Книга - Heute oder nie!

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Heute oder nie!
Valentin Krasnogorov


Das Buch enth?lt 7 Werke verschiedener Genres des russischen Dramatikers Valentin Krasnogorov. Er hat ?ber 40 St?cke geschrieben, die erfolgreich in 500 professionellen Theatern aufgef?hrt wurden. erausragende Regisseure arbeiteten an den Produktionen seiner St?cke. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs St?cke leicht Grenzen ?berschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgen?ssischen St?cken geh?ren". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen ?bersetzt und in verschiedenen L?ndern aufgef?hrt wurden. Er erhielt Preise bei ausl?ndischen Theaterfestivals, darunter den "Preis f?r das beste Drama" und den "Publikumspreis". Valentin Krasnogorov ist der Gr?nder der russischen Dramatiker Gild.





Valentin Krasnogorov

Heute oder nie!





?ber den Autor:


Der Name Valentin Krasnogorov ist Theaterliebhabern in Russland und vielen anderen L?ndern bekannt. Seine St?cke , die in mehr als 400 Theatern aufgef?hrt werden, finden bei Kritikern und Zuschauern sehr positive Aufnahme. Die Auff?hrungen in mehr als 700 Amateurtheatern zeugen von der gro?en Beliebtheit des Dramatikers. So herausragende Regisseure wie Georgy Tovstonogov, Lev Dodin und Roman Viktyuk arbeiten an den Produktionen seiner St?cke.

Mit gleichem K?nnen kreiert er Multi-Act- und One-Act-St?cke verschiedener Genres Comedy, Drama, Trag?die. Die Spannungen und Konflikte seiner St?cke werden durch lebhaften Dialog und schnelles Handeln gel?st. Der Autor verwendet paradoxe Situationen und ungew?hnliche Handlungen, um Leser und Betrachter in die Welten zu ziehen, die durch seine Vorstellungskraft geschaffen werden. Scharfe Satire, subtiler Sinn f?r Humor, Groteske, Absurdit?t, Lyrik, tiefes Eindringen in die menschliche Natur das sind die Hauptmerkmale von Krasnogorovs Werken.

Die St?cke des Dramatikers sind fest im Repertoire der Theater verankert und halten Hunderten von Auff?hrungen stand. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs St?cke leicht Grenzen ?berschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgen?ssischen St?cken geh?ren". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen ?bersetzt, in Theatern in verschiedenen L?ndern (Australien, Albanien, England, Bulgarien, Deutschland, Indien, Zypern, Mongolei, Polen, Rum?nien, Slowakei, USA, T?rkei, Finnland, Montenegro, Tschechische Republik) aufgef?hrt und erhielten Preise bei ausl?ndischen Theaterfestivals, darunter den "Preis f?r das beste Drama" und den "Publikumspreis". Krasnogorov fungiert auch als Prosaschreiber und Publizist, Autor von Artikeln ?ber Theater, Novellen, Kurzgeschichten und Essays, die in verschiedenen Publikationen ver?ffentlicht wurden.

Valentin Krasnogorov ist Pr?sident der St. Petersburger Dramatiker-Vereinigung. Einer der Gr?nder der Gilde der russischen Dramatiker Gild.




Liebe bis zum Ged?chtnisverlust






Verr?ckte Kom?die in zwei Akten



Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel



Von einer Kom?die sollte man nicht

jedes beliebige Vergn?gen erwarten,

sondern nur das ihr eigene.

Aristoteles



Inhaltsangabe

Ein an Ged?chtnisverlust leidender Mann erscheint in der Arztsprechstunde mit der Bitte um Hilfe. Der Arzt versucht Symptome und Ursachen der Krankheit herauszufinden, doch erfolglos: Die Antworten des Kranken sind derma?en widerspr?chlich, dass aus ihm nichts Vern?nftiges herauszubekommen ist. Zum Gl?ck gelingt es, die Frau des Kranken hinzuzurufen. Sie antwortet auf alle Fragen klar und ?berzeugt, aber ihrer Meinung nach, leidet auch der Arzt an Ged?chtnisverlust. Die Situation verwirrt sich noch mehr, als unerwartet noch eine Frau auftaucht und ebenfalls behauptet, die Ehefrau des Kranken zu sein. Die Lage wird vollkommen absurd. Der Arzt wird beinahe verr?ckt. Diese dynamische und lustige Kom?die entwickelt sich zielstrebig und lebhaft, in einer unerwarteten Aufl?sung endend.



Handelnde Personen

Doktor

Anton

Johanna

Marina

Mann



Das Alter der Personen hat keine entscheidende Bedeutung.

Gut m?glich, dass sie um die Vierzig sind, der Doktor und der Mann auch etwas ?lter.



Erster Akt

Reich ausgestattetes Behandlungszimmer eines Arztes, das mehr an ein geschmackvolles Wohnzimmer erinnert, als an einen sterilen ?rztlichen Raum. In einem bequemen Sessel, am Schreibtisch, hat sich der Doktor niedergelassen ein gut gekleideter entspannter Mann in den besten Jahren, sehr selbstsicher. Ein Besucher tritt ein.

BESUCHER: Herr Doktor, ich leide an Ged?chtnisverlust.

DOKTOR: Seit wann?

BESUCHER: Was hei?t seit wann?

DOKTOR: Seit wann leiden Sie an Ged?chtnisverlust?

BESUCHER: (?berlegt gequ?lt.) Ich erinnere mich nicht.

DOKTOR: Gut. Das hei?t, das ist sehr schlecht. Aber alles ist behebbar. Hauptsache, dass Sie zum richtigen Arzt gekommen sind. Zu dem, der Sie heilt. ?rzte, die heilen, gibt es nicht so viele. Und solche, die vollkommen auskurieren gibt es ?berhaupt nicht. Lassen Sie uns zuerst, wie das so ?blich ist, Ihre Krankengeschichte erfassen. (Beginnt, Daten in den PC einzugeben.) Also, Sie leiden an Ged?chtnisverlust.

BESUCHER: Woher wissen Sie das?

DOKTOR: Sie haben es mir doch gerade selbst gesagt.

BESUCHER: Ja? Sehr schade. Eigentlich verberge ich das, damit ich keine Unannehmlich-keiten bekomme.

DOKTOR: Keine Sorge, das bleibt unter uns. ?rztliches Geheimnis. Ihr Name?

BESUCHER: Mein Name? (?berlegt gequ?lt.) Den habe ich vergessen.

DOKTOR: (Beruhigend.) Regen Sie sich nicht auf, das ist nicht schlimm. Haben Sie einen Pass oder einen anderen Ausweis bei sich?

BESUCHER: Ja, nat?rlich. (Kramt in seinen Taschen.) Entschuldigen Sie, Doktor, ich f?rchte, ich habe ihn zuhause gelassen.

DOKTOR: Ehrlich gesagt, Sie bereiten mir einige Probleme.

BESUCHER: Ich wei? selbst nicht, wie das passiert ist. Ich erinnere mich, dass der Name sehr verbreitet ist.

DOKTOR: Versuchen wir, uns zu erinnern. Vielleicht Martin?

BESUCHER: (Unsicher.) Vielleicht.

DOKTOR: Oder Peter?

BESUCHER: Ich wei? nicht.

DOKTOR: Und an den Familiennamen erinnern Sie sich auch nicht?

BESUCHER: Und an den Familiennamen erinnere ich mich auch nicht. Aber regen Sie sich nicht auf. Ich muss einen Zettel bei mir haben, mit meinem Namen und der Adresse. Meine Frau steckt mir immer diesen Zettel in die Tasche, wenn ich aus dem Haus gehe. F?r alle F?lle. (Sucht in den Taschen und findet den Zettel. Triumphierend.) Hier, Sehen Sie!? Jetzt erfahren Sie, wie ich hei?e. Wenn das schon so wichtig f?r Sie ist. (Reicht dem Doktor den Zettel.)

DOKTOR: (Entfaltet den Zettel und liest.) Also Telefonnummer. Scheint ein Handy zu sein. Und hier ist auch der Name: Marina. (Verbl?fft.) Aber das ist doch nicht Ihr Name!

BESUCHER: Sind Sie sicher?

DOKTOR: Sie etwa nicht? Sie sind doch ein Mann!

BESUCHER: Woher wissen Sie das? Habe ich Ihnen das gesagt?

DOKTOR: Wissen Sie denn das selbst nicht?

BESUCHER: Dass ich ein Mann bin? Wenn Sie das best?tigen, dann glaube ich Ihnen. (Gr?belnd.) Falls Marina, dann ist das nicht mein Name, aber wessen dann?

DOKTOR: (Beginnt nerv?s zu werden.) Eigentlich wollte ich Sie das fragen.

BESUCHER: Wahrscheinlich ist das der Name meiner Frau.

DOKTOR: Was hei?t wahrscheinlich? Erinnern Sie sich nicht an den Namen Ihrer Frau?

BESUCHER: Sie beleidigen mich. Nat?rlich erinnere ich mich.

DOKTOR: Also, ist sie das, oder nicht?

BESUCHER: Nat?rlich, sie. Meine z?rtliche, liebende und geliebte Frau. Eine treue Freundin seit den ersten Jugendtagen. Sie glauben es nicht, aber ich bin mir ihr seit der ersten Klasse bekannt. Wir haben doch in ein und derselben Schule gelernt. Ach, Doktor, erinnern denn Sie sich an Ihre Flitterwochen?

DOKTOR: (Ungl?ubig.) Und Sie erinnern sich?

BESUCHER: Und wie! Ach, was war das f?r eine Zeit! Jede Vertiefung auf ihrem K?rper war noch von einem Geheimnis umgeben. Jede Ber?hrung war aufregend, und jede Nacht erschien wie ein Wunder. Ein nicht enden wollendes Wunder. Erinnern Sie sich denn an all das, Doktor?

DOKTOR: (Seufzend, mit Gef?hl.) Wer von uns erinnert sich nicht daran?

BESUCHER: Glauben Sie mir, aber unsere Flitterwochen dauern auch jetzt noch an.

DOKTOR: Sie kann man nur beneiden.

BESUCHER: Jeden Abend, wenn ich mich ins Bett lege, setze ich die Brille auf und lese Zeitung, und meine Frau dreht sich die Haare ein und macht sich in der Zeit eine Gesichtsmassage.

DOKTOR: Das hei?t, Sie erinnern sich trotzdem an irgendetwas?

