Книга - Der Tod und Ein Hund

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Der Tod und Ein Hund
Fiona Grace


Ein Lacey Doyle Cozy-Krimi #2
DER TOD UND EIN HUND (ein Lacey Doyle Cozy-Krimi – Buch 2) ist das zweite Buch aus einer bezaubernden neuen Reihe romantischer Krimis der Autorin Fiona Grace.



Lacey Doyle, 39 Jahre alt und frisch geschieden, hat vor Kurzem ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt, denn sie hat ihr schnelles Leben in New York City aufgegeben und sich in dem malerischen englischen Küstenstädtchen Wilfordshire niedergelassen.



Es ist Frühling. Nachdem sie erst vor wenigen Wochen einen Mordfall gelöst hat, beginnt Lacey – nicht zuletzt wegen ihres neuen besten Freundes in Gestalt eines Englischen Schäferhundes sowie ihrer aufkeimenden Beziehung zu dem netten Koch und Konditor aus dem Laden gegenüber – sich so richtig wohl in ihrer neuen Heimatstadt zu fühlen. Und dass sie nun ihre erste richtige Auktion veranstalten kann und dabei auch ein besonders wertvolles, wenn auch mysteriöses Stück unter den Hammer bekommen soll, erfüllt sie erst recht mit freudiger Aufregung.



Zunächst scheint alles problemlos über die Bühne zu gehen, allerdings nur so lange bis zwei mysteriöse Bieter auftauchen, die beide aus Wilfordshire kommen – und von denen einer bei seinem Auftauchen tot ist.



Natürlich stürzen diese Ereignisse das Städtchen in ein schlimmes Chaos und bringen Laceys endlich wieder florierendes Geschäft einmal mehr an den Rand seiner Existenz. Nun stellt sich die Frage, ob es Lacey und ihrem Partner mit der kalten Schnauze gelingen wird, auch dieses Verbrechen aufzuklären und damit ihren guten Ruf zu retten.



Auch Buch #3 der Serie – VERBRECHEN IM CAFÉ – steht schon für Sie zum Vorbestellen bereit!





Fiona Grace

DER TOD UND EIN HUND




DER TOD UND EIN HUND




(Ein Lacey Doyle Cozy-Krimi – Buch Zwei)




FIONA GRACE



Fiona Grace

Die Debutautorin Fiona Grace ist die Verfasserin der LACEY DOYLE COZY-KRIMI Buchreihe, die bisher aus den Romanen MORD IM HERRENHAUS (Buch #1), DER TOD UND EIN HUND (Buch #2) und VERBRECHEN IM CAFE (Buch #3) besteht. Fiona würde sich sehr freuen, von Ihnen zu hören, deshalb besuchen Sie bitte ihre Webseite www.fionagraceauthor.com (http://www.fionagraceauthor.com/) über die Sie kostenlose Ebooks bekommen, wissenswerte Neuigkeiten rund um die Autorin erfahren und mit ihr in Kontakt treten können.








Copyright © 2019 durch Fiona Grace. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jacket image Copyright Helen Hotson, verwendet unter der Lizenz von Shutterstock.com.



BÜCHER VON FIONA GRACE

EIN LACEY DOYLE COZY-KRIMI

MORD IM HERRENHAUS (Buch #1)

DER TOD UND EIN HUND (Buch #2)

VERBRECHEN IM CAFÉ (Buch #3)

EIN VERHÄNGNISVOLLER BESUC (Buch #4)

EIN TÖDLICHER KUSS (Buch #5)

EIN MALERISCHER MORD (Buch #6)

VERSTUMMT DURCH EINEN ZAUBER (Buch #7)

VERDAMMT DURCH EINE FÄLSCHUNG (Buch #8)

KATASTROPHE IM KLOSTER (Buch #9)



EIN TOSKANISCHER WEINGARTEN COZY-KRIMI

EIN ERLESENER MORD (Buch #1)




KAPITEL EINS


Die Glocke über der Tür klingelte. Lacey blickte auf und sah, dass ein älterer Herr ihren Antiquitätenladen betreten hatte, der im Stil des britischen Landadels gekleidet war. In Laceys altem Zuhause, New York City, hätte er damit seltsam gewirkt, doch in dem Küstenort Wilfordshire in England war er damit nur ein typischer Bewohner. Lacey glaubte, ihn noch nie gesehen zu haben, obwohl sie die meisten Bewohnter der kleinen Stadt mittlerweile kannte. Seinem konfusen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, dachte Lacey, dass er sich vielleicht verlaufen hatte.

Als sie seinen hilfesuchenden Blick bemerkte, hielt sie die Sprechmuschel des Telefons zu – mitten in einer Unterhaltung mit der Tierschutzorganisation RSPCA – und rief ihm über die Ladentheke zu: „Ich bin gleich bei Ihnen, ich muss nur noch einen Anruf beenden.“

Der Mann schien sie nicht zu hören. Seine Aufmerksamkeit war jetzt auf ein Regal gerichtet, in dem sich Kristallglasfiguren befanden.

Lacey wusste, dass sie sich bei ihrer Konversation mit der RSPCA beeilen musste, um den verwirrt wirkenden Kunden zu bedienen, also nahm sie ihre Hand wieder von der Sprechmuschel. „Bitte entschuldigen Sie. Könnten Sie das nochmal wiederholen?“

Die Stimme am anderen Ende war die eines Mannes. Er klang ermüdet und seufzte. „Was ich gerade gesagt habe, Frau Doyle, ist, dass ich Ihnen keine Daten von Mitarbeitern geben kann. Dabei geht es um den Datenschutz. Das verstehen Sie doch sicherlich, oder?“

Lacey hatte das alles bereits gehört. Sie hatte die RSPCA zu allererst angerufen, um Chester offiziell zu adoptieren. Er war der englische Hirtenhund, den sie mehr oder weniger mit dem Antiquitätenladen erhalten hatte, in dem sie sich eingemietet hatte (sein bisheriger Besitzer, der das Geschäft vor ihr betrieben hatte, war in einem tragischen Unfall ums Leben gekommen und Chester war bis zu seinem Zuhause zurückgelaufen). Doch dann hatte sie den Schreck ihres Lebens bekommen, als sie die Frau am anderen Ende gefragt hatte, ob sie mit Frank Doyle verwandt war – dem Vater, der sie als Siebenjährige verlassen hatte. Danach brach die Verbindung ab und seither rief sie jeden Tag dort an, um die Frau aufzuspüren, mit der sie gesprochen hatte. Nun schienen jedoch alle Anrufe in ein zentrales Callcenter in der nahegelegenen Stadt Exeter umgeleitet zu werden und Lacey konnte die Frau nicht ausfindig machen, die den Namen ihres Vaters kannte.

Lacey umklammerte den Hörer und kämpfte damit, ihre Stimme zu beruhigen. „Ja, ich verstehe, dass Sie mir ihren Namen nicht sagen können. Aber warum können Sie mich nicht mit ihr verbinden?“

„Nein, Frau Doyle“, antwortete der junge Mann. „Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wer diese Frau ist, haben wir ein System im Callcenter. Die Anrufe werden zufällig zugeteilt. Alles, was ich tun kann – und das habe ich bereits getan – ist, eine Notiz mit Ihren Daten in unserem System zu hinterlassen.“ Er klang nun etwas gereizt.

„Aber was, wenn sie die Notiz nicht sieht?“

„Die Möglichkeit besteht natürlich. Wir haben eine Vielzahl an Mitarbeitern, die nur bei Bedarf auf freiwilliger Basis aushelfen. Die Person, mit der sie gesprochen haben, war vielleicht seit Ihrem Anruf gar nicht mehr in unserem Büro.“

Lacey hatte auch diese Worte bereits gehört. Sie hatte schon unzählige Male angerufen und hoffte jedes Mal auf ein anderes Ergebnis. Die Mitarbeiter im Callcenter schienen von ihr bereits ziemlich genervt zu sein.

„Aber wenn sie eine freiwillige Mitarbeiterin war, bedeutet dass nicht, dass sie womöglich nie wieder zu einer weiteren Schicht kommen wird?“, fragte Lacey.

„Klar. Das kann sein. Dagegen kann ich aber nichts tun.“

Lacey hatte keine Lust mehr, sich weiter einzuschmeicheln. Sie seufzte und gab sich geschlagen. „Okay, trotzdem danke.“

Sie legte auf und sank in sich zusammen. Aber sie würde nicht zu lange darüber grübeln. Ihre Versuche, Informationen zu ihrem Vater zu finden, waren immer schon schwierig gewesen. Machte sie zwei Schritte vorwärts, folgten eineinhalb rückwärts. Sie hatte sich bereits an Sackgassen und Enttäuschung gewöhnt. Abgesehen davon musste sie ihre Kunden betreuen und ihr geliebter Laden stand in Lacey Kopf immer an erster Stelle.

Seitdem die zwei Polizeidetektive Karl Turner und Beth Lewis in einem offiziellen Bescheid anerkannt hatten, dass sie nichts mit dem Mord von Iris Archer zu tun hatte – und dass sie sogar an der Lösung des Falls beteiligt gewesen war – lief ihr Laden wieder so gut wie früher. Er blühte förmlich auf und täglich strömten zahlreiche Kunden herein, die entweder aus der Gegend oder auf Urlaub hier waren. Lacey machte genug Umsatz, um das Crag Cottage zu kaufen (etwas, das sie gerade mit Ivan Parry, ihrem derzeitigen Vermieter, aushandelte), und sie hatte sogar genug Einkommen, um Gina, ihre direkte Nachbarin und gute Freundin, zeitweilig einzustellen. Es war nicht so, dass sich Lacey während Ginas Schicht freinahm – stattdessen lernte sie alles über Auktionen. Es hatte ihr so gefallen, Iris Archers Besitztümer zu versteigern, dass sie ab jetzt jeden Monat eine abhalten wollte. Morgen würde Laceys nächste Auktion stattfinden und sie war bereits voller Tatendrang.

Sie kam hinter dem Tresen hervor – Chester hob seinen Kopf, um wie üblich zu winseln – und ging auf den älteren Herrn zu. Er war ein Fremder, keiner ihrer Stammkunden, und blickte gebannt auf das Fach mit den Kristallballerinas.

Lacey schob ihre dunklen Locken aus dem Gesicht und kam dem alten Mann entgegen.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, fragte sie, als sie sich neben ihn stellte.

Der Mann erschrak. „Um Himmels Willen, Sie haben mich erschreckt!“

„Das tut mir leid“, sagte Lacey, als sie sein Hörgerät entdeckte und sich ermahnte, ältere Menschen zukünftig nicht mehr von hinten zu überraschen. „Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie nach etwas Speziellem suchen oder sich nur umsehen wollen.“

Der Mann blickte wieder auf die Figuren und ein kleines Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit. „Das ist eine lustige Geschichte“, sagte er. „Es ist der Geburtstag meiner verstorbenen Gattin. Ich bin für Tee und Kuchen in die Stadt gekommen, um ihre Erinnerung zu ehren, wissen Sie. Aber als ich an Ihrem Geschäft vorbeigekommen bin, musste ich unbedingt hineinkommen.“ Er zeigte auf die Figuren. „Sofort habe ich die hier entdeckt.“ Er schenkte Lacey ein wissendes Lächeln. „Meine Frau war eine Tänzerin.“

Lacey lächelte zurück, gerührt von der bewegenden Geschichte. „Wie wundervoll!“

„Das war in den Siebzigerjahren“, führte der ältere Herr fort und nahm eine der Figuren mit zittriger Hand aus dem Regal. „Sie war ein Teil der Royal Ballet Society. Sie war sogar die erste Ballerina mit –“

In diesem Moment unterbrach das Geräusch eines großen Vans, der direkt vor dem Laden zu schnell über eine Bodenschwelle fuhr, den Satz des Mannes. Der nachfolgende Knall, den der Wagen machte, als er wieder auf der anderen Seite herunterratterte, ließ den Herrn fast in die Höhe springen, und die Figur in seiner Hand flog in die Luft. Sie fiel direkt auf die hölzernen Bodendielen. Der Arm der Ballerina brach ab und wurde unter das Regal geschleudert.

„Ach du meine Güte!“, schrie der Mann auf. „Das tut mir so leid!“

„Keine Sorge“, versicherte ihm Lacey, während ihr Blick auf dem weißen Van ruhte, den sie durch das Fester beobachten konnte. Das Fahrzeug war an den Rand gefahren und abgestellt worden, der Motor brummte laut auf und der Auspuff qualmte. „Es war nicht Ihre Schuld. Ich denke nicht, dass der Fahrer die Bodenschwelle gesehen hat. Wahrscheinlich hat er seinen Van beschädigt!“

Sie kniete sich nieder und versuchte mit ihrem Arm unter das Regal zu gelangen, bis ihre Fingerspitzen die kleine, scharfe Kante des Kristalls erfühlen konnten. Sie zog ihren Arm hervor – der nun von einer dünnen Staubschicht bedeckt war – und richtete sich wieder auf. Genau in diesem Moment sah sie, wie der Fahrer des Vans aus der Kabine auf das Kopfsteinpflaster hinabsprang.

„Das kann doch nur ein Witz sein…“, murmelte Lacey, als sich ihr Blick auf den Übeltäter richtete, den sie nun erkennen konnte. „Taryn.“

Taryn gehörte die Boutique nebenan. Sie war eine versnobte, kleinkarierte Frau, der Lacey den Titel der Unbeliebtesten Person in Wilfordshire verliehen hatte. Sie versuchte Lacey immer in die Quere zu kommen und sie aus der Stadt zu jagen. Taryn hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um Laceys Versuche zu sabotieren, ein eigenes Geschäft in Wilfordshire aufzubauen. Sie war sogar so weit gegangen, Löcher in die Wand ihres eigenen Ladens zu bohren, nur um sie zu irritieren! Und obwohl die Frau sie um einen Waffenstillstand gebeten hatte, nachdem es ihr Handlanger etwas zu weit treiben wollte – er war dabei erwischt worden, wie er nachts vor ihrem Haus gelungert hatte – vertraute ihr Lacey immer noch nicht. Taryn spielte nicht mit fairen Mitteln. Sicherlich war das nur ein weiterer Trick von ihr. Es war gar nicht erst möglich, dass sie die Bodenschwelle nicht kannte – sie war sogar aus ihrem eigenen Ladenfenster sichtbar, zum Teufel nochmal! Als wäre sie absichtlich zu schnell darübergefahren. Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, parkte sie jetzt direkt vor Laceys Laden statt vor ihrem eigenen und versuchte entweder die Sicht auf ihr Schaufenster zu blockieren oder die ganzen Abgase in ihre Richtung zu pumpen.

„Das tut mir so leid“, wiederholte der Mann und konnte Laceys Aufmerksamkeit wiedererlangen. Er hielt immer noch die Figur hoch, die nun nur noch einen Arm besaß. „Bitte. Lassen Sie mich für den Schaden aufkommen.“

„Auf keinen Fall“, antwortete Lacey nachdrücklich. „Sie haben nichts falsch gemacht.“ Ihr strenger Blick richtete sich wieder über seine Schulter auf das Fenster. Sie fixierte Taryn und beobachtete, wie die Frau behutsam zum Heck des Fahrzeugs tänzelte, als hätte sie keine Sorge in der Welt. Laceys Ärger über die Besitzerin der Boutique wuchs weiter. „Wenn jemand Schuld daran hat, dann ist es die Fahrerin.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Es kommt mir fast so vor, als hätte sie das mit Absicht getan. Autsch!“

Lacey fühlte etwas Scharfes in ihrer Handfläche. Sie umklammerte den abgebrochenen Arm der Ballerina so fest, dass er sich in ihre Haut bohrte.

