Книга - Verbrechen im Café

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Verbrechen im Café
Fiona Grace


Ein Cozy-Krimi mit Lacey Doyle #3
„Sehr unterhaltsam. Ich kann dieses Buch jedem Leser wärmstens für die eigene Bibliothek empfehlen, der einen sehr gut geschriebenen Krimi mit einigen Wendungen und einer intelligenten Handlung schätzt. Du wirst nicht enttäuscht sein. Die perfekte Lektüre für ein frostiges Wochenende!“. –Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (bezugnehmenden auf Der Tod kam vor dem Frühstück) . VERBRECHEN IM CAFÉ (EIN COZY-KRIMI MIT LACEY DOYLE – BUCH 3) ist Buch drei einer charmanten neuen Krimireihe von Fiona Grace… Lacey Doyle, 39 Jahre alt und frisch geschieden, hat eine dramatische Veränderung durchgemacht: Sie hat ihrem schnellen Leben in New York City den Rücken gekehrt und sich in der malerischen Küstenstadt Wilfordshire in England niedergelassen… Es ist schon fast Sommer und Lacey hat sich noch mehr in die kleine Stadt und ihren Freund, der als Koch arbeitet, verliebt. Sie hat sogar einen besten Freund: den neuen Besitzer einer ansässigen Frühstückspension. Und als ihr Freund ihre Hilfe bei der Dekoration der Pension benötigt und ihren kleinen Antiquitätenladen beinahe leer kauft, erhält ihr Geschäft einen weiteren Aufschwung. . Alles scheint perfekt zu laufen – bis jemand auf mysteriöse Weise in der neuen Pension ihres Freundes ums Leben kommt… Ihr Dorf wird auf den Kopf gestellt und die Existenzgrundlage ihres neuen Freundes steht auf dem Spiel. Jetzt ist es an Lacey und ihrem Hund, dem Rätsel auf den Grund zu gehen… Buch #4 der Reihe erscheint bald!





Fiona Grace

VERBRECHEN IM CAFÉ




VERBRECHEN IM CAFÉ




(EIN COZY-KRIMI MIT LACEY DOYLE – BUCH 3)




FIONA GRACE



Fiona Grace

Die Debutautorin Fiona Grace ist die Verfasserin der LACEY DOYLE COZY-KRIMI Buchreihe, die bisher aus den Romanen MORD IM MORGENGRAUEN (Buch Eins), EIN HAARIGER FALL (Buch Zwei), VERBRECHEN IM CAFÉ (Buch Drei), EIN VERHÄNGNISVOLLER BESUCH (Buch Vier) und EIN TÖDLICHER KUSS (Buch Fünf) besteht. Fiona ist außerdem Autorin der EIN TOSKANISCHER WEINGARTEN COZY-KRIMI Buchreihe.



Fiona würde sich sehr freuen, von Ihnen zu hören, deshalb besuchen Sie bitte ihre Webseite www.fionagraceauthor.com (http://www.fionagraceauthor.com/), über die Sie kostenlose E-Books erhalten, wissenswerte Neuigkeiten rund um die Autorin erfahren und mit ihr in Kontakt treten können.








Copyright © 2020 von Fiona Grace. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jackenbild Copyright canadastock, verwendet unter Lizenz von Shutterstock.com.



BÜCHER VON FIONA GRACE




EIN COZY-KRIMI MIT LACEY DOYLE

MORD IM MORGENGRAUEN (Buch #1)

EIN HAARIGER FALL (Buch #2)

VERBRECHEN IM CAFÉ (Buch #3)

EIN VERHÄNGNISVOLLER BESUCH (Buch #4)

EIN TÖDLICHER KUSS (Buch #5)

EIN MALERISCHER MORD (Buch #6)

VERSTUMMT DURCH EINEN ZAUBER (Buch #7)

VERDAMMT DURCH EINE FÄLSCHUNG (Buch #8)

KATASTROPHE IM KLOSTER (Buch #9)


EIN TOSKANISCHER WEINGARTEN COZY-KRIMI

EIN ERLESENER MORD (Buch #1)

EIN ERLESENER TODESFALL (Book #2)

EIN ERLESENES VERBRECHEN (Book #3)




KAPITEL EINS


„Hey, Lacey!“, drang Ginas Stimme aus dem Hinterzimmer des Antiquitätengeschäfts. „Komm mal eben.“

Lacey stellte den antiken Messingkandelaber, den sie gerade polierte, sanft auf den Tresen. Das leise Geräusch veranlasste Chester, ihren englischen Schäferhund, den Kopf nach oben zu strecken.

Er hatte an seinem gewohnten Platz geschlafen, ausgestreckt über die Bodenbretter neben dem Tresen und die Strahlen der Juni-Sonne genossen. Er sah Lacey mit seinen dunkelbraunen Augen an und seine buschigen Augenbrauen zuckten vor offensichtlicher Neugierde.

„Gina braucht mich“, sagte Lacey zu ihm. Sein scharfsinniger Gesichtsausdruck gab ihr stets das Gefühl, als ob er jedes ihrer Worte verstehen könnte. „Du behältst den Laden im Auge und bellst, wenn Kunden hereinkommen. Verstanden?“

Chester jaulte bestätigend und senkte den Kopf wieder auf seine Pfoten.

Lacey ging durch den Durchgang, der die Hauptgeschäftsetage von dem großen, erst kürzlich umgebauten Auktionssaal trennte. Er hatte die Form eines Eisenbahnwaggons – lang und schmal und mit hoher Decke, wie die einer Kirche.

Lacey liebte diesen Raum. Aber andererseits liebte sie alles an ihrem Laden, von der Retro-Möbelabteilung, für deren Gestaltung sie ihre Kenntnisse als Assistentin eines New Yorker Innenarchitekten eingesetzt hatte, bis hin zum Gemüsegarten im Hinterhof. Der Laden war ihr ganzer Stolz, auch wenn sie manchmal das Gefühl hatte, dass er ihr mehr Ärger bereitete, als er wert war.

Sie schritt durch den Durchgang, und durch die offene Hintertür wehte eine warme Brise herein, die duftende Gerüche aus dem Blumengarten mitbrachte, den Gina angelegt hatte. Aber Gina selbst war nirgendwo zu sehen.

Lacey suchte den Auktionssaal ab, dann folgerte sie, dass Gina sie aus dem Garten gerufen haben musste, und ging in Richtung der offenen französischen Türen. Doch während sie auf die Türen zuschritt, hörte sie ein schlurfendes Geräusch aus dem linken Korridor kommen.

Der Korridor beherbergte die unansehnlicheren Bereiche ihres Ladens – das enge Büro voller Aktenschränke und Stahlsafes, den Küchenbereich, in dem ihr treuer Wasserkessel und verschiedene koffeinhaltige Getränke untergebracht waren, die Toilette (oder das „stille Örtchen“, wie es die Einwohner Wilfordshires lieber bezeichneten) und den quadratischen Lagerraum.

„Gina?“, rief Lacey in die Dunkelheit. „Wo bist du?“

„Huhu!“, kam die Stimme ihrer Freundin, gedämpft, als ob sie mit ihrem Kopf in etwas feststeckte. So wie sie Gina kannte, traf das wahrscheinlich auch zu. „Ich bin im Lagerraum!“

Lacey runzelte die Stirn. Es gab keinen Grund für Gina, im Lagerraum zu sein. Eine Bedingung, unter der Lacey sie angestellt hatte, war, dass sie sich nicht mit schwerem Heben überanstrengen würde. Aber andererseits, wann hörte Gina jemals auf etwas, das Lacey sagte?

Mit einem Seufzer ging Lacey den Korridor entlang und in den Lagerraum. Sie fand Gina vor dem Lagerschrank kauernd vor, ihr zerzaustes graues Haar mit einem violetten Samt-Haargummi zu einem Knoten befestigt.

„Was machst du hier?“, fragte Lacey ihre Freundin.

Gina drehte den Kopf, um zu ihr aufzublicken. Sie hatte kürzlich in eine Brille mit rotem Rahmen investiert, von der sie behauptete, sie sei „der letzte Schrei in Shoreditch“ (aber warum eine über 60-jährige Rentnerin ihre modischen Entscheidungen von den trendigen Londoner Jugendlichen übernehmen würde, war für Lacey nicht nachvollziehbar), und durch die plötzliche Bewegung glitt sie ihr die Nase hinunter. Sie benutzte ihren Zeigefinger, um sie wieder an ihren Platz zurückzuschieben und zeigte dann auf eine längliche Pappschachtel in dem Regal vor sich.

„Hier steht eine ungeöffnete Schachtel“, verkündete Gina. Dann fügte sie mit wissentlich verschwörerischem Ton hinzu: „Und laut dem Poststempel kommt sie aus Spanien.“

Lacey spürte sofort, wie ihre Wangen rot wurden. Das Paket war von Xavier Santino, dem attraktiven spanischen Antiquitätensammler, der im vergangenen Monat an ihrer Auktion zum Thema Marine teilgenommen hatte, um die Sammlung verlorener Erbstücke seiner Familie wieder zusammenzuführen. Zusammen mit Lacey war er schließlich zum Verdächtigen im Mordfall eines amerikanischen Touristen geworden. Sie hatten sich während der Tortur angefreundet, und das Band zwischen ihnen hatte sich durch Xaviers zufällige Verbindung zu ihrem vermissten Vater weiter gefestigt.

„Es ist nur etwas, das Xavier mir geschickt hat“, sagte Lacey und versuchte, es abzutun. „Du weißt, dass er mir dabei hilft, Informationen zum Verschwinden meines Vaters zusammenzutragen.“

Ginas Knie knackten, während sie sich aufstellte und blickte Lacey misstrauisch an. „Ich weiß sehr gut, was er tut“, sagte sie, während ihre Hände an ihre Hüften wanderten. „Was ich nicht verstehe, ist, warum er dir Geschenke schickt. Das ist schon das dritte in diesem Monat.“

„Geschenke?“, erwiderte Lacey defensiv. Sie verstand, was Gina andeuten wollte. „Ein Umschlag gefüllt mit Quittungen aus dem Geschäft meines Vaters während Xaviers Reise nach New York stellt in meinen Augen kaum ein Geschenk dar.“

Ginas Gesichtsausdruck blieb misstrauisch. Sie bewegte ihren Fuß klopfend auf und ab. „Was ist mit dem Gemälde?“

Vor ihrem geistigen Auge stellte sich Lacey das Ölgemälde eines Segelbootes vor, das Xavier ihr erst letzte Woche geschickt hatte. Sie hatte es über dem Kamin in ihrem Wohnzimmer in Crag Cottage aufgehängt.

„Solche Boote hat sein Ururgroßvater befehligt“, verteidigte sie sich weiter. „Xavier fand es auf einem Flohmarkt und dachte, es könnte mir gefallen.“ Sie zuckte lässig die Achseln und versuchte, es herunterzuspielen.

„Aha“, grunzte Gina, ihre Lippen zusammengepresst. „Er hat es gesehen und an dich gedacht. Du weißt, wie das für einen Außenstehenden aussieht …“

Lacey war verärgert. Sie war mit ihrer Geduld am Ende. „Worauf auch immer du anspielst, warum sagst du es nicht einfach?“

„Also gut“, antwortete ihre Freundin mutig. „Ich glaube, an Xaviers Geschenken ist mehr dran, als du bereit bist zu akzeptieren. Ich glaube, er mag dich.“

Obwohl Lacey geahnt hatte, dass ihre Freundin das sagen würde, fühlte sie sich dennoch etwas gekränkt, als sie die Worte aussprach.

„Ich bin vollkommen glücklich mit Tom“, argumentierte sie, vor ihrem inneren Auge tauchte der wunderschöne, breit lächelnde Bäcker herauf, den sie das Glück hatte ihren Liebhaber zu nennen. „Xavier versucht nur zu helfen. Das hat er versprochen, als ich ihm den Sextanten seines Urgroßvaters geschenkt habe. Du erfindest gerade ein Drama, wo keines ist.“

„Wenn es kein Drama gibt“, antwortete Gina ruhig, „warum versteckst du dann Xaviers Paket im untersten Regal des Lagerschrankes?“

Lacey zuckte zusammen. Ginas Anschuldigungen hatten sie überrumpelt und verwirrt. Einen Moment lang vergaß sie den Grund, warum sie das Paket nach der Unterschrift für die Lieferung weggelegt hatte, anstatt es gleich zu öffnen. Dann erinnerte sie sich; der Papierkram hatte sich verzögert. Xavier hatte behauptet, dass sie eine Begleitbescheinigung würde unterschreiben müssen, also hatte sie sich dazu entschieden, das Paket vorläufig zu verstauen für den Fall, dass sie versehentlich gegen irgendein britisches Gesetz verstieß, das sie noch nicht kannte. So viel wie die Polizei in ihrem Laden herumgeschnüffelt hatte, konnte sie nicht vorsichtig genug sein!

„Ich verstecke es nicht“, sagte Lacey. „Ich warte darauf, dass die Bescheinigung eintrifft.“

„Du weißt nicht, was drin ist?“, fragte Gina. „Xavier hat dir nicht gesagt, was es ist?“

Lacey schüttelte den Kopf.

„Und du hast nicht gefragt?“, hakte sie nach.

Wieder schüttelte Lacey den Kopf.

Da bemerkte sie, dass der anklagende Ausdruck in Ginas Augen zu verblassen begann. Stattdessen wurde er von Neugierde abgelöst.

„Glaubst du, es könnte etwas …“, Gina senkte ihre Stimme, „… Illegales sein?“

Obwohl sie sich sicher war, dass Xavier ihr keinen illegalen Artikel geschickt hatte, war Lacey mehr als glücklich, das Thema von seinem Geschenk abzulenken, also stieg sie darauf ein.

„Könnte sein“, sagte sie.

Ginas Augen weiteten sich weiter. „Was könnte es sein?“, fragte sie und klang wie ein eingeschüchtertes Kind.

„Elfenbein vielleicht“, sagte Lacey zu ihr und erinnerte sich an Wissen aus ihrem Studium über Gegenstände, deren Verkauf im Vereinigten Königreich illegal war, ob es sich nun um Antiquitäten oder andere Gegenstände handelte. „Alles, was aus dem Fell einer vom Aussterben bedrohten Tierart hergestellt wird. Polstermöbel, die aus nicht feuerhemmenden Stoffen hergestellt werden. Oder Waffen …“

Jede Art von Vorwurf oder Misstrauen verschwand nun völlig von Ginas Gesichts; das „Drama“ um Xavier war im Handumdrehen vergessen, dank der weitaus aufregenderen Möglichkeit, dass sich in der Kiste eine Waffe befinden könnte.