BESUCHER: Nat?rlich. Sonst w?re ich ein Vollidiot. Leider kommen manchmal Aussetzer vor. Irgendwelche Teile entfallen. Dann tauchen sie auf. Dann entfallen sie wieder. Tauchen wieder auf. Entfallen wieder. Tauchen wieder auf. Entfallen

DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Ich hab? verstanden. Tauchen wieder auf.

BESUCHER: Ja. Tauchen wieder auf. Aber insgesamt habe ich ein hervorragendes Ged?chtnis.

DOKTOR: Tats?chlich?

BESUCHER: Nat?rlich. Ich liebe Literatur, Philosophie, Kunst. Haben Sie Hegel gelesen?

DOKTOR: Irgendetwas habe ich gelesen.

BESUCHER: Erinnern Sie sich, wie sch?n er von Architektur und Skulptur gesprochen hat?

DOKTOR: Hm Und Sie erinnern sich?

BESUCHER: Nat?rlich. (Mit Gef?hl.) Die Konkretisierung der abstrakten Ideen auf dem Gebiet der Plastik erzeugt jenen Satz des sich selbst suchenden Geists, in dem er, von sich selbst absto?end, sich auf dem Gebiet der bildenden Erkenntnis der darin enthaltenen Sch?nheit potenziert.

DOKTOR: Und das hat Hegel gesagt?

BESUCHER: Ja, und?

DOKTOR: Nicht, nichts. Wenn schon, dann erinnern Sie sich vielleicht doch, wie Sie hei?en?

BESUCHER: Ich?

DOKTOR: (Verliert die Geduld.) Sie. Doch nicht ich? K?nnen Sie denn nicht irgendwie machen, dass Ihr Name auftaucht?

BESUCHER: Nat?rlich. Ich hei?e Ich erinnere mich nicht.

DOKTOR: Vielleicht rufen wir Ihre Frau an und erfahren Ihren Namen mit ihrer Hilfe?

BESUCHER: Gute Idee.

DOKTOR: Wer ruft an, ich, oder Sie?

BESUCHER: Besser Sie. Sonst sagt sie meinen Namen und ich vergesse ihn wieder.

DOKTOR: (Sieht auf den Zettel und w?hlt die Nummer.) Guten Tag. Kann ich mit Marina sprechen? Das sind Sie? Sehr angenehm. Entschuldigen Sie die Vertraulichkeit, aber ich wei? einfach nicht, wie ich Sie anders anreden soll. Ich rufe aus der Klinik an. Halten Sie mich nicht f?r taktlos, aber m?chte erfahren, wie Ihr Mann hei?t. Ja, ich verstehe, dass diese Frage etwas seltsam klingt Ihr Mann interessiert mich ausschlie?lich aus medizinischer Sicht. Nein, ich spa?e nicht und spiele Ihnen nichts vor Ich bin wirklich Doktor, und meine Nummer steht in jedem Telefonbuch (Trocken, mit Nachdruck.) Ihr Mann hat Probleme, und Sie wissen selbst, was das f?r Probleme sind (?rgerlich.) Entschuldigen Sie, aber Frechheit ist, wenn man einen unbekannten Menschen grundlos als frech bezeichnet. Ihr Mann

Das Gespr?ch wird unterbrochen. Der Doktor legt ver?rgert den H?rer auf.

BESUCHER: Nun, was hat sie gesagt?

DOKTOR: Sie hat gesagt, dass sie ?berhaupt keinen Mann hat.

BESUCHER: Meine Frau hat keinen Mann? Das ist seltsam.

DOKTOR: Wirklich seltsam.

BESUCHER: Und wer ist sie denn dann?

DOKTOR: Das wollte ich von Ihnen erfahren.

BESUCHER: Und warum haben Sie sie nicht gefragt?

DOKTOR: Weil sie den H?rer aufgelegt hat. Entschuldigen Sie, aber Ihre Ehefrau ist ein ziemlich nerv?ses Gesch?pf.

BESUCHER: Wahrscheinlich, gerade weil sie keinen Mann hat.

DOKTOR: Aber sie ist doch Ihre Frau!

BESUCHER: (Best?rzt.) Richtig. Sagen Sie, weshalb brauchen wir denn ?berhaupt meinen Namen? Das hilft der Behandlung, nicht wahr?

DOKTOR: Um die Krankengeschichte zu beginnen. Um Sie zu beobachten. Um Sie zur Untersuchung zu schicken. Um Ihnen die Rechnung zu schicken, verdammt nochmal!

BESUCHER: Rechnung? Ich f?rchte, dann erinnere ich mich nie an meinen Namen.

DOKTOR: Mit Ihnen kann man den Verstand verlieren.

BESUCHER: Nehmen Sie das nicht zu sehr zu Herzen. Rauchen Sie eine, entspannen Sie sich. Ich habe gute Zigaretten. M?chten Sie? (Greift in die Tasche.) Hier, nehmen Sie das ganze P?ckchen.

DOKTOR: (Nimmt das P?ckchen.) Das sind keine Zigaretten, das sind Spielkarten.

BESUCHER: Karten? Umso besser. Lassen Sie uns spielen, das lenkt Sie ab.

DOKTOR: Ich hab keine Zeit f?r solche Dummheiten. Au?erdem, kann ich gar nicht spielen.

BESUCHER: Ich bring es Ihnen bei. (Mischt die Karten schnell und verteilt sie.) In welcher W?hrung nehmen Sie das Honorar f?r die Behandlung, in Euro oder in Dollar?

DOKTOR: Ich bevorzuge Euro.

BESUCHER: Ausgezeichnet. Nehmen wir an, Sie setzen 10 Euro auf die Pik-Dame. Dann..

DOKTOR: (Nimmt automatisch Karten auf, aber zu sich kommend, wirft er sie auf den Tisch.) Sie befinden sich im Behandlungszimmer eines Arztes und nicht im Casino! Das haben Sie wohl vergessen? Ich bin ein Privatarzt, und meine Zeit ist teuer. Sehr teuer! Wollen Sie die verspielen?

BESUCHER: Entschuldigen Sie. (R?umt die Karten weg.)

DOKTOR: (Ersch?pft.) Wissen Sie was? Lassen Sie uns wirklich rauchen. Obwohl ich es eigentlich schon lange aufgeh?rt habe.

BESUCHER: Hier, bitte.

DOKTOR: (Erstaunt.) Aber das sind doch keine Zigaretten, das ist ein Pass. (?ffnet den Pass, vergleicht das Bild. Erfreut.) Ja, das ist Ihr Pass!

BESUCHER: Na, was hab ich Ihnen gesagt? Ich habe ein ausgezeichnetes Ged?chtnis.

DOKTOR: (Mit Blick in den Pass.) So, lieber Anton, endlich haben wir uns bekannt gemacht. (Tr?gt seine Daten in die Krankengeschichte ein.) Anton Gl?ckner. Gl?ckner, das sind Sie?

ANTON: Wer denn sonst?

DOKTOR: Sind Sie sicher?

ANTON: Sie nicht?

DOKTOR: Nun, gut. Lassen Sie uns endlich zur Sache kommen. Tragen Sie Ihre Beschwerden der Reihe nach vor.

ANTON: (Entschlossen.) H?chste Zeit. Ehrlich gesagt, ich bin mit Ihnen unzufrieden. Ich zahle Ihnen regelm??ig Unsummen Geld, aber als mich der LKW gerammt hat, haben Sie keinen Finger ger?hrt.

DOKTOR: Erstens, Sie bezahlen mir bisher kein Geld, schon gar nicht eine Unsumme. Zweitens habe ich keine Ahnung, dass Sie ein LKW gerammt hat.

ANTON: Seltsame Vergesslichkeit Ihrerseits. Ich habe Ihnen doch dar?ber einen Brief geschickt, auf den zu antworten Sie nicht einmal Zeit fanden.

DOKTOR: Ich erinnere mich an keinen Brief.

ANTON: Das hei?t, Sie leiden an Ged?chtnisverlust. Der Aufprall war sehr stark, die Folgen schwer. Sie waren einfach verpflichtet, unverz?glich Ma?nahmen zu ergreifen.

DOKTOR: (Tr?gt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Wurden Sie schwer verletzt?

ANTON: Ernsthaft besch?digt ist die rechte Seite.

DOKTOR: (Tr?gt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Besch?digt die rechte Seite

ANTON: Und beide Scheinwerfer zerbrochen.

DOKTOR: (Erregt.) Bei wem ist die rechte Seite besch?digt? Bei Ihnen oder beim Fahrzeug?

ANTON: Beim Fahrzeug, nat?rlich.

DOKTOR: Und was passierte mit Ihnen? Haben Sie sich den Kopf angeschlagen?

ANTON: Warum das denn? Bei mir ist alles in Ordnung. Kein Kratzer.

DOKTOR: Und warum sollte ich dann unverz?glich Ma?nahmen ergreifen?

ANTON: Und wer wird mir Schadenersatz leisten?

DOKTOR: Schadenersatz? Wof?r? Ich hab? doch den LKW nicht gelenkt.

ANTON: Sie nicht. Aber Sie sind mein Versicherungsagent. Wann haben Sie vor, f?r die Reparatur aufzukommen?

DOKTOR: Mein Lieber, ich bin kein Versicherungsvertreter. Ich bin Privatarzt. Doktor. Verstehen Sie? Doktor.

ANTON: (Best?rzt.) Doktor?

DOKTOR: Doktor, Doktor. (Redet sanft und geduldig auf ihn ein.) Sie sind zu einem Doktor gekommen. Zum Doktor und nicht zu einem Versicherungsagenten.

ANTON: Ja, richtig Das hab? ich v?llig vergessen. Entschuldigen Sie.

DOKTOR: Ich sehe, Ihre Krankheit ist ?u?erst ernst. ?u?erst.

ANTON: Aber sie ist heilbar?

DOKTOR: Wie soll ich Ihnen sagen Sie haben Gl?ck, dass Sie ausgerechnet zu mir kamen. Ein anderer Arzt h?tte Sie nie und nimmer behandelt.

ANTON: Ja, das haben Sie schon gesagt.

DOKTOR: Das hei?t, Sie erinnern sich daran?

ANTON: Nat?rlich.

DOKTOR: Das ist gut. Aber erinnern Sie sich ?berhaupt an irgendetwas?

ANTON: Ich erinnere mich an alles. Kindheit, Schule, Universit?t, Arbeit. Aber ich kann vollst?ndig vergessen, was mit mir vor einer Woche oder Stunde passiert ist. Und dann pl?tzlich erinnere ich mich. Und vergesse wieder. Das ist furchtbar.

DOKTOR: Macht nichts, alles ist korrigierbar.

ANTON: Wie hei?t meine Krankheit?

