls. »Würdet Ihr mich auf einen Spaziergang begleiten?«, fragte er und bot ihr den Arm.

Constantine legte ihre behandschuhte Hand um seinen Ellbogen.

»Warum über das Wetter sprechen, wenn es so viele Dinge gibt, die interessanter sind?«, fragte Seth vorwurfsvoll.

»Weil es Damen nicht gestattet ist, von jenen interessanteren Dingen zu sprechen.«

»Ich werde es nicht weitersagen, wenn Ihr es doch tut.« Er zwinkerte ihr zu. »Das verspreche ich Euch.«

»Oh!«, rief sie, »Jetzt weiß ich! Wenn ich mich recht erinnere, seid Ihr nie dazu gekommen, mir alles über Euren Streich mit dem Frosch zu erzählen, und ich wüsste so gern, wie es ausgegangen ist.«

Er lachte. Es wärmte ihm das Herz zu sehen, wie sehr sie sich darüber freute, ein angemessenes Gesprächsthema gefunden zu haben. Verlangen flammte in seinem Innern auf, als er sie so sah.

Gott, sie bot schon einen Anblick mit den roten Lippen, auf denen ein Lächeln lag und mit den funkelnden Augen. Er wollte sie unbedingt näher kennenlernen.

Küssen wollte er sie auch, aber dazu war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Stattdessen sagte er: »Ich werde es Euch anvertrauen, aber nur, wenn Ihr versprecht, mir eine Geschichte von Euch zu erzählen, wenn ich meine beendet habe.«

»Also gut.« Sie nickte.

Seth führte sie am Ufer des Baches entlang und die warmen Strahlen der Sonne wärmten ihm den Rücken, als er die Geschichte begann. »Wie ich schon sagte, brachte ich einen Frosch mit zum Dinner. So einen richtig schön großen grünen. Als ich ihn freiließ, machte er einen einzigen gewaltigen Satz, direkt auf den Schoß meiner Schwester.«

Lady Constantine lachte, wie sie es schon beim letzten Mal getan hatte, als er es ihr so anschaulich erzählt hatte, nur dass sie diesmal nicht versuchte, ihr Lachen zu unterdrücken.

Er freute sich sehr darüber, denn der Klang ihres Lachens tat ihm in der Seele wohl und er mochte das Gefühl, das es in seinem Innern auslöste. Leicht und unbeschwert, fast so, als sei er wieder ein Junge.

»Dorthy, meine Schwester, war damals sechzehn. Sie ist drei Jahre älter als ich und hat gekreischt wie ein überheizter Teekessel, als das Tier auf ihr landete. Sofort sprang sie von ihrem Stuhl hoch und stürzte Hals über Kopf aus dem Esszimmer.«

»Habt Ihr dafür sehr viel Ärger bekommen?«, fragte Constantine mit mitleidigem Gesichtsausdruck.

Er grinste spitzbübisch. »Vater und Mutter schimpften mit mir und schickten mich auf mein Zimmer, aber das hat mich nicht von weiterem Unfug abgehalten.«

Er warf ihr von der Seite her einen Blick zu und sonnte sich in der Enttäuschung, die sich auf ihrem herzförmigen Gesicht abmalte. »Jetzt seid Ihr dran. Was ist das Schlimmste, das Ihr angestellt habt?«

Sie stieß einen hörbaren Seufzer aus. »Als kleines Mädchen?«

Er schüttelte den Kopf. »In Eurem ganzen Leben«, erwiderte er. Dann wartete er schweigend, während sie an seiner Seite herging und anscheinend über die Aufforderung nachdachte.

Constantine starrte auf das Wasser, das im Bach neben ihnen herplätscherte. »Ich fürchte, ich kann mit nichts aufwarten, das so frech wäre wie Eure Eskapade mit dem Frosch.«

»Jetzt kommt schon. Sicher gibt es da etwas in Eurer Vergangenheit.«

»Also gut. Einmal habe ich einen meiner Schuhe in den Fluss geworfen, der hinter unserem Haus fließt. Später habe ich dann behauptet, er sei verloren gegangen.«

Er warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Daran kann ich nichts Freches finden.«

»Ich tat es mit Absicht. Die Mägde suchten tagelang nach ihm, aber sie haben das schreckliche Ding nie gefunden.«

»Weshalb solltet Ihr so etwas tun?« Er sah sie an und hob fragend eine Braue.