„Huch!“, erschrak der Mann, als er den großen Blutstropfen sah, der sich in ihrer Handfläche bildete. Er zog den Arm, der die Verletzung verursacht hatte, vorsichtig aus ihrer Hand, als würde seine Entfernung die Wunde wieder verschließen können. „Sind Sie okay?“

„Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment“, sagte Lacey.

Sie ging auf die Tür zu, ließ den erstaunten Mann im Laden zurück, der in einer Hand die beschädigte Ballerina hielt, in der anderen den abgebrochenen Arm, und marschierte auf die Straße. Sie schritt direkt auf ihren Nachbarschaftsfeind zu.

„Lacey!“, rief ihr Taryn strahlend entgegen, während sie die Hintertür des Vans wieder verschloss. „Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich hier parke? Ich muss den Lagerbestand für die neue Saison ausladen. Ist Sommer nicht auch deine Lieblingsjahreszeit für Mode?“

„Dass du hier parkst, stört mich überhaupt nicht“, sagte Lacey. „Aber mich stört, wenn du zu schnell über die Bodenschwelle ratterst. Du weißt doch, dass die Schwelle direkt vor meinem Laden ist. Der Lärm hat meinem Kunden fast einen Herzinfarkt verpasst.“

Dann fiel ihr auf, dass Taryn ihren bulligen Van so geparkt hatte, dass er ihren Blick auf Toms Patisserie auf der anderen Straßenseite blockierte. Das war definitiv mit Absicht!

„Verstanden“, sagte Taryn mit gekünstelter Heiterkeit. „Ich werde nächstes Mal langsamer fahren, wenn die Herbstmode ankommt. Hey, du solltest einmal vorbeikommen, wenn alles eingeräumt ist. Deine Garderobe auffrischen. Dir etwas gönnen. Du verdienst es.“ Ihre Augen wanderten über Laceys Outfit. „Und es wird langsam Zeit.“

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte Lacey trocken und erwiderte Taryns falsches Lächeln.

Sobald sie der Frau den Rücken zugedreht hatte, verwandelte sich das Lächeln in eine Grimasse. Taryn war wirklich die Königin der zweideutigen Komplimente.

Als sie wieder in den Laden kam, wartete ihr älterer Kunde bereits an der Kassa und eine zweite Person – ein Mann in einem dunklen Anzug – hatte das Geschäft betreten. Er sah sich gerade das Regal mit den nautischen Stücken an, die sie morgen bei der Auktion versteigern wollte. Ihr Hund Chester beobachtete ihn dabei mit wachsamen Augen. Sie konnte sein Aftershave bereits aus der Entfernung riechen.

„Ich bin gleich bei Ihnen“, rief Lacey dem neuen Kunden zu, während sie in den hinteren Teil des Ladens eilte, wo der ältere Gentleman wartete.

„Ist Ihre Hand in Ordnung?“, fragte der Herr.

„Alles okay.“ Sie blickte auf den kleinen Kratzer in ihrer Handfläche, der bereits aufgehört hatte zu bluten. „Tut mir leid, dass ich es so eilig hatte. Ich musste –“ sie wählte ihre Worte vorsichtig, „– etwas erledigen.“

Lacey würde sich nicht von Taryn herunterziehen lassen. Wenn sie es zuließ, dass ihr die Besitzerin der Boutique unter die Haut ging, würde sie sich nur ein Eigentor schießen.

Als Lacey hinter den Verkaufstresen schlüpfte, fiel ihr auf, dass der ältere Herr die gebrochene Figur darauf platziert hatte.

„Ich würde sie gerne kaufen“, erklärte er.

„Aber sie ist kaputt“, erwiderte Lacey. Er versuchte offensichtlich einfach nur nett zu sein, obwohl er keinen Grund hatte, sich wegen des Missgeschicks schlecht zu fühlen. Es war wirklich nicht seine Schuld gewesen.

„Ich will sie trotzdem haben.“

Lacey lief rot an. Er war sehr hartnäckig.

„Darf ich wenigstens versuchen, sie zu reparieren?“, fragte sie. „Ich habe Superkleber und –“

„Das ist nicht nötig!“, unterbrach sie der Herr. „Ich will sie genauso, wie sie ist. Sehen Sie, die Figur erinnert mich jetzt nur noch mehr an meine Frau. Das wollte ich eigentlich gerade sagen, als das Auto über die Schwelle gerumpelt ist. Sie war die erste Ballerina mit Handicap in der Royal Ballet Society.“ Er hielt die Figur hoch und drehte sie im Lichtschein. Das Licht spiegelte sich im rechten Arm, der immer noch elegant ausgestreckt war, am Ellenbogen jedoch in einem gezackten Stumpf endete. „Sie tanzte mit einem Arm.“

Lacey zog die Augenbrauen hoch. Ihr Mund stand offen. „Das kann doch nicht wahr sein!“

Der Mann nickte eifrig. „Ehrlich! Sehen Sie das nicht? Das war ein Zeichen von ihr.“

Lacey konnte ihm nur zustimmen. Sie war schließlich selbst gerade auf der Suche nach einem Geist in der Form ihres Vaters und daher besonders empfänglich für die Zeichen des Universums.

„Dann haben Sie recht, Sie müssen sie haben“, sagte Lacey. „Aber ich werde Sie nicht dafür bezahlen lassen.“

„Sind Sie sicher?“, fragte der Mann überrascht.

Lacey strahlte. „Absolut sicher! Ihre Frau hat Ihnen ein Zeichen geschickt. Die Figur gehört rechtmäßig Ihnen.“

Der Herr wirkte gerührt. „Dankeschön.“

Lacey begann die Figur in Seidenpapier einzuwickeln. „Lassen Sie uns sicherstellen, dass ihr keine weiteren Gliedmaßen abbrechen, nicht wahr?“

„Sie halten eine Auktion ab, wie ich sehe“, sagte der Mann und deutete über ihre Schulter auf ein Plakat an der Wand.

Anders als das plumpe, handgezeichnete Poster, das sie bei der letzten Auktion verwendet hatte, war dieses professionell angefertigt worden. Es war mit nautischen Bildern dekoriert; mit Booten und Möwen und einem Rahmen, der so aussah, als bestünde er aus blau und weiß karierten Wimpeln zu Ehren von Wilfordshires eigener Obsession mit Wimpeln.

„Das ist richtig“, sagte Lacey mit stolzgeschwellter Brust. „Es ist erst meine zweite Auktion. Sie dreht sich ausschließlich um antike Seefahrtobjekte. Sextanten. Anker. Teleskope. Ich werde eine ganze Reihe von Schätzen verkaufen. Vielleicht wollen Sie ja vorbeikommen?“

„Ja, vielleicht“, antwortete der Mann mit einem Lächeln.

„Ich lege Ihnen einen Flyer in die Einkaufstüte.“

Genau das tat Lacey auch und reichte dem Mann die zarte Figur über den Tresen. Er dankte ihr und machte sich auf den Weg hinaus.

Lacey beobachtete, wie der alte Herr den Laden verließ, berührt von seiner Geschichte, bis ihr der andere Kunde wieder ins Gedächtnis kam.

Sie blickte nach rechts, um ihre Aufmerksamkeit auf den anderen Mann zu richten. Doch er war bereits verschwunden. Er hatte den Laden leise und unbemerkt verlassen, bevor sie überhaupt die Chance hatte, ihm ihre Hilfe anzubieten.

Sie ging zu dem Areal, das er gerade noch begutachtet hatte. Auf der unteren Ablage hatte sie die Boxen abgestellt, in der sich alle Objekte für die Auktion befanden. Auf einem Schild in Ginas Handschrift stand geschrieben: Keines dieser Stücke steht zum Verkauf. Alles wird versteigert! Sie hatte daneben eine Zeichnung hinterlassen, die wohl einen Schädel mit gekreuzten Knochen darstellen sollte. Dabei musste sie das Seefahrtthema mit Piraten verwechselt haben. Hoffentlich hatte der Kunde das Schild gesehen und würde morgen wiederkommen, um auf den Gegenstand zu bieten, der ihn so brennend interessiert hatte.

Lacey nahm eine der Boxen mit zur Theke, in der sich noch nicht geschätzte Artikel befanden. Als sie ein Objekt nach dem anderen herauszog und sie auf dem Tresen aufreihte, konnte sie ihre freudige Aufregung nicht mehr verbergen. Ihre letzte Auktion war wunderbar gewesen, doch die Suche nach einem Killer hatte ihre Freude geschmälert. Diese würde sie in vollen Zügen genießen. Endlich würde sie die Chance erhalten, ihre Auktionskünste zu üben, und sie konnte es wirklich kaum erwarten!

Sie war gerade voll im Fluss beim Schätzen und Katalogisieren der Artikel, als sie von dem schrillen Läuten ihres Handys unterbrochen wurde. Mit leichter Frustration über die Störung, die sicherlich von ihrer melodramatischen, jüngeren Schwester Naomi und ihrer Alleinerzieherkrise ausging, blickte Lacey auf ihr Handy, das mit dem Display nach oben auf dem Tisch lag. Sie war überrascht zu sehen, dass der Name ihres Ex-Mannes David aufleuchtete.

Lacey starrte einen Moment lang auf den blinkenden Bildschirm, zu benommen, um zu reagieren. Ein Tsunami der Gefühle durchflutete ihren Körper. David und sie hatten seit der Scheidung kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt – obwohl er immer noch mit Laceys Mutter zu sprechen schien – und alles über ihre Anwälte geregelt. Aber dass er sie direkt anrief? Lacey wusste gar nicht, wo sie mit ihren Theorien über sein plötzliches Verhalten anfangen sollte.

Obwohl sie es eigentlich besser wissen sollte, hob Lacey ab.

„David? Ist alles in Ordnung?“

„Nein, ist es nicht“, erklang seine gereizte Stimme, die eine Million verborgene Erinnerungen aus Laceys Verstand hervorwühlte, wie als würde jemand Staub aufwirbeln.

Sie verkrampfte sich, bereit für schreckliche Nachrichten. „Was ist los? Ist etwas passiert?“

„Deine Alimente sind nicht angekommen.“

Lacey rollte ihre Augen so weit nach oben, dass es schmerzte. Geld. Natürlich. Es gab nichts, was David wichtiger war als Geld. Einer der lächerlichsten Aspekte ihrer Scheidung war die Tatsache, dass sie ihm Unterhalt zahlen musste, da sie mehr verdient hatte als er. Natürlich war dies der einzige Grund, um ihn dazuzubringen, mit ihr in Kontakt zu treten.

„Aber ich habe die Zahlungen bereits bei der Bank eingerichtet“, sagte ihm Lacey. „Sie sollten automatisch laufen.“

„Nun, scheinbar haben die Briten eine andere Definition von automatisch und falls du es nicht mitbekommen hast, die Deadline ist heute! Also schlage ich vor, dass du schleunigst bei der Bank anrufst und die Situation klärst.“

Er klang genauso wie ein Rektor. Lacey erwartete schon fast, dass er seinen Monolog mit den Worten „du dummes, kleines Mädchen“ abschloss.

Sie krallte sich in das Telefon und bemühte sich, David keinen Raum in ihrem Kopf zu lassen, nicht heute, am Tag vor der Auktion, auf die sie sich schon so gefreut hatte!

„Was für ein schlauer Vorschlag, David“, antwortete sie und klemmte ihr Handy zwischen ihrem Ohr und ihrer Schulter ein, damit sie die Hände freihatte, um sich in ihrem Online-Account der Bank einzuloggen. „Auf die Idee wäre ich nie gekommen.“

Auf ihre Worte folgte Stille. David hatte wahrscheinlich noch nie eine sarkastische Bemerkung von ihr erhalten und es brachte ihn aus dem Konzept. Der englische Humor ihres neuen Freundes schien sehr schnell abzufärben.

„Du nimmst das nicht sonderlich ernst“, erwiderte David, als er endlich durchblickte.

„Sollte ich?“, antwortete Lacey. „Es ist nur ein Missverständnis bei der Bank. Ich kann das wahrscheinlich bis zum Ende des Tages aus der Welt schaffen. Tatsächlich, ja, hier ist eine Nachricht auf meinem Account.“ Sie klickte auf das kleine, rote Symbol und eine Informationsbox poppte auf. Sie las laut vor. „Auf Grund der Feiertage werden alle planmäßigen Zahlungen, die auf Sonntag oder Montag fallen, erst am Dienstag bei den Empfängerkonten ankommen. Aha. Hier haben wir die Lösung. Ich wusste, dass es etwas Simples sein würde. Ein Feiertag.“ Sie pausierte und blickte aus dem Fenster auf eine Gruppe von Passanten. „Ich dachte mir schon, dass die Straßen heute besonders belebt wirken.“

Sie konnte beinahe hören, wie David auf der anderen Seite mit seinen Zähnen knirschte.

„Das ist wirklich sehr unpraktisch für mich“, fauchte er. „Ich muss meine Rechnungen bezahlen, weißt du.“

Lacey sah zu Chester herunter, als brauchte sie einen Kameraden in dieser besonders frustrierenden Unterhaltung. Er hob seinen Kopf von seinen Pfoten und zog eine Braue hoch.

„Kann dir Frida nicht ein paar Millionen borgen, wenn es knapp wird?“

„Eda“, besserte David sie aus.

Lacey wusste den Namen von Davids neuer Verlobten ganz genau. Aber Naomi und sie hatten begonnen, sie Zwei-Wochen-Frida zu nennen, bezugnehmend darauf, wie schnell die beiden sich verlobt hatten, und jetzt konnte sie an nichts anderes mehr denken.

„Und nein“, sprach er weiter. „Sie sollte das nicht müssen. Wer hat dir überhaupt von Eda erzählt?“

„Meine Mutter hat es möglicherweise bei ein oder zwei Dutzend Gelegenheiten erwähnt. Warum redest du eigentlich noch mit meiner Mutter?“

„Sie war vierzehn Jahre ein Teil meiner Familie. Ich habe mich ja nicht von ihr geschieden.“

Lacey seufzte. „Nein. Ich schätze nicht. Also, was ist der Plan? Dass ihr drei euch bei der Mani-Pedi trefft und beste Freunde werdet?“

Jetzt wollte sie ihn aufziehen und sie konnte sich einfach nicht zurückhalten. Es machte richtig Spaß.

„Du bist lächerlich“, sagte David.

„Ist sie nicht die Erbin eines Emporiums für falsche Nägel?“, fragte sie mit gespielter Unschuld.

„Ja, aber du musst es nicht so sagen“, erwiderte David mit einer Stimme, die das Bild von seiner beleidigten Schnute vor Laceys innerem Augen erscheinen ließ.