„Eine Waffe?“, wiederholte Gina mit einem Quietschen in ihrer Stimme. „Können wir es nicht öffnen und nachsehen?“

Sie sah so aufgeregt aus wie ein Kind am Weihnachtsabend.

Lacey zögerte. Sie hatte sich darauf gefreut, in das Päckchen zu sehen, seit es per Sonderkurier angekommen war. Es musste Xavier ein Vermögen gekostet haben, es den ganzen Weg von Spanien herzuschicken, und auch die Verpackung war aufwendig; der dicke Karton war so stabil wie Holz, und das ganze Ding war mit Heftklammern in Industriegröße befestigt und mit Kabelbinder zusammengebunden. Was immer sich darin befand, war offensichtlich sehr wertvoll.

„Okay“, sagte Lacey und fühlte sich rebellisch. „Welchen Schaden kann ein kleiner Blick darauf schon anrichten?“

Sie strich eine widerspenstige Strähne aus ihrem dunklen Pony hinter ihr Ohr und holte den Kartonschneider. Sie benutzte ihn, um die Kabelbinder zu durchtrennen und die Heftklammern zu entfernen. Dann öffnete sie den Karton und arbeitete sich durch die Styroporverpackung.

„Es ist eine Kiste“, sagte sie, zerrte an dem Ledergriff und hob einen schweren Holzkoffer heraus. Überall flatterten Styroporstücke umher.

„Sieht aus wie die Aktentasche eines Spions“, sagte Gina. „Oh, du glaubst doch nicht, dass dein Vater ein Spion war, oder? Vielleicht ein russischer!“

Lacey verdrehte ihre Augen, als sie den schweren Koffer auf den Boden stellte. „Ich habe vielleicht im Laufe der Jahre viele seltsame Theorien über das, was mit meinem Vater passiert ist, aufgestellt“, sagte sie und klickte einen nach dem anderen die Verschlüsse des Koffers auf. „Aber russischer Spion war nie dabei.“

Sie schob den Deckel hoch und schaute in den Koffer. Sie keuchte beim Anblick dessen, was er enthielt. Ein wunderschönes antikes Steinschloss-Jagdgewehr.

Gina begann zu husten. Sie klang, als würde sie vor Aufregung halb ersticken. „Du kannst das Ding nicht hier drin haben! Meine Güte, wahrscheinlich dürfte sie sich nicht mal hier in England befinden! Was in aller Welt hat Xavier sich dabei gedacht, dir so etwas zu schicken?“

Aber Lacey hörte dem Ausbruch ihrer Freundin nicht zu. Ihre Aufmerksamkeit war auf das Gewehr fixiert. Es war in ausgezeichnetem Zustand, obwohl es weit über hundert Jahre alt sein musste.

Vorsichtig nahm Lacey es aus dem Koffer und spürte sein Gewicht in ihren Händen. Es hatte etwas Vertrautes an sich. Aber sie hatte noch nie ein Gewehr in der Hand gehabt, geschweige denn eines abgefeuert, und trotz des seltsamen Déjà-vus hatte sie keine konkreten Erinnerungen, die mit so einem Gewehr in Verbindung standen.

Gina fing an, mit den Händen zu fuchteln. „Lacey, leg es zurück! Leg es zurück! Es tut mir leid, dass ich dich gezwungen habe, es herauszunehmen. Ich dachte nicht wirklich, dass es eine Waffe sein würde.“

„Gina, beruhige dich“, sagte Lacey zu ihr.

Aber ihre Freundin war jetzt vollends außer sich. „Du brauchst einen Waffenschein! Es könnte sogar eine Straftat sein, sie überhaupt zu besitzen! Wir sind hier nicht in den USA!“

Ginas Quietschen schien ihren Höhepunkt zu erreichen, aber Lacey antwortete nicht. Wenn sei eines von ihren Panikausbrüchen gelernt hatte, war es, dass man Gina nicht mit Worten beruhigen konnte. Irgendwann würde sie sich von selbst beruhigen. Entweder das, oder sie würde vor Erschöpfung umkippen.

Außerdem war Laceys Aufmerksamkeit zu sehr auf das schöne Gewehr gerichtet, um ihr weiter Beachtung zu schenken. Sie war gebannt von dem seltsamen Gefühl der Vertrautheit, das es in ihr geweckt hatte.

Sie blickte den Lauf hinunter und spürte sein Gewicht. Seine Form in ihren Händen. Sogar seinen Geruch. Das Gewehr hatte einfach etwas Wunderbares an sich, als ob es schon immer ihr gehören sollte.

In diesem Moment wurde Lacey sich der Stille bewusst. Gina hatte endlich aufgehört zu zetern. Lacey blickte zu ihr auf.

„Bist du fertig?“, fragte sie ruhig.

Gina starrte immer noch das Gewehr an, als wäre es ein Zirkustiger, der aus seinem Käfig entkommen war, aber sie nickte langsam.

„Gut“, sagte Lacey. „Was ich versucht habe, dir zu sagen, ist, dass ich nicht nur meine Hausaufgaben hinsichtlich der britischen Gesetze über den Besitz und den Gebrauch von Schusswaffen gemacht habe, sondern dass ich tatsächlich ein Zertifikat für den legalen Handel mit antiken Waffen habe.“

Gina hielt inne und eine kleine, verwirrte Falte erschien auf der Fläche zwischen ihren Augenbrauen. „Hast du?“

„Ja“, versicherte Lacey ihr. „Damals, als ich das Inventar von Penrose Manor geschätzt habe, besaß das Anwesen eine ganze Sammlung von Schusswaffen. Ich musste sofort eine Lizenz beantragen, um die Auktion überhaupt durchführen zu dürfen. Percy Johnson hat mir geholfen, das alles zu organisieren.“

Gina schürzte die Lippen. Sie blickte sie an wie eine strenge Stiefmutter. „Warum wusste ich nichts davon?“

„Nun, du hast damals noch nicht für mich gearbeitet, oder? Du warst nur die nette Dame von nebenan, deren Schafe unbefugt mein Grundstück betreten hatten.“ Lacey kicherte über die liebevolle Erinnerung an ihren ersten Morgen, an dem sie in Crag Cottage aufgewacht war und eine Schafherde vorgefunden hatte, die gerade ihr Gras futterte.

Gina erwiderte das Lächeln nicht. Sie schien in einer störrischen Stimmung zu sein.

„Trotzdem“, sagte sie und verschränkte die Arme, „du wirst es bei der Polizei registrieren lassen müssen, nicht wahr? In der Datenbank für Schusswaffen.“

Bei der Erwähnung der Polizei erschien vor Laceys geistigem Auge das Bild des strengen, emotionslosen Gesichts von Hauptkommissar Karl Turner, gefolgt von dem Gesicht seiner stoischen Partnerin, Kommissarin Beth Lewis. Für ihren Geschmack hatte sie schon genug Begegnungen mit den beiden gehabt.

„Eigentlich muss ich das nicht“, sagte sie zu Gina. „Es ist eine Antiquität und funktioniert wahrscheinlich gar nicht mehr. Das bedeutet, es ist als Antiquität klassifiziert, nicht als Waffe. Ich sagte doch, ich habe meine Hausaufgaben gemacht!“

Doch Gina gab nicht auf. Sie schien entschlossen, einen Fehler an der Sache zu finden.

„Funktioniert wahrscheinlich nicht mehr?“, wiederholte sie. „Woher weißt du das mit Sicherheit? Ich dachte, du hättest gesagt, dass sich der Papierkram noch verzögert hatte?“

Lacey stockte. Da hatte Gina recht. Sie hatte die Unterlagen noch nicht gesehen, also konnte sie nicht hundertprozentig sicher sein, dass das Gewehr nicht funktionstüchtig war. Aber zum einen war in dem Koffer keine Munition enthalten, und Lacey war sich ziemlich sicher, dass Xavier ihr kein geladenes Gewehr per Post schicken würde!

„Gina“, sagte sie mit fester und bestimmter Stimme, „ich verspreche dir, ich habe alles unter Kontrolle.“

Diese Zusicherung kam Lacey leicht über die Lippen. Jetzt konnte sie es noch nicht wissen, aber diese Worte würde sie schon sehr bald bereuen.

Gina schien nachzugeben, obwohl sie nicht allzu glücklich dabei aussah. „Gut. Wenn du sagst, du hast die Sache im Griff, dann hast du sie im Griff. Aber warum sollte Xavier ausgerechnet dir eine verdammte Waffe schicken?“

„Das ist eine gute Frage“, sagte Lacey und fragte sich plötzlich dasselbe.

Sie griff in das Innere des Pakets und fand am Boden ein gefaltetes Stück Papier. Sie nahm es heraus. Ginas Andeutung von vorhin, dass Xavier mehr als nur Freundschaft im Sinn hatte, verursachte in ihr ein eigenartiges Gefühl. Sie räusperte sich, als sie den Brief öffnete und laut vorlas.

„Liebe Lacey!

„Wie du weißt, war ich kürzlich in Oxford…“

Sie hielt inne und fühlte, wie sich Ginas Blick verschärfte, als würde ihre Freundin sie schweigend verurteilen. Lacey spürte, wie ihre Wangen wieder rot wurden und drehte den Brief, um Gina den Blick darauf zu versperren.



„Wie du weißt, war ich kürzlich in Oxford auf der Suche nach den verlorenen Antiquitäten meines Urgroßvaters. Ich sah dieses Gewehr, und es half meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Dein Vater hatte ein ähnliches Gewehr in seinem New Yorker Geschäft zu verkaufen. Er erzählte mir mehr davon. Er erzählte mir, dass er kürzlich auf einer Jagdreise in England gewesen war. Es war eine lustige Geschichte. Er sagte, er habe es nicht gewusst, aber es war Nebensaison gereist und so durfte er nur Kaninchen jagen. Ich recherchierte mehr über die Jagdsaisons in England und die Nebensaison ist tatsächlich im Sommer. Ich erinnere mich nicht, dass er Wilfordshire namentlich nannte, erinnere mich aber daran, dass du sagtest, er habe dort in den Sommermonaten Urlaub gemacht? Vielleicht gibt es dort eine lokale Jagdgruppe? Vielleicht haben sie ihn gekannt?

Dein Xavier.“



Lacey mied Ginas prüfenden Blick, als sie den Brief zusammenfaltete. Die ältere Frau brauchte nicht einmal zu sprechen, um Lacey wissen zu lassen, was sie dachte – dass Xavier ihr diese Erinnerung in einer Textnachricht hätte mitteilen können, anstatt es derart zu übertreiben, ihr ein Gewehr zu schicken! Aber es kümmerte Lacey nicht wirklich. Sie interessierte sich mehr für den Inhalt des Briefes als für etwaige romantische Gesten, die Xaviers Handlungen untermauerten.

Ihr Vater hatte also in seinen Sommerurlauben in England gejagt? Das war ihr neu! Abgesehen von der Tatsache, dass sie keine Erinnerungen daran hatte, dass er überhaupt ein Gewehr besessen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter damit einverstanden gewesen war. Sie war extrem zimperlich. Leicht zu schockieren. War er deshalb dafür in ein anderes Land gereist? Es hätte ein Geheimnis sein können, das er ihrer Mutter völlig verschwiegen hatte, ein Vergnügen, dem er sich nur einmal im Jahr hingab. Oder vielleicht war er wegen der Gesellschaft, die er hier hatte, zum Schießen nach England gekommen…

Lacey erinnerte sich an die wunderschöne Frau im Antiquitätengeschäft, diejenige, die Naomi geholfen hatte, nachdem sie ein antikes Stück zerbrochen hatte, diejenige, die sie auf der Straße wieder getroffen hatten. Der plötzliche Schein der Sonne hinter ihrem Kopf hatte ihre Gesichtszüge verdunkelt. Die Frau mit dem sanften englischen Akzent, die so schön geduftet hatte. Könnte sie diejenige gewesen sein, die ihren Vater in das Hobby eingeführt hatte? War es ein Zeitvertreib gewesen, den sie miteinander geteilt hatten?

Sie schnappte sich ihr Handy, um ihrer jüngeren Schwester eine Nachricht zu schicken, kam aber nur dazu, „Hat Dad Waffen besessen…“, zu schreiben, als sie von Chesters Winseln unterbrochen wurde. Die Glöckchen über der Eingangstür mussten geklingelt haben.

Sie legte das Gewehr in seinen Koffer zurück, schloss die Schnappverschlüsse und ging zurück in den Verkaufsraum.

„Du kannst das doch nicht so herumliegen lassen!“, rief Gina und war sofort wieder in Panik.

„Dann lege es in den Safe, wenn es dir so wichtig ist“, sagte Lacey über die Schulter.

„Ich?“, hörte sie Gina schrill ausrufen.

Obwohl sie bereits auf halbem Weg den Korridor entlang war, hielt Lacey inne. Sie seufzte.

„Ich bin in einer Minute bei Ihnen!“, rief sie in die Richtung, in die sie gegangen war.

Dann drehte sie sich wieder um, ging zurück in den Lagerraum und hob den Koffer auf.

Als sie ihn an Gina vorbei trug, hielt die Frau ihren vorsichtigen Blick darauf gerichtet und trat zurück, als ob er jeden Moment explodieren könnte. Lacey schaffte es, zu warten, bis sie ganz an ihr vorbeigegangen war, bevor sie die Augen wegen Ginas übermäßig dramatischer Reaktion verdrehte.

Lacey legte das Gewehr in den großen Stahlsafe, in dem ihre wertvollsten und teuersten Gegenstände sicher eingeschlossen waren. Dann ging sie zurück in den Korridor, wo ihr Gina in den Verkaufsraum folgte. Zumindest jetzt, da das Gewehr außer Sichtweite war, hatte sie endlich aufgehört zu protestieren.

Zurück im vorderen Bereich des Ladens erwartete Lacey, dass jemand gerade eines ihrer überfüllten Regale durchstöbern wurde. Stattdessen musste sie feststellen, dass Taryn auf sie wartete, ihre Erzfeindin aus der Boutique nebenan.

Beim Geräusch von Laceys Schritten wirbelte Taryn auf ihren spindeldürren Absätzen herum. Ihre dunkelbraune Frisur war mit so viel Gel überzogen, dass nicht ein einziges Haar verrutschte. Trotz des strahlenden Sonnenscheins in diesem Juni war sie in ihr typisches kleines Schwarzes gekleidet, das jede scharfe Kante ihrer knochigen Modelfigur zur Geltung brachte.

„Lässt du deine Kunden immer so lange unbeaufsichtigt und ohne Hilfe warten?“, fragte Taryn hochmütig.