»Ich wollte lieber meine Stiefel tragen.« Sie grinste.

»Und was ist mit Euren Geschwistern?«, fragte er. Er wollte mehr über sie herausfinden.

Constantines Gesichtsausdruck wurde ernst. »Ich habe keine.« Als sie fortfuhr, wich sie seinem Blick aus. »Ich habe mir immer Schwestern gewünscht, aber nachdem meine Mutter gestorben ist, hat mein Vater nie wieder geheiratet.«

Seth zog sie sanft zu sich herum und stellte sich vor sie, so dass sie einander gegenüberstanden. »Wie alt wart Ihr, als Eure Mutter starb?« Er wusste, dass es ihn nichts anging und dass er ihr diese Frage nicht stellen sollte, aber er konnte sich nicht zurückhalten. Etwas an dieser Frau faszinierte ihn. Er wollte sie auf eine Weise kennenlernen, wie er noch nie zuvor jemanden kennengelernt hatte.

»Sieben«, sagte sie und ihr brach die Stimme. »Danach ist Vater mit mir auf sein Landgut gezogen. Er hat sich vor der Welt zurückgezogen – und mich mit ihm.«

Der Schmerz in ihren Augen löste ein Gefühl der Beklemmung in seiner Brust aus. Er hob eine Hand und legte sie an ihre Wange. »Das tut mir leid.«

»Das muss es nicht.« Sie erwiderte seinen Blick und ihr Rücken spannte sich leicht an. »Es war gar nicht so schlimm. Tatsächlich gefällt mir das Landleben sehr gut. Nur die Einsamkeit hat mich gestört.«

»Mit Einsamkeit kenne ich mich gut aus«, entgegnete Seth, seine Hand noch immer an ihrer Wange. »Davon habe ich reichlich gehabt. Ich kann meine Situation nicht mit der Euren vergleichen, denn ich hatte eine Familie. Allerdings wussten sie mit mir nichts weiter anzufangen. Ich war einfach nur der Erbe. Den größten Teil meiner Kindheit habe ich im Internat oder in der Obhut von Dienern verbracht.«

Ihr Mund öffnete sich leicht, als sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. »Dann sind wir wohl verwandte Seelen – in gewissem Sinne«, fügte sie eilig hinzu.

Er konnte sich nicht besser beherrschen, als ein Verhungernder einer hingeworfenen Brotkrume hätte widerstehen können. Innerhalb eines Sekundenbruchteils legten sich seine Lippen auf die ihren. Seine Zunge erforschte die Süße ihres Mundes, kostete sie aus.

Constantine schlang ihre Arme um seine Schultern und lehnte sich an ihn, als ihre Lippen zueinander fanden. Noch nie hatte Seth ein solches Prickeln gespürt, ein solches Verlangen und eine derartige Sehnsucht, noch nie ein so tiefes Begehren.

Gott hatte diese Frau für ihn geschaffen. Anders konnte er sich den Effekt, den sie auf ihn hatte, nicht erklären, und er konnte sich keinen anderen Grund vorstellen, aus dem er sich so zu ihr hingezogen fühlte.

Constantine löste sich von ihm und unterbrach ihre Verbundenheit. »Da kommt jemand.«

Er streckte die Hand nach ihr aus, entschlossen, sie wieder in seine Arme zu ziehen, aber sie wich ihm aus. Sie wandte sich von ihm ab und nickte der Duchess of Selkirk und deren Schwägerin Lady Celia zu, die in einiger Entfernung auf die Lichtung traten.