„Ich habe nur spekuliert, wie ihr drei wohl am ehesten eure gemeinsame Zeit verbringen würdet.“

„Mit kritischem Unterton.“

„Mom hat mir erzählt, dass sie jung ist“, sagte Lacey und versuchte das Gespräch in eine andere Richtung zu führen. „Zwanzig. Ich denke, zwanzig ist doch vielleicht ein bisschen zu jung für einen Mann deines Alters. Aber zumindest hat sie noch ganze neunzehn Jahre Zeit, um herauszufinden, ob sie Kinder will oder nicht. Neununddreißig ist bei dir schließlich die Grenze.“

Sobald sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, wie sehr sie nach Taryn klang. Sie zuckte zusammen. Sie hatte kein Problem damit, dass Toms Eigenarten auf sie abfärbten, aber bei Taryn ging es wirklich zu weit!

„Entschuldige“, murmelte sie und ruderte zurück. „Das war unpassend.“

David wartete einen Moment. „Sorg einfach dafür, dass ich das Geld bekomme, Lace.“

Der Anruf wurde beendet.

Lacey seufzte und legte das Telefon zur Seite. Obwohl die Unterhaltung extrem ärgerlich gewesen war, würde sie sich nicht die Laune vermiesen lassen. David lag in ihrer Vergangenheit. Sie hatte sich ein ganz neues Leben in Wilfordshire aufgebaut. Und in Wirklichkeit war Davids neue Beziehung mit Eda ein Glück im Unglück. Sie würde ihm keinen Unterhalt mehr bezahlen müssen, sobald die beiden geheiratet hatten, und das Problem würde sich von selbst lösen! Aber so wie die Dinge normalerweise für sie liefen, hatte sie das ungute Gefühl, dass diese Verlobung lange andauern würde.




KAPITEL ZWEI


Lacey war gerade dabei, die Objekte zu schätzen, als Taryn vor ihrem Fenster endlich den großen Van wegfuhr und den Blick auf Toms Geschäft auf der anderen Seite der gepflasterten Straße wieder freigab. Die karierten Wimpel mit Ostermotto waren durch sommerliche Wimpel ersetzt worden und Tom hatte die Auslage mit den Macarons aufgepeppt, sodass sie jetzt wie eine Szene auf einer tropischen Insel aussah. Der Sand bestand aus Zitronen-Macarons, umgeben von einem Ozean in unterschiedlichen Blautönen – türkisblau (Zuckerwattegeschmack), hellblau (Kaugummigeschmack), dunkelblau (Blaubeergeschmack) und marineblau (blaue Himbeeren). Hohe Stapel von Schokoladen-Macarons, Kaffee-Macarons und Erdnuss-Macarons bildeten die Plamen, während die Blätter aus Marzipan geformt worden waren; ein weiteres Lebensmittel, mit dem Tom sehr geübt war. Das Schaufenster war atemberaubend und es lief einem schon beim reinen Anblick das Wasser im Mund zusammen. Ständig versammelten sich davor große Gruppen von aufgeregten Touristen, um es zu bewundern.

Wenn sie durch das Fester neben dem Tresen blickte, konnte Lacey Tom dahinter sehen. Er war damit beschäftigt, seine Kunden mit seinen theatralischen Auslagen zu begeistern.

Sie ließ ihr Kinn auf ihre Faust sinken und stieß ein verträumtes Seufzen heraus. Bisher waren die Dinge wunderbar mit Tom gelaufen. Sie waren jetzt offiziell dabei sich zu „daten“, wie es Tom genannt hatte. Sie würde diesen Begriff niemals wählen. Während ihrer Diskussion über „die Art ihrer Beziehung“ hatte Lacey darauf bestanden, dass dies ein unpassender und kindischer Ausdruck für zwei Erwachsene sei, die eine romantische Verbindung hatten. Tom hatte erwidert, dass es nicht ihre Aufgabe war, die Terminologie anzufechten, sofern sie nicht bei dem Wörterbuch Merriam-Webster arbeitete. Sie gab bei diesem Diskussionspunkt nach, zog jedoch den Schlussstrich bei den Worten „Freund“ und „Freundin“. Sie mussten sich erst auf passende Titel einigen, mit denen sie sich bezeichnen würden und wichen normalerweise auf ‚Schatz’ aus.

Auf einmal sah Tom zu ihr herüber und winkte. Lacey zuckte zusammen und richtete sich auf. Ihre Wangen wurden heiß, als ihr bewusst wurde, dass er sie gerade dabei erwischt hatte, ihn wie ein verliebtes Schulmädchen anzuhimmeln.

Toms winkende Geste wurde zu einer Aufforderung und Lacey bemerkte erst jetzt, wie spät es war. Zehn nach elf, Teezeit! Und sie war bereits zehn Minuten zu spät für ihr tägliches zweites Frühstück!

„Komm schon, Chester“, sagte sie rasch, als die Aufregung einschoss. „Es ist Zeit, Tom zu besuchen.“

Sie rannte förmlich aus dem Laden und erinnerte sich gerade noch, das „Geöffnet“-Schild umzudrehen, damit es „Zurück in 10 Minuten“ anzeigte, und die Tür abzuschließen. Dann hüpfte sie über die gepflasterte Straße in Richtung der Patisserie und ihr Herz klopfte im Rhythmus mit den federnden Schritten, während die Vorfreude auf Tom immer weiter anstieg.

Gerade als Lacey die Tür der Patisserie erreichte, strömte eine Gruppe von chinesischen Urlaubern heraus, die Tom vor einigen Augenblicken noch bedient hatte. Jeder von ihnen klammerte sich an eine große braune Papiertüte voller duftender Leckereien, während sie miteinander plauderten und kicherten. Lacey hielt die Tür geduldig auf, wartete bis sie alle herausgekommen waren. Sie nickten ihr als Dankeschön höflich zu.

Als der Weg endlich frei war, spazierte Lacey herein.

„Hallo, mein Schatz“, sagte Tom mit einem breiten Grinsen auf seinem gutaussehenden, braun gebrannten Gesicht, sodass Lachfalten neben seinen strahlend grünen Augen auftauchten.

„Deine Groupies sind also schon gegangen“, witzelte Lacey, als sie zum Tresen kam. „Und sie haben eine Menge Fanartikel mitgenommen.“

„Du kennst mich“, antwortete Tom und zog seine Augenbrauen hoch. „Ich der erste Konditor der Welt mit einem Fanclub.“

Er schien heute besonders gut gelaunt zu sein, dachte Lacey. Nicht dass er jemals schlecht gelaunt war. Tom war einer dieser Menschen, die einfach so durch das Leben schwebten, ohne sich von dem üblichen Stress herunterziehen zu lassen. Es war eine der Sachen, die Lacey besonders an ihm mochte. Er war so anders als David, der sich schon von der kleinsten Irritation aus dem Konzept bringen hatte lassen.

Sie lehnte sich über den Tresen und Tom stützte sich auf seinen Armen ab, um sie zu küssen. Lacey vergaß alles rund um sich und genoss den Moment, bis Chester aufheulte, unglücklich darüber, ignoriert zu werden.

„Sorry, Kumpel“, sagte Tom. Er kam hinter dem Tresen hervor und bot Chester einen schokoladenfreien Snack aus Johannisbrotkernmehl an. „Hier hast du etwas. Deinen Lieblingssnack.“

Chester schleckte das Leckerli direkt aus Toms Hand, stieß einen großen, zufriedenen Seufzer hervor und sackte auf dem Boden zusammen, bereit für ein Nickerchen.

„Also welcher Tee steht heute auf dem Menü?“, fragte Lacey und nahm auf ihrem üblichen Sessel am Tresen Platz.

„Zichorie“, sagte Tom.

Er ging in die Küche im hinteren Teil des Geschäfts.

„Den hatte ich noch nie“, rief ihm Lacey nach.

„Er ist koffeinfrei“, rief Tom zurück, untermalt von dem Plätschern eines Wasserstrahls und dem Scheppern von Schranktüren. „Und hat einen leicht abführenden Effekt, wenn man zu viel trinkt.“

Lacey lachte. „Danke für die Warnung“, erwiderte sie.

Ihre Worte wurden von dem Klirren und Klappern des Porzellans und dem Blubbern des Teekessels beantwortet.

Dann kam Tom wieder hervor und trug ein Tablett in den Händen. Teller, Tassen, Untertassen, eine Zuckerdose und ein Teekessel aus Porzellan befanden sich darauf.

Er stellte das Tablett zwischen ihnen ab. Immer wenn Tom etwas kochte, waren die Tassen und Teller nicht aus einem Set, sondern komplett durcheinander gewürfelt. Ihr einziges verbindendes Thema war, dass sie alle aus England stammten, als hätte er jedes Stück bei einem anderen Flohmarkt einer patriotischen, alten Dame gekauft. Auf Laceys Tasse befand sich ein Bild von Prinzessin Diana in ihren letzten Jahren. Ihr Teller war mit einem Zitat von Beatrix Potter in einer zarten, kursiven Schrift verziert, daneben befand sich ein Aquarellbild der ikonischen Kinderbuchente Jemima Pratschel-Watschel mit Haube und Schal. Die Teekanne war wie ein bunt dekorierter, indischer Elefant geformt, auf dessen rot- und goldfarbenen Sattel die Worte Piccadilly Circus gedruckt waren. Sein Rüssel war natürlich der Ausguss.

Während der Tee noch im Kessel zog, verwendete Tom eine silberne Zange, um ein paar Croissants aus der Vitrine in der Auslage zu holen, die er auf einem hübschen, blumigen Teller auflegte. Er schob eines zu Lacey, gefolgt von einem Glas ihrer Lieblingskonfitüre aus Aprikosen. Dann schenkte er beiden eine Tasse des gebrühten Tees ein, setzte sich auf seinen Stuhl, hielt die Tasse hoch und sagte: „Zum Wohl.“

Als sie gleichzeitig einen Schluck machten, hatte Lacey ein plötzliches Déjà-vu. Kein echtes, bei dem man sich sicher ist, dass man diesen exakten Moment bereits erlebt hat, sondern ein Déjà-vu, das mit der Wiederholung und Routine kommt, wenn man etwas jeden Tag macht. Es fühlte sich so an, als hätten sie diesen Moment bereits erlebt, weil sie es hatten; gestern und am Tag davor und am Tag davor. Als sehr beschäftigte Ladenbesitzer mussten Tom und Lacey oft Überstunden machen und arbeiteten sieben Tage die Woche. Die Routine, der Rhythmus war ganz wie von selbst gekommen. Aber es war mehr als das. Tom hatte ihr ganz automatisch ein getoastetes Mandelcroissant mit Aprikosenkonfitüre gegeben. Er musste nicht einmal fragen, was sie wollte.

Es hätte Lacey glücklich machen sollen, aber stattdessen fand sie es beunruhigend. Denn genauso waren die Dinge anfangs mit David gewesen. Die Bestellung des anderen lernen. Kleine Gefallen für den anderen erledigen. Kleine Momente von Routine und Rhythmus, die ihr das Gefühl gegeben hatten, zwei Teile eines Puzzles zu sein, die perfekt ineinanderpassten. Sie war jung und dumm gewesen und hatte den Fehler gemacht zu glauben, dass es sich immer so anfühlen würde. Aber das war nur die Anfangsverliebtheit gewesen. Diese ging nach einem oder zwei Jahren verloren und zu diesem Zeitpunkt steckte sie bereits in einer Ehe fest.

War es in der Beziehung mit Tom genauso? Würde die Verliebtheit mit der Zeit nachlassen?

„Woran denkst du?“, fragte Tom und unterbrach ihr nervöses Grübeln.

Lacey spuckte ihren Tee beinahe aus. „Nichts.“

Tom zog eine Augenbraue hoch. „Nichts? Hat die Zichorie so wenig Eindruck bei dir hinterlassen, dass all deine Gedanken aus dem Kopf gefegt wurden?“

„Oh, über den Tee!“, erwiderte sie und wurde rot.

Tom sah nun noch amüsierter aus. „Ja. Was denn sonst?“

Lacey stellte die Diana-Tasse klappernd auf der Untertasse ab. „Er ist gut. Erinnert mich an Lakritze. Acht von zehn Punkten.“

Tom pfiff. „Wow. Ein hohes Lob. Aber nicht ganz ausreichend, um den Assam von seinem Thron zu stürzen.“

„Es würde einen herausragenden Tee benötigen, um den Assam zu entthronen.“

Ihr kurzweilige Sorge, Tom könnte ihre Gedanken lesen, verschwand wieder und Lacey wandte ihre Aufmerksamkeit dem Frühstück zu. Sie genoss jeden Bissen des buttrigen Gebäcks, gemeinsam mit den gerösteten Mandeln und der selbstgemachten Aprikosenkonfitüre. Aber selbst das schmackhafte Essen konnte ihre Gedanken nicht davon abhalten, zu ihrer Unterhaltung mit David zu wandern. Sie hatte seine Stimme nicht mehr gehört, seit er aus ihrem alten Appartement auf Upper East Side mit den Worten gestürmt war: „Du wirst von meinem Anwalt hören!“ Seine Stimme wieder zu hören, erinnerte sie daran, dass sie vor weniger als einem Monat noch eine relativ glücklich verheiratete Frau gewesen war, mit einem stabilen Job, einem Einkommen und ihrer Familie in der Nähe, in einer Stadt, in der sie ihr gesamtes Leben verbracht hatte. Ohne es zu bemerken, hatte sie ihre gesamte Vergangenheit in New York City hinter dicke Mauern in ihrem Verstand geschoben. Es war eine Bewältigungsstrategie, die sie bereits als Kind gelernt hatte, um mit der Trauer über das plötzliche Verschwinden ihres Vaters umzugehen. Es schien als hätte Davids Stimme das Fundament dieser Mauer zum Wackeln gebracht.

„Wir sollten einen Urlaub machen“, sagte Tom plötzlich.

Und schon wieder spuckte Lacey beinahe ihr Essen aus, aber es war Tom offensichtlich nicht aufgefallen, denn er sprach weiter.

„Wenn ich von dem Focaccia-Kurs zurück bin, sollten wir einen Urlaub in der Umgebung machen. Wir haben beide so hart gearbeitet in letzter Zeit. Das haben wir uns verdient. Wir können in meine Heimatstadt in Devon fahren und ich zeige dir all die Orte, die ich als Kind geliebt habe.“

Hätte Tom diesen Vorschlag gestern, vor Davids Anruf, gemacht, hätte Lacey wahrscheinlich direkt angebissen. Aber auf einmal schien es ihr völlig voreilig zu sein, Pläne für die Zukunft mit ihrem neuen Freund zu machen – selbst wenn diese Zukunft nur eine Woche entfernt war. Es gab keinen Grund, weshalb sich Tom Sorgen machen sollte. Aber Lacey war noch nicht lange geschieden. Sie hatte seine relativ stabile Welt betreten, als sich in ihrem Leben jedes kleinste Detail verändert hatte – angefangen von ihrem Job, ihrem Zuhause, ihrem Heimatland und sogar ihrem Beziehungsstatus! Sie wechselte vom Babysitten ihres Neffen Frankie, während ihre Schwester Naomi auf einem weiteren desaströsen Date war, zu einem Leben, bei dem sie regelmäßig Schafe aus ihrem Vorgarten vertreiben musste; von ihrer mürrischen Chefin Saskia in einem New Yorker Innenarchitekturbüro zur Antiquitätensuche in den Londoner Einkaufsstraßen mit ihrer eigensinnigen Nachbarin, die immer Strickjacken trug, und zwei Schäferhunden im Schlepptau. Es waren viele große Veränderungen auf einmal und sie war sich nicht ganz sicher, wie es gerade in ihr aussah.