DOKTOR: Eine Form von Sklerose. Vorerst schwer zu sagen, welche genau. Es gibt viele. Wie f?hlen Sie sich k?rperlich?

ANTON: Gut.

DOKTOR: (Tr?gt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Wie verh?lt man sich Ihnen gegen?ber bei der Arbeit?

ANTON: Gut.

DOKTOR: Und wie verh?lt sich Ihre Frau zu Ihnen?

ANTON: Gut.

DOKTOR: Wann hatten Sie mit ihr zum letzten Mal enge Beziehungen?

ANTON: (Nach l?ngerem ?berlegen.) Ich erinnere mich nicht.

DOKTOR: (Greift sich verzweifelt an den Kopf.) Mein Lieber, ehrlich gesagt, ich hab? es mit Ihnen ein bisschen schwer. Lassen Sie uns eine kleine Pause machen.

ANTON: Weshalb?

DOKTOR: Deshalb, weil ich m?de geworden bin. Und mein Kopf f?ngt an wehzutun.

ANTON: (Teilnahmsvoll.) Eine Tablette vielleicht?

DOKTOR: (Schreit.) Nein, danke! Fressen Sie die selbst! (Rei?t sich zusammen.) Entschuldigen Sie, ich bin wirklich m?de geworden. Wo sind wir stehen geblieben?

ANTON: Dass Sie baten, eine kleine Pause zu machen.

DOKTOR: Was f?r eine Pause? Ach, ja Warten Sie bitte im Wartezimmer. Ich werde Sie rufen.

ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt dann aber stehen.) ?brigens, wegen den engen Beziehungen Sagen Sie, ist meine Krankheit nicht ansteckend?

DOKTOR: Im Grunde nicht. Obwohl (Denkt nach. Ein unangenehmer Gedanke kommt ihm in den Sinn. Sein Gesicht verfinstert sich.) Neulich wurde behauptet, dass einige Formen von Sklerose von Viren verursacht werden und ansteckend sein k?nnen.

ANTON: Das hei?t, Sie wollen sagen

DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Warten Sie. Und gehen Sie weiter von mir weg. (Zieht hastig einen Mundschutz an und betrachtet sich besorgt im Spiegel.)

ANTON: Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet.

DOKTOR: Ach, lassen Sie mich doch wenigstens f?r f?nf Minuten in Ruhe!!

Anton geht hinaus. Der Doktor nimmt von einem Regal ein dickes medizinisches Nachschlagewerk und beginnt es fieberhaft durchzubl?ttern. Nachdem er die gew?nschte Information nicht gefunden hat, wirft er es zur Seite. Er gie?t sich aus einer Thermoskanne Kaffe ein und versucht, ihn zu trinken, aber der Mundschutz st?rt ihn dabei. Er nimmt ihn ab, nimmt einen kleinen Schluck aus der Tasse und beruhigt sich langsam. Er bemerkt den Zettel Antons auf dem Tisch, schaut nach und w?hlt die Telefonnummer.

DOKTOR: Hallo? Marina? Verzeihen Sie. Hier ist wieder der Doktor. Ich will mich f?r den vorigen Anruf entschuldigen. Ja. Und ich m?chte noch sagen, dass Sie, obwohl Sie mich als frech bezeichneten, eine sehr angenehme Stimme haben. Keine Ursache. Das war ein Missverst?ndnis. Einfach weil sich in der Tasche eines meiner Patienten ein Zettel mit Ihrem Namen und der Telefonnummer befand, und er behauptete, dass Sie seine Frau seien. Anton Gl?ckner. Was!? Sie sind wirklich seine Frau? Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie keinen Mann haben! Verzeihen Sie, ich wollte Sie keinesfalls beleidigen. Einer Frau zu sagen, dass sie keinen Mann h?tte, bedeutet noch nicht, sie zu beleidigen. Au?erdem haben Sie selbst Verzeihen Sie. Also Also Verstehe. Verstehe. Verstehe. (Legt den H?rer auf.) Einen Dreck verstehe ich.

ANTON tritt ein.

ANTON: Erlauben Sie?

DOKTOR: (Zieht hastig den Mundschutz an.) Bitte.

ANTON: (Tritt nahe an den Doktor heran und fl?stert ihm ins Ohr.) Doktor, ich leide an Ged?chtnisverlust.

DOKTOR: (Dr?ngt ihn von sich.) Ich wei?.

ANTON: (Verwundert.) Woher wissen Sie?

DOKTOR: Sie haben das selbst gesagt.

ANTON: Wann?

DOKTOR: Gerade eben. Und vorher auch.

ANTON: Wie konnte ich Ihnen das sagen, wenn ich Sie zum ersten Mal sehe?

DOKTOR: Mich? Zum ersten Mal?

ANTON: Und au?erdem verberge ich das vor allen. Ich kann dieses Geheimnis nur einem Arzt anvertrauen.

DOKTOR: Aber ich bin doch Arzt, beim Teufel auch!

ANTON: (Erfreut.) Tats?chlich? Endlich! Also, Doktor, ich leide an Ged?chtnisverlust.

DOKTOR: (Gie?t sich aus einer Karaffe Wasser ein, nimmt ein Tablette und schluckt sie.)

ANTON: (Gl?cklich.) Ist Ihnen schlecht?

DOKTOR: (Fasst sich ans Herz.) Ja.

ANTON: Sind Sie tats?chlich Doktor?

DOKTOR: Versteht sich.

ANTON: Und warum ist Ihnen dann schlecht? Schlecht geht es nur Kranken, und Doktoren geht es immer gut.

DOKTOR: Atmen Sie mich nicht so nahe an. Was wollen Sie von mir?

ANTON: Ich? Nichts. Sie kamen selbst hierher, ich hab` Sie nicht hergerufen

DOKTOR: Ich kam hierher? Sie haben mich nicht hergerufen? (Nimmt die zweite Tablette ein.)

ANTON: Mein Lieber, Sie sehen schlecht aus.

DOKTOR: (Finster.) Wie haben Sie das erraten?

ANTON: Interessant, wovon k?nnte das kommen?

DOKTOR: (Ironisch.) Wirklich, wovon?

ANTON: Sie sind sehr nerv?s. Sie m?ssen sich mehr um Ihre Gesundheit k?mmern. Aber werden Sie nicht missmutig. Ich helfe Ihnen.

DOKTOR: Danke.

ANTON: Atmen Sie tiefer. Entspannen Sie sich. Gut so Schlucken Sie diese Tablette. Ist Ihnen besser?

DOKTOR: (Finster.) Besser.

ANTON: Dann k?nnen Sie gehen. Auf mich warten andere Patienten. Falls es nicht besser wird, schauen Sie morgen zu mir herein. Rufen Sie den n?chsten Kranken aus dem Wartezimmer herein.

DOKTOR: (Der v?llig verst?rte Doktor geht zum Ausgang, kommt aber zu sich, bleibt stehen. Mit unterdr?cktem Zorn.) Ich rufe. Ich rufe die Sanit?ter und die stecken Sie, wissen Sie, wohin?

ANTON: Wohin?

DOKTOR: (Schreit.) Ruhe! ICH bin Arzt, ICH bin Arzt, und nicht Sie! Merken Sie sich das, zum Teufel auch! (Beherrscht sich mit M?he.) Entschuldigen Sie, ich bin verpflichtet, Sie zu behandeln und nicht anzuschreien. Setzen wir unser Gespr?ch fort. (Setzt sich an seinen Platz.)

Eine Frau tritt ein, ziemlich pikant und gut gekleidet.

FRAU: Guten Morgen.

ANTON: (Freudig.) Bist du das?

FRAU: Wie du siehst, Liebster.

ANTON: Wie gut, dass du gekommen bist! (Beide umarmen und k?ssen sich.)

FRAU: Bring das Hemd in Ordnung und k?mm dich! Wie f?hlst du dich?

ANTON: Wunderbar.

DOKTOR: Gestatten Sie, wer sind Sie?

ANTON: Das ist meine Frau.

FRAU: (Reicht dem Doktor die Hand.) Ich hei?e, wie Sie schon wissen, Marina. Marina Gl?ckner.

DOKTOR: Sehr angenehm.

FRAU: Als Sie mich anriefen, war ich ganz in der N?he. Deshalb entschloss ich mich vorbeizuschauen.

DOKTOR: Und recht so.

FRAU: Habe ich Sie nicht gest?rt?

DOKTOR: Im Gegenteil, Sie k?nnen sehr helfen. Bei mir haben sich viele Fragen angesammelt, auf die ich eine verst?ndliche Antwort erhalten m?chte.

MARINA: (An Anton.) Lieber, warte ein bisschen auf mich im Wartezimmer, und dann werden wir zusammen nachhause fahren. (Begleitet ihn zum Ausgang und kehrt zur?ck.) M?chten Sie mir nicht anbieten, mich zu setzen?

DOKTOR: (Nimmt den Mundschutz ab.) Oh, entschuldigen Sie. Setzen Sie sich. Nicht hierher, das ist der Stuhl f?r die Patienten. Auf das Sofa, bitte. Eine Tasse Kaffee?

MARINA: Nein, danke. Wie schreitet die Behandlung meines Mannes voran?

DOKTOR: Nicht schnell, es gibt gr??ere Schwierigkeiten.

MARINA: Ich bin ?berzeugt, dass so ein gl?nzender Arzt wie Sie, sie ?berwindet.

DOKTOR: (Geschmeichelt.) Woher wissen Sie, dass ich ein guter Arzt bin?

MARINA: Das wissen alle.

DOKTOR: (Geschmeichelt.) Also nun, alle

MARINA: Ich bitte Sie. Sie sind doch so ber?hmt. Au?erdem, wie sollte ich Sie nicht kennen, wenn Sie meinen Mann schon eineinhalb Jahre behandeln.

DOKTOR: Ich? Ihren Mann? Eineinhalb Jahre? Das ist unm?glich!

MARINA: Entschuldigen Sie, ich habe mich geirrt, nicht eineinhalb, sondern zwei.

DOKTOR: Sie scherzen! Ich habe Ihren Mann vorher nie gesehen.

MARINA: Ich verstehe. ?rztliche Schweigepflicht. Aber doch nicht vor der eigenen Frau. Es geht doch nicht um die franz?sische Krankheit, sondern um eine psychische St?rung. Wenn Sie w?ssten, wie ich darunter leide!

DOKTOR: Kann ich mir vorstellen. Eine so bezaubernde Frau wie Sie verdient etwas Besseres. Vielleicht doch ein T?sschen Kaffee?