Dann wandte sich Constantine wieder zu ihm um. »Ich glaube nicht, dass sie uns gesehen haben.« Sie errötete und sank in einen Knicks. »Guten Tag, Mylord.«

»Wartet – «

Sie unterbrach ihn, indem sie den Kopf schüttelte, drehte sich um und spazierte dann den Damen entgegen, die auf sie zukamen.

Er hätte ihr sagen können, dass ihre Lippen vom Küssen geschwollen waren. Er hätte ihr auch sagen können, dass er sie begehrte. Seth hätte ihr die Haube richten sollen. Aber er tat nichts von alledem.

Stattdessen sah er der sich entfernenden Gestalt nach, ein unbekümmertes Grinsen im Gesicht.




KAPITEL 3


Constantine berührte mit den Fingerspitzen ihre empfindlichen Lippen und sandte ein stummes Gebet zum Himmel. Bitte, Gott, bewahre mein Geheimnis. Ihr Tantchen würde der Schlag treffen, wenn Constantines Ruf ruiniert war. Und ruiniert war er mit Sicherheit, wenn die Duchess und Lady Celia sie dabei gesehen hatten, wie sie Lord Gulliver küsste.

Man könnte sie sogar dazu zwingen, ihn zu heiraten. Bei dieser Vorstellung krampfte sich ihr Magen zusammen. Nicht bei dem Gedanken daran, seine Frau zu werden, sondern bei dem Gedanken, überhaupt die Frau eines einflussreichen Hochadligen zu werden.

Sie wäre für keinen Mann, der in der gehobenen Gesellschaft verkehrte, eine geeignete Frau. Ihr fehlten die notwendigen Fähigkeiten und der nötige Schliff und sie schien unfähig zu sein, es zu erlernen.

Nein. Constantine würde einen Mann wie Lord Gulliver niemals heiraten können. Für sie wäre ein Baron auf dem Land oder ein Landjunker in der Nähe ihres Vaters das Richtige. Ein Mann, der nicht von ihr erwarteten würde, dass sie all die steifen und oft unsinnigen Regeln der Gesellschaft befolgte.

Sie brauchte einen Mann, für den es nicht nötig war, dass sie extravagante Feste und dergleichen ausrichtete, und der sich damit begnügte, dass sie ihm stattdessen den Haushalt führte und Kinder großzog. Wenn sie denn Kinder hätten.

Ihre Gnaden, die Duchess of Selkirk, winkte ihr zu und Constantine winkte zurück. Es nützte wenig, sich nervös zu machen und noch weniger, den Damen aus dem Weg gehen zu wollen. Sie würde sich zu ihnen gesellen und entgegen aller Hoffnung darauf setzen, dass sie nicht gesehen hatten, was sie wenige Augenblicke zuvor getrieben hatte.

Als sie zu den anderen Damen stieß, setzte Constantine ein Lächeln auf und knickste leicht.

»Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass Lord Gulliver bei Euch stand«, sagte Lady Celia.

Constantine wand sich innerlich.

»Ich muss Euch raten, Euch vor dem Charme dieses Halunken zu hüten«, fuhr Lady Celia mit gewichtiger Stimme fort. »Er ist ein guter Freund der Familie, deshalb werde ich nichts Schlechtes über ihn sagen, aber seid trotzdem auf der Hut.«

Constantine nickte zustimmend mit dem Kopf. »Das werde ich.«

Die Duchess of Selkirk schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Bitte begleitet uns doch auf unserem Spaziergang«, sagte sie.

Constantine erwiderte das Lächeln und entgegnete: »Es wäre mir eine Ehre, Euer Gnaden.«

Die Duchess nahm ihren Spaziergang wieder auf, Lady Celia zu ihrer Linken und Constantine zu ihrer Rechten. Sie schob sich eine rötliche Locke aus dem Gesicht. »Wir sind hier unter Freundinnen, Lady Constantine. Bitte nennt mich Julia.«

»Und mich Celia«, fügte Lady Celia in vergnügtem Tonfall hinzu.