„Das kommt darauf an, wie hektisch es im Laden wird“, antwortete sie unverbindlich. „Die Auktion benötigt mehr Arbeit, als ich gedacht habe.“

„Klar“, sagte Tom und schien keineswegs zwischen den Zeilen zu lesen. Die Nuancen und Untertöne zu deuten, war keine von Toms Stärken, was sie ebenfalls an ihm mochte. Er nahm alles genauso hin, wie es gesagt wurde. Anders als bei ihrer Mutter und Schwester, die sie stichelten und ihr jedes Wort im Mund umdrehten, versuchte Tom gar nicht erst, etwas zu hinterfragen. Er legte alle Karten auf den Tisch.

Genau in diesem Moment klingelte die Glocke über der Eingangstür der Patisserie und Toms Blick schweifte über Laceys Schulter. Sie sah, wie sich seine Gesichtszüge zu einer Grimasse verzerrten, bevor er seinen Blick wieder auf sie richtete.

„Großartig“, murmelte er leise. „Ich habe mich schon gefragt, wann Dick und Doof endlich vorbeikommen würden. Bitte entschuldige mich.“

Er stand auf und kam hinter dem Tresen hervor.

Gespannt darauf, wer eine solche instinktive Reaktion bei Tom auslösen würde – einem Mann, der dafür bekannt war, immer entspannt und freundlich zu sein – drehte sich Lacey auf ihrem Hocker um.

Die Kunden, die das Geschäft betreten hatten, waren ein Mann und eine Frau, die so aussahen, als kämen sie gerade direkt von dem Set der Serie Dallas. Der Mann trug einen taubenblauen Anzug mit Cowboyhut. Die Frau, die viel jünger war – dies schien die Präferenz der meisten Männer mittleren Alters zu sein, dachte Lacey ironisch – war in einem knallpinken Zweiteiler gekleidet, der hell genug war, um Lacey Kopfschmerzen zu bereiten, und sich fürchterlich mit ihrer gelben Dolly-Parton-Frisur schlug.

„Wir hätten gerne ein paar Kostproben“, keifte der Mann. Er war Amerikaner und seine Schroffheit passte überhaupt nicht in Toms idyllische, kleine Patisserie.

Oh Gott, ich hoffe, ich klinge für Tom nicht auch so, dachte Lacey verlegen.

„Natürlich“, antwortete Tom höflich und sein englischer Akzent schien sich als Reaktion darauf noch verstärkt zu haben. „Was würden Sie gerne kosten? Wie haben Backwaren und…“

„Igitt, Buck, nein“, sagte die Frau zu ihrem Ehemann und zerrte an seinem Arm, in den sie sich eingehängt hatte. „Du weißt doch, dass mich Weizen aufbläht. Frag ihn nach etwas anderem.“

Lacey zog bei dem Anblick des seltsamen Paares eine Augenbraue hoch. War die Frau nicht in der Lage, eigene Fragen zu stellen?

„Haben sie Schokolade?“, fragte der Mann, den sie Buck genannt hatte. Eigentlich klangen seine Worte mit seinem rüpelhaften Ton viel mehr nach einer Forderung.

„Natürlich“, sagte Tom, der es irgendwie schaffte, vor dem Großmaul und seiner Klette ruhig zu bleiben.

Er brachte sie zur Auslage mit der Schokolade und gestikulierte mit einer Hand. Buck nahm ein Stück in seine fleischige Faust und stopfte es sich direkt in den Mund.

Augenblicklich spuckte er es wieder aus. Der kleine, weiche, halb gekaute Brocken klatschte auf dem Boden auf.

Chester, der die ganze Zeit still an Laceys Füßen gesessen hatte, sprang auf und stürzte darauf zu.

„Chester, nein“, warnte sie ihn mit der strengen, autoritären Stimme, bei der er genau wusste, dass er folgen musste. „Giftig.“

Der englische Hirtenhund sah sie an, blickte sehnsüchtig zurück auf die Schokolade und ließ sich mit dem Ausdruck eines verschmähten Kindes wieder an dem Platz bei ihren Füßen nieder.

„Igitt, Buck, da ist ein Hund im Laden!“, klagte die blonde Frau. „Das ist so unhygienisch.“

„Die Hygiene ist sein geringstes Problem“, spottete Buck, als er Tom wieder ansah, dessen Gesichtsausdruck nun etwas beschämt wirkte. „Ihre Schokolade schmeckt nach Dreck!“

„Amerikanische Schokolade und englische Schokolade sind unterschiedlich“, sagte Lacey, die Tom in Schutz nehmen wollte.

„Ach wirklich“, antwortete Buck. „Sie schmeckt schrecklich! Und die Queen isst diesen Mist? Die braucht ein paar ordentliche Produkte aus Amerika, wenn Sie mich fragen.“

Irgendwie schaffte es Tom, weiterhin ruhig zu bleiben, während Lacey bereits brodelte.

Der rohe Kerl und sein dümmliches Wrack einer Frau eilten aus dem Laden und Tom holte ein Taschentuch, um die ausgespuckte Schokolade aufzuwischen, die sie zurückgelassen hatten.

„Die waren so unhöflich“, sagte Lacey ungläubig, als Tom den Boden reinigte.

„Sie wohnen in Carols B&B“, erklärte er auf Händen und Füßen, während er mit dem Tuch über die Fliesen wischte. „Sie hat mir erzählt, dass sie fürchterlich sind. Der Mann, Buck, schickt jede Speise zurück in die Küche, die er bestellt. Natürlich erst, nachdem er schon die Hälfte gegessen hat. Die Frau behauptet ständig, dass ihr die Shampoos und Seifen Ausschläge machen, aber jedes Mal, wenn ihr Carol etwas Neues bringt, sind die alten Flaschen auf mysteriöse Weise verschwunden.“ Er stand auf und schüttelte den Kopf. „Sie machen allen das Leben zur Hölle.“

„Oh“, sagte Lacey und schob sich den letzten Bissen Croissant in den Mund. „Dann sollte ich mich wohl glücklich schätzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie an Antiquitäten interessiert sind.“

Tom pochte auf den Tresen. „Klopf auf Holz, Lacey. Du willst es doch nicht verschreien.“

Lacey wollte gerade sagen, dass sie nichts für einen solchen Aberglauben übrighatte, aber dann fiel ihr der alte Mann mit der Ballerina ein und sie entschied sich, das Schicksal nicht herauszufordern. Sie klopfte auf die Theke.

„Hier. Der Fluch ist gebrochen. Jetzt sollte ich lieber gehen. Ich muss noch eine Menge Dinge schätzen vor der morgigen Auktion.“

Die Glocke über der Tür klingelte und Lacey blickte hinüber auf die große Gruppe an Kindern, die gerade hineinstürmte. Sie waren alle festlich gekleidet und trugen Hüte. Unter ihnen befand sich ein kleines, pummeliges Kind, das als Prinzessin verkleidet war und einen Heliumballon in der Hand hielt. Ohne sich an irgendjemand Speziellen zu richten, schrie es: „Ich habe heute Geburtstag!“

Lacey drehte sich mit einem Grinsen im Gesicht zu Tom. „Sieht so aus, als hättest du gleich alle Hände voll zu tun.“

Er wirkte überrascht und ein wenig beklommen.

Lacey sprang von dem Hocker herunter, gab Tom einen flüchtigen Kuss und überließ ihn der Gnade der achtjährigen Mädchen.


*

Zurück in ihrem Geschäft machte sich Lacey wieder daran, die nautischen Artikel für die morgige Auktion zu schätzen.

Sie war besonders aufgeregt über einen Sextanten, den sie an einem besonders ungewöhnlichen Ort gefunden hatte: einem Wohltätigkeitsladen. Sie war eigentlich nur hineingegangen, um eine Retrospielkonsole zu kaufen, die sie in der Auslage gesehen hatte – ein Gerät, das ihr computerbesessenen Neffe Frankie mit Sicherheit lieben würde – als sie auf ihn gestoßen war. Ein doppelt gerahmter Sextant mit Mahagoniverkleidung und Elfenbeingriffen aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert! Er hatte dort einfach auf dem Regal zwischen bunten Tassen mit Aufschriften und einigen Teddybären gestanden, die so kitschig waren, dass einem übel wurde.

Lacey hatte ihren Augen kaum getraut. Sie war schließlich noch ein Neuling bei Antiquitäten. Ein solcher Fund musste eigentlich Wunschdenken sein. Doch als sie hinübergeeilt war, um das Stück zu begutachten, hatte sie auf der Unterseite eine Inskription mit den Worten ‚Bate, Poultry, London’ gefunden, die ihre bestätigte, dass sie einen echten, seltenen Robert Bretell Bate in ihren Händen hielt!

Sofort hatte Lacey Percy angerufen, wissend, dass er der einzige Mensch auf der Welt war, der sich genauso darüber freuen würde. Und sie hatte recht behalten. Der Mann hatte so geklungen, als wäre es schon Weihnachten.

„Was wirst du damit machen?“, hatte er gefragt. „Du musst eine Auktion abhalten. Ein so seltenes Objekt kann nicht einfach nur auf eBay gestellt werden. Es verdient eine Parade.“

Während sich Lacey darüber gewundert hatte, dass Percy in seinem Alter noch wusste, was eBay war, hatte sich ihr Verstand bereits an das Wort Auktion geheftet. Könnte sie das machen? Schon so bald nach der ersten eine weitere Auktion abhalten? Davor musste sie eigentlich noch die ganzen viktorianischen Möbel aus einem riesigen Anwesen verkaufen. Sie konnte nicht einfach eine Auktion für ein Objekt abhalten. Abgesehen davon fühlte es sich unmoralisch an, eine echte Rarität in einem Wohltätigkeitsladen zu kaufen, wenn man den wirklichen Wert kannte.

„Ich weiß“, sagte Lacey, der gerade eine Idee gekommen war. „Ich werde den Sextant als Lockvogel verwenden, als die Hauptattraktion für eine allgemeine Auktion. Und alles, was ich bei seinem Verkauf einnehmen kann, werde ich dem Wohltätigkeitsladen zukommen lassen.“

Das würde zwei Dilemmas lösen; das unangenehme Gefühl, etwas unter seinem echten Wert von einer Wohltätigkeitsorganisation zu kaufen, und was sie damit tun sollte, sobald sie ihn besaß.

Und so war der gesamte Plan entstanden. Lacey hatte den Sextanten gekauft (und die Konsole, die sie in ihrer Aufregung fallen gelassen und beinahe vergessen hatte, wieder aufzuheben), sich für ein nautisches Thema entschieden und dann damit begonnen, die Auktion auf die Beine zu stellen und anzupreisen.

Das Geräusch der Glocke über der Eingangstür riss Lacey aus ihren Gedanken. Sie sah auf und erblickte ihre grauhaarige Nachbarin mit Strickjacke, Gina, die gerade mit ihrem Border Collie Boudicca im Schlepptau hereinmarschierte.

„Was machst du denn hier?“, fragte Lacey. „Ich dachte, wir treffen uns zum Lunch.“

„Das tun wir!“, antwortete Gina und deutete auf die große Uhr aus Messing und Schmiedeeisen, die an der Wand hing.

Lacey blickte hinüber. Abgesehen von den anderen Objekten in der „nordischen Abteilung“ war die Uhr unter ihren meist geliebten Dekorationselementen im Laden. Sie war eine Antiquität (selbstverständlich) und sah so als, als wäre sie einst auf der Vorderseite eines viktorianischen Armenhauses gehangen.

„Oh!“, platze Lacey hervor, als sie die Uhrzeit las. „Es ist halb zwei. Schon? Der Tag ist einfach verflogen.“

Es war das erste Mal, dass die beiden Freunde beschlossen hatten, den Laden für eine Stunde zu schließen und ein richtiges Mittagessen miteinander zu verbringen. Und mit „beschlossen“ war viel eher gemeint, dass Gina Lacey an einem Abend mit zu viel Wein abgefüllt und so lange überredet hatte, bis sie eingeknickt war und eingewilligt hatte. Es stimmte, dass fast jeder Bewohner und Besucher von Wilfordshire seine Mittagsstunde in einem Café oder Pub verbrachte, statt die Regale eines Antiquitätenladen zu durchforsten, und so würde die eine Stunde wohl kaum einen großen Einfluss auf Laceys Umsatz haben. Doch seitdem Lacey erfahren hatte, dass dieser Montag ein Feiertag war, zweifelte sie an ihrer Entscheidung.

„Vielleicht ist es doch keine gute Idee“, sagte Lacey.

Gina stemmte die Hände in ihre Hüften. „Warum? Welche Ausrede hast du dieses Mal?“

„Nun, mir war nicht klar, dass heute ein Feiertag ist. Es sind viel mehr Menschen unterwegs als üblicherweise.“

„Viel mehr Menschen, nicht viel mehr Kunden“, sagte Gina. „Denn jeder einzelne von ihnen wird innerhalb der nächsten zehn Minuten in einem Pub oder Café einkehren, genauso wie wir es auch tun sollten! Komm schon, Lacey. Wir haben bereits darüber gesprochen. Keiner kauft Antiquitäten um die Mittagszeit!“

„Aber was, wenn einige von ihnen Europäer sind?“, sagte Lacey. „Du weißt doch, dass sie am Festland alles etwas später machen. Wenn sie um neun oder zehn Uhr Abendessen, zu welcher Zeit haben sie dann ihr Mittagessen? Wahrscheinlich nicht um ein Uhr!“

Gina fasste sie an den Schultern. „Du hast recht. Aber sie verbringen die Mittagsstunde stattdessen mit einer Siesta. Sollte es irgendwelche europäischen Touristen geben, dann schlafen sie in der nächsten Stunde. Um es in Worte zu fassen, die du verstehst: Kein Einkaufen in Antiquitätenläden!“

„Na gut. Also schlafen die Europäer. Aber was, wenn sie von einem weiter entfernten Land kommen und ihre biologischen Uhren noch nicht auf unsere Zeit eingestellt sind. Dann haben sie zur Mittagszeit noch keinen Hunger und wollen stattdessen vielleicht Antiquitäten einkaufen.“

Gina verschränkte ihre Arme. „Lacey“, sagte sie auf eine mütterliche Art. „Du brauchst eine Pause. Du wirst dich noch selbst in den Ruin treiben, wenn du jede Minute jedes Tages innerhalb dieser vier Wände verbringst, egal wie hübsch sie auch dekoriert sein mögen.“

Lacey verzog ihren Mund. Dann stellte sie den Sextanten auf dem Tresen ab und kam in den vorderen Bereich des Ladens. „Du hast recht. Eine Stunde kann doch wirklich nicht schaden, oder?“

Dies waren die Worte, die Lacey schon bald bereuen würde.




KAPITEL DREI


„Ich wollte diesen neuen Teesalon unbedingt ausprobieren“, sagte Gina ausgelassen, als sie und Lacey an der Uferpromenade entlangspazierten. Ihr Hundebegleiter jagte gerade nach einem Artgenossen in der Brandung und wackelte aufgeregt mit seinem Schwanz.