Neben Lacey ertönte ein leises Knurren von Chester. Der englische Schäferhund mochte die hochnäsige Ladenbesitzerin überhaupt nicht. Ebenso wenig wie Gina, die selbst etwas vor sich hinmurmelte, bevor sie sich mit Büroarbeiten ablenkte.

„Guten Morgen, Taryn“, sagte Lacey und zwang sich dazu, freundlich zu sein. „Wie kann ich dir an diesem wunderschönen Tag helfen?“,

Taryn warf Chester einen Blick durch ihre zusammengekniffenen Augen zu, verschränkte ihre Arme und richtete dann ihre Aufmerksamkeit auf Lacey.

„Habe ich doch schon gesagt“, schnauzte sie. „Ich bin hier, um etwas zu kaufen.“

„Du?“, erwiderte Lacey etwas zu schnell, um ihren Unglauben zu verbergen.

„Ja, tatsächlich“, antwortete Taryn trocken. „Ich brauche eines von diesen Kohlefadenlampen-Dingern. Du weißt schon. Hässliche Dinger mit großen Glühbirnen auf Bronzeständern? Du stellst sie immer in deinem Schaufenster aus.“

Sie begann, sich umzusehen. So, wie sie ihre schmale Nase in die Luft hielt, erinnerte sie Lacey an einen Vogel.

Lacey konnte nicht anders, als misstrauisch zu werden. Taryns Laden war schlicht und einfach gehalten, mit Scheinwerfern, die klinisch weißes Licht auf alles warfen. Wozu brauchte sie eine rustikale Lampe?

„Gestaltest du die Boutique um?“, fragte Lacey vorsichtig, kam hinter dem Schreibtisch hervor und bedeutete Taryn, ihr zu folgen.

„Ich möchte der Boutique nur ein wenig Charakter verleihen“, sagte die Frau, während ihre Absätze hinter Lacey klackerten. „Und soweit ich das beurteilen kann, sind diese Lampen im Moment sehr angesagt. Ich sehe sie überall. Beim Friseur. Im Café. In Brookes Teestube gab es etwa eine Million von den Dingern…“

Lacey erstarrte. Ihr Herz begann zu klopfen.

Allein die Erwähnung des Namens ihrer alten Freundin erfüllte sie mit Panik. Kaum ein Monat war vergangen, seit ihre australische Freundin sie mit einem Messer verfolgt und versucht hatte, Lacey zum Schweigen zu bringen, nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie einen amerikanischen Touristen ermordet hatte. Laceys Blutergüsse waren inzwischen verschwunden, aber die seelischen Narben waren noch frisch.

Deshalb fragte Taryn also nach einer Kohlefadenlampe? Nicht, weil sie eine wollte, sondern weil sie eine Ausrede gebraucht hatte, Brookes Namen zu erwähnen und Lacey zu verärgern! Sie war wirklich eine widerliche Person.

Da sie jeglichen Enthusiasmus verloren hatte, Taryn zu helfen, selbst wenn sie eine vermeintliche Kundin war, zeigte Lacey schlaff hinüber zu ihrer „Steampunk-Ecke“, dem Bereich des Ladens, in dem sich ihre Sammlung von Bronzelampen befand.

„Dort drüben“, murmelte sie.

Sie beobachtete, wie Taryns Gesichtsausdruck verdrießlich wurde, als sie die Sammlung von Fliegerbrillen und Spazierstöcken sowie den lebensgroßen Aquanauten-Anzug betrachtete. Um fair zu sein, war Lacey auch nicht so sehr an diesen Gegenständen interessiert. Aber es gab eine ganze Reihe von Leuten in Wilfordshire – die Sorte mit langen schwarzen Haaren und Samtumhängen –, die ihren Laden regelmäßig besuchten, sodass sie diese Artikel speziell für sie besorgte. Das einzige Problem war, dass die neue Abteilung ihr den bisher uneingeschränkten Blick über die Straße auf Toms Konditorei versperrte, sodass Lacey nicht mehr verträumt zu ihm hinübersehen konnte, wann immer ihr der Sinn danach stand.

Da Taryn beschäftigt war, nutzte Lacey die Gelegenheit, über die Straße zu blicken.

In Toms Laden war so viel los wie eh und je. Er war durch die steigende Zahl an Touristen sogar noch belebter als sonst. Lacey konnte seine 1,80 Meter große Gestalt erkennen, die in Höchstgeschwindigkeit daran arbeitete, alle Bestellungen abzuarbeiten. Das einfallende Licht der Juni-Sonne ließ seine Haut noch goldener aussehen.

In diesem Moment erblickte Lacey Toms neue Assistentin, Lucia. Er hatte die junge Frau erst vor ein paar Wochen eingestellt, damit er mehr freie Zeit mit Lacey verbringen konnte. Aber seit das Mädchen dort zu arbeiten begonnen hatte, war in seiner Konditorei mehr los, als jemals zuvor!

Lacey beobachtete, wie Lucia und Tom beinahe zusammenstießen, dann machten beide einen Schritt nach rechts, einen weiteren nach links, versuchten, einen Zusammenstoß zu vermeiden, führten aber letztlich nur witzige Synchronbewegungen aus. Diese Slapstick-Nummer endete damit, dass Tom sich theatralisch verbeugte, sodass Lucia links von ihm vorbeigehen konnte. Dabei lächelte er sie breit an.

Laceys Magen verkrampfte sich beim Anblick der beiden. Sie konnte nicht anders. Eifersucht. Misstrauen. Diese beiden Gefühle waren Lacey völlig neu, sie schien sie sich erst im Zuge ihrer Scheidung angeeignet zu haben, gerade so, als hätte ihr Ex-Mann sie den Scheidungsunterlagen beigelegt, um sicherzustellen, dass ihre zukünftigen Beziehungen so angespannt wie möglich waren. Es waren hässliche Gefühle, aber sie konnte sie nicht kontrollieren. Lucia verbrachte wesentlich mehr Zeit mit Tom als sie selbst. Und in der Zeit, die sie mit ihm verbrachte, lief er zu seiner Höchstform auf, war energiegeladen, kreativ und produktiv, anstatt gemütlich auf einer Couch fernzusehen. Alles fühlte sich unausgeglichen an, als teilten sie sich Tom und als wären die Verhältnisse massiv zu Gunsten der jungen Frau verschoben.

„Hübsch, nicht wahr?“, tönte Taryns Stimme in Laceys Ohr, wie ein Teufel auf ihrer Schulter.

Lacey sträubte sich. Taryn streute nur Salz in die Wunde, wie immer.

„Sehhhhhr hübsch“, fügte Taryn hinzu. „Es muss dich verrückt machen zu wissen, dass Tom den ganzen Tag da drüben mit ihr verbringt.“

„Sei nicht dumm“, schnappte Lacey.

Aber Taryns Einschätzung war, um eines von Ginas Lieblingsworten zu verwenden, „exakt“. Das hieß, sie hatte völlig Recht. Und das frustrierte Lacey nur noch mehr.

Taryn lächelte kaum merklich. Ein bösartiges Funkeln erschien in ihren Augen. „Ich will dich schon länger etwas fragen. Wie geht es deinem Spanier? Xavier, richtig?“

Lacey sträubte sich noch mehr. „Er ist nicht mein Spanier!“

Aber noch bevor sie sich mit ihr darüber zanken konnte, bimmelte die Türglocke laut und Chester fing an zu kläffen.

Gerade noch mal gutgegangen, dachte Lacey und eilte fort von Taryn und ihren schlangenhaften Andeutungen.

Aber als sie sah, wer auf sie wartete, fragte sie sich, ob sie damit nur vom Regen in die Traufe kam.

Carol aus dem Bed & Breakfast stand mitten im Geschäft und in ihrem Gesicht spiegelte sich klägliches Entsetzen wider. Sie schien panisch zu sein und keuchte, als ob sie den ganzen Weg hierher gerannt wäre.

Lacey spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Ein schreckliches Déjà-vu überkam sie. Etwas war geschehen. Etwas Schlimmes.

„Carol?“, sagte Gina. „Was ist los, Liebes? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Carols Unterlippe begann zu zittern. Sie öffnete den Mund, als wollte sie sprechen, schloss ihn dann aber wieder.

Von hinten hörte Lacey das klackende Geräusch von Taryns Absätzen, die vermutlich herbeieilte, um das bevorstehende Drama aus nächster Nähe mitzuerleben.

Die Vorahnung machte Lacey verrückt. Sie konnte es nicht ertragen. Furcht schien durch jede Faser ihres Körpers zu strömen.

„Was ist los, Carol?“, forderte Lacey. „Was ist passiert?“

Carol schüttelte heftig den Kopf. Sie holte tief Luft. „Ich fürchte, ich habe schreckliche Nachrichten…“

Lacey rüstete sich.




KAPITEL ZWEI


Was konnte geschehen sein?

Ein Unfall?

Ein… Mord?

Gott bewahre, nicht noch einer!

„Carol?“, fragte Lacey. Sie fühlte sich, als würde sie keine Luft bekommen.

Der ängstliche Blick in Carols Augen, während sie auf dem Fußboden des Ladens hin und her marschierte, versetzte Lacey fast selbst in Panik. Ihr Magen fing an, Purzelbäume zu schlagen, als hätte sie ihren gebrauchten Volvo über eine Klippe gelenkt und stürzte jetzt auf den Ozean unter sich zu. Sie spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen, als eine Abfolge von Erinnerungen ihre Gedanken vereinnahmte: Iris’ Leiche, die auf dem Boden ihres Herrenhauses lag; Bucks mit Sand verschmierter Mund, wie er tot am Strand lag. Dann gesellte sich zu den aufblitzenden Bildern das plötzliche Heulen der Polizeisirenen in ihren Ohren und das schrecklich raschelnde Geräusch der silbernen Decke, die ihr die Sanitäter um die Schultern gewickelt hatten. Und schließlich hörte sie die Stimme von Hauptkommissar Turner, dessen Warnung in ihrem Kopf widerhallte. „Verlassen Sie nicht die Stadt, okay?“

Lacey griff nach dem Tresen, um sich abzustützen, und machte sich auf die schrecklichen Neuigkeiten gefasst, die Carol ihr überbringen würde. Sie war kaum in der Lage, sich auf die Frau zu konzentrieren, die im Laden auf und ab lief.

„Was ist los?“, fragte Gina ungeduldig. „Was ist passiert?“

„Ja, bitte beeil dich und lass die Bombe schon platzen“, sagte Taryn gemächlich und schwenkte achtlos die Kohlefadenlampe umher, während sie sprach. „Manche von uns haben ein Leben, zu dem sie zurückkehren müssen.“

Carol hörte schließlich auf, auf und ab zu laufen. Mit blutunterlaufenen Augen drehte sie sich zu den drei Frauen um.

„Ein…“, begann sie und schniefte, während sie sprach. „Ein… ein… ein neues Bed & Breakfast eröffnet!“

Einen Moment lang schwiegen die Damen, während sie diese nicht sehr beeindruckenden Neuigkeiten auf sich wirken ließen.

„Ha!“, rief Taryn schließlich. Sie klatschte eine zwanzig-Pfund-Note auf den Tresen neben Lacey. „Ich überlasse es dir, dich um diese Krise zu kümmern. Danke für die Lampe.“

Und damit tänzelte sie davon und hinterließ eine Spur von rauchigem Zedernparfüm in der Luft.

Sobald sie gegangen war, wandte Lacey ihre Aufmerksamkeit wieder Carol zu und starrte sie ungläubig an. Natürlich war ein neues B&B eine schreckliche Nachricht für Carol. Jetzt hätte sie noch einen weiteren Mitbewerber um die Touristen, aber was ging Lacey das an? In Anbetracht des schrecklichen Unglücks, das die Stadt mit dem Mord an Iris Archer und dem anschließenden Mord an Buck erlebt hatte, sollte sie es besser wissen, als wegen etwas so Trivialem schreiend durch die Stadt zu rennen!

Alles, wozu Lacey in der Lage zu sein schien, war zu blinzeln. Vor lauter Wut fiel ihr keine passende Antwort ein. Gina hingegen ließ ihrer Enttäuschung freien Lauf.

„Das ist alles?“, blaffte sie. „EIN B&B? Du hast mir fast einen verdammten Herzinfarkt verpasst!“

„Ein B&B in Wilfordshire ist eine schreckliche Nachricht für alle“, rief Carol erneut und runzelte die Stirn über Ginas Antwort. „Nicht nur für mich!“

„Ach, wirklich?“, sagte Lacey, als sie endlich wieder Worte fand. „Und wieso genau ist das so?“

Carol warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Pah! Ich hätte wissen müssen, dass du das nicht verstehen würdest. Du bist schließlich eine Außenseiterin.“

Lacey war wutentbrannt. Wie konnte Carol es wagen, sie eine Außenseiterin zu nennen? Sie war schon seit mehreren Monaten hier und hatte sich auf unzählige Weisen in das Stadtgeschehen eingebracht! Ihr Laden gehörte inzwischen genauso zum Bild der Hauptstraße wie jeder andere auch.

Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber bevor sie die Chance hatte, noch etwas zu sagen, schnappte Gina sich eine Schachtel Taschentücher von der Theke und trat vor, um zwischen ihr und Carol zu stehen.

„Warum setzt du dich nicht?“, sagte Gina zur Besitzerin des B&Bs. „Lass uns das in Ruhe besprechen.“ Dann warf sie Lacey einen Blick zu, der ihr sagte: „Ich kümmere mich darum, denn du stehst kurz davor zu explodieren.“

Sie hatte Recht. Die Panik, die Carols Geschrei in Lacey ausgelöst hatte, begann sich zwar langsam zu legen, aber sie hätte von vornherein darauf verzichten können. Und sie hätte erst recht darauf verzichten können, dass Carol sie als Außenseiterin bezeichnete! Wenn irgendetwas Lacey verärgern konnte, dann das.

Gina lotste Carol zu einem roten ledernen Zweiersofa und bot ihr ein Taschentuch an. Lacey marschierte derweil davon und atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen. Währenddessen winselte Chester mitfühlend an ihrer Seite.

„Schon gut, Junge“, sagte sie zu ihm. „Ich bin nur ein wenig aus der Fassung.“ Sie beugte sich vor und tätschelte seinen Kopf. „Jetzt geht’s mir gut.“

Chester winselte erneut, als akzeptierte er ihre Erklärung nur widerwillig.

Gestärkt durch seine Unterstützung ging Lacey zu dem Zweiersofa hinüber, um herauszufinden, was wirklich vor sich ging.

Carol war inzwischen vollends am Weinen. Gina sah langsam zu Lacey auf, die sie mit einer Handgeste davonscheuchte. Schnell stand Gina auf.