Constantine entspannte sich. Die warme Frühlingsluft strich ihr übers Gesicht. »Das zu tun wird mir eine Ehre sein, aber dann müsst ihr mich Eurerseits Constantine nennen.«

Vor zwei Wochen war Constantine Julia und Celia auf einem Ball begegnet. Wie gewöhnlich war Constantine in ein Fettnäpfchen getreten – eines von vielen, in die sie getreten war, weil sie nicht um die Regeln wusste.

Die Duchess und Lady Celia waren dabei gewesen und hatte ihr ausgeholfen. Obwohl das den Klatsch nicht zum Verstummen hatte bringen können, war Constantine ihnen doch dankbar.

Sie freute sich über das Angebot, die beiden Frauen zu ihren Freundinnen zählen zu können und war dankbar für die Einladung nach Huntington Park.

Sie sah Julia an. »Ich muss Euch dafür danken, dann Ihr meine Tante und mich zu Euch eingeladen habt.«

Julia winkte ab. »Bitte macht Euch deswegen keine Gedanken. Ich habe es aus eigennützigen Gründen getan, weil ich Euch besser kennenlernen möchte.«

»Mich?« Constantines Augen weiteten sich kaum merklich. Niemand hatte sich je für sie interessiert. Jedenfalls nicht, wenn es nicht um Klatsch gegangen war oder darum, sich über ihren neusten Fauxpas lustig zu machen. Das war genau der Grund, aus dem sie beschlossen hatte, sich diese Saison um nichts zu scheren.

Und jetzt war sie hier auf dem Anwesen eines Dukes und einer Duchess of Selkirk! Und die Duchess wollte ihre Freundin sein. Vielleicht stimmte es – frisch gewagt war halb gewonnen.

»Sonst sehe ich hier niemanden.« Julia lächelte. »Und ich muss gestehen, dass ich Euch äußerst interessant finde.«

»Ich fürchte, an mir ist rein gar nichts interessant.« Constantine schüttelte den Kopf.

»Aber natürlich seid Ihr interessant«, warf Celia ein.

Julia trat dichter an Constantine heran und sah sie von der Seite an. »Habt Ihr gewusst, dass ich von niederer Abstammung bin?«

Constantine geriet fast ins Stolpern, als sie Julia überrascht ansah. »Das habe ich allerdings nicht.«

»Es ist wahr«, bestätigte Celia. »Mein Bruder hatte sie angestellt, um meine Gesellschafterin zu sein.« Sie grinste frech. »Dann hat er sie zu seiner Duchess gemacht.«

»Wie romantisch!«, rief Constantine.

»Ja, nicht wahr?«, bestätigte Celia und legte ihre Hand aufs Herz.

Constantine nickte zustimmend.

»Bevor ich Celias Gesellschafterin wurde, lebte ich in einem kleinen Cottage in Kent. Mein Vater hatte uns sitzen lassen und meine Mutter war todkrank. Wir waren so arm, dass wir uns nicht einmal Feuerholz leisten konnten – geschweige denn Lebensmittel.«

»Wie seid Ihr dem Duke begegnet?«, wollte Constantine wissen, die vor Neugierde kaum an sich halten konnte.

Celia sah Julia mit neugierigem Blick an. »Das möchte ich allerdings auch gern wissen.«

»Und Ihr seid noch immer zu jung, um diese Geschichte zu hören«, lehnte Julia ab. »Außerdem würde ich gern mehr über unsere neue Freundin erfahren.« Sie griff nach Constantines Hand und drückte sie leicht. »Ich weiß, dass Ihr unter der Schirmherrschaft Eurer Tante steht und dass Euer Vater der Earl of Dartford ist – und dass dies Eure zweite Saison ist, aber sonst nichts. Erzählt Ihr uns, wo Ihr Euch versteckt hattet und weshalb?«

»Ich würde nicht von Verstecken sprechen. Zumindest nicht, was mich betrifft.« Constantine stieß einen wehmütigen Seufzer aus. »Obwohl ich Carlisle London vorziehe.«

Celia klatschte in die Hände. »Oh! Ihr kommt aus Cumbria. Das ist so ein schöner Teil Englands.«

»Ihr seid dort gewesen?«, fragte Constantine.