MARINA: Wenn Sie darauf bestehen, dann lehne ich vielleicht doch nicht ab.

DOKTOR: (Reicht dem Gast Kaffee und Geb?ck.) Hier, bitte.

MARINA: Ich danke Ihnen. Jetzt habe ich den Erfolg Ihres professionellen Erfolgs begriffen.

DOKTOR: (Bescheiden.) Der ist einfach: Wissen und Arbeit.

MARINA: Nicht ganz so. Ein Arzt sollte in erster Linie als Mann anziehend sein. Das wirkt besser als jede Medizin.

DOKTOR: Meinen Sie?

MARINA: Ich bin sicher! Mit Ihrem Charme k?nnen Sie erstaunliche Erfolge erzielen. (Verf?hrerisch.) Wenigstens, was die Frauen betrifft.

DOKTOR: (Nicht ohne einen gewissen Stolz.) Wirklich, die Medizin erkennt an, dass die Pers?nlichkeit des Arztes eine gewisse therapeutische Bedeutung hat.

MARINA: Nicht gewisse, sondern entscheidende.

DOKTOR: Wissen Sie, als wir am Telefon sprachen Ich will sagen, dass mir Ihre Stimme sehr angenehm erschien ?brigens, ich sagte das schon Und nun, als ich Sie sah

MARINA: (Verf?hrerisch.) Sind Sie entt?uscht?

DOKTOR: Im Gegenteil. ?brigens, warum haben Sie mir zuerst gesagt, dass Sie nicht verheiratet w?ren?

MARINA: H?tte ich Ihrer Meinung nach am Telefon jedem Unbekannten Einzelheiten aus meinem Privatleben erz?hlen sollen und au?erdem noch den Namen meines Mannes?

DOKTOR: Sie haben Recht. Aber es tut mir sehr Leid.

MARINA: (Spielerisch.) Was tut Ihnen Leid?

DOKTOR: W?ren Sie nicht verheiratet, dann w?rde ich Sie mit Vergn?gen hofieren.

MARINA: (Streng.) Ich verstehe Sie irgendwie nicht.

DOKTOR: (Sch?chtern.) Nein, ich Ich meinte

MARINA: (F?hrt fort.) Ich verstehe Sie wirklich nicht. Hofiert man denn verheiratete Frauen nicht?

DOKTOR: Man hofiert, nat?rlich

MARINA: Und wo ist dann das Problem?

DOKTOR: Verstehen Sie, es gibt bekannte Prinzipien

MARINA: Prinzipien?

DOKTOR: Bei mir gibt es eine Regel: Vermisch nicht Arbeit und Privatleben. Deshalb, zum Beispiel, hofiere ich nie Patientinnen.

MARINA: Sehr l?blich. Aber ich bin keine Patientin.

DOKTOR: Sie sind die Frau eines Patienten.

MARINA: Vergessen Sie das. Ich habe von diesen Regeln geh?rt: Keine Romanzen mit Arbeitskolleginnen beginnen, mit seinen Patientinnen und Studentinnen, mit den Frauen seiner Verwandten und so weiter. Wenn das alle einhalten, wer wird denn dann mit uns noch Romanzen beginnen? Merken Sie sich: Hofieren muss man immer und alle, Mitarbeiterinnen, Frauen seiner Freunde, und um so mehr, die Frauen seiner Feinde. Und, Sie werden es nicht glauben, manchmal auch seine eigene Frau.

DOKTOR: Das hei?t, Ihrer Meinung nach, sind diese Prinzipien

MARINA: Lassen Sie die Prinzipien. Sagen Sie lieber ehrlich, dass ich Ihnen nicht genug gefalle.

DOKTOR: Ich versichere Ihnen, Sie gefallen mir sehr.

MARINA: Wenn eine Frau wirklich gef?llt, hofiert man sie und denkt an nichts anderes. Das ist das einzig richtige Prinzip.

DOKTOR: Aber mein Alter

MARINA: Sie haben ein wunderbares Alter.

DOKTOR: Ich bin viel ?lter als Sie.

MARINA: Der Mann sollte auch ?lter sein.

DOKTOR: Werde ich in Ihren Augen nicht l?cherlich sein?

MARINA: Lassen Sie diese Gedanken. Sie sind ein Mann in der Bl?te seiner Jahre. Wir sehen fast wie Gleichaltrige aus.

DOKTOR: Das hei?t, Sie werden bestimmt nicht beleidigt sein, wenn ich Ihnen vorschlage, abends irgendwo zu essen?

MARINA: Ich werde beleidigt sein, wenn Sie mich nicht einladen. Ehrlich gesagt, das h?tten Sie viel fr?her machen sollen.

DOKTOR: Ich wei?, aber es ist schwer, sich schon beim ersten Treffen dazu zu entschlie?en.

MARINA: Und ab welchem Treffen muss ein Mann handeln, wenn nicht beim ersten? Das zweite kann ja auch nicht stattfinden.

DOKTOR: Aber so spontan, von Null auf Hundert

MARINA: Was hei?t hier von Null auf Hundert, Doktor? Schildkr?tentempo. Und wenn schon Hundert, dann doch wie eine Schnecke! Wir sind schon zwei Jahre bekannt, und Sie haben erst heute beschlossen, sich f?r mich zu interessieren. Und das auch noch sehr undeutlich.

DOKTOR: Zwei Jahre? Sind Sie sicher? Haben wir uns denn fr?her getroffen?

MARINA: Jetzt erkenne ich Ihr wahres Verh?ltnis zu mir. Eine Frau, die gef?llt, vergisst man nicht.

DOKTOR: Sie gefallen mir sehr, aber (Verstummt. In seinem Gesicht spiegelt sich offene Verwirrung. Wirkt denn der ged?chtniszerst?rende Virus wirklich so schnell?)

MARINA: (Sieht sich im Zimmer um.) Und Ihr Kabinett sieht noch imposanter und beeindruckender aus. Gleich zu sehen, dass dies die Praxis eines erfolgreichen vorw?rts strebenden Arztes ist.

DOKTOR: (Best?rzt.) Kamen Sie auch fr?her hier her?

MARINA: Nat?rlich, und nicht nur einmal. Erinnern Sie sich denn nicht? Diese kleine Bronzestatue, scheint mir, war vorher nicht da.

DOKTOR: Sind Sie sicher, dass Sie fr?her hier waren?

MARINA: Wie sollte ich denn nicht sicher sein, wenn ich selbst meinen Mann zu Ihnen gebracht habe. Erinnern Sie sich denn nicht?

DOKTOR: Ich? (Unsicher.) Weshalb denn, ich erinnere mich, nat?rlich. (Tr?ufelt in ein Glas Tropfen aus einem Fl?schchen, gie?t Wasser dazu und trinkt aus, wobei er sich bem?ht, es unbemerkt zu tun.)

MARINA: ?brigens, ich mache mir Sorgen um ihn. Entschuldigen Sie, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist.

(Marina geht hinaus. Der Doktor f?hlt seinen Puls. Marina kehrt zur?ck.)

DOKTOR: Ist er nicht gegangen?

MARINA: Nein. Also, Doktor, ich m?chte von Ihnen eine Bescheinigung ?ber den Zustand meines Mannes bekommen, zusammen mit der Krankengeschichte ?ber alle diese Jahre. Ich bem?he mich um eine Invalidenrente f?r ihn, und das Zeugnis eines kompetenten Arztes kann dabei sehr helfen.

DOKTOR: Hm Sehen Sie, ich habe mich noch nicht festgelegt, worin seine Krankheit besteht.

MARINA: Wie, zwei Jahre waren dazu nicht ausreichend? Einem so erfahrenen Arzt, wie Sie?

DOKTOR: Zwei Jahre? Sagen Sie, und Sie haben zuf?llig keine Probleme mit dem Ged?chtnis?

MARINA: Ich? Nat?rlich nicht. Woher denn?

DOKTOR: Einige Formen der Sklerose k?nnen ansteckend sein.

MARINA: Ich habe ein gro?artiges Ged?chtnis. Aber ich werde Sie nicht st?ren. Geben Sie mir bitte seine Krankengeschichte, und ich werde Sie nicht weiter von der Arbeit ablenken.

DOKTOR: Ich Ich muss sie zuerst vorbereiten.

MARINA: Was hei?t da vorbereiten? Drucken Sie sie am PC aus, und fertig.

DOKTOR: Ich muss etwas pr?fen Mir scheint, mein PC ist nicht in Ordnung K?nnen sie denn nicht heute etwas sp?ter vorbeikommen?

MARINA: Mit Vergn?gen. (Steht auf, begibt sich zum Ausgang, bleibt dann aber stehen.) ?brigens, ich habe immer noch nicht verstanden, haben Sie mich zum Abendessen eingeladen, oder nicht? Oder haben Sie das auch schon vergessen?

DOKTOR: Versteht sich, Sie sind eingeladen.

MARINA: Ich m?chte nicht aufdringlich erscheinen, aber wenn ein Mann eine Frau einl?dt, teilt er ihr gew?hnlich mit, wohin und wann er sie abholt, oder wo und wann sie sich treffen sollen. Ich muss mich vorbereiten. Ich gehe doch nicht zu einem Rendezvous mit Ihnen in so einem Aufzug, in diesen Lumpen

DOKTOR: Mir passen diese Lumpen vollkommen.

MARINA: Nein, nein, ich muss mich umziehen. Also, ich schaue in eineinhalb Stunden herein, und wir reden ?ber alles. Und gleichzeitig nehme ich die Krankengeschichte mit.

DOKTOR: Ausgezeichnet.

MARINA: Haben Sie die Unterredung mit meinem Mann schon beendet?

DOKTOR: Noch nicht.

MARINA: Dann lasse ich ihn Ihnen noch hier. (Mit einem vielversprechenden L?cheln.) Bis bald.

Marina geht hinaus. Der Doktor bleibt alleine. Sein Gesicht dr?ckt eine Mischung von Freude und Verwirrung aus. Nachdem er eine Weile hin und hergegangen ist, setzt er sich an den PC und beginnt die Datei mit der Krankengeschichte zu suchen. Anton tritt ein.

ANTON: Doktor

DOKTOR: (Leidend.) Sagen Sie mir blo? nicht, dass Sie an Ged?chtnisverlust leiden.

ANTON: Ich leide auch nicht an Ged?chtnisverlust. Woher haben Sie das denn?

DOKTOR: Also, was wollen Sie dann von mir?

ANTON: Meine Frau hat mir aufgetragen, im Wartezimmer zu warten, aber mir ist dort langweilig. Kann ich hier sitzen?