Lacey setzte sich neben Carol und aufgrund der Größe ihres Sofas berührten sich ihre Oberschenkel; das war viel näher, als Lacey ihr jemals kommen wollte, aber die Umstände zwangen sie nun mal dazu.

„Es ist die Schuld dieses verdammten neuen Bürgermeisters“, klagte Carol. „Ich wusste, dass er Ärger machen würde!“

„Der neue Bürgermeister?“, sagte Lacey. Scheinbar hatte sie noch weitere Neuigkeiten verpasst.

Carol richtete ihre wütenden roten Augen auf Lacey. „Er hat die Osthälfte der Stadt neu einteilen lassen. Das ganze Gebiet jenseits des Kanuclubs wurde von einem Wohngebiet zu einem Gewerbegebiet geändert! Er wird ein Einkaufszentrum bauen lassen! Voller schrecklicher, charakterloser Ladenketten!“ Ihre Stimme wurde immer panischer. „Er will einen Wasserpark errichten lassen! Hier! In Wilfordshire! Wo es zwei Drittel des Jahres regnet! Und dann will er dieses Ungetüm von einem Aussichtsturm bauen! Das wird so ein Schandfleck sein!“

Lacey hörte sich Carols Tiraden an, obwohl sie nicht verstehen konnte, warum das so ein großes Problem war. Wie die Dinge im Moment standen, wagte sich kaum jemand weiter hinaus als den Kanuclub. Alles dahinter war im Grunde ungenutztes Territorium. Sogar der Strand auf dieser Seite der Stadt lag brach. Die Erschließung des Gebietes schien ihr eine gute Idee zu sein, vor allem, wenn dort ein hochklassiges B&B entstehen würde, um die neuen Einrichtungen zu ergänzen. Und sicherlich würde der zunehmende Tourismus allen Geschäften entlang der Hauptstraße zugutekommen.

Lacey sah zu Gina auf, um zu überprüfen, ob ihr Gesichtsausdruck einen Hinweis darauf gab, warum das alles so ein großes Problem zu sein schien. Stattdessen konnte Gina das Grinsen auf ihrem Gesicht kaum verbergen. Offensichtlich dachte sie, Carol reagierte über. Und wenn jemand wusste, wenn jemand überreagierte, dann war es Gina.

„Sie ist eine Draufgängerin aus London“, schimpfte Carol weiter. „Gerade Mal 22 Jahre alt. Frisch von der Uni!“,

Sie zog ein weiteres Taschentuch aus der Schachtel und putzte sich lauthals die Nase, bevor sie Gina das durchnässte, zerknüllte Ding zurückgab. Das Grinsen verschwand sofort aus Ginas Gesicht.

„Wieso eröffnet eine 22-jährige ein B&B?“, fragte Lacey eher bewundernd als verachtend.

„Offensichtlich, weil sie reiche Eltern hat“, höhnte Carol. „Ihren Eltern gehörte dieses riesige Altersheim. Kennst du es?“

Lacey erinnerte sich dunkel an das Altersheim, obwohl sie bisher kaum in dieser Gegend unterwegs gewesen war. Wenn sie sich richtig erinnerte, war es tatsächlich riesig. Es wäre ein Haufen Renovierungsarbeit nötig, um es von einem verfallenden Altersheim in ein modernes B&B zu verwandeln, ganz zu schweigen von der Infrastruktur in der Gegend. Es war mindestens 15 Minuten zu Fuß von der Stadt entfernt und es fuhren nur zwei Busse pro Stunde, die in diese Richtung fuhren. Für eine 22-jährige schien das eine gewaltige Aufgabe zu sein.

„Jedenfalls“, fuhr Carol fort, „haben sich die Eltern wohl dazu entschlossen, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen und ihre Altersanlage zu verkaufen, aber jedes ihrer Kinder durfte sich eine Immobilie aussuchen, mit der es tun konnte, was es wollte. Kannst du dir vorstellen, 22 zu sein und eine Immobilie geschenkt zu bekommen? Ich musste mir die Finger wund arbeiten, um mein Unternehmen zu gründen, und jetzt wird dieses junge Ding hier hereinspazieren und ihres einfach so eröffnen.“ Sie schnippte aggressiv mit den Fingern.

„Wir sollten uns glücklich schätzen, dass sie sich für etwas so Vernünftiges wie ein B&B entschieden hat“, sagte Gina. „Wenn ich in ihrem Alter ein riesiges Haus geschenkt bekommen hätte, hätte ich wahrscheinlich einen 24-Stunden-Nachtclub eröffnet.“

Lacey konnte nicht anders. Sie brach in schallendes Gelächter aus. Aber Carol begann zu weinen.

In diesem Moment beschloss Chester, herüberzukommen, um zu sehen, was es mit der ganzen Aufregung auf sich hatte. Er legte seinen Kopf auf Carols Schoß.

Was für ein Schätzchen, dachte Lacey.

Chester wusste nicht, dass Carol wegen nichts und wieder nichts einen Aufstand machte. Er dachte einfach, sie sei ein Mensch in Not, der etwas Trost brauchte. Lacey beschloss, sich eine Scheibe von ihm abzuschneiden.

„Klingt für mich so, als ob du ganz umsonst in Panik geraten bist“, sagte sie leise zu Carol. „Dein B&B hat Kultstatus in der Stadt. Die Touristen lieben dein Barbie-pinkes Haus an der Hauptstraße ebenso sehr wie Toms Fensterskulpturen aus Makronen. Ein luxuriöses B&B kann mit deinem historischen Anwesen gar nicht mithalten. Es hat seinen eigenen skurrilen Stil und die Leute lieben es.“

Lacey ignorierte Ginas Kichern. Sie hatte ihre Worte absichtlich mit Bedacht gewählt, um Carols Dekorationen aus Flamingos und Palmfarnen zu beschreiben und konnte sich schon vorstellen, was Gina stattdessen gesagt hätte: grell, kitschig, knallig …

Carol sah mit feuchten Augen zu Lacey auf. „Glaubst du das wirklich?“

„Natürlich! Und außerdem hast du etwas, das dieses junge Ding nicht hat. Mumm. Entschlossenheit. Leidenschaft. Niemand hat dir das B&B auf dem Silbertablett serviert, oder? Und welche Art von Londoner will sich wirklich im zarten Alter von 22 Jahren in Wilfordshire niederlassen? Ich wette, das junge Ding wird sich schon bald langweilen und sein Glück woanders suchen, wo die Wiesen grüner sind.“

„Oder grauer“, witzelte Gina. „Ihr wisst schon, wegen all der Straßen in London? Dass sie zurück nach… ach, egal.“

Carol beruhigte sich langsam wieder. „Vielen Dank, Lacey. Dank dir geht es mir schon viel besser.“ Sie stand auf und tätschelte Chester den Kopf. „Und dank dir, du lieber Junge.“ Sie tupfte ihre Wangen mit ihrem Taschentuch ab. „Jetzt gehe ich besser wieder an die Arbeit.“

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, machte sie sich davon.

Sobald sich die Tür hinter ihr schloss, begann Gina zu lachen.

„Ehrlich“, rief sie aus. „Jemand muss dieser Frau die Augen öffnen! Sie ist wirklich in der falschen Branche, wenn sie eine 22-jährige Anfängerin für eine Bedrohung hält. Du und ich, wir wissen beide, dass dieses Londoner Mädel von hier verschwinden wird, sobald sie genug Geld zusammen hat, um sich ein Loft in Chelsea zu kaufen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich mache jetzt meine Pause, wenn es dir nichts ausmacht? Ich habe genug Aufregung gehabt.“

„Nur zu“, sagte Lacey, gerade als die Glöckchen über der Tür klingelten. „Ich komme schon klar.“

Gina klopfte sich auf die Knie, um Chesters Aufmerksamkeit zu erregen. „Komm schon, Junge, Gassi gehen.“

Er sprang auf und die beiden gingen auf die Tür zu. Die kleine schlanke junge Frau, die gerade eingetreten war, machte einen verdächtig großen Schritt nach links, so wie es Leute taten, die Angst vor Hunden hatten. Vermutlich erwartete sie, dass er sie anspringen und beißen würde.

Gina nickte ihr knapp zu. Sie hatte nicht viel Zeit für Menschen, die keine Haustiere mochten.

Als sich die Tür hinter Gina und Chester geschlossen hatte, schien sich die Frau zu entspannen. Sie näherte sich Lacey in einem Patchwork-Rock, der mit jeder ihrer Bewegungen raschelte. Zusammen mit der übergroßen Strickjacke sah ihr Outfit aus, als hätte sie es direkt aus Ginas Kleiderschrank genommen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Lacey die Frau.

„Ja“, sagte die junge Frau. Sie wirkte schüchtern und ihr mattbraunes, unfrisiertes Haar, das auf ihren Schultern lag, trug zu ihrer kindlichen Ausstrahlung bei. Ihre großen Augen ließen sie ein wenig wie ein Reh im Scheinwerferlicht wirken. „Sie sind Lacey, richtig?“

„Ja, das stimmt.“

Es verunsicherte Lacey immer wieder, wenn Leute ihren Namen kannten. Besonders, wenn man bedachte, was mit Brooke geschehen war …

„Ich bin Suzy“, sagte das Mädchen und streckte ihre Hand aus.

„Ich eröffne ein B&B an der Küste. Jemand hat Sie mir als gute Ansprechpartnerin für Möbel empfohlen.“

Lacey wünschte sich, Gina wäre noch hier, damit sie einen überraschten Blick mit ihr wechseln könnte, aber leider war sie allein, und so reichte sie ihr nur schweigend die Hand. Sie konnte nicht ganz glauben, dass dieses schmächtige Mädchen die reiche Londonerin war, die Carol solche Angst eingejagt hatte. Sie sah kaum älter als 16 Jahre aus und wirkte schüchtern wie eine Maus. Sie wirkte, als sei sie auf dem Weg zur Kirche und nicht im Begriff, ein Unternehmen zu gründen.

„Wonach suchen Sie denn?“, fragte Lacey und überspielte ihre Überraschung mit Höflichkeit.

Das Mädchen zuckte verlegen mit den Achseln. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher, um ehrlich zu sein. Ich weiß nur, dass ich nichts zu Modernes will. Das Anwesen ist viel zu groß für moderne Möbel. Es würde sich kommerziell und steril anfühlen, wissen Sie? Ich möchte ein behagliches Gefühl erwecken. Luxuriös. Einzigartig.“

„Nun, warum gehen wir nicht durch den Laden und sehen, ob wir die eine oder andere Inspiration finden können?“, sagte Lacey.

„Das ist eine tolle Idee!“, antwortete Suzy und ihr Lächeln verströmte jugendliche Ausgelassenheit.

Lacey führte sie zur Steampunk-Ecke. „Ich war vor etwa 14 Jahren in New York als Assistentin eines Innenarchitekten tätig“, erklärte sie, während Suzy begann, die Regale zu durchstöbern. „Sie wären erstaunt, was Ihnen alles als Inspiration dienen könnte.“

Suzy betrachtete neugierig den Aquanauten-Anzug. Lacey hatte plötzlich eine Vision von einem B&B im Steampunk-Stil.

„Gehen wir hier lang“, sagte sie hastig und lenkte Suzys Aufmerksamkeit stattdessen auf ihre Nordische Ecke.

Aber nichts in ihrer skandinavisch inspirierten Abteilung schien Suzy richtig zu begeistern, also schlängelten sie sich weiter durch den Laden. Lacey hatte während ihrer wenigen Monate als Antiquarin wirklich eine beachtliche Sammlung von Gegenständen angehäuft.

Sie ließen den Flur voller Lampen hinter sich und kamen in ihrer Abteilung voller Vintage-Gegenstände an.

„Haben Sie schon etwas gesehen, das Ihnen ins Auge sticht?“, fragte Lacey.

Suzy verzog die Lippen, als wäre sie unschlüssig. „Nicht wirklich. Aber ich bin sicher, Sie werden etwas für mich finden.“

Lacey zögerte. Sie hatte angenommen, dass Suzy selbst etwas finden wollte, nicht dass sie ihre Arbeit übernehmen sollte!

„Tut mir leid“, sagte Lacey etwas ratlos. „Wie meinen Sie das?“

Die junge Frau war damit beschäftigt, in ihrer Stofftasche zu wühlen, und hörte ihr offensichtlich nicht zu. Sie holte ein Notizbuch hervor, blätterte die Seiten durch, zückte einen Kugelschreiber und sah Lacey erwartungsvoll an. „Haben Sie morgen Zeit?“

„Zeit wofür?“, fragte Lacey immer verwirrter.

„Die Renovierung“, sagte Suzy. „Habe ich nicht …?“ Sie wurde still und ihre Wangen wurden knallrot. „Mist. Entschuldigung.“ Schnell schob sie den Stift und das Notizbuch zurück in ihre Umhängetasche. „Ich bin neu bei diesem ganzen Geschäftskram. Ich mache die Dinge immer in der falschen Reihenfolge. Lassen Sie mich von vorne anfangen. Also, mein Plan ist es, das B&B rechtzeitig für die Flugschau einzurichten und …“

„Da muss ich sie direkt unterbrechen“, fiel Lacey ihr ins Wort. „Welche Flugshow?“

„Die Flugshow“, wiederholte Suzy.

Jetzt war Suzy an der Reihe, ihre Stirn verwirrt zu runzeln.

„Nächsten Samstag?“, fuhr die junge Frau fort. „Red Arrows? Schloss Brogain? Sie wissen wirklich nicht, wovon ich spreche?“

Lacey war ratlos. Suzy hätte genauso gut eine andere Sprache sprechen können. „Mein Akzent verrät Ihnen vielleicht, dass ich nicht von hier bin.“

„Nein, natürlich nicht.“ Suzy wurde wieder rot. „Nun, Flugshows sind hier im Vereinigten Königreich recht häufig. Diese Shows gibt es überall an der Küste, aber die in Wilfordshire ist wegen des Schlosses Brogain etwas ganz Besonderes. Die Red Arrows bilden beim Überfliegen eine sehr aufregende Formation, und jeder Highschool-Schüler, der einen Fotografiekurs belegt, kommt hierher um Fotos zu machen.“ Sie gestikulierte ausladend, während sie erzählte. „Ich muss es wissen, ich war schließlich selbst mal eine von ihnen.“

Vor ganzen vier Jahren, dachte Lacey.

„Es werden auch etwa eine Milliarde professioneller Fotografen kommen“, fuhr Suzy fort. Lacey wurde klar, dass sie offensichtlich gerne und viel redete, wenn sie nervös wurde. „Es ist wie ein Wettbewerb, bei dem jeder versucht, das beste Bild zu schießen. Und dann gibt es noch die Leute, die kommen, um ihren Vorfahren Respekt zu erweisen. Und all die Familien, die sich einfach nur Flugzeuge ansehen wollen, die wilde Kunststücke vorführen.“

„Ich schätze, ich muss mein regionales Geschichtswissen ein wenig auffrischen“, sagte Lacey und fühlte sich elendig unwissend.