Celia strahlte. »Schon oft. Mein Bruder hat dort ein Anwesen. Allerdings nicht das Anwesen eines Dukes, sondern ein Landhaus, das unsere Mutter mit eingebracht hat.« Nachdenklich hielt sie inne. »Es liegt gar nicht so weit von Carlisle entfernt. Vielleicht eine Stunde Kutschfahrt. Wenn wir das nächste Mal dorthin kommen, werden wir Euch zum Tee einladen.«

»Das würde mich sehr freuen«, erwiderte Constantine.

Julia stieß sie sanft mit dem Ellbogen an. »Und mich würde es sehr freuen, zu erfahren, weshalb wir erst vor Kurzem Eure Bekanntschaft gemacht haben. Natürlich sind wir Euch während der letzten Saison begegnet, aber wo wart Ihr davor?«

Celia neigte ihr Gesicht in Richtung der Sonne und blinzelte. »Den Gerüchten zufolge seid Ihr vierundzwanzig. Hattet Ihr Euer Debüt so spät?«

»Etwas in der Art.« Constantine seufzte. »Ehrlich gesagt, wollte ich gar keines.«

Celia drehte sich überrascht zu Constantine um. »Wieso denn nicht?«, fragte sie in ungläubigem Tonfall. Sie befanden sich jetzt auf dem Weg zurück zu dem monumental anmutenden Landhaus.

Constantine ließ ihren Blick über die gepflegte Anlage schweifen, auf der hier und da Blumenbeete angelegt waren oder sich ehrwürdige Bäume erhoben. »Ich bin in London fehl am Platze«, erklärte sie. »Mein Vater ist mit mir nach Carlisle gezogen, als ich ein siebenjähriges Mädchen war. Ich habe mein ganzes Leben auf dem Land verbracht, ohne meinen Unterricht abgeschlossen zu haben und ohne eine richtige Gouvernante.«

Sie schloss einen Moment lang die Augen und fühlte sich von der frischen Frühlingsluft getröstet. »Als mein Vater entschied, dass es höchste Zeit für mich sei, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, hat er meine Tante gebeten, mich unter ihre Fittiche zu nehmen.« Sie warf Julia von der Seite her einen Blick zu. »So kommt es, dass ich jetzt hier bin.«

»Und was ist mit Eurer Mutter?«, erkundigte sich Julia.

Constantine würgte an dem Klumpen, der ihr in der Kehle saß. Sie hoffte, dass das Interesse der Duchess aufrichtig war. Dann fühlte sie sich schrecklich, weil ihr dieser Gedanke überhaupt gekommen war. Die Duchess wirkte auf Constantine nicht gehässig. Sie war ungerecht, weil sie es in Erwägung gezogen hatte.

Sie hob das Kinn und lächelte leicht. Diese Frauen waren ihre Freundinnen, ihnen konnte sie sich anvertrauen. »Meine Mutter ist an einem Fieber gestorben. Vater war außer sich… in mancher Hinsicht ist er das noch immer. Seine Trauer ist so tief, dass er sich auf das Land zurückgezogen hat, und mich nahm er mit sich.«

»Wie schrecklich.« Celia runzelte mitleidig die Stirn.

»Ich hoffe, Ihr vergebt mir meine neugierigen Fragen. Ich weiß, dass es als äußerst unvornehm gilt, aber ich fühlte mich zu Euch hingezogen und weiß jetzt, wieso.« Julia schenkte ihr ein warmes Lächeln, das ihre Augen aufleuchten ließ. »Wir werden die besten Freundinnen sein. Ihr werdet sehen.«

Celia nickte in Richtung des Hauses. »Dort ist Mutter«, sagte sie. »Lasst uns Euch ihr vorstellen.« Mit diesen Worten hakte sie sich bei Constantine unter.