DOKTOR: Lieber im Wartezimmer.

ANTON: Lieber hier.

DOKTOR: Nun, gut. Unter einer Bedingung: Sie werden schweigen.

ANTON: Ich werde kein Wort sagen.

DOKTOR: Vergessen Sie dieses Versprechen nicht.

ANTON: Ich vergesse nie etwas.

DOKTOR: (Aufatmend.) Na, wunderbar.

Anton setzt sich bescheiden in eine Ecke. Der Doktor sucht im PC die Krankengeschichte, offenbar erfolglos. Er wendet sich zur Absicherung an Anton.

DOKTOR: Erinnern Sie sich nicht zuf?llig, ob ich eine Krankengeschichte ?ber Sie angelegt habe?

ANTON: Das haben Sie.

DOKTOR: Wann? Heute Morgen?

ANTON: Nein, schon lange. Vor einem oder zwei Jahren.

DOKTOR: Und Sie erinnern sich daran?

ANTON: Nat?rlich erinnere ich mich.

DOKTOR: Warum kann ich sie dann nicht im PC finden?

ANTON: Ich wei? nicht. Soll ich Ihnen helfen?

DOKTOR: Nein, danke. (Beginnt wieder im PC zu suchen.)

Eine Frau in einem tadellosen englischen Kost?m tritt ein. Ihre Bewegungen sind selbstsicher, die Sprache klar und deutlich, die Manieren entschieden.

FRAU: Guten Morgen.

ANTON: (Erfreut.) Du bist das?

FRAU: Wie du siehst, Lieber.

ANTON: Und ich langweile mich hier ohne dich. Wie gut, dass du gekommen bist. (Beide umarmen und k?ssen sich.)

FRAU: Bring das Hemd in Ordnung und k?mm dich! Wie f?hlst du dich?

ANTON: Ausgezeichnet.

DOKTOR: Gestatten Sie, wer sind Sie?

ANTON: Das ist meine Frau.

FRAU: (Reicht dem Doktor die Hand.) Ich hei?e, wie Sie schon wissen Johanna Gl?ckner.

DOKTOR: (Verbl?fft.) Sehr angenehm.

FRAU: Habe ich Sie nicht gest?rt?

DOKTOR: Nein, in keiner Weise. Entschuldigen Sie. Setzen Sie sich. (Nimmt Anton zur Seite.) Wer ist diese Frau?

ANTON: Das hab ich doch gesagt, meine Frau.

DOKTOR: Aber Sie haben doch vor kurzem an diesem selben Ort eine andere Frau umarmt und sie auch Ihre Frau genannt!

ANTON: Doktor, Sie haben Halluzinationen. Behandeln Sie sich! Hier war keine Frau.

DOKTOR: Vollkommen durcheinander, nimmt die n?chste Dosis Medizin ein. Nachdem er die Gedanken geordnet hat, wendet er sich an Johanna.

DOKTOR: Ich hoffe, Sie sind nicht beleidigt, wenn ich Sie bitte irgendeines Ihrer Dokumente vorzuweisen.

FRAU: Seltsame Bitte. Aber, bitte. Hier ist mein F?hrerschein. (Reicht ihm das Dokument.) Johanna Gl?ckner. Zu Ihren Diensten.

DOKTOR: (Sieht sich den F?hrerschein aufmerksam an und gibt ihn zur?ck. Verst?ndnislos.) Alles in Ordnung.

JOHANNA: Und Sie haben daran gezweifelt? Ich bitte nicht um Ihre Dokumente, weil ich wei?, wer Sie sind. Es w?rde nat?rlich nicht schaden, Ihre Lizenz zu pr?fen, aber das ist Sache der Staatsanwaltschaft, und ich bin Anwalt. Hier, ?brigens, meine Visitenkarte.

DOKTOR: Was verdanke ich Ihre Visite?

JOHANNA: Mich beunruhigt die Gesundheit meines Mannes.

DOKTOR: Mich auch. Aber ich w?rde bevorzugen, mit ihnen dar?ber unter vier Augen zu reden.

JOHANNA: (An den Mann gerichtet.) Lieber, warte ein bisschen auf mich im Wartezimmer, und danach fahren wir zusammen nachhause.

Anton geht gehorsam hinaus.

DOKTOR: Sagen Sie, wissen Sie, dass Ihr ?h Mann krank ist?

JOHANNA: Wie k?nnte ich das nicht wissen!

DOKTOR: Und Sie wissen, an was er leidet?

JOHANNA: Er leidet an Ged?chtnisverlust.

DOKTOR: Seit wann?

JOHANNA: (Verwundert.) Was hei?t seit wann?

DOKTOR: Seit wann ist er krank?

JOHANNA: (Verwundert.) Wissen Sie das denn nicht?

DOKTOR: Weshalb sollte ich das wissen?

JOHANNA: Aber Sie behandeln ihn doch schon zwei Jahre, wenn nicht l?nger!

DOKTOR: Ich? Zwei Jahre??

JOHANNA: Doktor, was ist mit Ihrem Ged?chtnis? Wie k?nnen Sie einen Kranken behandeln, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern?

DOKTOR: Nun gut, m?gen es zwei Jahre sein. Erz?hlen Sie von der Krankheit Ihres Mannes genauer. Haben Sie es schwer mit ihm?

JOHANNA: Welche Frau hat es leicht mit ihrem Mann?

DOKTOR: Vertiefen wir uns nicht in pers?nliche Probleme, reden wir ?ber die medizinischen. Wie genau dr?ckt sich seine Krankheit aus?

JOHANNA: Er erinnert sich an sehr komplizierte und lange zur?ckliegende Dinge und vergisst die einfachsten. Er kann sich, zum Beispiel, Kaffe eingie?en und vergessen, ihn auszutrinken. Oder zweimal ein und dasselbe Medikament einnehmen.

DOKTOR: Das passiert mir auch.

JOHANNA: Hab? ich mir schon gedacht.

DOKTOR: Wie halten Sie denn das alles aus?

JOHANNA: Ich bin ein Mensch der Pflicht. Ich mache nicht das, was mir gef?llt, sondern das, was ich tun muss. Ich esse nicht das, was mir schmeckt, sondern das, was weniger Kalorien enth?lt. Ich treffe mich nicht mit denen, die mir sympathisch, sondern mit denen, die mir n?tzlich sind. Ich lebe nicht mit dem Mann, mit dem ich wollte, sondern mit dem, der mir zufiel. Sich zu beklagen und zu jammern ist zwecklos. Man muss arbeiten, den G?rtel enger schnallen und sein Kreuz tragen.

DOKTOR: Ich bewundere Sie.

JOHANNA: Danke. Aber letztendlich ist mein ehemaliger Mann auch kein so schlechter Mensch. Es gibt schlechtere. Ich wiederhole mir das hundertmal am Tag. Es gibt schlechtere. Es gibt schlechtere. Jede Frau sollte das wiederholen. Es gibt schlechtere.

DOKTOR: Warum haben Sie gesagt ehemaliger Mann? Haben Sie sich denn geschieden?

JOHANNA: In keiner Weise. Wir sind immer noch verheiratet. Aber was ist das f?r ein Ehemann, der das vergisst, was ein Mann und Ehemann nicht vergessen sollte. Sie verstehen mich?

DOKTOR: Hm Und was machen Sie in solchen F?llen? Erinnern Sie ihn daran?

JOHANNA: Wenn man den Mann an solche Dinge erinnern muss, dann hilft da auch nichts mehr.

DOKTOR: Sie haben Recht.

JOHANNA: Wissen Sie, zu welchem Schluss mich meine juristische Praxis gebracht hat? Je mehr vergessliche M?nner es gibt, desto mehr leidende Frauen gibt es.

DOKTOR: Zum gleichen Schluss kommt auch die ?rztliche Praxis. Allerdings, sagen Sie, kam Ihnen nie in den Sinn, dass man seine Vergesslichkeit in diesen Dingen damit begr?nden kann, dass

JOHANNA: dass er eine andere Frau hat?

DOKTOR: Das haben Sie gesagt und nicht ich.

JOHANNA: Bringen Sie mich nicht zum Lachen. Das ist ausgeschlossen.

DOKTOR: Ja? Und wie w?rden Sie sich zu so einer Vermutung verhalten, dass nicht lange vor Ihnen mit ihm eine Wie soll ich Ihnen das sagen Versteht sich, das ist nur eine Vermutung

JOHANNA: Verschleiern Sie die Sache nicht, Doktor. Spielen Sie mit offenen Karten. Ich habe keine schwachen Nerven.

DOKTOR: Sie d?rfen ihn nicht verurteilen. Meiner Meinung nach erinnert er sich einfach nicht, wer seine Frau ist.

JOHANNA: Er erinnert sich ausgezeichnet. (Sie ruft den Mann, der hereinkommt.) Lieber, sag diesem Menschen, wie ich hei?e.

ANTON: Wei? er das denn nicht?

JOHANNA: Er wusste es, hat es aber vergessen. (Ironisch.) Dieser Mensch leidet an Ged?chtnisverlust.

ANTON: (Zum Doktor.) Sie tun mir aufrichtig Leid.

DOKTOR: Ich tu? mir selbst Leid.

ANTON: Warum gehen Sie sich nicht in Behandlung? Ich kann Ihnen einen guten Arzt empfehlen. Hier ist seine Visitenkarte.

DOKTOR: (Sieht sich die Karte an.) Ich danke Ihnen, das ist meine Karte. Sagen Sie lieber, wie diese Dame hei?t?

ANTON: Sie stellen seltsame Fragen. Denken sie, ich wei? nicht, wie meine eigene Frau hei?t? Die Frau, mit der ich die Schule besuchte?

DOKTOR: Also, wie hei?t sie, zum Teufel auch?

ANTON: Johanna. Und nun?

JOHANNA: Nichts, Lieber. Du kannst solange ins Wartezimmer zur?ckgehen. Geh aber nicht weg. (Antongeht hinaus.)

DOKTOR: Seltsam. Wenn das nicht seine Frau war, wer war sie denn dann?

JOHANNA: Wer?

DOKTOR: Die Frau, die vor Ihnen hier war.

JOHANNA: Wenn sie denn hier war, dann wei? ich wer sie ist.

DOKTOR: (Interessiert.) Ach was? Wer denn?

JOHANNA: Eine Hure und Abenteurerin.

DOKTOR: Sie sollten nicht so scharf sein. Mir erschien sie v?llig anziehend.

JOHANNA: Leider sind Huren und Abentreurerinnen immer anziehend. Im Unterschied zu uns ordentlichen Frauen.