„Oh, ich liebe nur Geschichte, das ist alles“, witzelte Suzy. „Ich liebe es, darüber nachzudenken, wie die Menschen vor ein paar Generationen gelebt haben. Ich meine, es ist noch gar nicht so lange her, dass die Leute für ihr Abendessen ihr eigenes Wild erlegt haben! Vor allem die Viktorianer faszinieren mich.“

„Die Viktorianer…“ Lacey wiederholte. „Schießen.“ Sie klickte mit den Fingern. „Ich habe da eine Idee!“

Irgendetwas an Suzys begeisterungsfähigem Enthusiasmus hatte Laceys staubige Zahnräder in ihrem Kopf wieder zum Leben erweckt. Sie führte Suzy in den Auktionssaal und den Flur entlang in Richtung Büro.

Suzy sah mit Neugierde zu, wie Lacey den Safe öffnete und die Holzkiste mit dem Steinschlossgewehr herauszog, bevor sie die Verschlüsse öffnete, den Deckel anhob und die antike Waffe vorsichtig herausnahm.

Suzy atmete scharf ein.

„Hier ist eine Inspiration für Ihr B&B“, sagte Lacey. „Viktorianisches Jagdhaus.“

„Ich…” Suzy stammelte. „Es ist…“

Lacey konnte nicht sagen, ob sie entsetzt oder erstaunt war.

„Ich liebe es!“, schwärmte Suzy. „Das ist eine brillante Idee! Ich sehe es geradezu vor mir. Blauer schottischer Tartan. Samt. Cord. Ein offenes Feuer. Holzpaneele.“ Ihre Augen wurden groß vor lauter Staunen.

„Und das nennt man Inspiration“, sagte Lacey zu ihr.

„Wie viel kostet es?“, fragte Suzy eifrig.

Lacey zögerte. Sie hatte nicht vorgehabt, das Geschenk von Xavier zu verkaufen. Sie wollte es nur als kreatives Sprungbrett nutzen.

„Es steht nicht zum Verkauf“, sagte sie.

Suzy schob enttäuscht ihre Unterlippe vor.

Lacey erinnerte sich an die Vorwürfe, die Gina Xavier gemacht hatte. Wenn schon Gina dachte, das Gewehr sei zu viel, was würde dann erst Tom denken, wenn er es herausfand? Vielleicht wäre es besser, wenn sie es einfach an Suzy verkaufen würde.

„… noch nicht“, fügte Lacey hinzu und traf eine schnelle Entscheidung. „Ich warte noch auf die Dokumente.“

Suzys Gesicht leuchtete auf. „Also kann ich es reservieren?“

„Das können Sie in der Tat“, sagte Lacey und erwiderte ihr Lächeln.

„Und Sie?“, fragte Suzy kichernd. „Kann ich Sie auch reservieren? Als Innenarchitektin? Bitte!“

Lacey zögerte. Eigentlich war sie ja nicht mehr als Innenarchitektin tätig. Diesen Teil ihrer Vergangenheit hatte sie bei Saskia in New York City zurückgelassen. Sie wollte sich auf den An- und Verkauf von Antiquitäten konzentrieren und lernen, wie man sie am besten versteigerte und darauf ihr Geschäft aufbauen. Sie hatte keine Zeit, für Suzy zu arbeiten, um ihr eigenes Geschäft zu führen. Natürlich könnte sie Gina mehr Verantwortung übertragen, aber angesichts des zunehmenden Touristenaufkommens schien es nicht besonders klug, sie alleine zu lassen.

„Ich bin mir nicht sicher“, sagte Lacey. „Ich habe hier eine Menge um die Ohren.“

Suzy berührte entschuldigend ihren Arm. „Natürlich. Ich verstehe. Wie wäre es, wenn Sie morgen einfach vorbeikommen und sich das Anwesen unverbindlich anschauen? Und sich überlegen, ob Sie das Projekt übernehmen möchten, sobald Sie in Ruhe darüber nachgedacht haben?“

Lacey nickte ganz unwillkürlich. Nach allem, was mit Brooke passiert war, hatte sie erwartet, dass sie sich vor Neuankömmlingen besser in Acht nehmen würde. Aber vielleicht wäre sie doch in der Lage, sich von dieser ganzen Tortur zu erholen. Suzy hatte eine dieser ansteckenden Persönlichkeiten, von denen man sich leicht mitreißen lassen konnte. Sie würde eine ausgezeichnete Geschäftsfrau abgeben.

Vielleicht waren Carols Sorgen doch berechtigt.

„Ich schätze, es kann nicht schaden, sich die ganze Sache einmal anzusehen, wie?“, sagte Lacey.

Nächste Woche um diese Zeit würde sich Lacey bitter an diesen Moment erinnern und die Redewendung berühmte letzte Worte vor sich hinmurmeln.




KAPITEL DREI


Lacey fuhr in ihrem champagnerfarbenen Volvo an der Strandpromenade entlang. Sie hatte die Fenster hinuntergekurbelt und ließ sich von der sanften Mittagssonne wärmen. Sie war auf dem Weg zum ehemaligen Altersheim, das schon bald Wilfordshires neues B&B beherbergen würde, und hatte eine Überraschung für Suzy auf dem Beifahrersitz. Nicht Chester – ihr treuer Begleiter war viel zu beschäftigt damit gewesen, in der Sonne vor sich hinzuschnarchen, um gestört zu werden – sondern das Steinschlossgewehr.

Lacey war sich immer noch nicht sicher, ob es richtig war, sich davon zu trennen. Wenn sie das Gewehr in der Hand hielt, hatte sie das Gefühl, dass es ihr gehörte, als ob das Universum ihr sagen würde, dass sie sich darum kümmern sollte. Aber Gina hatte ihr bezüglich Xavier und seinen Absichten einen Floh ins Ohr gesetzt, und sie war einfach unschlüssig.

„Jetzt ist es wohl zu spät“, sagte Lacey mit einem Seufzer. Sie hatte bereits versprochen, es an Suzy zu verkaufen, und es hätte sehr unprofessionell ausgesehen, jetzt nur wegen eines komischen Gefühls aus dem Handel auszusteigen!

In diesem Moment kam Lacey an Brookes alter Teestube vorbei. Sie war komplett mit Brettern zugenagelt. Die Renovierung, mit der sie den alten Kanuschuppen in ein schickes Restaurant verwandelt hatte, war ganz umsonst gewesen.

Der Gedanke an Brooke machte Lacey nervös, und das war wirklich das Letzte, was sie noch zusätzlich zu der Unruhe brauchte, die sie ohnehin schon empfand.

Sie drückte das Gaspedal durch und beschleunigte in der Hoffnung, diese schrecklichen Gefühle hinter sich lassen zu können.

Schon bald erreichte Lacey den östlichen Teil der Stadt. Hier machten sich weniger Wohnhäuser breit und die Geschäfte, die sich von Norden nach Süden und Westen in Richtung Zentrum ausstreckten, waren hier fast vergeblich zu finden. Laut Carol würde sich diese Gegend dank Bürgermeister Fletcher zum Schlechteren verändern.

In dem Moment sah Lacey die Abzweigung, die zum ehemaligen Sunrise-Altersheim führte, und bog nach links ab. Die holprige von Buchen gesäumte Straße führte aufwärts. Die Bäume, die die Straße einrahmten, waren so hoch, dass sie einen Tunnel bildeten, der das Sonnenlicht abschirmte.

„Das ist ja überhaupt nicht unheilvoll…“, sagte Lacey sarkastisch. „Nicht im Geringsten.“

Glücklicherweise lichteten sich die Bäume schon bald wieder und das Tageslicht fiel erneut auf sie herab.

Lacey erhaschte einen ersten Blick auf das Haus, das sich in die Hänge der Hügel schmiegte. Ihre Innenarchitekteninstinkte schalteten sich sofort ein, während sie die Fassade betrachtete. Es war ein ziemlich modern anmutendes, dreistöckiges Herrenhaus aus rotem Backstein. Sie vermutete, dass es sich um ein Anwesen aus den 1930er Jahren handelte, das im Laufe der Jahre modernisiert worden war. Die Einfahrt und der Parkplatz waren aus grauem Beton – funktional, aber unansehnlich. Die Fenster des Herrenhauses hatten dicke, weiße Kunststoffrahmen – gut geeignet, um Einbrecher fernzuhalten, aber ein schrecklicher Schandfleck. Man bräuchte mehr als ein paar strategisch platzierte Sträucher, um das Äußere wie ein viktorianisches Jagdhaus aussehen zu lassen.

Nicht, dass Lacey dieses Problem würde lösen müssen. Sie hatte noch keine Entscheidung bezüglich Suzys Angebot getroffen. Sie wollte Tom um Rat bitten, aber er arbeitete heute länger an einer sehr kurzfristigen Bestellung von regenbogenfarbenen Cupcakes für das jährliche Sommerspektakel des örtlichen CVJMs. Sie hatte auch eine Nachricht in die Gruppe mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester geschrieben und von Ersterer die Antwort „Arbeite nicht zu hart“ und von Letzterer ein „Wenn sie gutes $$$$ bezahlt, dann nur zu“ erhalten.

Lacey parkte ihr Auto auf dem Betonparkplatz und ging die Treppen hinauf, die an einer großen, unansehnlichen Rollstuhlrampe entlangführten. Der behindertengerechte Zugang zum Anwesen – und vermutlich auch innerhalb des Anwesens – war schon mal ein großer Pluspunkt. Weder Carols B&B noch das Coach House Inn waren für Gäste mit Behinderungen geeignet, da sie beide über keinen Zugang von der gepflasterten Straße verfügten, und beide hatten im Inneren nur eine schmale Treppe ohne Aufzug.

Am oberen Ende der Treppe erreichte Lacey eine große Glasveranda im Stil eines Wintergartens. Das war so typisch für die 90er Jahre, dass es sie an ein Freizeitzentrum erinnerte.

Die Türen öffneten sich und sie ging hinein, wo ihre Augen von einer riesigen Linoleumfläche, grellen Neonröhren über den Fenstern und klebrigen Jalousien in den Wartezimmern, die in jedem der Fenster hingen, beleidigt wurden. In der Ecke neben einer Reihe summender Automaten stand ein glucksender Wasserkühler.

Suzy hatte ganz schön untertrieben, wie viel Arbeit noch zu erledigen war.

„Lacey! Hey!“, ertönte die fröhliche Stimme der jungen Frau.

Lacey schaute sich um und sah, wie sie hinter der Rezeption auftauchte – ein riesiges, unechtes Holzmonstrum, das scheinbar aus der Struktur des Gebäudes selbst geformt war.

„Ich habe mir nur die Steckdosensituation hier hinten angesehen“, erklärte Suzy. „Greg, der Veranstaltungsplaner, muss wissen, wie viele Stromanschlüsse zur Verfügung stehen. Er ist ein totaler Drache, im Ernst. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich jemand anderen einstellen. Aber in der Not darf man nicht wählerisch sein. Also bleibt es bei Griesgram Greg“, grinste sie.

„Wozu brauchen Sie einen Veranstaltungsplaner?“, fragte Lacey.

„Für die Eröffnungsparty natürlich“, sagte Suzy.

Bevor Lacey Gelegenheit hatte, sie weiter darüber auszufragen, kam Suzy hinter der riesigen Theke hervor und umarmte sie. Das überraschte sie. Aber trotz der Tatsache, dass sie sich kaum kannten, fand Lacey, dass es sich ganz natürlich anfühlte. Es war, als sei die junge Frau eine alte Freundin, obwohl sie sich erst vor weniger als 24 Stunden kennengelernt hatten.

„Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?“, fragte Suzy. Dann errötete sie. „Entschuldigung, Sie sind Amerikanerin. Sie möchten bestimmt lieber Kaffee, oder?“

Lacey kicherte. „Seit ich hierhergezogen bin, komme ich eigentlich immer mehr auf den Geschmack von Tee. Aber nein, danke.“ Sie achtete darauf, ihren Blick nicht zu dem Automaten und dem wässrigen, minderwertigen Tee, den er vermutlich zubereiten würde, schweifen zu lassen. „Wollen wir mit der Führung beginnen?“

„Sie verschwenden keine Zeit, das gefällt mir“, sagte Suzy. „Okay, das ist offensichtlich der Empfangsbereich.“ Sie öffnete ihre Arme weit und grinste begeistert. „Wie Sie wahrscheinlich erkennen können, ist es im Grunde ein Wintergarten, der in den neunziger Jahren hinzugefügt wurde. Außer das ganze Ding abreißen zu lassen, habe ich keine Ahnung, wie man es wie eine viktorianische Jagdhütte aussehen lassen könnte, aber ich schätze, dafür ist Ihr Fachwissen da. Ich meine, falls Sie sich entscheiden, für mich zu arbeiten.“ Sie kicherte und gestikulierte in Richtung der inneren Doppelflügeltüren. „Hier entlang.“

Sie betraten einen langen, schwach beleuchteten Flur. Eine Reihe von glänzenden Plastikschildern war an die Wand geschraubt, die den Weg zum „Fernsehzimmer“, „Esszimmer“, „Garten“ und der „Schwesternstation“ wiesen. Der Ort roch sehr stark nach Talkumpuder.

Lacey runzelte ihre Nase. Es wurde immer offensichtlicher, dass dieses Projekt extrem umfangreich werden würde und sie hatte das Gefühl, dass es einfach zu viel für sie wäre.

Sie folgte Suzy ins Fernsehzimmer. Es war ein riesiger Raum, spärlich möbliert und mit den gleichen Böden aus unechtem Holzlinoleum. Die Wände waren mit Raufasertapete verkleidet.