Ein Lächeln stahl sich auf Constantines Lippen, als sie bemerkte, dass Lord Gulliver an der Seite der älteren Frau stand. Oh Gott, ihre Wangen wurden ganz heiß.

Celia zog Constantine mit sich, bis sie vor der eleganten Dame standen. Sie war fortgeschrittenen Alters, aber eine Schönheit mir saphirblauen Augen und blondem Haar, das von silbrigen Strähnen durchzogen war. Celia hatte augenscheinlich das Aussehen ihrer Mutter geerbt und konnte sich darüber glücklich schätzen.

Celia trat vor. »Mutter, darf ich Euch mit Lady Constantine Hartley bekannt machen?«

Die ältere Dame lächelte. »Bitte tu das.«

Celia drehte sich zu Constantine um. »Lady Constantine, es ist mir eine Freude, Euch mit meiner Mutter, der Witwe des Dukes of Selkirk, bekannt zu machen.«

»Constantine versank in einem tiefen Knicks. »Euer Gnaden, es ist mir eine Ehre.«

Die verwitwete Duchess ergriff Constantines Hand und drängte sie dazu, sich zu ihrer vollen Größe aufzurichten. »Jede Freundin meiner Tochter ist auch mir eine Freundin.« Sie wandte sich an Lord Gulliver. »Seid Ihr miteinander bekannt?«

Seine Augen schienen zu glühen, als er Constantines Blick erwiderte und sich verneigte. »Allerdings.« Seine Lippen verzogen sich zu einem kecken Grinsen. »Gestattet mir zu bemerken, dass Ihr so reizend ausseht wie immer, Lady Constantine.«

Wärme breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie versuchte, den Blick abzuwenden und stellte fest, dass sie es nicht konnte.

Sehr zu ihrer Erleichterung wandte er seine Aufmerksamkeit jetzt ihren Begleiterinnen zu. »Ihr alle seid atemberaubend in Eurem Liebreiz.«

»Ihr seid ein schamloser Charmeur«, schalt die Witwe. »Nun fort mit Euch.« Sie versetzte ihm einen scherzhaften Klaps mit ihrem Fächer, der aus Seide und Elfenbein gearbeitet war.

Lord Gulliver gluckste. »Also gut.« Seine Augen hielten Constantines Blick fest. »Aber ich freue mich bereits darauf, von Eurer Schönheit bestrahlt zu werden, wenn wir einander das nächste Mal begegnen.«

Mit einem Zwinkern wandte er sich ab und spazierte davon. Ein wenig atemlos sah sie ihm nach. Dann schloss sie die Augen und versuchte, die Hitze in ihren Wangen zum Abklingen zu bringen.

Die Witwe des Dukes schüttelte den Kopf, als sei sie verärgert, obwohl sie wie ein Schulmädchen grinste. »Nehmt Euch nur vor ihm in Acht, Lady Constantine«, warnte sie, »Er ist kein Heiratsmaterial.«

»Obwohl er hinsichtlich des Selbstbewusstseins eines Mädchens wahre Wunder vollbringt.« Celia strahlte ihre Mutter an.

»Und er ist ein Gentleman«, fügte Julia hinzu.

Die Witwe wandte sich nach seiner kleiner werdenden Gestalt um. »Das ist alles ganz richtig, aber er ist doch kein Mann, der sein Herz verschenkt. Jedes Mädchen, das ein Auge auf ihn wirft, wird schmerzlich enttäuscht werden.«

»Das mag schon sein«, sagte Julia und schwieg nachdenklich, während sie ihm nachsah. »Obwohl man auch sagen könnte, dass diejenige, die ihn zum Traualtar führt, sich ausgesprochen glücklich schätzen darf.« Kleine Fältchen bildeten sich um ihre Augen, als sie grinste. »Man sagt ja, dass Halunken die besten Ehemänner abgeben.«

»Nun aber genug.« Die Witwe schwang ihren Fächer. »Ihr werdet Celia noch auf dumme Gedanken bringen.«

Die Warnungen sollten Constantine eigentlich zu denken geben. Schon die Vorstellung von einem Mann wie Lord Gulliver hätte sie abschrecken sollen. Und doch konnte nichts, was die Damen gesagt hatten, ihn aus ihren Gedanken vertreiben. Im Grunde hatte das Gesagte sie sogar beruhigt.