„Warum?“, fragte Lacey. „Was ist so toll daran?“

„Nichts Besonderes“, antwortete Gina. Sie sprach nun etwas leiser. „Ich habe nur gehört, dass der neue Besitzer früher ein Profi-Wrestler war! Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.“

Lacey konnte sich einfach nicht zurückhalten. Sie ließ ihren Kopf in den Nacken fallen und lachte laut und herzlich darüber, wie unsinnig dieses Gerücht schon wieder war. Aber andererseits war es noch nicht lange her gewesen, dass jeder in Wilfordshire geglaubt hatte, sie wäre eine Mörderin.

„Vielleicht sollten wir dieses Hörensagen eher mit Vorsicht genießen?“, schlug sie Gina vor.

Ihre Freunde gab nur ein „pfff“ von sich und beide brachen in Kichern aus.

Der Strand sah bei dem warmen Wetter besonders einladend aus. Es war noch nicht heiß genug, um sich in die Sonne zu legen oder hinauszupaddeln, aber es flanierten jetzt immer mehr Menschen entlang und kauften Eiscreme von den Eiswägen. Auf dem Weg quatschen die zwei Freundinnen über alles Mögliche und Lacey erzählte Gina über Davids Anruf und die berührende Geschichte des Mannes mit der Ballerina. Sie erreichten den Teesalon.

Er befand sich in einem Gebäude, das einst ein Abstellplatz für Kanus gewesen war, in der perfekten Lage direkt am Wasser. Die ehemaligen Besitzer hatten den Umbau vorgenommen und aus dem alten Schuppen ein relativ schäbiges Café gemacht – Gina hatte Lacey gelernt, dass man es in England als „Spelunke“ bezeichnen würde. Aber die neuen Besitzer hatten das Design enorm verbessert. Sie hatte die Ziegelfassade gereinigt und alle Schlieren aus Möwenkot entfernt, die hier wahrscheinlich schon seit den fünfziger Jahren geklebt hatten. Sie hatten außerhalb eine Tafel aufgestellt, die Bio-Kaffee in der kursiven Schrift eines professionellen Schildmalers ankündigte. Und die ehemalige Holztür war durch einen glänzenden Glaseingang ersetzt worden.

Gina und Lacey gingen darauf zu. Die Tür öffnete sich automatisch, als würde sie die beiden hineinwinken. Sie tauschten einen Blick aus und traten ein.

Das würzige Aroma von frischen Kaffeebohnen begrüßte sie, gefolgt von dem Geruch von Holz, feuchter Erde und Metall. Es war keine Spur mehr von den weißen Fliesen, die bis zur Decke gereicht hatten, von den pinken Vinylnischen und dem Linoleumboden. Jetzt lag das alte Ziegelwerk frei und die ausgeblichenen Bodendielen waren mit einer dunklen Beize lackiert worden. Um den rustikalen Look weiterzuführen, sahen alle Tische und Sessel so aus, als bestünden sie aus den Planken ehemaliger Fischerboote – was den Holzgeruch erklärte – und die Kupferrohre dienten als Abdeckung für die Verkabelung diverser großer Edison-Glühbirnen, die von der Decke herabhingen – was den Metallgeruch erklärte. Das erdige Aroma kam von der Tatsache, dass auf jedem freien Zentimeter ein Kaktus stand.

Gina griff nach Laceys Arm und flüsterte vergnügt: „Oh nein. Es ist… trendig!“

Lacey hatte vor Kurzem bei einer Antiquitätensuche in Shoreditch in London gelernt, dass trendig kein Kompliment war, das man statt dem Wort „stilsicher“ verwenden konnte. Stattdessen lag in dem Ausdruck eine zusätzliche Bedeutung, die mit unseriös, angeberisch und arrogant gleichzusetzen war.

„Ich mag es“, erwiderte Lacey. „Das Design ist gut geworden. Sogar Saskia würde zustimmen.“

„Vorsicht. Du willst doch nicht gepiekst werden“, fügte Gina hinzu und machte eine übertriebene Ausweichbewegung, um einen großen, stacheligen Kaktus zu umgehen.

Lacey schnaubte und ging zum Tresen, der aus polierter Bronze geformt war und auf dem eine passende, alte Kaffeemaschine stand, die sicherlich nur Dekoration war. Entgegen dem, was Gina gehört hatte, stand dahinter kein Mann, der wie ein Wrestler aussah, sondern eine Frau mit einem kurzen, blond gefärbten Bob und einem weißen Tanktop, das ihrer goldfarbenen Haut und ihren dicken Bizepsen schmeichelte.

Gina fing Laceys Blick ein und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Muskeln der Frau, als würde sie sagen schau, habe ich es dir doch gesagt.

„Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte die Frau in einem der stärksten australischen Akzente, die Lacey jemals gehört hatte.

Bevor Lacey einen Espresso mit Milch bestellen konnte, stieß sie Gina in ihre Seite.

„Sie ist wie Sie!“, verkündete Gina. „Eine Amerikanerin!“

Lacey konnte nicht anders als zu lachen. „Ähm… nein, ist sie nicht.“

„Ich komme aus Australien“, verbesserte die Frau Gina auf freundliche Art.

„Wirklich?“, fragte Gina perplex. „Für mich klingen Sie genauso wie Lacey.“

Die blonde Frau richtete ihre Aufmerksamkeit sofort wieder auf Lacey.

„Lacey?“, wiederholte sie, als hätte sie bereits von ihr gehört. „Sie sind Lacey?“

„Ähm… ja…“, sagte Lacey und war verwundert darüber, dass die Fremde sie zu kennen schien.

„Ihnen gehört der Antiquitätenladen, nicht wahr?“, fügte die Frau hinzu. Sie legte den kleinen Block nieder, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, und schob sich den Bleistift hinter ihr Ohr. Dann streckte sie ihre Hand aus.

Amüsiert nickte Lacey und schüttelte sie. Die Frau hatte einen festen Griff. Für einen kurzen Moment fragte sich Lacey, ob etwas an dem Wrestling-Gerücht wahr sein könnte.

„Entschuldigung, aber woher kennen Sie mich?“, fragte Lacey, während die Frau ihren Arm kräftig durchschüttelte und ein breites Grinsen aufsetzte.

„Weil mir jeder Bewohner der Stadt, der in mein Lokal kommt und realisiert, dass ich aus dem Ausland komme, sofort von Ihnen erzählt! Darüber, wie Sie ganz alleine aus einem anderen Land hergezogen sind. Und wie Sie Ihren Laden selbst aufgebaut haben. Ich glaube, ganz Wilfordshire hofft darauf, dass wir beste Freunde werden.“

Sie schüttelte Laceys Hand immer noch energisch und als Lacey zu sprechen begann, bebte ihre Stimme.

„Also sind Sie alleine nach Großbritannien gekommen?“

Endlich ließ die Frau ihre Hand los.

„Ja. Ich habe mich geschieden und realisiert, dass eine Scheidung nicht genug war. Ich musste einfach den halben Planeten zwischen ihn und mich bringen.“

Darüber musste Lacey lachen. „Genauso wie bei mir. Nun, ähnlich. New York ist nicht gerade die andere Seite des Planeten, aber so wie Wilfordshire ist, fühlt es sich auf jeden Fall so an.“

Gina räusperte sich. „Könnte ich einen Cappuccino und ein Thunfisch-Sandwich bekommen?“

Die Frau schien sich auf einmal wieder daran zu erinnern, dass Gina auch da war. „Oh. Entschuldigen Sie. Wo sind nur meine Manieren?“ Sie streckte auch Gina die Hand entgegen. „Ich bin Brooke.“

Gina machte keinen Augenkontakt. Sie schüttelte Brookes Hand lasch. Lacey konnte einen Anflug von Eifersucht erkennen und lächelte innerlich.

„Gina ist meine Komplizin“, sagte Lacey zu Brooke. „Sie arbeitet mit mir im Laden, hilft mir Objekte zu finden, nimmt meinen Hund zum Spielen mit, gibt mir ihr gesamtes Wissen über die Gärtnerei weiter und hilft mir dabei, nicht verrückt zu werden, seitdem ich in Wilfordshire bin.“

Ginas eifersüchtige Schnute war nun einem hämischen Grinsen gewichen.

Brooke lächelte. „Ich hoffe, ich finde auch meine eigene Gina“, scherzte sie. „Es war mir eine Freude, Sie beide kennenzulernen.“

Sie zog den Bleistift wieder hinter ihrem Ohr hervor, sodass ihre glatten Haare wieder an ihren Platz fallen konnten. „Also das war ein Cappuccino und ein Thunfisch-Sandwich…“, sagte sie, während sie auf ihren Block kritzelte. „Und für Sie?“ Sie sah Lacey mit einem erwartungsvollen Blick an.

„Einen Espresso mit Milch“, sagte Lacey, als sie auf das Menü blickte. Sie überflog alle Punkte auf der Speisekarte. Es gab eine große Auswahl an lecker klingenden Speisen, aber in Wirklichkeit bestand das Menü nur aus Sandwiches mit eleganten Bezeichnungen. Das Thunfisch-Sandwich, das Gina bestellt hatte, war hier eigentlich ein Toast mit echtem Bonito und mit Eichenholz geräuchertem Cheddarkäse. „Ähm… Das Baguette mit Avocado-Creme.“

Brooke notierte sich die Bestellung.

„Wie sieht es bei unseren flauschigen Freunden aus?“, fügte sie hinzu und deutete mit dem Bleistift zwischen Gina und Laceys Schultern, wo Boudicca und Chester in einer Achterschleife auf- und abmarschierten, um sich gegenseitig zu beschnuppern. „Wasserschüsseln und ein paar Hundeleckerlis?“

„Das wäre großartig“, sagte Lacey, beeindruckt über Gastfreundlichkeit der Frau.

Sie wäre eine großartige Hotelbesitzerin, dachte Lacey. Vielleicht hatte sie in Australien in der Tourismusbranche gearbeitet? Oder vielleicht war sie einfach nur ein netter Mensch. Auf jeden Fall hatte sie einen guten ersten Eindruck bei Lacey hinterlassen. Vielleicht würden die Bewohner von Wilfordshire ja ihren Willen durchsetzen und die beiden würde tatsächlich enge Freunde werden. Lacey konnte weitere Verbündete gebrauchen!

Sie und Gina wählten einen Tisch aus. Unter den Vintage-Gartenmöbeln gab es auch Sitzgelegenheit an einem Tisch, der aus einer alten Tür gefertigt wurde, Stühle aus Baumstümpfen oder eine der Sitznischen, die aus den Hälften zersägter Ruderboote bestanden und mit Kissen gefüllt waren. Sie entschieden sich für eine sichere Option – einen hölzernen Picknicktisch.

„Sie wirkt sehr sympathisch“, sagte Lacey, als sie auf ihren Sessel glitt.

Gina zuckte mit den Schultern und ließ sich auf der Bank gegenüber von ihr nieder. „Naja. Sie wirkt in Ordnung.“

Sie war wieder in ihrem Eifersuchtsmodus.

„Du weißt, dass du meine engste Freundin bist“, sagte Lacey zu Gina.

„Jetzt noch. Aber was, wenn Brooke und du euch über all die Dinge unterhalten könnt, die man als Expat erlebt?“

„Ich kann mehr als einen Freund haben.“

„Das weiß ich. Aber mit wem wirst du mehr Zeit verbringen wollen? Mit jemandem in deinem Alter, der selbst einen trendigen Laden besitzt oder mit jemandem, der alt genug ist, um deine Mutter zu sein, und Schafe verkauft?“

Lacey konnte nicht anders, als zu lachen, obwohl darin keine Häme steckte. Sie streckte ihren Arm über den Tisch und drückte Ginas Hand.

„Ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass ich ohne dich verrückt werden würde. Ehrlich, mit allem, was mit Iris passiert ist und der Polizei oder Taryns Versuchen, mich aus Wilfordshire zu vertreiben, hätte ich ohne dich den Verstand verloren. Du bist eine tolle Freundin, Gina, und das ist für mich nicht selbstverständlich. Ich werde dich nicht vergessen, weil eine Kaktus-schwingende Ex-Wrestlerin in die Stadt gezogen ist. Okay?“

„Eine Kaktus-schwingende Ex-Wrestlerin?“, sagte Brooke, die gerade von der Seite mit einem Tablett mit Kaffee und Sandwiches erschienen war. „Sie reden doch nicht etwa von mir oder?“

Laceys Wangen wurden sofort rot. Es war nicht ihre Art, über andere Leute hinter ihrem Rücken zu lästern. Sie hatte nur versucht, Gina aufzumuntern.

„Ha! Lacey, Ihr Gesicht!“, prustete Brook und klopfte ihr auf den Rücken. „Kein Problem. Es macht mir nichts aus. Ich bin stolz auf meine Vergangenheit.“

„Das bedeutet also…“

„Jup“, sagte Brooke mit breitem Grinsen. „Es ist wahr. Die Geschichte ist allerdings wirklich nicht so spannend, wie sie einige dargestellt haben. Ich war in der Schule Ringer, dann auf der Uni und danach habe ich es ein Jahr lang auch professionell gemacht. Ich glaube, die Leute aus einer kleinen englischen Stadt stellen sich das Ganze etwas exotischer vor.“

Lacey fühlte sich richtig albern. Natürlich würde alles völlig übertrieben dargestellt und verzerrt werden, wenn eine Geschichte in einer Kleinstadt von einer Person zur nächsten wanderte. Brooks Vergangenheit als Wrestlerin war genauso unspektakulär wie Laceys ehemalige Karriere als Assistent einer Innenarchitektin in New York; normal für sie, exotisch für alle anderen.

„Aber, wenn es um das Schwingen von Kakteen geht…“, sagte Brooke. Dann zwinkerte sie Lacey zu.

Sie nahm die Bestellung von dem Tablett herunter, holte zwei Wasserschüsseln und ein Trockenfutter für die Hunde und ließ Lacey und Gina wieder alleine.

Trotz der übertrieben komplexen Beschreibungen auf dem Menü, war das Essen hervorragend. Die Avocado war genau richtig reif, weich genug, um ihren Biss zu verlieren, aber nicht so weich, dass sie schon matschig war. Das Brot war frisch, mit Samen bestreut und getoastet. Es konnte sogar mit dem von Tom mithalten und das war das höchste Lob, das Lacey überhaupt aussprechen konnte! Der Kaffee war jedoch der wahre Triumph. Lacey hatte in letzter Zeit immer Tee getrunken, da er ihr ständig angeboten wurde und weil es keinen Ort zu geben schien, der ihren Erwartungen gerecht werden konnte. Aber Brookes Kaffee schmeckte genauso, als wäre er direkt aus Kolumbien importiert worden! Lacey würde ihren Morgenkaffee definitiv von hier holen. Zumindest an den Tagen, an denen sie zu einer vernünftigen Zeit zu arbeiten begann und nicht schon im Laden war, während normale Menschen noch in ihren Betten schlummerten.

Lacey hatte ihren Lunch schon halb aufgegessen, als die automatische Tür hinter ihnen aufging und kein anderer als Buck und seine alberne Frau hereinmarschiert kamen. Lacey stöhnte.

„Hey, Mädel“, sagte Buck und schnippte mit seinen Fingern zu Brooke, während er sich auf einen Sessel plumpsen ließ. „Wir brauchen Kaffee. Und ich nehme Steak und Pommes.“ Er deutete auffordernd auf die Tischplatte, dann blickte er zu seiner Frau. „Daisy? Was willst du?“

Die Frau stand noch an der Tür in ihren viel zu hohen Stilettos und wirkte beinahe verängstigt beim Anblick der vielen Kakteen.