DOKTOR: Das stimmt. Sie kennen sie also, oder nicht?

JOHANNA: Nat?rlich kenne ich sie nicht und kann sie nicht kennen. Mit solchen Personen verkehre ich nicht. Au?erdem war hier tats?chlich keine Frau, und das ist Ihnen ausgezeichnet bekannt.

DOKTOR: Die Frau war hier.

JOHANNA: War nicht.

DOKTOR: War. (Wischt sich die Stirn ab.) Aber vielleicht war sie wirklich nicht da?

JOHANNA: Entschuldigen Sie, ich will kontrollieren, ob mein Mann an seinem Platz ist. (Geht hinaus und kehrt zur?ck.)

DOKTOR: Am Platz?

JOHANNA: Ja. Wissen Sie, auf ihn muss man ein Auge haben. Lassen Sie uns das Gespr?ch ?ber Frauen beenden und zur Sache kommen, und zwar zum Gesundheitszustand meines Mannes. Ich bin nicht hergekommen, um fantastische Erz?hlungen zu h?ren, sondern um eine Bescheinigung ?ber seine Krankheit zu bekommen.

DOKTOR: Um eine Bescheinigung auszustellen, muss ich zuerst sein Leiden untersuchen. Deshalb will ich auch fragen, seit wann

JOHANNA: (Unterbrichtihn.) Erstens, hab ich Ihnen schon zwanzigmal davon erz?hlt.

DOKTOR: Wann?

JOHANNA: (H?rt nicht auf ihn.) Zweitens stellen Sie keine unn?tigen Fragen und sehen Sie in seine Krankengeschichte. Sie ist in Ihrem PC. Dort steht alles.

DOKTOR: Ich habe keinerlei Krankengeschichte von ihm!

JOHANNA: Wie soll das verstehen? Sind Sie denn derma?en nachl?ssig, dass Sie sie nicht f?hren? Sie wissen doch bestens, dass diese Nachl?ssigkeit an ein dienstliches Vergehen grenzt!

DOKTOR: Sie vergessen sich!

JOHANNA: (Hart.) Keinesfalls. Ich leide noch nicht unter Ged?chtnisverlust. Und ich will Sie daran erinnern, dass die Krankengeschichte nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein juristisches Dokument ist. Im Fall einer gerichtlichen Klage gegen Sie, seitens des Kranken, kann sie die Richtigkeit oder Nichtrichtigkeit Ihrer verordneten Behandlung beweisen. Ich denke, dass Sie sie entweder nicht anlegten oder vors?tzlich l?schten, um vor den Finanzbeh?rden die Zahlungen zu verbergen, die Sie von uns erhielten.

DOKTOR: Ich habe keinerlei Zahlungen erhalten!

JOHANNA: Regen Sie sich nicht auf, wir werden sie nicht zur?ckfordern. Das Einzige, das ich will, ist die Bescheinigung ?ber den schweren Zustand meines Mannes und seine Krankengeschichte.

DOKTOR: (Er ist v?llig verwirrt.) Die Bescheinigung kann ich Ihnen wohl geben, aber

JOHANNA: (Unbeirrt.) Und die Krankengeschichte auch.

DOKTOR: Woher nehme ich die?

JOHANNA: Aus dem PC. Aus dem Schreibtisch. Woher Sie wollen. Finden Sie sie, stellen Sie sie wieder her mich interessiert das nicht.

Der Doktor ist v?llig verst?rt und wei? nicht, was er tun soll. Er nimmt das Fl?schchen, sieht, dass die Tropfen aus sind, und geht hinter einen Wandschirm, wo er Medikamente aufbewahrt. Johanna ruft ihm zu.

JOHANNA: Und dass die Krankengeschichte in einer Stunde fertig ist! In genau sechzig Minuten komme ich sie holen!

Geht in Richtung Ausgang, und trifft in der T?re mit einem neuen Besucher zusammen. Das ist ein ?u?erst solider Mann, in einem klassischen, gut geschnittenen Anzug. Beide werfen sich einen aufmerksamen Blick zu. Johannageht. Der Mann tritt ein. Er besieht sich vorsichtig den Raum und bemerkt nicht gleich den Doktor, der hinter dem Wandschirm hervorkommt. Als er ihn sieht, zuckt der Mann zusammen.

DOKTOR: (Hat sich wieder gefasst.) Mit was kann ich dienen?

MANN: Ich Ich Ich

DOKTOR: Wer sind Sie?

MANN: Ich Ich Ich

DOKTOR: Ja, Sie, Sie, Sie! Nicht ich, Teufel auch!

MANN: Ich Ich denke nicht, dass mein Name f?r Sie irgendeine Bedeutung hat.

DOKTOR: Warum nennen Sie ihn dann nicht?

MANN: Wirklich, warum?

DOKTOR: Genau das sage ich auch: Warum?

MANN: Also, schauen Sie, wir sagen beide warum?

DOKTOR: Und warum nennen Sie ihn denn dann nicht?

MANN: Weil darin kein Bedarf besteht.

DOKTOR: H?ren Sie auf, auszuweichen und sagen Sie es direkt: An was leiden Sie?

MANN: Kann ich mit Ihnen von Mann zu Mann reden?

DOKTOR: Selbst wenn wir es noch so wollten, wir k?nnen nicht von Frau zu Frau reden.

MANN: Sie haben Recht.

DOKTOR: Nun, packen Sie schon aus, zieren Sie sich nicht, was haben Sie?

MANN: Ich wei? nicht, wie ich anfangen soll

DOKTOR: Nur Mut, da gibt?s doch nichts zu sch?men. Mit solchen Problemen, wie Sie, hat fast jeder Mann zu tun.

MANN: Woher kennen Sie meine Probleme?

DOKTOR: Ich kann sie mir denken.

MANN: Sie k?nnen sie nicht kennen. Sache ist die, dass Wie soll ich sagen

DOKTOR: Nun aber, werden Sie nicht rot. Sie sind beim Arzt. Und hier werden Geheimnisse geh?tet.

MANN: (Schwankt.) Nun, gut. Ehrlich gesagt, ich hatte zuerst geplant, mich krank zu stellen. Aber jetzt denke ich, warum nicht alles so sagen, wie es ist?

DOKTOR: Sie sind also nicht krank?

MANN: Nein.

DOKTOR: Was machen Sie denn dann hier?

MANN: Ich suche eine Frau.

DOKTOR: Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich bin keine Frau.

MANN: Mir ist nicht nach Sp??en zumute. Die Sache ist sehr ernst.

DOKTOR: Wer ist sie f?r Sie? Ehefrau, nicht wahr?

MANN: (NacheinigemSchwanken.) Ja.

DOKTOR: Und was habe ich damit zu tun?

MANN: Ich wei?, dass sie gerade erst hier war.

DOKTOR: Ich ver?ffentliche keine Informationen ?ber meine Patienten.

MANN: Diesmal m?ssen Sie eine Ausnahme machen.

DOKTOR: Interessant. Und warum?

MANN: Weil ich sie bis zum Ged?chtnisverlust liebe.

DOKTOR: Ihre Frau?!

MANN: Ja. Na und?

DOKTOR: Nichts. Sehr r?hrend.

MANN: Also, wo ist sie?

DOKTOR: Ihre Frau war nicht hier.

MANN: Sie war, und ich wei? das genau.

DOKTOR: Wie ist ihr Familienname?

MANN: Gl?ckner.

DOKTOR: (Betroffen.) Gl?ckner? Sind Sie sicher?

MANN: Sicher.

DOKTOR: Nicht Klingler?

MANN: Nein.

DOKTOR: Nicht Scheller? Und nicht L?uter?

MANN: Aber nicht doch!

DOKTOR: So-so (Geht aufgeregt im Zimmer hin und her.) Das hei?t, Ihre Frau hei?t Wie nochmal?

MANN: Gl?ckner.

DOKTOR: Gro?artig. Als Sie hereinkamen, scheint mir, haben Sie jemanden getroffen. Erinnern Sie sich?

MANN: Meinen Sie jene Frau, in dem taillierten englischen Kost?m, mit dunklen Augen, einem Muttermal auf der linken Wange, mit einem lilafarbenen Chiffonschal um den Hals und einem schwarzen Koffer in der Hand?

DOKTOR: Genau die. Was sagen Sie zu ihr?

MANN: Nichts. Ich hab ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.

DOKTOR: So-so Keine Aufmerksamkeit geschenkt. Keinerlei. (Platztaussichheraus.) Hauen Sie von hier ab, und zwar sofort! Und lassen Sie sich hier nie mehr blicken!

MANN: Doktor, ich verstehe Sie nicht. Warum

DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Weil Sie gerade eben mit der Nase auf Madame Gl?ckner gesto?en sind. Angenommen, Sie haben ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt. Aber sie ging ja auch v?llig ruhig vorbei!

MANN: Aber ich habe keine Ahnung, wer sie ist. Ich habe sie nie vorher gesehen!

DOKTOR: Das hei?t, sie ist nicht Ihre Frau?

MANN: Nat?rlich nicht! Au?erdem bin ich seit langem geschieden. Schon zwei Jahre.

DOKTOR: Wie geschieden? Sie lieben doch Ihre Frau bis zum Ged?chtnisverlust!

MANN: Ja-ja, nat?rlich Danach habe ich wieder geheiratet.

DOKTOR: Sie haben wieder geheiratet? Sehr gut. Und Ihre Frau hei?t, wie sagen Sie

MANN: Gl?ckner, Marina Gl?ckner.

DOKTOR: Wie sagten Sie? Marina?

MANN: Ja, Marina.

DOKTOR: Aber sie ist doch verheiratet! Mit Anton!

MANN: (Betroffen.) Mit welchem Anton?

DOKTOR: Mit ihrem Mann.

MANN: Das kann nicht sein! Sie ist nicht verheiratet! Ich will sagen, sie ist mit mir verheiratet.

DOKTOR: (Nachdenklich.) Nun denn, vielleicht erkl?rt das einiges Also, was wollen Sie nun von mir?

MANN: Ich wei?, sie war hier. Vielleicht kommt sie nochmal her. Helfen Sie mir, sie zu treffen.

DOKTOR: Ich befasse mich nicht mit der Suche fremder Ehefrauen. Und ich bin mir nicht sicher, dass Marina Ihre Frau ist. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie Marina hei?t. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie hierher kommt. Und noch weniger sicher bin ich mir, dass sie ?berhaupt existiert.

MANN: Sie existiert!

DOKTOR: Dann gehen Sie nachhause und warten Sie dort auf sie. (Schiebt ihn zum Ausgang.)