„Ich denke, wir verwandeln diesen Raum in den Salon“, begann Suzy und tänzelte durch den Raum, während ihr gemusterter Zigeunerrock im Takt schwang. „Ich möchte einen offenen Kamin. Ich glaube, hinter dieser verbarrikadierten Nische ist einer versteckt. Und in diese Ecke können wir ein paar schöne, rustikale, antike Möbel stellen.“, deutete sie vage mit ihren Armen an. „Oder in die hier. Was immer Ihnen lieber ist.“

Lacey fühlte sich zunehmend unsicher. Die Arbeit, die Suzy von ihr verlangte, war mehr als einfache Innenarchitektur! Sie hatte nicht einmal den Grundriss im Kopf. Aber sie schien eine Träumerin zu sein, und das bewunderte Lacey ein wenig. Sich ohne jegliche Erfahrung auf so eine Aufgabe zu stürzen, war eigentlich genau Laceys Ding und für sie hatte sich das Risiko gelohnt. Aber die Kehrseite der Medaille war, dass Lacey niemanden gehabt hatte, der die Stimme der Vernunft für sie gespielt hatte. Außer ihrer Mutter und Naomi – die einen ganzen Ozean und fünf Stunden Zeitverschiebung entfernt gewesen waren – hatte es niemanden gegeben, der ihr gesagt hatte, dass sie verrückt war. Aber nun selbst in diese Rolle zu schlüpfen, jemanden dabei zu beobachten, wie er sich kopfüber in eine fast unmögliche Aufgabe stürzte … Lacey war sich einfach nicht sicher, ob sie es schaffen würde. Sie brachte es nicht übers Herz, jemanden knallhart in die Realität zurückzuholen und seine Träume zu zerstören, aber sie war auch nicht der Typ, der sich zurückhielt und dabei zusah, wie jemand sich selbst ins Verderben stürzte.

„Von hier aus kommt man in den Speisesaal“, sagte Suzy unbefangen. Sie führte Lacey schnell in den nächsten Raum. „Der wird hier auch bleiben, weil es dort drüben einen Zugang zur Küche gibt.“ Sie zeigte auf eine Schwingtür zu ihrer Rechten. „Und von hier hat man die beste Aussicht auf das Meer und den Garten.“

Lacey konnte nicht umhin zu bemerken, dass Suzy bereits so redete, als hätte sie dem Job bereits zugesagt. Sie biss sich beklommen auf die Lippe und ging zu den Glasschiebetüren hinüber, die die gesamte hintere Wand einnahmen. Der Garten war zwar mehrere Hektar groß, bestand aber nur aus einer riesigen Rasenfläche und einigen sporadisch aufgestellten Bänken mit Blick auf das Meer in der Ferne.

„Das würde Gina gefallen“, sagte Lacey über ihre Schulter und suchte nach etwas Positivem.

„Gina?“, fragte Suzy.

„Die Dame, die mit mir in meinem Geschäft arbeitet. Krauses Haar. Rote Brille. Gummistiefel. Sie ist eine begnadete Gärtnerin. Das hier wäre wie eine leere Leinwand für sie.“ Sie blickte zurück zu Suzy. „Sie hat versucht, mir das Gärtnern beizubringen, aber ich glaube, ich bin immer noch viel zu sehr New York City für die Pflanzenwelt.“

Suzy lachte. „Nun, wenn es Zeit ist, den Garten zu machen, rufe ich Gina an.“

Sie fuhren mit ihrer Tour durch die Küche, den Flur, am Aufzug vorbei und hinauf in eines der Schlafzimmer fort.

„Ganz schön groß“, sagte Suzy zu ihr, als sie Lacey hineinführte.

„Das kann man wohl sagen“, antwortete Lacey und rechnete aus, wie viele Möbel erforderlich wären, um sie angemessen einzurichten.

Sie bräuchten mehr als nur die übliche Möblierung eines B&Bs, die in dein meisten Fällen aus einem Bett, einem Schrank und den Nachttischen bestand. Sie waren groß genug für eine separate Couch und einen Sitzbereich mit Couchtisch, und für einen Ankleidebereich mit einem Schminktisch. Lacey konnte es sich gut vorstellen, aber es bedurfte einer Menge Koordination, um alles rechtzeitig für die Flugshow am Samstag fertig zu bekommen.

„Und wie viele Zimmer, sagten Sie, gibt es?“, fragte sie und schaute nervös zur Tür hinaus und den dunklen Korridor entlang, der auf beiden Seiten von Türen gesäumt war. Sie wollte Suzy gegenüber nicht so deutlich zeigen, wie viel Arbeit nötig sein würde, um diesen Ort auf Vordermann zu bringen. Schnell schüttelte sie ihren besorgten Gesichtsausdruck wieder ab.

„Es sind insgesamt 400 Quadratmeter Unterkunft“, erklärte Suzy. „Sechs Schlafzimmer und eine Hochzeitssuite. Aber wir müssen nicht alles auf einmal machen. Nur den Salon, das Esszimmer und ein paar der Schlafzimmer. Zwei oder drei würden für den Anfang reichen, denke ich.“

Sie klang so entspannt bei dem Ganzen, obwohl sie nicht einmal genau wusste, wie viele Schlafzimmer sie eingerichtet haben wollte!

„Und Sie müssen das alles rechtzeitig für die Flugschau am Samstag fertig haben?“, fragte Lacey erneut, als würde eine weitere Bestätigung die ganze Sache irgendwie besser machen.

„Eigentlich am Freitag“, korrigierte Suzy. „Da findet die Eröffnungsparty statt.“

Lacey erinnerte sich daran, dass Suzy Griesgram Greg, den Veranstaltungsplaner, und die Eröffnungsparty erwähnt hatte. Ihre Frage nach dem Termin für die Feier war ihr in dem Moment entfallen, als Suzy sie überraschend umarmt hatte.

„Freitag…“ wiederholte Lacey wie hypnotisiert, als sie Suzy zurück aus dem Raum und in den Aufzug folgte.

Die Türen schlossen sich sanft hinter ihnen, und Suzy wandte sich mit erwartungsvollem Blick an Lacey. „Und? Was denken Sie?“

Der Aufzug fuhr nun abwärts, wovon Lacey ein wenig flau im Magen wurde.

„Sie haben hier ein ziemliches Juwel“, sagte Lacey und wählte ihre Worte sorgfältig. „Aber das Ganze ist ein wenig knapp. Das ist Ihnen doch klar, oder?“

„Das hat Griesgram Greg auch gesagt“, antwortete Suzy und ihre Lippen verzogen sich, als ihr Tonfall mürrischer wurde. „Er sagte, es wäre fast unmöglich, bis Freitag ein großes Feuerwerk zu organisieren.“

Lacey verkniff sich ihr klar zu machen, dass es wesentlich weniger schwierig war, einen Haufen Feuerwerkskörper zu beschaffen, als 400 Quadratmeter Pflegeheim in ein viktorianisches Jagdhaus zu verwandeln. Wenn schon ihr Veranstaltungsplaner der Meinung war, dass das Ganze zu knapp war, was sollte sie dann erst sagen?

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und sie traten gemeinsam in den Hauptkorridor hinaus.

Lacey blickte Suzy an. Sie sah aus, als werde ihr erst jetzt klar, wie viel Arbeit tatsächlich nötig war, um diesen Ort zu verwandeln. Zum ersten Mal sah sie ein wenig überwältigt aus. Sorge spiegelte sich in ihrem Blick.

„Glauben Sie, ich habe mir zu viel vorgenommen?“, fragte sie, als sie zurück ins Foyer gingen.

Laceys Instinkt, sie nicht zu enttäuschen, meldete sich.

„Ich werde Sie nicht anlügen“, sagte sie vorsichtig. „Es wird eine Menge harte Arbeit sein. Aber ich glaube, es ist machbar. Ich habe bereits eine ganze Menge Material, das für Ihren Stil geeignet wäre. Aber es gibt einige wirklich große Dinge, die Sie priorisieren müssen, bevor mit der Einrichtung begonnen werden kann.“

„Zum Beispiel?“, fragte Suzy und schnappte sich ein Stück Papier für Notizen, als wollte sie jedes Wort der Expertin mitschreiben.

„Die Fußböden“, begann Lacey und ging durch den Raum. „Dieses Linoleum muss weg. Die Wände müssen von dieser schrecklichen Raufaser befreit werden. Die Stuckdecke. Allein das Öffnen des Kamins wird ein ganzes Team erfordern …“

„Also im Grunde genommen, alles entkernen und von vorne anfangen?“, unterbrach Suzy und blickte von ihren Notizen auf.

„So ziemlich. Und keine Abkürzungen nehmen. Wenn es um Innenräume geht, dreht sich alles um die kleinen Details. Man muss konsequent sein. Keine Tapete in Holzoptik. Wenn Sie sich für eine Vertäfelung entscheiden, dann bringen Sie eine echte an. Eine Fälschung sieht billig aus. Diese Materialen aufzutreiben hat also absolute Priorität.“

Suzy fing wieder an mitzuschreiben und nickte die ganze Zeit, die Lacey sprach. „Kennen Sie einen guten Handwerker?“

„Suzy, Sie brauchen zehn Handwerker“, sagte Lacey zu ihr. „Mindestens! Und eine ganze Fußballmannschaft an Raumgestaltern. Haben Sie überhaupt das Budget für dafür?“

Suzy sah auf. „Ja. So ziemlich. Ich meine, ich werde niemanden bezahlen können, bis das Hotel anfängt Geld einzubringen, was es schwieriger machen könnte, Leute zu finden, die sich bereit erklären, die Arbeit zu machen…“

Ihre Stimme driftete ab, während sie Lacey einen hoffnungsvollen Dackelblick zuwarf.

Lacey fühlte sich noch unsicherer als zuvor. Es wäre riskant, nicht im Voraus bezahlt zu werden, da sie eine Menge Ware beschaffen müsste, die Zehntausende von Pfund kosten würde. Und es wäre vielleicht unklug, ein so großes Projekt zu übernehmen, wenn die Zeit bis zur Fertigstellung so knapp bemessen war und sie auch noch an ihr eigenes Geschäft denken musste. Aber auf der anderen Seite hatte sie die Tour sehr genossen und konnte sich vorstellen, wie der Ort voller antiker Stücke aussehen würde. Sie hatte es auch genossen, ihr altes Fachwissen über Innenarchitektur zu nutzen und es mit ihrem neuen Talent für Antiquitäten zu kombinieren. Suzy bot ihr eine einzigartige Gelegenheit, und das B&B würde mit absoluter Sicherheit sehr schnell Gewinne abwerfen. Ja, es wäre ein enormes finanzielles Risiko und ein massiver Aufwand an Zeit und Energie, aber wann würde Lacey je wieder eine solche Chance bekommen?

Nicht ganz bereit, Suzy eine endgültige Antwort zu geben, sagte Lacey: „Ich bin gleich wieder da.“

Sie ging zu ihrem Auto, holte das Steinschlossgewehr und trug es zurück in das Anwesen.

„Das Gewehr!“, Suzy strahlte und grinste beim Anblick des Steinschlossgewehrs. Es schien sie genauso zu begeistern wie gestern, als Lacey es ihr das erste Mal im Geschäft gezeigt hatte. „Sie haben es mitgebracht? Für mich?“

„Ja“, sagte Lacey zu ihr.

Sie legte es auf den Empfangstresen und öffnete die Schlösser.

Suzy griff hinein und holte es heraus, wobei sie liebevoll mit den Fingern über den Lauf fuhr. „Kann ich es in die Hand nehmen?“

„Sicher“, sagte Lacey.

Suzy ergriff die Waffe und nahm eine Schussposition ein. Sie sah so dabei so professionell aus, dass Lacey sie gerade fragen wollte, ob sie jemals selbst gejagt hätte. Doch bevor sie die Gelegenheit dazu hatte, ertönte das Geräusch der automatischen Foyertüren, die sich hinter ihnen öffneten.

Lacey drehte sich um und sah einen Mann in einem dunklen Anzug durch die Türen schreiten. Hinter ihm kam eine Frau in einem vornehmen, dunkelroten Kostüm herein. Sie strahlte Autorität aus. Lacey erkannte die Frau von den Gemeindeversammlungen wieder. Es war Stadträtin Muir, die örtliche Abgeordnete.

Auch Suzy wirbelte herum, das Gewehr noch in der Hand.

Bei seinem Anblick stürmte der Mann im Anzug schützend auf Stadträtin Muir zu.

„Suzy!“, kreischte Lacey. „Leg das Gewehr weg!“

„Oh!“ Suzys Wangen färbten sich feuerrot.

„Es ist nur eine Antiquität!“, erklärte Lacey dem Sicherheitsbeamten, der seine Arme immer noch schützend um Stadträtin Muir schlang.

Schließlich, wenn auch etwas zögerlich, ließ er von ihr ab.

Die Stadträtin strich ihr Kostüm glatt und tastete ihr Haar ab. „Danke, Benson“, sagte sie steif zu ihrem Begleiter, der sich für sie vor eine Kugel geworfen hätte. Sie sah etwas verlegen aus.

„Entschuldige, Joanie“, sagte Suzy. „Dafür, dass ich dir eine Waffe ins Gesicht gehalten habe.“

Joanie?, dachte Lacey. Das klang erstaunlich vertraut. Kannten die beiden sich bereits?

Stadträtin Muir sagte nichts. Ihr Blick richtete sich auf Lacey. „Wer ist das?“

„Das ist meine Freundin Lacey“, sagte Suzy. „Sie wird sich um die Inneneinrichtung des B&B kümmern. Hoffentlich.“

Lacey trat vor und streckte der Stadträtin ihre Hand entgegen. Sie hatte sie noch nie aus nächster Nähe gesehen. Nur vom Podium des Rathauses aus, wenn sie eine Ansprache gehalten hatte, oder auf Flyern, die gelegentlich in ihrem Briefkasten landeten. Sie war über 50 Jahre alt, älter als auf ihrem Pressefoto; das verrieten die Fältchen um ihre Augen herum. Sie sah müde und gestresst aus und nahm Laceys ausgestreckte Hand nicht an, da ihre Hände damit beschäftigt waren, einen dicken Briefumschlag zu umklammern.

„Ist das meine Geschäftslizenz?“, quiekte Suzy aufgeregt, als sie den Umschlag entdeckte.

„Ja“, sagte Stadträtin Muir hastig und hielt ihn ihr hin. „Ich bin nur vorbeigekommen, um sie dir zu übergeben.“

„Joanie hat das alles so schnell für mich geregelt“, sagte Suzy zu Lacey. „Wie nennt man das? Du hast es expediriert?“

„Expediert“, warf ihr Begleiter ein und erntete dafür einen scharfen Blick von Stadträtin Muir.

Lacey runzelte die Stirn. Es war höchst ungewöhnlich, dass ein Mitglied des Gemeinderates solche Geschäftslizenzen persönlich überbrachte. Als Lacey ihre eigene beantragt hatte, hatte sie unzählige Online-Formulare ausgefüllt, in schäbigen Gemeindegebäuden herumgesessen und darauf gewartet, dass die Nummer auf ihrem Ticket angerufen wurde, als stünde sie in der Warteschlange der Metzgerei. Sie fragte sich, warum Suzy eine Sonderbehandlung bekam. Und vor allem, warum die beiden sich bereits duzten.

„Kennt ihr beide euch von irgendwoher?“, fragte Lacey in dem Bestreben herauszufinden, was es damit auf sich hatte.