„Ich nehme einfach das, was die wenigsten Kohlehydrate hat“, murmelte sie.

„Ein Salat für die Dame“, blaffte Buck Brooke entgegen. „Nur wenig Dressing.“

Brooke warf Lacey und Gina einen Blick zu, dann verschwand sie, um die Bestellung der unhöflichen Gäste zuzubereiten.

Lacey vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und musste sich für das Paar richtig fremdschämen. Sie hoffte inständig, dass die Leute aus Wilfordshire nicht glauben würden, alle Amerikaner wären so. Buck und Daisy machten ihrem gesamten Land einen schlechten Ruf.

„Großartig“, murmelte Lacey, als Buck lautstark mit seiner Frau zu reden begann. „Die beiden haben mir schon meinen Tee mit Tom ruiniert. Jetzt ruinieren sie noch mein Mittagessen mit dir.“

Gina wirkte unbeeindruckt von den beiden. „Ich habe eine Idee“, sagte sie.

Sie beugte sich herab und flüsterte Boudicca etwas zu, sodass ihre Ohren zuckten. Denn ließ Gina den Hund von der Leine. Boudicca stürmte durch den Teesalon, sprang auf den Tisch und schnappte sich das Steak direkt von Bucks Teller.

„HEY!“, brüllte er.

Brooke konnte sich nicht im Zaum halten. Sie brach in schallendes Gelächter aus.

Lacey schnappte nach Luft, erheitert von Ginas Albernheiten.

„Bring mir sofort ein neues“, befahl Buck. „Und schmeißt den Hung RAUS.“

„Tut mir leid, aber das war mein letztes Steak“, sagte Brooke und zwinkerte Lacey unauffällig zu.

Das Paar schnaufte aufgebracht und stürmte heraus.

Die drei Frauen brachen in Gelächter aus.

„Das war ganz und gar nicht dein letztes, oder?“, fragte Lacey.

„Ne“, sagte Brooke glucksend. „Ich habe einen ganzen Tiefkühler voller Steaks!“


*

Der Werktag ging langsam zu Ende und Lacey hatte bereits alle nautischen Objekte für die morgige Auktion geschätzt. Sie war so aufgeregt.

Das Gefühl hielt an, bis die Glocke bimmelte und Buck und Daisy hereinstolzierten.

Lacey stöhnte. Sie war nicht so ruhig wie Tom und auch nicht so heiter wie Brooke. Sie glaubte wirklich nicht, dass diese Begegnung gut ablaufen würde.

„Sieh dir all diesen Müll an“, sagte Buck zu seiner Frau. „Was für ein Haufen Schwachsinn. Warum wolltest du überhaupt hierher? Und es stinkt.“ Seine Augen wanderten zu Chester. „Da ist wieder dieser ekelhafte Hund!“

Lacey presste ihre Zähne so fest zusammen, dass sie befürchtete, sie könnten zerspringen. Sie versuchte sich Toms ruhige Energie herzuholen, als sie auf das Paar zuging.

„Ich befürchte, Wilfordshire ist eine sehr kleine Stadt“, sagte sie. „Man trifft ständig auf dieselben Menschen – und Hunde.“

„Sie sind es“, sagte Daisy und schien Lacey von den letzten beiden Begegnungen wiederzuerkennen.  „Das ist Ihr Geschäft?“ Sie hatte eine quirlige Stimme, wie ein typischer Hohlkopf aus dem Valley.

„So ist es“, bestätigte Lacey, während ihr Misstrauen wuchs. Daisys Frage fühlte sich bewertend an, als wäre es eine Anschuldigung.

„Als ich Ihren Akzent in der Patisserie gehört habe, bin ich davon ausgegangen, Sie wären eine Kundin“, sprach Daisy weiter. „Aber Sie leben tatsächlich hier?“ Sie zog eine Fratze. „Warum haben Sie Amerika für diesen Ort verlassen?“

Lacey spürte, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte. Ihr Blut begann zu kochen.

„Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem Sie hier Urlaub machen“, erwiderte Lacey in dem ruhigsten Ton, den sie herausbrachte. „Der Strand. Das Meer. Das Land. Die charmante Architektur.“

„Daisy“, bellte Buck. „Kannst du dich beeilen und das Ding finden, wegen dem du mich hier reingeschleppt hast?“

Daisy spähte über den Tresen. „Es ist weg.“ Sie sah Lacey an. „Wo ist das Kupferteil, das hier gestanden hat?“

Kupferteil? Lacey dachte an die Objekte, mit denen sie vor Ginas Ankunft gearbeitet hatte.

Daisy sprach weiter. „Es ist so etwas wie ein Kompass mit einem Teleskop daneben. Für Boote. Ich habe es durch das Fenster gesehen, als der Laden zur Mittagszeit geschlossen war. Haben Sie es schon verkauft?“

„Meinen Sie den Sextanten?“, fragte sie und runzelte die Stirn bei dem Gedanken, was eine quirlige Blondine wie Daisy mit einem antiken Sextanten anfangen wollte.

„Das war’s!“, quietschte Daisy. „Ein Sextant.“

Buck grunzte vor Lachen. Offensichtlich amüsierte ihn der Begriff.

„Bekommst du nicht genügend Sextant zuhause?“, scherzte er.

Daisy kicherte, aber für Lacey klang es so aufgesetzt, als würde sie nur ihm zu Liebe lachen.

Lacey war alles andere als amüsiert. Sie verschränkte ihre Arme und zog die Augenbrauen hoch.

„Ich befürchte, der Sextant steht nicht zum Verkauf“, erklärte sie und konzentrierte sich auf Daisy statt auf Buck, der es ihr besonders schwermachte, freundlich zu bleiben. „Alle nautischen Objekte werden morgen bei einer Auktion versteigert. Sie sind also nicht für den allgemeinen Verkauf bestimmt.“

Daisy schob ihre Unterlippe hervor. „Aber ich will ihn haben. Buck wird den doppelten Preis bezahlen. Nicht wahr, Bucky?“ Sie zog an seinem Arm.

Bevor Buck darauf antworten konnte, reagierte Lacey. „Nein, tut mir leid, das ist nicht möglich. Ich weiß nicht, wie viel ich dafür erhalten werden. Das ist der springende Punkt bei der Auktion. Es ist ein seltenes Stück und es kommen Spezialisten aus dem ganzen Land, um darauf zu bieten. Der Preis könnte alles sein. Wenn ich ihn jetzt an Sie verkaufen würden, könnte mir etwas entgehen und das gesamte Geld geht an eine Wohltätigkeitsorganisation. Dafür will ich den bestmöglichen Deal ergattern.“

Eine tiefe Furche bildete sich auf Bucks Stirn. In diesem Moment fiel Lacey noch stärker auf, wie groß und breit der Mann wirklich war. Er war weit über 1,80m groß und dicker als zwei Menschen ihrer Statur nebeneinander – viel eher wie eine dicke Eiche. Er war furchteinflößend, sowohl von seiner Größe als auch in seinem Benehmen.

„Haben Sie nicht gehört, was meine Frau gesagt hat?“, bellte er. „Sie will Ihr Dingsbums kaufen, also nennen Sie mir einen Preis.“

„Ich habe ihre Frau gehört“, antwortete Lacey und blieb standhaft. „Aber Sie haben mir scheinbar nicht zugehört. Der Sextant steht nicht zum Verkauf.“

Sie klang viel selbstbewusster, als sie sich tatsächlich fühlte. Eine kleine Alarmglocke in ihrem Kopf begann zu läuten und sagte ihr, dass sich gerade in eine gefährliche Lage manövrierte.

Buck machte einen Schritt auf sie zu und sein bedrohlicher Schatten legte sich über sie. Chester sprang auf und knurrte als Antwort, aber Buck schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen und ignorierte ihn einfach.

„Sie verweigern uns den Kauf?“, sagte er. „Ist das nicht illegal? Ist unser Geld nicht gut genug für Sie?“ Er zog einen Stapel Bargeld aus seiner Tasche und fuchtelte damit vor Laceys Gesicht herum. Die Geste sollte eindeutig bedrohlich sein. „Da ist sogar das Gesicht der Queen drauf. Ist das nicht genug für Sie?“

Chester begann wütend zu kläffen. Lacey gab ihm das Handsignal aufzuhören und er gehorchte ihr brav, blieb aber weiterhin an derselben Stelle stehen, als wartete er nur auf das Zeichen zum Angriff.

Lacey verschränkte ihre Arme und bereitete sich auf einen Streit vor. Ihr war jeder Zentimeter bewusst, mit dem er sie überragte, und war trotzdem bereit, ihre Stellung zu halten. Sie würde sich nicht dazu drängen lassen, ihren Sextanten zu verkaufen. Sie würde nicht zulassen, dass ihr dieser gemeine, massige Mann Angst einjagen und ihre Auktion vermasseln würde. Sie hatte zu hart dafür gearbeitet und freute sich zu sehr darauf.

„Wenn Sie den Sextanten kaufen möchten, dann müssen Sie zu der Auktion kommen und darauf bieten“, sagte sie.

„Oh, das werde ich“, sagte Buck mit zusammengekniffenen Augen. Er zeigte direkt auf Laceys Gesicht. „Darauf können Sie wetten. Merken Sie sich meine Worte. Buckland Stringer wird gewinnen.“

Damit verschwand das Paar. Sie stürmten so rasant aus dem Laden, dass sie beinahe Turbulenzen in der Luft hinterließen. Chester hechtete zum Fenster, legte seine Vorderpfoten auf die Glasscheibe und knurrte sie von hinten an, während sie sich entfernten. Lacey sah ihnen zu, bis sie nicht mehr in Sichtweite waren. Erst dann bemerkte sie, wie sehr ihr Herz raste und ihre Beine zitterten. Sie hielt sich am Tresen fest, um sich zu stabilisieren.

Tom hatte recht gehabt. Sie hatte es verschrien, als sie gesagt hatte, für die beiden gäbe es keinen Grund, den Laden zu besuchen. Aber es war verständlich, dass sie angenommen hatte, nichts Interessantes für die beiden zu besitzen. Keiner hätte bei Daisys Anblick vermutet, dass sie an einem antiken, nautischen Sextanten interessiert wäre!

„Oh Chester“, sagte Lacey und ließ ihren Kopf auf ihre Faust sinken. „Warum habe ich ihnen nur von der Auktion erzählt?“

Der Hund winselte, als er das traurige Bedauern in ihrer Stimme wahrnahm.

„Jetzt muss ich sie auch noch am morgigen Tag ertragen“, jammerte sie. „Und wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich bei der Auktion zu benehmen wissen? Das wird ein wahres Desaster.“

Und so schnell war ihre Vorfreude auf die Auktion am nächsten Tag erloschen, wie eine Flamme zwischen zwei Fingerspitzen. Und an ihrer Stelle fühlte sie jetzt nur Entsetzen.




KAPITEL VIER


Nach ihrem Aufeinandertreffen mit Buck und Daisy war Lacey mehr als bereit, den Laden für den Tag zu schließen und nach Hause aufzubrechen. Tom kam heute Abend vorbei, um für sie zu kochen, und sie freute sich besonders darauf, auf der Couch mit einem Glas Wein und einem guten Film zu kuscheln. Aber sie musste noch die Abrechnung machen, den Bestand sortieren, den Boden fegen und die Kaffeemaschine reinigen… Nicht, dass sich Lacey beschweren wollte. Sie liebte ihr Geschäft und alles, was als Besitzer dazugehörte.

Als sie endlich fertig war, ging sie gemeinsam mit Chester zum Ausgang und warf einen Blick auf die Schmiedeeisenuhr. Die Zeiger standen bereits auf sieben Uhr und draußen war es dunkel geworden. Obwohl der Frühling bereits längere Tage brachte, hatte Lacey noch keinen davon richtig genießen können. Aber sie konnte die Veränderung der Atmosphäre bereits spüren; die Stadt wirkte lebendiger, viele der Cafés und Pubs hatten länger geöffnet und viele Menschen saßen auf den Tischen im Freien, um Kaffee oder Bier zu trinken. Es gab dem Ort eine festliche Stimmung.

Lacey schloss ihren Laden ab. Sie war seit dem Einbruch besonders vorsichtig geworden, aber selbst wenn dieser Vorfall niemals passiert wäre, würde sie sich so verhalten. Der Shop war wie ihr eigenes Kind geworden. Er war etwas, das gepflegt, beschützt und umsorgt werden musste. In so kurzer Zeit hatte sie sich komplett verliebt.

„Wer hätte gedacht, dass man sich in ein Geschäft verlieben könnte?“, sinnierte sie laut und seufzte tief, zufrieden darüber, wie sich ihr Leben gedreht hatte.

An ihrer Seite winselte Chester.

Lacey streichelte seinen Kopf. „Ja, in dich bin ich auch verliebt. Keine Sorge!“

Als sie über die Liebe sprach, erinnerte sie sich an die Pläne für heute Abend mit Tom und spähte zu seiner Patisserie hinüber.

Zu ihrer Überraschung waren noch alle Lichter an. Das war sehr ungewöhnlich. Tom musste sein Geschäft bereits zu der unmenschlichen Zeit um fünf Uhr morgens öffnen, damit alles rechtzeitig für den Frühstücksansturm um sieben Uhr fertig war. Das bedeutete, dass er üblicherweise um Punkt fünf Uhr abends abschloss. Jetzt war es sieben Uhr und er war offensichtlich noch dort. Die Klapptafel stand noch auf der Straße. Das Schild an der Tür zeigte noch an, dass geöffnet war.

„Komm schon, Chester“, sagte sie zu ihrem flauschigen Freund. „Lass uns schnell nachsehen gehen.“

Gemeinsam überquerten sie die Straße und betraten die Patisserie.

Sofort nahm Lacey einen Tumult in der Küche wahr. Es klang wie die üblichen Geräusche klirrender Pfannen und Töpfe, aber mit doppelter Geschwindigkeit.

„Tom?“, rief sie ein wenig nervös.

„Hey!“, drang seine Stimme aus der Küche hervor. Er klang so gut aufgelegt wie immer.

Jetzt, da Lacey wusste, dass er nicht gerade dabei war, von einem Macaron-Dieb überfallen zu werden, entspannte sie sich. Sie hüpfte auf ihren üblichen Stuhl, während das Klappern fortsetzte.

„Ist alles okay bei dir?“, fragte sie.

„Alles gut!“, rief Tom zurück.

Einen Augenblick später erschien er endlich im Durchgang zur kleinen Küche. Er trug seine Schürze und sie – genauso wie seine restlichen Kleider darunter und seine Haare – war voller Mehl. „Es gab einen kleinen Unfall.“

„Klein?“, verhöhnte ihn Lacey. Da sie jetzt wusste, dass Tom keinen Eindringling in der Küche bekämpfte, konnte sie die Situationskomik genießen.

„Es war eigentlich Paul“, begann Tom.

„Was hat er jetzt schon wieder gemacht?“, fragte Lacey und erinnerte sich an die Zeit, als Toms Lehrling versehentlich Backpulver an Stelle von Mehl in einem Teig verwendet hatte, sodass dieser komplett unbrauchbar wurde.

Tom hielt zwei weiße Packungen hoch, die fast identisch aussahen. Auf der linken Seite stand auf dem ausgeblichenen Schild: Zucker. Auf der rechten Seite: Salz.