Sie musste sich keine Sorgen über Lord Gullivers Absichten machen. Er war kein Heiratskandidat – und sie war es auch nicht.

Zumindest nicht, sofern es die Lords von London betraf.

Und all das… Es bedeutete, dass sie die Gesellschaft Lord Gullivers genießen konnte, ohne sich zu sorgen. Und genau das hatte sie vor.




KAPITEL 4


Seth konnte den Blick nicht von Lady Constantine abwenden. Er versuchte, auf das zu achten, was Julia und ihr Mann, Charles Kendle, der Duke of Selkirk, sagten, aber er brachte es einfach nicht fertig.

Lady Constantine war viel zu fesselnd in ihrem Kleid aus blauem Taft und den Perlen. Ihr Haar war im Nacken zu einem komplizierten Knoten geschlungen, aus dem sich goldene Locken gelöst hatten und ihr auf den Rücken fielen. Es juckte ihn in den Fingern, sie zu berühren, als er sie in ihrer Schönheit bewunderte.

Sie wandte den Kopf und über die Länge des Saals hinweg kreuzten sich ihre Blicke. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Die Frau war hinreißend. Eine Mischung aus Wildheit und Unschuld, die in einem faszinierenden Wesen miteinander verschmolzen waren.

»Hört Ihr überhaupt zu, Gulliver?«

Wie aus weiter Ferne kam Seth zu Bewusstsein, dass Charles mit ihm sprach, aber er konnte den Blick noch immer nicht von Lady Constantine abwenden. Anstatt weiter gegen das drängende Verlangen in seinem Innern anzukämpfen, winkte er seinen Freunden entschuldigend zu und ging auf Lady Constantine zu.

Zu ihrer Rechten und Linken befanden sich Lady Chadwick und Lady Celia. Die drei unterhielten sich und nahmen hin und wieder einen Schluck von ihrer Limonade.

Als Lady Constantine bemerkte, dass er in ihre Richtung kam, machte sie einen Schritt auf ihn zu.

Seine Schritte wurden unsicher, als Celia eine Hand ausstreckte, woraufhin Lady Constantine innehielt. Dann wandte sie ihm neugierig ihren Blick zu.

Seths Schritte wurden energischer, als er weiter auf sie zuging. Lady Celia neigte sich zu Lady Constantine hinüber und sagte etwas zu ihr.

Was tat das kleine Biest da?

Nachdem Celia verstummt war, ließ sie Lady Constantine los, hakte sich bei Lady Chadwick unter und spazierte davon.

Seth konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als Lady Constantine ihm ihr bezauberndes Lächeln schenkte.





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Werden sich zwei gesellschaftliche Außenseiter gegen äußere Umstände durchsetzen können und wahre Liebe finden? Der Marquess of Gulliver, Seth Mowbray, hat keine eigene Familie. Wenn er sich nicht in Gesellschaft seiner guten Freunde, des Dukes und der Duchess of Selkirk befindet, ertränkt er seine Einsamkeit, indem er sich den anrüchigen Dingen widmet, die das Leben zu bieten hat. Lady Constantine Hartley scheint sich den Regeln der Gesellschaft nicht beugen zu können. Zudem haben die gesellschaftlichen Zwänge ihr jedes Vergnügen genommen. Weshalb sich also abmühen? Sie hat beschlossen, den gesellschaftlichen Druck diese Saison zu ignorieren und sich einfach zu amüsieren.Nach einer zufälligen Begegnung ist Seth von dem Wildfang fasziniert. Auch Constantine ist vom Marquess hingerissen. Werden sich die beiden gesellschaftlichen Außenseiter gegen die äußeren Umstände durchsetzen können und wahre Liebe finden?

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