Suzy gluckste. „Joan ist meine Tante.“

„Ah“, erwiderte Lacey.

Das ergab Sinn. Stadträtin Muir hatte dem Umbau eines Altersheims in ein B&B also nur so schnell zugestimmt, weil sie mit Suzy verwandt war. Carol hatte recht gehabt. Hier gab es eine Menge Vetternwirtschaft.

„Ehemalige Tante“, korrigierte Stadträtin Muir abwehrend. „Und nicht blutsverwandt. Suzy ist die Nichte meines Ex-Mannes. Und das hat bei der Entscheidung, die Lizenz zu erteilen, keine Rolle gespielt. Es ist einfach höchste Zeit, dass Wilfordshire ein anständiges B&B bekommt. Der Tourismus nimmt von Jahr zu Jahr zu und unsere derzeitigen Einrichtungen können mit der Nachfrage einfach nicht Schritt halten.“

Für Lacey war es offensichtlich, dass Stadträtin Muir von der Tatsache abzulenken versuchte, dass Suzy bevorzugt behandelt worden war. Aber das war wirklich nicht nötig. Es änderte nichts an Laceys Meinung über Suzy, denn schließlich konnte sie nichts für ihre guten Beziehungen. Und aus Laceys Sicht zeugte es von gutem Charakter, dass sie ihre Kontakte nutzte, um etwas zu unternehmen, statt sich nur auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Wenn es jemanden schlecht dastehen ließ, dann war es Stadträtin Muir selbst, und zwar nicht, weil sie ihre einflussreiche Position ausgenutzt hatte, um der Nichte ihres Ex-Mannes einen so großen Gefallen zu erweisen, sondern weil sie sich dabei so dubios und ausweichend verhielt. Kein Wunder, dass die Bürger der Gemeinde dem Erneuerungsprojekt so ablehnend gegenüberstanden!

Die karmesinrot gekleidete Stadträtin suchte immer noch nach Ausreden. „Die Stadt hat eigentlich sogar genug Nachfrage für zwei B&Bs dieser Größe, vor allem, wenn man all den zusätzlichen Umsatz berücksichtigt, den die Wiedereröffnung des alten Schützenvereins uns einbringen wird.“

Lacey war sofort interessiert. Sie dachte an Xaviers Notiz und wie er erwähnt hatte, dass ihr Vater während der Sommermonate öfter zum Jagen nach Wilfordshire gekommen war.

„Der alte Schützenverein?“, fragte sie.

„Ja, oben bei Penrose Manor“, erklärte Stadträtin Muir und gestikulierte mit ihrem Arm nach Westen, wo sich das Anwesen auf der anderen Seite des Tals befand.

„Dort war doch mal ein Wald, oder?“, läutete Suzy ein. „Ich habe gehört, dass Heinrich der Achte das Jagdhaus bauen ließ, damit er kommen und Wildschweine jagen konnte!“

„Das stimmt“, sagte die Stadträtin mit einem sachlichen Nicken. „Aber der Wald wurde irgendwann abgeholzt. Wie auf vielen englischen Gutshöfen begann der Adel nach der Erfindung des Gewehrs, Wildvögel zu schießen. Und daraus entwickelte sich die heutige Jagdwirtschaft. Heutzutage werden Stockenten, Rebhühner und Fasane nur zum Schießen gezüchtet.“

„Was ist mit Kaninchen und Tauben?“, fragte Lacey, wobei sie sich an den Inhalt von Xaviers Brief erinnerte.

„Die können das ganze Jahr über gejagt werden“, bestätigte Stadträtin Muir. „Der Schützenverein von Wilfordshire unterrichtete in der Nebensaison Amateure und sie übten sich an Tauben und Kaninchen. Nicht gerade glamourös, aber irgendwo muss man ja anfangen.“

Lacey ließ sich die Informationen durch den Kopf gehen. Es stimmte exakt mit dem überein, was Xavier in seinem Brief gesagt hatte und sie konnte nicht umhin zu glauben, dass ihr Vater wirklich im Sommer nach Wilfordshire gekommen war, um bei Penrose Manor zu jagen. In Verbindung mit dem Foto, das sie von ihrem Vater und Iris Archer, der früheren Besitzerin, gesehen hatte, schien dies noch wahrscheinlicher.

Hatte sich die Waffe deshalb so vertraut angefühlt? Weil irgendwo in ihrem Unterbewusstsein Erinnerungen verborgen lagen, zu denen sie keinen Zugang hatte?

„Ich wusste nicht, dass es in Penrose Manor ein Jagdhaus gibt“, sagte sie. „Wann hat der Schützenverein den Betrieb eingestellt?“

„Vor etwa zehn Jahren“, antwortete Stadträtin Muir. Ihr Tonfall klang mühsam, als zöge sie es vor, dieses Gespräch nicht zu führen. „Sie mussten den Betrieb wegen…“ Sie hielt inne und suchte offenbar nach den richtigen Worten. „… ungünstiger Vermögensverwaltung schließen.“

Die Stadträtin schien melancholisch zu werden, als hätte sie eine Art persönliche Vergangenheit mit dem Schützenverein und seinem Untergang vor einem Jahrzehnt, doch da konnte Lacey sich nicht sicher sein. Sie wollte nachfragen und herausfinden, ob es vielleicht noch mehr Hinweise gab, die auf ihren Vater zurückführten, doch Suzy schaltete sich jetzt ein. „Also siehst du, wie viel unausgeschöpftes Potenzial hier vorhanden ist, und warum du dich unbedingt an dem Projekt beteiligen solltest!“, sagte sie voller Begeisterung.

Die Stadträtin nickte in ihrer steifen Art. „Wenn einem die Chance geboten wird, sich an der Erneuerung des östlichen Teils der Grafschaft Wilfordshire zu beteiligen“, sagte sie, „dann würde ich sie auf jeden Fall ergreifen. Das B&B ist erst der Anfang. Bürgermeister Fletcher hat große Pläne für diese Stadt. Wenn Sie sich hier einen Namen machen, werden Sie auch bei zukünftigen Projekten eine der ersten Ansprechpartnerinnen sein.“

Das Jobangebot faszinierte Lacey mehr und mehr. Nicht nur wegen des enormen Potenzials, sich einen Namen zu machen – und dabei einen ansehnlichen Gewinn zu erzielen –, sondern auch wegen der Verbindung von Wilfordshire und ihrem Vater. Sie fragte sich, ob er auch das Potenzial der Stadt erkannt hatte. Vielleicht war er deshalb überhaupt erst hierhergekommen, weil er eine Geschäftsgelegenheit entdeckt hatte, in die er investieren wollte?

‚Oder weil er seiner Ehe und Familie entfliehen und sich an einem Ort niederlassen wollte, der besser zu ihm passte‘, dachte Lacey.

„Ich muss langsam los“, sagte Stadträtin Muir und winkte ihrem Begleiter zu, welcher sofort wieder an ihre Seite sprang. „Ich habe andere Angelegenheiten zu klären. Die Anwohner regen sich über die geplante Fußgängerzone in der Hauptstraße auf. So wie die sich verhalten könnte man meinen, ich hätte genehmigt, die Straßen mit Lava übergießen zu lassen.“ Sie nickte Suzy knapp zu und machte sich dann davon.

Kaum war sie weg, drehte Suzy sich mit einem begeisterten Gesichtsausdruck zu Lacey um und hielt den Briefumschlag mit ihrer Geschäftslizenz fest in den Händen.

„Und?“, fragte sie. „Was sagen Sie dazu? Wollen Sie mitmachen?“

„Kann ich ein wenig Zeit haben, um darüber nachzudenken?“

„Aber sicher.“ Suzy kicherte. „Denk dran, die Eröffnung ist in einer Woche. Nimm dir so viel Zeit, wie du willst.“


*

Lacey öffnete die Tür zum Antiquitätenladen. Boudica und Chester eilten herbei, um sie zu begrüßen. Abwechselnd kraulte sie den beiden die Köpfe.

„Du bist zurück“, sagte Gina, während sie von dem Gartenmagazin aufblickte, das sie sich gerade angesehen hatte. „Wie ist es gelaufen?“

„Es war interessant“, sagte Lacey und setzte sich neben sie an den Schreibtisch. „Es ist ein fantastisches Anwesen, mit viel Potenzial. Und die Stadträtin scheint der gleichen Meinung zu sein.“

Gina klappte ihr Gartenmagazin zu. „Die Stadträtin?“

„Ja, Stadträtin Muir“, erwiderte Lacey. „Sie ist Suzys Tante. Diese ganze B&B-Sache scheint ein Teil von Bürgermeister Fletchers Plänen zu sein, East Wilfordshire zu sanieren. Nicht, dass das Suzys Schuld ist, aber dadurch scheint sie noch unerfahrener. Wer weiß, ob ihr eigentlicher Geschäftsplan überhaupt umsetzbar ist, oder ob er nur wegen ihrer Tante genehmigt wurde.“

Gina tippte auf ihr Kinn. „Hmm. Carol war also doch an etwas dran.“

„In gewisser Weise.“

„Aber mal ganz abgesehen von all dem politischen Kram“, fügte Gina hinzu und drehte sich mit ihrem Hocker herum, so dass sie Lacey direkt gegenübersaß. „Was würde es für dich heißen, da mitzumachen?“

Lacey hielt inne. Sie spürte ein aufgeregtes Flattern in ihrem Bauch. Wenn sie all die nörgelnden Zweifel beiseiteschob, war es wirklich eine einmalige Gelegenheit.

„Es würde bedeuten, dass ich die Verantwortung für die Einrichtung eines 400 Quadratmeter großen Anwesens mit historischen Möbeln tragen würde. Für eine Antiquitäten-Liebhaberin ist das im Grunde genommen das Paradies.“

„Und das Geld?“, fragte Gina.

„Oh, ich würde einen Haufen verdienen. Wir sprechen hier von Tausenden von Pfund an Warenbeständen. Ein ganzer Speisesaal. Ein Foyer. Eine Bar. Sechs Schlafzimmer und eine Hochzeits-Suite. Das ist ein gewaltiges Unterfangen. Außerdem wird mir das in Zukunft noch mehr Arbeit einbringen, weil ich mir so einen Namen machen kann. Und die Tatsache, dass ein B&B für besondere Anlässe wie die Flugschau eine positive Auswirkung auf den Rest der Stadt haben wird …“

Gina begann zu lächeln. „Für mich klingt das so, als hättest du dich schon entschieden.“

Lacey nickte unverblümt. „Vielleicht habe ich das. Aber wäre es nicht verrückt? Ich meine, sie will, dass es rechtzeitig zur Flugschau fertig wird. Die ist am Samstag!“

„Und seit wann schreckst du vor harter Arbeit zurück?“, fragte Gina frech. Sie deutete auf ihre Umgebung. „Sieh dir an, was du durch deine harte Arbeit schon alles erreicht hast.“

Lacey war zu bescheiden, um das Kompliment anzunehmen, auch wenn sie wusste, dass Gina nicht ganz unrecht hatte. Sie war risikofreudiger geworden. Hätte sie ihren Job in New York City nicht aufgegeben und den ersten Flug nach England genommen, hätte sie sich dieses wunderbare Leben nie aufbauen können. Sie wäre unglücklich, geschieden und immer noch dafür zuständig, Saskia ihren Kaffee zu holen, als wäre sie eine Praktikantin und keine Assistentin mit 14 Jahren Berufserfahrung. Das Projekt mit Suzy war die Art von Arbeit, für die Saskia mit ihren manikürten Nägeln kämpfen würde. Das allein war schon ein Grund, es zu tun.

„Ich glaube, du weißt, was zu tun ist“, sagte Gina. Sie nahm das Telefon ab und schob es Lacey hin. „Ruf Suzy an und sag ihr, dass du dabei bist.“

Lacey starrte das Telefon an und biss sich auf die Unterlippe. „Aber was ist mit den Kosten?“, fragte sie. „Es wird wahnsinnig viel kosten, so viel Inventar in so kurzer Zeit aufzutreiben. Viel mehr, als ich normalerweise für Bestände ausgeben würde.“

„Aber du wirst doch dafür bezahlt?“, antwortete Gina.

„Erst, wenn das B&B Geld erwirtschaftet.“

„Was ohnehin passieren wird, nicht wahr? Also wirst du mit der Zeit wieder Profit erzielen.“ Gina streckte Lacey das Telefon entgegen. „Ich denke, du suchst nach Ausreden.“

Sie hatte recht, aber das hinderte Lacey nicht daran, noch eine zu finden.

„Was ist mit dir?“, fragte sie. „Du müsstest dich eine ganze Woche lang alleine um den Laden kümmern. Ich werde keine Zeit haben, etwas anderes zu tun.“

„Ich kann den Laden auch ganz gut allein führen“, versicherte Gina ihr.

„Und Chester? Er müsste bei dir bleiben, während ich arbeite. Suzy mag keine Hunde.“

„Ich denke, mit Chester werde ich schon fertig, meinst du nicht?“

Lacey blickte von Gina zum Telefon und wieder zurück. Dann, mit einer schnellen Bewegung, streckte sie die Hand aus, nahm den Hörer entgegen und tippte Suzys Nummer ein.

„Suzy?“, sagte sie in der Sekunde, in der der Anruf entgegengenommen wurde. „Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich bin dabei.“




KAPITEL VIER


„Oh, Percy, sie sind wunderbar!“, schwärmte Lacey ins Telefon und betrachtete die geöffnete Schachtel mit den silbernen Gabeln, die sie gerade von ihrem Lieblings-Antiquitätenhändler in Mayfair erhalten hatte. Sie befand sich im beengten Hinterzimmer des Geschäfts, umgeben von Ordnern voller Checklisten, Skizzen, Moodboards, Detailzeichnungen und einem ganzen Haufen schmutziger Kaffeetassen.

„Das sind alles vollständige Sets“, erklärte Percy. „Für Salat, Suppe, Fisch, Abendessen, Dessert und Austern.“

Lacey lächelte breit. „Ich weiß nicht, ob Suzy überhaupt vorhat, Austern zu servieren, aber wenn die Viktorianer Austerngabeln auf ihren Tischen hatten, dann sollten wir sie auch auf unseren haben.“

Sie hörte Percys Großvater durch den Lautsprecher lachen. „Das klingt wirklich sehr aufregend“, sagte er. „Ich muss sagen, dass ich nicht oft eine Bestellung für viktorianische Gegenstände erhalte.“

„Nun ja“, sagte Lacey. „Ich bin sicher, es kommt nicht oft vor, dass einer deiner Käufer damit beauftragt wird, ein Altersheim in einer Woche in ein viktorianisches B&B zu verwandeln!“

„Sag mal, hast du überhaupt noch Zeit zu schlafen?“

„Ganze vier gesunde Stunden pro Nacht“, scherzte Lacey.