„Ah“, sagte Lacey.

Tom nickte. „Jep. Das war der Teig für das morgige Frühstücksgebäck. Ich muss die gesamte Ladung neu machen oder riskieren, dass ich den Ärger der Bewohner auf mich ziehe, wenn sie zum Frühstück kommen und herausfinden, dass ich nichts zu verkaufen habe.“

„Heißt das, wir müssen unsere Pläne für heute Abend absagen?“, fragte Lacey. Die Komik, die sie vor wenigen Augenblicken noch empfunden hatte, verschwand schlagartig und jetzt kam große Enttäuschung an ihre Stelle.

Tom warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir so leid. Lass es uns verschieben. Morgen? Ich komme vorbei und koche für dich.“

„Ich kann nicht“, antwortete Lacey. „Morgen habe ich das Meeting mit Ivan.“

„Das Meeting für den Verkauf des Crag Cottages“, sagte Tom und schnippte mit den Fingern. „Natürlich. Ich erinnere mich. Wie wäre es mit Mittwochabend?“

„Musst du mittwochs nicht schon los zu deinem Focaccia-Kurs?“

Tom sah perplex aus. Er überprüfte seinen Wandkalender und seufzte. „Okay, das ist nächsten Mittwoch.“ Er kicherte. „Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Oh, aber ich bin Mittwochabend doch verplant. Und Donnerstag –“

„– hast du Badmintontraining“, beendete Lacey den Satz für ihn.

„Was bedeutet, dass ich am Freitag wieder Zeit habe. Ist Freitag gut?“

Seine Stimme war so fröhlich wie immer, bemerkte Lacey, aber die Gleichgültigkeit, mit der er ihre Pläne verworfen hatte, stieß ihr sauer auf. Es schien ihm gar nichts auszumachen, dass sie sich erst Ende der Woche zu einem romantischen Abend sehen konnten.

Obwohl Lacey genau wusste, dass sie keine Pläne für Freitag hatte, hörte sie sich sagen: „Ich werde in meinem Planer nachsehen und dir Bescheid geben.“

Und sobald ihr die Worte über die Lippen gekommen waren, spürte sie eine weitere Emotion in ihrem Bauch, die sich mit der Enttäuschung vermischte. Zu Laceys Überraschung war es Erleichterung.

Erleichterung, dass sie eine ganze Woche kein romantisches Date mit Tom haben würde? Sie konnte selbst nicht genau verstehen, woher die Erleichterung kam, und fühlte sich sofort schuldig dafür.

„Klar“, sagte Tom, der wieder nichts zu bemerken schien. „Wir können das Ganze auf Eis legen und etwas Besonderes planen, wenn wir beide mehr Zeit haben?“ Er wartete auf ihre Reaktion, doch als keine kam, fügte er hinzu: „Lacey?“

Das lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück.  „Ja… Richtig. Klingt gut.“

Tom kam zu ihr herüber und stützte seine Ellenbogen am Tresen ab, sodass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. „Und jetzt. Ernsthafte Frage. Kommst du mit der Essensbeschaffung für heute Abend klar? Denn du hast natürlich mit einer leckeren, reichhaltigen Speise gerechnet. Ich habe einige Fleischpasteten, die ich nicht verkauft habe, wenn du eine mitnehmen möchtest?“

Lacey gluckste und schlug ihm auf den Arm. „Ich brauche keine Almosen, vielen Dank! Du solltest wissen, dass ich tatsächlich auch selbst kochen kann!“

„Oh wirklich?“, stichelte Tom.

„In meiner Zeit war ich dafür bekannt, hin und wieder ein Gericht aufzutischen“, sagte Lacey. „Pilzrisotto. Paella mit Meeresfrüchten.“ Sie durchforstete ihr Gehirn, um zumindest noch eine weitere Speise hinzuzufügen, denn schließlich wusste jeder, dass eine Liste mindestens drei Punkte benötigte! „Ähm… ähm…“

Tom zog seine Augenbrauen hoch. „Und weiter…?“

„Makkaroni mit Käse!“, platzte sie hervor.

Tom lachte herzlich. „Das ist ein ziemlich beeindruckendes Repertoire. Und doch habe ich noch keine Beweise für diese Behauptungen gesehen.“

Damit hatte er recht. Bisher hatte Tom alle Speisen für sie zubereitet. Es machte Sinn. Er liebte es zu kochen und hatte die nötigen Fähigkeiten dazu. Lacey Kochkünste beschränkten sich darauf, die Plastikfolie eines Mikrowellengerichts zu durchstechen.

Sie verschränkte ihre Arme. „Ich hatte auch noch nie die Chance dazu“, erwiderte sie in demselben belustigten Ton wie er und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, was für eine echte Kränkung seine Kommentare bei ihr auslösten. „Mr. Haubenkoch vertraut mir nicht am Herd.“

„Soll ich das als Angebot wahrnehmen?“, fragte Tom und zuckte mit den Augenbrauen.

Verdammter Stolz, dachte Lacey. Sie war genau in die Falle getappt. Großartig, wie du dir das selbst eingebrockt hast.

„Darauf kannst du wetten“, sagte sie und täuschte Selbstbewusstsein vor. Sie strecke ihm eine Hand entgegen. „Herausforderung angenommen.“

Tom blickt regungslos auf ihre Hand und kräuselte seine Lippen. „Es gibt aber eine Bedingung.“

„Oh? Und die wäre?“

„Es muss etwas Traditionelles sein. Etwas aus New York.“

„In diesem Fall hast du mir meinen Job zehnmal so leicht gemacht“, verkündete Lacey. „Denn das bedeutet, dass ich Pizza und Käsekuchen machen werde.“

„Nichts davon darf aus dem Supermarkt kommen“, fügte Tom hinzu. „Das ganze Gericht muss selbstgemacht sein. Und du darfst dir keine heimliche Hilfe holen. Frag Paul nicht nach dem Kuchen.“

„Als ob“, sagte Lacey und deutete auf den aufgebrauchten Sack mit Salz, der auf dem Tresen stand. „Paul ist die letzte Person, die ich zum Schummeln einteilen würde.“

Tom lachte. Lacey schob ihre ausgestreckte Hand näher zu ihm. Er nickte, um zu zeigen, dass er mit ihrer Zustimmung zu den Bedingungen zufrieden war, und nahm ihre Hand. Aber statt sie zu schütteln, zog er sie an sich und küsste sie.

„Ich sehe dich dann morgen“, murmelte Lacey und spürte das Kribbeln seiner Lippen auf ihren.

„Durch das Fenster, meine ich. Außer du hast Zeit, zu meiner Auktion zu kommen?“

„Natürlich komme ich zu deiner Auktion“, sagte Tom zu ihr. „Ich habe die letzte verpasst. Ich muss dort sein, um dich zu unterstützen.“

Sie lächelte. „Großartig.“

Sie drehte sich um und ging zum Ausgang, während Tom in dem Backwarenchaos zurückblieb.

Sobald die Tür der Patisserie hinter ihr zufiel, blickte sie zu Chester herab.

„Jetzt habe ich mir ganz schön etwas eingebrockt“, sagte sie zu dem aufmerksam wirkenden Hund. „Wirklich, du hättest mich aufhalten sollen. Hättest du mich doch am Ärmel gezogen. Mich mit deiner Schnauze angestupst. Irgendetwas. Aber jetzt muss ich eine Pizza aus dem Nichts zaubern. Und einen Käsekuchen! Mist.“ Sie schleifte ihren Schuh über den Gehsteig in gespielter Frustration. „Komm schon, wir müssen in den Supermarkt, bevor wir nach Hause gehen.“

Lacey drehte sich in die andere Richtung und eilte die Hauptstraße hinunter bis zum Supermarkt (oder Tante-Emma-Laden wie Gina ihn immer nannte). Auf dem Weg schrieb sie eine Nachricht in die Gruppenunterhaltung der Doyle Girlz.

Weiß jemand, wie man Käsekuchen macht?

Mit Sicherheit würde ihre Mutter wissen, wie man so etwas macht, oder?

Es dauerte nicht lange, bis ihr Telefon brummte. Sie überprüfte, wer ihr geantwortet hatte. Leider war es ihre kleine Schwester Naomi, die für ihren Sarkasmus bekannt war.

Sowas macht man nicht, witzelte ihre Schwester. Du kaufst ihn fertig und ersparst dir die Mühe.

Lacey tippte eine schnelle Antwort. Nicht hilfreich, Sis.

Naomis Antwort kam mit Lichtgeschwindigkeit an. Wenn du dumme Fragen stellst, musst du dumme Antworten erwarten.

Lacey rollte mit den Augen und eilte weiter.

Zum Glück hatte ihr ihre Mutter bereits ein Backrezept geschickt, als sie den Laden erreichte.

Das ist von Martha Stewart, schrieb sie. Der kannst du vertrauen.

Vertrauen? Naomis Antwort kam direkt. War die nicht im Gefängnis?

Ja, erwiderte ihre Mutter. Aber das hat doch nichts mit ihrem Käsekuchenrezept zu tun.

Touché, antwortete Naomi.

Lacey lachte. Ihre Mutter hatte Naomi wirklich übertrumpft!

Sie legte ihr Handy weg, band Chester an der Laterne fest und betrat den hell erleuchteten Shop. Sie beeilte sich und füllte ihren Korb mit allem, was ihr Martha Stewart aufgetragen hatte. Dann schnappte sie sich eine Tüte mit vorgekochten Linguine-Nudeln und eine kleine Tube mit Fertigsauce (die praktischerweise im Kühlschrank direkt danebenlag) und einen bereits geriebenen Parmesankäse (auch direkt neben der Sauce), bevor sie sich eine Flasche Wein schnappte, auf der geschrieben stand: Passt perfekt zu Linguine!

Kein Wunder, dass ich nie gelernt habe zu kochen, dachte Lacey. Wenn sie es einem so einfach machen.

Sie ging zur Kassa, bezahlte ihre Waren und sammelte Chester wieder auf, als sie den Laden verließ. Sie gingen wieder an ihrem Geschäft vorbei – sie bemerkte, dass Tom immer noch dort war, wo sie ihn zurückgelassen hatte – und stieg in ihr Auto an der Straßenseite.

Es war nur eine kurze Fahrt zu Crag Cottage, zuerst an der Küste, dann auf die Klippen hinauf. Chester saß aufmerksam auf der Beifahrerseite und als das Auto den Hügel erklommen hatte, wurde der Blick auf das Crag Cottage freigelegt. Ein Gefühl der Freude kam in Lacey auf. Das Landhaus fühlte sich wie ihr Zuhause an. Und nach dem morgigen Treffen mit Ivan würde sie vielleicht schon einen Schritt näher sein, der offizielle Besitzer zu werden.

In diesem Augenblick bemerkte sie das warme Leuchten eines Lagerfeuers aus der Richtung von Ginas Landhaus und entschied sich, an ihrem Haus vorbei über den holprigen, einspurigen Pfad zu ihrer Nachbarin zu fahren.

Als sie anhielt, konnte sie die Frau bereits in ihren Gummistiefeln neben dem Feuer stehen sehen, in das sie gerade Laub warf. Das Feuer sah im dämmernden Licht des frühlinghaften Abends besonders schön aus.

Lacey hupte und kurbelte ihr schwergängiges Fenster herunter.

Gina blickte herüber und winkte. „Hey-ho Lacey. Musst du auch etwas verbrennen?“

Lacey lehnte sich auf ihren Ellenbogen aus dem Fenster. „Nein. Ich wollte nur fragen, ob du dabei Hilfe möchtest?“

„Ich dachte, du hast heute ein Date mit Tom?“, fragte Gina.

„Das hatte ich“, antwortete Lacey und fühlte die seltsame Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung erneut in ihrem Magen rumoren. „Aber er hat abgesagt. Ein Backnotfall.“

„Ah“, sagte Gina. Sie warf einen weiteren Ast in das Lagerfeuer, sodass rote, orange und gelbe Funken durch die Luft flogen. „Nun, ich habe hier alles unter Kontrolle, danke. Außer du hast ein paar Marshmallows, die du grillen möchtest?“

„Mist, nein, habe ich nicht. Das klingt nett! Und ich habe gerade erst eingekauft!“

Sie entschloss sich, ihren Mangel an Marshmallows auf Martha Stewart und ihr extrem vernünftiges Vanille-Käsekuchen-Rezept zu schieben.

Lacey wollte Gina gerade eine gute Nacht wünschen und rückwärts über den Weg fahren, den sie gekommen war, als Chester sie mit seiner Nase anstupste. Sie drehte sich um und sah ihn an. Die Einkaufstüten, die sie in den Fußbereich des Beifahrersitzes gestellt hatte, waren umgefallen und einige der Lebensmittel herausgerollt.

„Das ist eine Idee…“, sagte Lacey. Sie blickte wieder aus dem Fenster. „Hey, Gina. Was hältst du von einem gemeinsamen Abendessen? Ich habe Wein und Pasta. Und alle Zutaten für einen authentischen New York City Käsekuchen von Martha Stewart, falls uns langweilig wird und wir eine Beschäftigung brauchen.“

Gina sah begeistert aus. „Ich war schon nach dem Wein dabei!“, rief sie.

Lacey lachte. Sie beugte sich hinunter, um die Einkaufstüten aus dem Fußbereich zu nehmen und erhielt einen weiteren Stupser von Chesters feuchter Nase.

„Was ist denn jetzt?“, fragte sie ihn.

Er legte seinen Kopf zur Seite und zog die flauschigen Büschel seiner Augenbrauen nach oben.

„Oh. Ich verstehe“, sagte Lacey. „Ich habe dich vorher angeschnauzt, weil du mich bei Tom nicht davon abgehalten hast, mir etwas einzubrocken. Und jetzt willst du mir beweisen, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, nicht wahr? Nun, da muss ich dir rechtgeben.“

Er winselte.

Sie kicherte und streichelte seinen Kopf. „Kluges Kerlchen.“

Chester folgte ihr, als sie aus dem Auto ausstieg und den Pfad zu Gina hinaufmarschierte. Dabei musste sie sich den Weg durch Schafe und Hühner bahnen, die überall verteilt waren.

Sie gingen ins Haus.

„Also, was ist mit Tom passiert?“, fragte Gina, als sie den Korridor mit der tiefen Decke entlangspazierten, der zu der rustikalen Küche im Landhausstil führte.

„Eigentlich war es Paul“, erklärte Lacey. „Er hat die Mehle vertauscht oder so etwas.“

Sie erreichten die hell erleuchtete Küche und Lacey platzierte ihre Einkaufstüten auf der Arbeitsfläche.

„Es wird langsam Zeit, dass er diesen Paul feuert“, sagte Gina mit einem Seufzen.

„Er ist ein Lehrling“, erwiderte Lacey. „Er soll Fehler machen dürfen!“

„Klar. Aber danach sollte er aus ihnen lernen. Wie viele Teige hat er mittlerweile ruiniert? Und dass er sogar Auswirkungen auf eure Pläne hat, setzt dem Ganzen das Croissant auf.“

Lacey grinste bei Ginas amüsanter Wortwahl.

„Ehrlich, es ist in Ordnung“, sagte sie und nahm die Artikel aus der Tüte. „Ich bin eine unabhängige Frau. Ich muss Tom nicht jeden Tag sehen.“

Gina schnappte zwei Weingläser und schenkte beiden ein, dann begannen sie, das Abendessen zuzubereiten.