MANN: (Wehrtsich.) Doktor, ich flehe Sie an

DOKTOR: Ich kann mit nichts helfen. Auf Wiedersehen. Nicht hier das ist der Ausgang nur f?r Patienten. Hierher, bitte.

Er begleitet den Mann zur anderen T?r hinaus und bleibt dann alleine neben dem Tisch mit dem Beruhigungsmittel. In seinem Gesicht ist v?lliges Unverst?ndnis zu lesen.



ZweiterAkt



DerDoktoristinseinemKabinett. Marina tritt ein, gekleidet in ein sehr schickes Kleid.

MARINA: (Fr?hlich.) Guten Tag, Doktor! Hier bin ich wieder!

DOKTOR: (?u?erst k?hl.) Wer sind Sie, eigentlich?

MARINA: (Verwundert, aber nicht ohne Charme.) Mein Gott, Was geht in Ihrem Kopf vor? Mich innerhalb einer halben Stunde zu vergessen? Ausreichend, mein Kleid zu wechseln, und Sie erkennen mich schon nicht mehr!

DOKTOR: Ich erkenne Sie hervorragend. Und genau deshalb w?rde ich gerne wisse, wer Sie sind. Weisen Sie ein Dokument vor.

MARINA: Weshalb?

DOKTOR: Deshalb, weil Sie nicht einmal Zeit dazu fanden, sich vorzustellen.

MARINA: Ich hei?e Marina, das wissen Sie doch.

DOKTOR: Woher wei? ich, dass Sie tats?chlich Marina hei?en? ?brigens, falls tats?chlich Marina, dann bedeutet das noch gar nichts. Einen Ausweis, bitte.

MARINA: Ich trage keine Dokumente bei mir.

DOKTOR: Und ich wiederhole noch einmal Ausweis.

Marina ?ffnet ihre Handtasche und kramt darin, aber anstelle eines Ausweises bringt sie ein Taschentuch hervor, beginnt zu schluchzen und sich die Tr?nen abzuwischen..

DOKTOR: (Besorgt.) Was ist mit Ihnen?

(Marina antwortet nicht. Der Doktor gie?t ihr aus der Karaffe Wasser ein und reicht es ihr.)

MARINA: (Weist das Wasser zur?ck.) Lassen Sie mich!

DOKTOR: Was ist los? Sind Sie mit mir beleidigt?

MARINA: Was denken Sie denn?

DOKTOR: Weshalb?

MARINA: (UnterTr?nen.) Und Sie fragen noch, weshalb? Sie haben auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, mehr noch Sie gefielen mir. Mir schien, dass auch Sie mir zugetan waren ich kam zu Ihnen mit offenem Herzen, und was erlebe ich in Wirklichkeit? K?lte, Misstrauen, erniedrigende Fragen (Schluchzt.)

DOKTOR: Beruhigen Sie sich

MARINA: Lassen Sie mich gehen.

DOKTOR: Sie kennen nicht alle Umst?nde. Sache ist die, es kam ohne Sie Unwichtig.

MARINA: Wer kam? Eine andere Frau? (DerDoktorschweigt.) Und nannte sich auch seine Frau?

DOKTOR: Ja.

MARINA: Na, und? Haben Sie denn das geglaubt? Kommen denn zu Ihnen wenige Verr?ckte?

DOKTOR: Das Problem ist doch das, dass auch Anton sie seine Frau genannt hat.

MARINA: Und Sie wissen nicht, dass er kein Ged?chtnis hat? Und kam sie tats?chlich hierher?

DOKTOR: Sie kam, nat?rlich.

MARINA: (Geht zur T?r und ruft den Mann.) Lieber, komm hierher. (Tritt ein.) Sag, kam w?hrend meiner Abwesenheit irgendeine Frau hierher?

ANTON: (Arglos.) Ich hab? niemanden gesehen.

MARINA: Und hat sie sich deine Frau genannt?

ANTON: Wie kann sie sich so nennen, wenn sie doch gar nicht hier war?

MARINA: Und du hast du sie nicht deine Frau genannt?

ANTON: Du bist die Einzige f?r mich auf der Welt und du wei?t das sehr gut. (K?sstsie.)

MARINA: Danke, Lieber. (An den Doktor gewandt.) Nun, glauben Sie jetzt?

DOKTOR: Ich wei? nicht, was ich denken soll ?brigens, es gibt noch einen Umstand Au?er der Frau kam auch ein Mann hierher

MARINA: Na, und?

DOKTOR: Er behauptete, dass er Dass er Ihr Mann ist.

MARINA: Mein Mann? (Lacht schallend.) Mein Gott, wie schwer ist es, Psychiater zu sein! Wer kommt nicht alles zu Ihnen! (Lacht immer noch.)

DOKTOR: Was ist hier so l?cherlich?

MARINA: Und dieser Mann hat nicht behauptet, dass er Napoleon ist?

DOKTOR: Nein. Er behauptete nur, dass er Ihr Man ist. Warum haben Sie das vor mir verborgen?

MARINA: Aber hier ist doch mein Mann, vor Ihnen! Brauchen Sie noch Beweise? Bitte. (An den Mann gerichtet.) Mein Lieber, zieh das Hemd aus und zeig dem Doktor dein Muttermal unter dem linken Schulterblatt. (Zieht folgsam sein Hemd aus. Der Doktor besieht sich das Muttermal. Marina wendet sich an den Doktor.) Haben Sie sich ?berzeugt?

DOKTOR: Ja.

ANTON: Doktor, ist dieses Muttermal nicht gef?hrlich?

DOKTOR: Nein.

ANTON: (Hartn?ckig.) Trotzdem, ich m?chte Sie bitten, es zu entfernen. Ich f?rchte, dass es sich in ein Krebsgeschw?r verwandelt.

DOKTOR: Ich versichere Ihnen, es ist harmlos. Und, au?erdem bin ich kein Chirurg.

ANTON: Wir k?nnten das gleich jetzt machen. (Zieht wieder das Hemd aus.)

DOKTOR: (Leidend.) Ich hab? doch gesagt, ich bin kein Chirurg.

ANTON: Und was sind Sie, Urologe? Das trifft sich sehr gut. Gerade auf diesem Gebiet habe ich gro?e Probleme. Wenn ich versuche zu

MARINA: (Unterbricht ihn.) St?r den Doktor nicht, Lieber. Zieh das Hemd an. (Er zieht sich folgsam an.) Und jetzt zieh die Hosen aus und zeig dem Doktor (Er macht sich am G?rtel zu schaffen.)

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Ich wollte Ihnen nur noch ein Muttermal zeigen, auf dem

DOKTOR: Ich verstehe. Das muss nicht sein.

ANTON: Also, Hosen ausziehen, oder nicht?

DOKTOR: Das braucht es nicht.

ANTON: Ich zieh? sie trotzdem aus. Wenn Sie schon Urologe sind, dann will ich Ihnen auch gleich zeigen

MARINA: (Unterbricht ihn.) Danke, Lieber, das muss nicht sein. Wart bitte im Wartezimmer auf mich. Aber geh nicht weg. (Eindringlich.) Hast du verstanden? Geh nirgendwo hin. Wir fahren bald zusammen nachhause. (Anton geht hinaus.)

DOKTOR: Entschuldigen Sie, dass ich mir erlaubt habe, an Ihnen zu zweifeln. Ich bekenne, dass mich jener Mann durcheinander gebracht hat.

MARINA: Und Sie sind sicher, dass er ?berhaupt hierher kam?

DOKTOR: Was hei?t sicher? Nat?rlich kam er! (Erinnert sich an sein Leiden.) Obwohl Denken Sie, dass er nicht kam?

MARINA: Das hat keine Bedeutung.

DOKTOR: Nein, mir scheint, er kam. Nun, gut. Angenommen, dass er, Ihren Worten nach, ein Verr?ckter ist. Aber jene Frau zeigte mir ihre Dokumente, und Sie, entschuldigen Sie, kenne ich nicht einmal dem Namen nach.

MARINA: Wie k?nnen Sie das nicht wissen? Nicht l?nger, als heute Morgen, haben Sie mir selbst zweimal angerufen und mich Marina genannt.

DOKTOR: (In die Enge getrieben.) Ach, ja, richtig Das hab? ich vergessen Aber, verstehen Sie, ich bin nicht sicher

MARINA: (Marina ?ffnet ihre Handtasche, steckt das Taschentuch hinein, nimmt die Puderdose heraus und bringt sich in Ordnung. Als sie die Puderdose zur?ck legt, ruft sie freudig aus.) Oh! Es scheint, ich hab` ein Dokument dabei. Und sogar mit Foto. Das ist mein F?hrerschein. Hier, bitte, schauen Sie.

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Jetzt glauben Sie, nach f?nf Minuten h?ren Sie wieder auf, zu glauben. Wie alle M?nner. Schauen Sie trotzdem. (Der Doktor nimmt unwillig das Dokument in die Hand.) Was steht da?

DOKTOR: Marina Gl?ckner.

MARINA: Ist der Stempel in Ordnung?

DOKTOR: In Ordnung. (Er gibt ihr das Dokument zur?ck. Sie steckt es in die Handtasche und zieht Fotos hervor.)

MARINA: Mein Mann hat Ihnen erz?hlt, dass wir in derselben Schule gelernt haben?

DOKTOR: Welcher Mann? Anton? Er hat.

MARINA: Hier, schauen Sie, wie wir als Kinder waren. Lustig, nicht wahr?

DOKTOR: Sie haben sich fast nicht ver?ndert.

MARINA: Danke. Und hier sind wir beide schon erwachsen.

DOKTOR: Das war wahrscheinlich kurz vor der Hochzeit?

MARINA: Ja.

DOKTOR: Wie sch?n Sie sind!

MARINA: (Verf?hrerisch.) Wollen Sie sagen, dass ich jetzt nicht mehr so bin?

DOKTOR: Jetzt sind Sie noch besser.

MARINA: Danke. (Steckt die Fotos weg.) Ich sehe, Sie sind ein Frauenheld. Ich wei? nicht, ob eine Frau hierher kam, aber von was ich ?berzeugt bin ist, dass Sie auch sie zum Abendessen eigeladen haben.

DOKTOR: Ich schw?re Ihnen, ich habe niemanden eingeladen! Und ?berhaupt kam niemand hierher! (Verwirrt.) Oder kam doch? Verdammtes Ged?chtnis Es scheint, ich sollte die Praxis aufgeben. (Gie?t sich die n?chste Portion Tropfen ein.)