Obwohl sie so hart gearbeitet hatte, hatte sie das Projekt bisher ziemlich aufregend gefunden. Berauschend sogar. Es war wie ein Rätsel, das nur sie lösen konnte, mit einer tickenden Uhr im Hintergrund.

„Aber arbeite dich nicht zu Tode“, sagte Percy, fürsorglich wie er war.

Sie legte auf, schnappte sich einen Filzstift und setzte ein großes Häkchen neben „Geschirr“. Sie hatte nun etwa die Hälfte ihrer Liste abgearbeitet, nachdem sie gefühlte hundert Gefallen eingefordert hatte und quer durchs Land nach Bristol und Bath gefahren war, um einige besonders außergewöhnliche Stücke abzuholen. Sogar noch weiter, über die Grenze nach Cardiff, für einen wunderschönen steinernen Brunnen, der hervorragend in das Foyer passen würde.

Von allen Räumen war das Foyer am schwierigsten zu gestalten. Seine Architektur ähnelte einem Wintergarten, also hatte Lacey sich von viktorianischen Bauten wie dem Alexandra Palace in London und den Gewächshäusern von Kew Gardens inspirieren lassen. Gerade waren die Innenausstatter dort, um den Linoleumfußboden herauszureißen und die Jalousien abzuhängen, die an das Wartezimmer eines Zahnarztes erinnerten. Die weißen Plastikrahmen würden mit dünnen, biegsamen Metallplatten überzogen, die schwarz lackiert wie Eisen aussehen würden.

Bis jetzt hatte die Arbeit Spaß gemacht, trotz des Schlafentzuges und der langen Fahrten. Allein ihr Kontostand war ein wenig alarmierend. Lacey hatte Tausende und Abertausende von Pfund an Möbeln zusammengesammelt, die alle perfekt zu Suzys Jagdhaus-Motto passten. Und obwohl sie wusste, dass Suzy die Rechnung begleichen würde, sobald sie das Geld zurückverdient hatte, war es ihr trotzdem sehr unangenehm, sich ihren Kontostand anzusehen. Besonders in Anbetracht des Deals, den sie mit Ivan über die Hypothek in Crag Cottage gemacht hatte. Sie wollte nicht, dass der nette alte Mann, der ihr ihr Traumhaus verkauft hatte, seine Zahlungen nicht rechtzeitig erhielt. Aber wenn Suzys Rechnung bis Ende Juni nicht beglichen war, würde sie gezwungen sein, die Zahlungen aufzuschieben.

Allein das Gewehr war 5000 Pfund wert! Lacey war fast an ihrem Cappuccino erstickt, als sie seinen Wert recherchiert hatte, um ihn Suzys Rechnung hinzuzufügen. Sofort hatte sie Xavier angeschrieben und ihm vorgeschlagen, ihm etwas Geld zu überweisen. Doch er hatte darauf bestanden, dass es ein Geschenk sei, was ihr ein schlechtes Gewissen bereitete, da sie es umgehend verkauft hatte. Aber ihr schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen, denn welcher Mann schenkte einer Frau eine wertvolle Antiquität, ohne dabei einen Hintergedanken zu haben? Allmählich wurde Lacey klar, dass Gina vielleicht recht gehabt hatte, was Xaviers Absichten betraf, also beschloss sie, den Kontakt zu ihm zu minimieren. Außerdem hatte sie mit dem ehemaligen Schützenverein von Penrose Manor nun eine ganz neue Spur auf der Suche nach ihrem Vater zu verfolgen, sodass Xavier nicht mehr der Rettungsanker war, der er einmal gewesen war.

Im Hauptbereich des Ladens konnte Lacey sehen, wie Gina durch die Gegend flitzte. Bis jetzt war die ältere Frau mit ihren neuen Aufgaben ziemlich gut zurechtgekommen. Ihr Einspruchsrecht gegen das Heben von schweren Gegenständen war vorübergehend aufgehoben worden, und obwohl es Gina nichts ausmachte, fühlte Lacey sich nicht wohl dabei, eine Rentnerin so hart arbeiten zu lassen.

In diesem Moment hörte Lacey die Glocke nebenan läuten, und es folgten die sanften, fröhlichen Jauchzer von Chester und Boudica. Lacey ahnte sofort, dass Tom hereingekommen war. Sie unterbrach ihre Tätigkeit und eilte zum Geschäftsraum.

Tatsächlich war ihr Verehrer dort und fütterte die Hunde gerade mit seinen speziellen Johannisbrotleckereien. Als er sie kommen hörte, blickte er auf und schenkte ihr sein charakteristisch schönes Lächeln.

Es fühlte sich an, als hätte Lacey ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen oder mit ihm gesprochen. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Regenbogen-Cupcakes zu backen, und sie hatte knietief in viktorianischen Antiquitäten gesteckt. Die beiden hatten nicht einmal einen Moment Zeit gehabt, sich eine Nachricht zu schicken, geschweige denn zur selben Zeit am selben Ort zu sein!

Lacey eilte auf ihn zu und gab ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Mein Schatz“, schwärmte sie. „Es ist schon so lange her. Was machst du hier?“

„Es ist Donnerstag“, sagte er geradeheraus. „Zeit für unser Date!“

Mit ihren vollen Terminkalendern hatten sie sich darauf geeinigt, ihre täglichen Treffen einzustellen und sich auf ein überschaubares wöchentliches Mittagessen am Donnerstag zu beschränken. Aber dieser Plan war geschmiedet worden, bevor die beiden ihre Last-Minute-Aufträge angenommen hatten, und Lacey hatte einfach angenommen, dass nun auch das nicht mehr infrage kommen würde. Sie hatte zugelassen, dass die lange Einkaufsliste viktorianischer Waren, die sie beschaffen musste, dieses Thema gänzlich aus ihrem Verstand drängte.

„Hast du das etwa vergessen?“, fragte Tom.

„Ich würde nicht sagen, dass ich es vergessen habe“, sagte Lacey. „Es ist nur, wir sind beide so beschäftigt …“

„Oh“, sagte Tom und die Enttäuschung in seiner Stimme war deutlich zu hören. „Du sagst ab.“

Lacey fühlte sich schrecklich. Sie war sich nicht einmal bewusst gewesen, dass es etwas abzusagen gab. Aber sie hätte nicht annehmen dürfen, dass Tom ihre gemeinsamen Pläne einfach auf Eis legen würde. Anscheinend war nur sie gefühllos genug, das zu tun.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte Lacey, nahm seine Hand und zerrte spielerisch an ihr. „Du weißt, dass wir morgen die große Eröffnung der haben. Ich werde die nächsten 24 Stunden buchstäblich auf Hochtouren arbeiten müssen, um alles fertig zu bekommen. Wahrscheinlich werde ich heute Nacht nicht einmal Zeit haben, schlafen zu gehen, geschweige denn eine Stunde Mittagspause zu machen.“ Sie kaute auf ihrer Lippe herum, während Schuldgefühle in ihr aufstiegen.

Tom wandte seinen Blick ab. Offensichtlich hatte sie seine Gefühle wirklich verletzt.

„Es ist nur ein Mittagessen“, versprach Lacey ihm. „Ich habe nur diese letzte Hürde. Nach der Party morgen Abend werde ich wieder einen normalen Zeitplan haben. Und du wirst deine Cupcake-Bonanza, oder wie auch immer er heißt, beendet haben …“

„… Extravaganza“, murmelte Tom.

„Richtig.“ Lacey schwang seine Hände hin und her und versuchte, ihren Ton locker zu halten. „Dann wird alles wieder normal. Okay?“

Endlich nickte Tom. Sie hatte ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen. Aber auf eine gewisse Art freute sie sich ein wenig, wenn sie bedachte, wie besorgt sie wegen Lucia gewesen war. Wie sich herausstellte, war Schlafmangel ein sehr gutes Heilmittel für Eifersucht, denn momentan war sie praktisch ein Roboter.

„Hey, weißt du was? Du solltest zu der Party kommen“, sagte Lacey. Nun fühlte sie sich schlecht, dass sie vorher nicht daran gedacht hatte, ihn einzuladen. Schließlich sollte es eine große Eröffnung werden, mit einem Feuerwerk, gutem Essen, angesehenen Gästen und allem.

„Ich?“, fragte Tom. „Ich glaube nicht, dass ein Konditor vornehm genug für das Jagdhaus ist.“

„Unsinn“, sagte Lacey. „Außerdem habe ich dich noch nie in einem Smoking gesehen, und ich wette, du siehst fabelhaft aus.“

Sie sah ein schelmisches Funkeln in Toms Augen zurückkehren. So sah er schon eher nach dem Tom aus, den sie kannte und liebte.

„Na ja, solange es Suzy nichts ausmacht“, sagte er. „Aber ich werde nicht lange bleiben können. Luce und ich müssen morgen früh schon um sechs Uhr mit dem Backen anfangen.“

„Luce?“, wiederholte Lacey. Dann dämmerte ihr, dass er Lucia meinte.

Er hatte ihr einen Kosenamen gegeben? Einen, der Laceys Spitznamen auffallend ähnlich war. Der Spitzname, den er sie nicht hatte nennen dürfen, da es der gleiche war, den ihr Ex-Mann benutzt hatte: Lace.

Auf einmal kehrte Laceys Verunsicherung über die junge Frau mit der Gewalt eines Orkans zu ihr zurück. So viel zu ihrer Theorie, zu ausgelaugt für Eifersucht zu sein.

„Hey, das wäre doch eine Idee. Ich sollte Luce heute zum Mittagessen ausführen!“, sagte Tom und bemerkte offensichtlich nicht, dass Laceys Haltung sich verändert hatte. „Weißt du, als Dankeschön für all ihre harte Arbeit. Seit ich sie eingestellt habe, hatten wir wirklich keinen Moment Pause, und ich musste sie total ins kalte Wasser werfen. Es war eine ziemlich steile Lernkurve und sie hat das alles mit Bravour gemeistert. Sie ist eine ziemlich bemerkenswerte junge Frau.“

Lacey fühlte, wie sich ihre Hände zu Fäusten verkrampften, während Tom von der Frau schwärmte, die er an ihrer Stelle zum Mittagessen einladen wollte. Ein ganzer Wirrwarr an Emotionen wirbelte in ihrem Bauch umher. Enttäuschung, da sie keine Zeit mit ihrer Lieblings-Person verbringen konnte. Eifersucht, da jemand anders seine Aufmerksamkeit bekommen würde. Aber es war mehr als das und es saß tiefer. Ihre Eifersucht hatte nicht nur mit Tom zu tun, sondern mit der Tatsache, dass er seine Aufmerksamkeit einer anderen Frau schenken würde. Einer „ziemlich bemerkenswerten jungen Frau“ noch dazu, mit ihrer faltenfreien Haut, ihrer immerzu optimistischen Persönlichkeit und ihren strahlend weißen, perfekt angeordneten Zähnen. Dann kam zur Eifersucht noch die Peinlichkeit hinzu – was würden die Anwohner denken, wenn sie Tom mit einer hübschen jungen Frau beim Mittagessen sehen würden? Wie lange würde es dauern, bis die Gerüchteküche zu brodeln anfing? Taryn würde sicher ihre Freude daran haben!

„Wer kümmert sich um die Konditorei?“, fragte Lacey und klammerte sich verzweifelt an jede Ausrede, um es zu verhindern. „Wenn du und Luce beide zusammen essen geht …“

„Paul, offensichtlich“, antwortete Tom und ein verwirrtes Stirnrunzeln erschien zwischen seinen Augenbrauen.

Für einen Moment fragte Lacey sich, ob sein Stirnrunzeln ein Zeichen dafür war, dass der allseits ahnungslose Tom ihren Stimmungswandel jetzt tatsächlich bemerkt hatte.

„Obwohl er heute besonders ungeschickt war“, fuhr Tom fort. „Er hat den Schneebesen und den Spatel verwechselt. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Jungen.“

Sein Stirnrunzeln hatte also eher mit Pauls Mangel an gesundem Menschenverstand zu tun als mit ihrer Beziehung. Natürlich. Sie kannte Tom, und wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, dass Lacey eifersüchtig auf Lucia war. Und noch weniger würde er wissen, warum. Aber aus Laceys Perspektive war es verrückt, dass Tom nicht einmal daran denken konnte. Sie fühlte sich jedes Mal schrecklich dumm, wenn sie ihn darauf hinwies.

„Dann ist es wahrscheinlich keine gute Idee, ihm die Verantwortung zu überlassen, oder?“, erwiderte Lacey. „Ich meine, deswegen hast du Lucia doch eingestellt, oder? Um dafür zu sorgen, dass jemand abgesehen von Paul den Laden betreiben kann.“

Tom kratzte sich nachdenklich an seinem Hinterkopf. „Ja, du hast wahrscheinlich recht.“





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„Sehr unterhaltsam. Ich kann dieses Buch jedem Leser wärmstens für die eigene Bibliothek empfehlen, der einen sehr gut geschriebenen Krimi mit einigen Wendungen und einer intelligenten Handlung schätzt. Du wirst nicht enttäuscht sein. Die perfekte Lektüre für ein frostiges Wochenende!“. –Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (bezugnehmenden auf Der Tod kam vor dem Frühstück) . VERBRECHEN IM CAFÉ (EIN COZY-KRIMI MIT LACEY DOYLE – BUCH 3) ist Buch drei einer charmanten neuen Krimireihe von Fiona Grace… Lacey Doyle, 39 Jahre alt und frisch geschieden, hat eine dramatische Veränderung durchgemacht: Sie hat ihrem schnellen Leben in New York City den Rücken gekehrt und sich in der malerischen Küstenstadt Wilfordshire in England niedergelassen… Es ist schon fast Sommer und Lacey hat sich noch mehr in die kleine Stadt und ihren Freund, der als Koch arbeitet, verliebt. Sie hat sogar einen besten Freund: den neuen Besitzer einer ansässigen Frühstückspension. Und als ihr Freund ihre Hilfe bei der Dekoration der Pension benötigt und ihren kleinen Antiquitätenladen beinahe leer kauft, erhält ihr Geschäft einen weiteren Aufschwung. . Alles scheint perfekt zu laufen – bis jemand auf mysteriöse Weise in der neuen Pension ihres Freundes ums Leben kommt… Ihr Dorf wird auf den Kopf gestellt und die Existenzgrundlage ihres neuen Freundes steht auf dem Spiel. Jetzt ist es an Lacey und ihrem Hund, dem Rätsel auf den Grund zu gehen… Buch #4 der Reihe erscheint bald!

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    Аудиокнига - «Verbrechen im Café»
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