„Du wirst nicht glauben, wer heute vor Ladenschluss in mein Geschäft gekommen ist“, sagte Lacey, als sie die Pasta im Topf mit kochendem Wasser flüchtig umrührte. Laut der Anleitung musste man sie nicht während der vierminütigen Kochzeit umrühren, doch das fühlte sich selbst für Lacey zu faul an.

„Nicht etwa die Amerikaner?“, fragte Gina mit angewidertem Unterton, als sie die Tomatensauce in die Mikrowelle stellte und für zwei Minuten darin erhitzen ließ.

„Ja. Die Amerikaner.“

Gina schüttelte sich. „Ach herrje. Was wollten sie? Lass mich raten: Daisy wollte, dass ihr Buck ein überteuertes Schmuckstück kauft?“

Lacey goss die Pasta in ein Sieb ab und teilte sie auf zwei Schüsseln auf. „Das ist die Sache. Daisy wollte, dass ihr Buck etwas kauft. Den Sextanten.“

„Den Sextanten?“, fragte Gina, als sie die Tomatensauce unelegant auf die Pasta klatschte. „Also das nautische Instrument? Wofür würde eine Frau wie Daisy einen Sextanten haben wollen?“

„Nicht wahr? Genau dasselbe habe ich auch gedacht!“ Lacey streute geriebenen Parmesan über den Berg von Pasta.

„Vielleicht hat sie ihn einfach zufällig ausgewählt“, grübelte Gina und gab Lacey eine der beiden Gabeln, die sie aus der Bestecklade gefischt hatte.

„Sie war sehr konkret“, führte Lacey weiter aus. Sie brachte ihre Essen und den Wein zum Tisch. „Sie wollte ihn kaufen und natürlich habe ich ihr gesagt, dass sie dazu zur Auktion kommen müsste. Ich dachte, das würde ihr Interesse trüben, aber nein. Sie meinte, dass sie dort sein wird. Also muss ich die beiden auch morgen noch ertragen. Hätte ich das Teil doch einfach vor dem Lunch weggepackt und nicht gut sichtbar vor dem Fenster stehen lassen!“

Sie blickte auf, als sich Gina auf dem gegenüberliegenden Sessel niederließ, und bemerkte, dass ihre Nachbarin auf einmal ein wenig verwirrt wirkte. Sie schien Laceys Aussage nichts hinzuzufügen zu haben, was für die gesprächige Frau besonders unüblich war.

„Was ist denn?“, fragte Lacey. „Was ist los?“

„Nun, ich war diejenige, die gesagt hat, dass es nicht schaden kann, deinen Laden über die Mittagspause zu schließen“, murmelte Gina. „Aber das hat es. Denn so hatte Daisy die Chance, den Sextanten zu sehen! Es ist meine Schuld.“

Lacey lachte. „Sei nicht albern. Komm schon, lass uns essen, bevor es kalt wird und all deine Mühen umsonst waren.“

„Warte. Wir brauchen noch eine Sache.“ Gina ging zu den Töpfen mit Kräutern, die am Fensterbrett aufgereiht waren und zupfte ein paar Blätter herunter. „Frisches Basilikum!“ Sie platzierte einen Zweig auf jeder Schüssel, der schlecht angerichteten, glitschigen Pasta. „Et voila!“

Dafür, dass es so günstig war, schmeckte das Essen richtig lecker. Aber schließlich waren die meisten Fertiggerichte mit Fett und Zucker gefüllt, also mussten sie das sein!

„Bin ich eine würdige Vertretung für Tom?“, fragte Gina, als sie aßen und Wein tranken.

„Tom wer?“, witzelte Lacey. „Oh, du hast mich gerade erinnert! Tom hat mich herausgefordert, für ihn zu kochen. Etwas, das typisch für New York ist. Also mache ich einen Käsekuchen als Dessert. Meine Mutter hat mir ein Rezept von Martha Stewart geschickt. Willst du mir dabei helfen?“

„Martha Stewart“, sagte Gina und schüttelte ihren Kopf. „Ich habe ein viel besseres Rezept.“

Sie marschierte zu ihrem Küchenschrank und begann darin herumzukramen. Dann zog sie ein zerfledertes Kochbuch hervor.

„Das war der ganze Stolz meiner Mutter“, sagte sie und legte es vor Lacey auf den Tisch. „Sie hat jahrelang Rezepte gesammelt. Ich habe hier drinnen Ausschnitte, die bis zum Krieg zurückgehen.“

„Großartig“, freute sich Lacey. „Aber wie kommt es, dass du nie gelernt hast zu kochen, wenn du eine Expertin zuhause hattest?“

„Weil“, sagte Gina, „ich viel zu beschäftigt damit war, meinem Vater beim Anpflanzen vom Gemüse im Garten zu helfen. Ich war richtig burschikos. Und ein Papakind. Eines dieser Mädchen, die sich gerne die Hände schmutzig machten.“

„Nun, das kann man auch mit Backen erreichen“, sagte Lacey. „Du hättest Tom vorhin sehen sollen. Er war von oben bis unten mit Mehl bedeckt.“

Gina lachte. „Ich meinte damit, dass ich gerne schlammig wurde! Mit Käfern gespielt habe. Auf Bäume geklettert bin. Zum Angeln gegangen bin. Kochen schien mir immer zu feminin für meinen Geschmack.“

„Sag das lieber nicht zu Tom“, kicherte Lacey. Sie blickte auf das Rezeptbuch hinunter. „Also willst du mir dabei helfen, den Käsekuchen zu machen, oder sind dir dabei nicht genug Würmer involviert?“

„Ich helfe“, sagte Gina. „Wir können frische Eier verwenden. Daphne und Delilah haben beide heute morgen welche gelegt.“

Sie räumten ihr Geschirr zusammen und machten sich an den Käsekuchen nach dem Rezept von Ginas Mutter, statt dem von Martha.

„Also wenn man von den Amerikanern absieht, freust du dich auf die Auktion morgen?“, fragte Gina, als sie die Kekse mit einem Kartoffelstampfer in einer Schüssel zerstieß.

„Ich freue mich. Bin nervös.“ Lacey schwenkte den Wein in ihrem Glas. „Hauptsächlich nervös. So wie ich mich kenne, werde ich heute keine Sekunde schlafen vor Sorge.“

„Ich habe eine Idee“, sagte Gina darauf. „Sobald wir hier fertig sind, sollten wir losgehen und mit den Hunden an der Küste entlangmarschieren. Wir können die östliche Route nehmen. Dort bist du noch nie spaziert oder? Die Meeresluft wird dich müde machen und du wirst schlafen, wie ein Baby, das kannst du mir glauben.“

„Das ist eine gute Idee“, stimmte Lacey zu. Würde sie jetzt nach Hause gehen, würde sie sich nur den Kopf zerbrechen.

Als Lacey den matschigen Käsekuchen zum Abkühlen in den Kühlschrank stellte, eilte Gina in die Abstellkammer, um für die beiden Regenjacken zu holen. Abends war es immer noch relativ kühl, besonders am Meer, wo der Wind durchzog.

Der große, wasserfeste Fischermantel verschluckte Lacey förmlich. Aber als sie hinausgingen, war sie froh, ihn zu haben. Es war eine kalte, klare Abendluft.

Sie spazierten die Stufen an den Klippen herab. Der Strand war leer und relativ dunkel. Es war irgendwie berauschend, hier zu sein, wenn es so menschenleer war, dachte Lacey. Es fühlte sich so an, als wären sie die einzigen Menschen auf der Welt.

Sie gingen zum Ozean hinunter und machten sich in Richtung Osten auf. Lacey hatte bisher noch nicht die Gelegenheit gehabt, diese Strecke zu erkunden. Es machte Spaß, neue Orte zu entdecken. In einer kleinen Stadt wie Wilfordshire zu sein, fühlte sich manchmal etwas erdrückend an.

„Hey, was ist das?“, fragte Lacey und blickte über das Wasser auf etwas, das wie die Silhouette eines Gebäudes auf einer Insel aussah.

„Mittelalterliche Ruinen“, sagte Gina. „Bei Ebbe gibt es eine Sandbank, über die man sie erreichen kann. Auf jeden Fall eine Erkundung wert, wenn du bereit bist, so früh aufzustehen.“

„Wann ist Ebbe?“, frage Lacey.

„Fünf Uhr morgens.“

„Autsch. Das ist wohl ein bisschen zu früh für mich.“

„Du kannst natürlich auch mit dem Boot hinüberfahren“, erklärte Gina. „Wenn du jemanden kennst, der eines besitzt. Aber wenn du dort feststeckst, muss du ein Boot der ehrenamtlichen Küstenwache rufen und diese Kerle freuen sich nicht besonders, wenn sie ihre Ressourcen für ahnungslose Leute verschwenden müssen, das kannst du mir glauben! Ich habe es einmal gemacht und dabei eine ganz schön ernste Ermahnung erhalten. Glücklicherweise bin ich nicht auf den Mund gefallen und als wir das Ufer erreichten, lachten sie bereits alle wieder. Es hat sich also alles in Wohlgefallen aufgelöst.“

Chester begann an seiner Leine zu ziehen, als versuchte er, zur Insel zu gelangen.

„Ich glaube, er kennt den Ort“, sagte Lacey.

„Vielleicht ist sein alter Besitzer mit ihm dort spazieren gegangen?“, wand Gina ein.

Chester bellte, als wollte er die Aussage bestätigen.

Lacey beugte sich herunter und zerzauste sein Fell. Es war schon einige Zeit vergangen, seit sie an Chesters ehemalige Besitzer gedacht hatte und wie furchtbar es für ihn gewesen sein musste, sie so plötzlich zu verlieren.

„Wie wäre es, wenn wir einmal gemeinsam dorthin gehen?“, fragte sie ihn. „Ich werde extra früh für dich aufstehen.“

Mit einem freudigen Schwanzwackeln ließ Chester seinen Kopf in den Nacken fallen und jaulte in den Himmel.


*

Wie sie bereits geahnt hatte, fiel es Lacey in dieser Nacht besonders schwer zu schlafen. So viel dazu, dass die Meeresluft sie ermüden würde. In ihrem Kopf schwirrten einfach zu viele verschiedene Gedanken herum, um abzuschalten; von dem Verkaufsmeeting für das Crag Cottage mit Ivan bis hin zur Auktion gab es einfach zu viel, über das sie nachdenken konnte. Und obwohl sie sich auf die morgige Auktion freute, war sie auch nervös. Nicht nur, weil es erst ihr zweites Mal war, sondern weil sie sich mit ein paar unwillkommenen Besuchern in Form von Buck und Daisy Stringer herumschlagen musste.

Vielleicht kommen sie nicht, dachte sie, als sie auf die Schatten an der Decke starrte. Daisy wird wahrscheinlich schon etwas anderes gefunden haben, das sie von Buck verlangen konnte.

Aber nein, die Frau schien extrem hartnäckig zu sein, wenn es um den Sextanten ging. Er musste offensichtlich eine persönliche Bedeutung für sie haben. Sie würden kommen, da war sich Lacey sicher, selbst wenn sie damit nur auf ihrem Standpunkt behaaren wollten.

Lacey fokussierte sich auf die leisen Geräusche von Chesters Atmung und die der Wellen, die auf den Klippen aufprallten. Der sanfte Rhythmus entspannte sie ein wenig mehr. Sie war gerade dabei einzuschlafen, als ihr Telefon plötzlich laut auf der hölzernen Kommode neben ihrem Kopf zu vibrieren begann. Das grellgrüne Blinken des Bildschirms erleuchtete den Raum. Üblicherweise stellte sie es in den Nachtmodus, aber offensichtlich hatte sie heute darauf vergessen, zu beschäftigt damit, an andere Dinge zu denken.

Mit einem erschöpften Stöhnen streckte sie ihren Arm aus und griff nach dem Handy. Sie brachte es dicht an ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen, um zu sehen, wer sie zu einer solchen Stunde noch anrufen würden. Der Name Mama leuchtet auf dem Bildschirm auf.

Natürlich, dachte Lacey und ächzte. Ihre Mutter hatte wahrscheinlich vergessen, dass sie nach sechs Uhr abends in New York nicht mehr anrufen sollte.

Mit einem Seufzen hob Lacey ab. „Mom? Ist alles okay?“

Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment lang still. „Warum beantwortest du meine Anrufe immer so? Warum muss immer etwas nicht okay sein, wenn ich meine Tochter anrufen möchte?“

Lacey rollte mit den Augen und sank wieder auf ihr Kissen. „Weil es in England zwei Uhr morgens ist und du mich immer nur anrufst, wenn du gerade panisch bist. Also? Was ist los?“

Die folgende Stille war genug Bestätigung, um Lacey zu zeigen, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

„Mom?“, sagte sie ungeduldig.

„Ich war gerade bei David“, begann ihre Mutter.

„Was?“, stieß Lacey hervor. „Warum?“

„Um Eda kennenzulernen.“

Laceys Brust wurde eng. Sie hatte einen Witz gemacht, als sie vorgeschlagen hatte, dass sich David, Eda und ihre Mutter bei einer Mani-Pedi näherkommen sollten. Aber so wie es sich anhörte, verbrachten die drei tatsächlich Zeit miteinander! Warum eine Mutter eine Beziehung zu dem Ex-Mann ihrer Tochter aufrecht erhalten wollen würde, war für Lacey unverständlich. Es war absurd!





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DER TOD UND EIN HUND (ein Lacey Doyle Cozy-Krimi – Buch 2) ist das zweite Buch aus einer bezaubernden neuen Reihe romantischer Krimis der Autorin Fiona Grace.

Lacey Doyle, 39 Jahre alt und frisch geschieden, hat vor Kurzem ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt, denn sie hat ihr schnelles Leben in New York City aufgegeben und sich in dem malerischen englischen Küstenstädtchen Wilfordshire niedergelassen.

Es ist Frühling. Nachdem sie erst vor wenigen Wochen einen Mordfall gelöst hat, beginnt Lacey – nicht zuletzt wegen ihres neuen besten Freundes in Gestalt eines Englischen Schäferhundes sowie ihrer aufkeimenden Beziehung zu dem netten Koch und Konditor aus dem Laden gegenüber – sich so richtig wohl in ihrer neuen Heimatstadt zu fühlen. Und dass sie nun ihre erste richtige Auktion veranstalten kann und dabei auch ein besonders wertvolles, wenn auch mysteriöses Stück unter den Hammer bekommen soll, erfüllt sie erst recht mit freudiger Aufregung.

Zunächst scheint alles problemlos über die Bühne zu gehen, allerdings nur so lange bis zwei mysteriöse Bieter auftauchen, die beide aus Wilfordshire kommen – und von denen einer bei seinem Auftauchen tot ist.

Natürlich stürzen diese Ereignisse das Städtchen in ein schlimmes Chaos und bringen Laceys endlich wieder florierendes Geschäft einmal mehr an den Rand seiner Existenz. Nun stellt sich die Frage, ob es Lacey und ihrem Partner mit der kalten Schnauze gelingen wird, auch dieses Verbrechen aufzuklären und damit ihren guten Ruf zu retten.

Auch Buch #3 der Serie – VERBRECHEN IM CAFÉ – steht schon für Sie zum Vorbestellen bereit!

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