MARINA: (Nimmt ihm das Fl?schchen weg.) H?ren Sie auf, Tropfen zu nehmen. Sind Sie Arzt, oder kein Arzt?

DOKTOR: (St?hnt.) Ich bin Arzt. (Verwirrt.) Oder kein Arzt? (Fasst sich.) Was rede ich da f?r Unsinn! Nat?rlich Arzt.

MARINA: Und wenn Sie Arzt sind, dann bringen Ihnen die Patienten auch Cognac. Bringen sie, oder bringen sie nicht?

DOKTOR: (Unsicher.) Nat?rlich bringen sie.

MARINA: Also, dann trinken Sie einen Doppelten. Das hilft sofort.

DOKTOR: Das pr?fen wir sofort. (?ffnetdieBar.) So viel Cognac. (Erfreut.) Das hei?t, ich bin Arzt. (Ergreift eine Flasche.) Schlie?en Sie sich an?

MARINA: Ich habe Ihnen noch nicht verziehen.

DOKTOR: Ach, lassen Sie doch. Trinken wir. (Gie?t mit zitternden H?nden Cognac in zwei Schwenker ein.)

MARINA: (Beobachtet ihn mitleidig.) Mein Lieber, schauen Sie sich im Spiegel an: Verwirrter Blick, zitternde H?nde. Was geht mit Ihnen vor?

DOKTOR: Ich gebe zu, dass ich heute nicht ganz in Form bin. M?digkeit, Ged?chtnisverlust, verwirrte Gedanken, Schwindelgef?hle Ich f?rchte, das alles nennt sich mit einem Begriff Alter.

MARINA: Dummes Zeug. Sie brauchen blo? eine warme, f?rsorgliche, weibliche Hand, das ist alles. Haben Sie eine Frau?

DOKTOR: Frau? Lassen Sie mich nachdenken (Gr?belt.) Ich bin jetzt in so einem Zustand, dass ich mich sogar daran nicht mehr erinnere. (Erinnert sich.) Was rede ich denn da? Nat?rlich erinnere ich mich. Ich bin Witwer, schon viele Jahre. Die Kinder sind erwachsen, leben einzeln, ich habe sie schon lange vergessen. ?brigens, um die Wahrheit zu sagen, haben sie mich vergessen. Ich bin v?llig einsam Ich verstehe nicht, was mit meinem Ged?chtnis passiert ist? Das kam so unerwartet

MARINA: Leiden Sie blo? nicht darunter.

DOKTOR: Ich leide auch nicht. Wenn Sie in der N?he sind. Wissen Sie, ich beneide sogar Ihren Mann. Ich w?rde auch mit Freuden alles zum Teufel vergessen: Einsamkeit, erm?dende Arbeit, Steuerinspektoren, neidische Kollegen, streitende Nachbarn, beharrliche Patienten mit ihren dauernden Beschwerden und Krankheiten, und gleichzeitig meine eigenen. An nichts denken, sich an nichts erinnern, neben einer sch?nen Frau sitzen mit einem Cognac, vergessen, dass du alt f?r sie bist, oder bald alt wirst, alles vergessen und nur die momentane Minute genie?en

MARINA: Also dann lassen Sie uns doch f?r den Augenblick leben. Bu?e, Bedauern, Nachdenken, die kommen danach, aber jetzt lassen Sie uns des Lebens freuen. (HebtihrGlas.) Auf unsere Gesundheit und unsere Erfolge! Auf das Gl?ck!

DOKTOR: Danke. Mir ist so leicht mit Ihnen. Von Ihnen geht irgendein Licht aus. Sie sind wahrscheinlich sehr gl?cklich.

MARINA: Denken Sie nicht, dass ich es leicht habe. Ich wei?, was Einsamkeit ist.

DOKTOR: Sie haben Anton.

MARINA: Apropos, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist. (Geht und kehrt schnell wieder zur?ck. Der Doktor besieht sich derweilen kritisch im Spiegel.)

DOKTOR: Alles in Ordnung?

MARINA: Ja. Es erscheint Ihnen wahrscheinlich seltsam, dass ich mich um ihn sorge, aber ich liebe ihn sehr. So sehr, dass ich bereit bin, ihm zuliebe gro?e Dummheiten zu machen. (Kurzes Schweigen.) Aber das befreit mich nicht von Einsamkeit.

DOKTOR: Ich verstehe. (Nimmt sie an der Hand.)

MARINA: (Ohne die Hand zur?ckzuziehen.) Es ist Zeit f?r mich, zu gehen.

DOKTOR: Beeilen Sie sich nicht.

MARINA: Ich muss Anton heim bringen. (Willgehen.)

DOKTOR: (H?ltsiefest.) Dann treffen wir uns heute?

MARINA: Wenn Sie es sich nicht anders ?berlegen oder vergessen.

DOKTOR: (Ereifert sich.) Ich anders ?berlegen? Vergessen? Ja, ich (Erinnert sich pl?tzlich wieder an die ?ber ihn gekommene, seltsame Vergesslichkeit und unterbricht sich selbst.) Ich schreibe es auf. F?r alle F?lle. (Macht einen Vermerk in seinem Tagebuch.)

MARINA: (Erhebt sich.) Und vergessen Sie nicht, die Krankengschichte und die Bescheinigung vorzubereiten.

DOKTOR: F?r Sie mache ich alles, was Sie w?nschen. Soll ich Sie begleiten?

MARINA: Nein, danke. Ich bitte Sie, sorgen Sie daf?r, dass mein Mann nicht weg geht, solange ich ein Taxi suche.

Marina geht hinaus. Der Doktor, nachdem er lebhafter geworden ist und vor sich hin pfeift, setzt sich an den PC. Der Mann tritt ein. Er verh?lt sich v?llig anders, als beim ersten Besuch. Seine Manieren sind selbstsicher und entschlossen.

DOKTOR: Sie wieder?

MANN: Wie Sie sehen.

DOKTOR: Was wollen Sie denn eigentlich?

MANN: Ich f?hre eine kleine private Nachforschung durch.

DOKTOR: Ich habe gleich begriffen, dass Sie ein Schn?ffler sind.

MANN: Ich bin kein Schn?ffler. Ich bin Finanzist.

DOKTOR: Falls Sie Steuerinspektor sind, zeigen Sie einen Ausweis vor.

MANN: (Hart.) Wo ist Marina?

DOKTOR: Haben Sie etwa sie verfolgt?

MANN: Kann sein.

DOKTOR: Leider kann ich mit nichts helfen. Sie ist, wie Sie sehen, nicht hier.

MANN: Ich habe doch gesehen, wie sie vor zwanzig Minuten hier herein kam.

DOKTOR: Aber Sie haben nicht gesehen, wie sie vor einer Minute hinaus ging.

MANN: Kommt sie zur?ck?

DOKTOR: Ich wei? nicht. Was wollen Sie von ihr?

MANN: Ich habe nicht das Recht, Ihnen das zu sagen.

DOKTOR: Kein Recht, dann sagen Sie auch nichts. Alles Gute.

MANN: Ich bin dringend verpflichtet, sie zu finden, verstehen Sie? Eine Frage auf Leben und Tod.

DOKTOR: Hier ist keine Detektei. Suchen Sie sie also auf der Stra?e. Und, bitte, halten Sie mich nicht auf. ?brigens, Besuche bei mir sind sehr kostspielig.

MANN: Ich bin bereit zu zahlen, wenn Sie helfen, sie zu finden.

DOKTOR: Ich nehme kein Bestechungsgeld.

MANN: Wirklich?

DOKTOR: Ich nehme Honorare.

MANN: Also bin ich bereit, Ihnen ein Honorar zu bezahlen.

DOKTOR: Ich nehme es nur f?r Behandlung und nicht f?r die Bereitstellung von Information. Ich w?nsche Ihnen Erfolg, und st?ren Sie mich nicht bei der Arbeit. Zu mir kommt man nur nach vorheriger Anmeldung. (Schiebt den Mann h?flich zum zweiten Ausgang.) Ich bitte Sie. Nein, durch diese T?r. Durch diese kommen nur meine Kranken herein.

MANN: Nun denn, dann schicke ich Ihnen tats?chlich einen Steuerinspektor. (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Nun, erschreckt?

DOKTOR: Nicht sehr.

MANN: Umsonst. Ich bin sicher, dass Sie es nicht m?gen, Steuern zu zahlen.

DOKTOR: Ich, nicht m?gen?

MANN: Sie.

DOKTOR: Ich?!

MANN: Sie.

DOKTOR: Na und? Wer mag das?

MANN: Vielleicht veranstalten wir eine kleine Pr?fung?

DOKTOR: Bitte. Meine Eink?nfte wei? ich gut zu verbergen.

MANN: Und ich wei? sie gut zu finden.

DOKTOR: H?ren Sie auf, mir zu drohen. Ich hab doch gesagt, dass ich keine Pr?fung f?rchte.

MANN: Weil Sie kein Bestechungsgeld nehmen?

DOKTOR: Nein. Weil ich es gebe. Alles Gute.

MANN: (?ndertdenTon.) Doktor, Sie wissen doch, dass ich jetzt eine ?u?erst private Angelegenheit habe, die weder Verbindung zur Medizin, noch zu Steuern hat. Ich brauche Marina.

DOKTOR: Auf Wiedersehen. Die Ausgangst?r ist hier.

MANN: (Bleibt in der T?re stehen.) Doktor, warum kommt sie eigentlich zu Ihnen? Haben Sie etwas mit ihr?

DOKTOR: Sie betrifft das in keiner Weise.

MANN: Ist sie denn krank?

DOKTOR: Jegliche Einzelheiten bez?glich meiner Besucher, gesund oder krank, verlassen nicht die Grenzen dieses Kabinetts.

MANN: (Trocken, fastdrohend.) Hervorragend. Obwohl ich sp?re, dass es zwischen ihnen irgendeine Verbindung gibt, und ich halte es f?r meine Pflicht, Sie zu warnen: Seien Sie vorsichtig!

DOKTOR: Ich welchem Sinn?

MANN: In allen Sinnen. Sie ist verwirrt und wei? selbst nicht, was sie macht. (Wendet sich zum Gehen.) Wenn Sie sie trotzdem sehen, sagen Sie, dass ich versuche, sie zuhause anzutreffen und, falls ich sie nicht finde, wieder hierher komme.

DOKTOR: Ich glaube nicht, dass ich Sie hereinlasse.

MANN: Und ich glaube, dass ich Sie nicht fragen werde.

(Der Mann geht. Der Doktor setzt sich wieder an den PC. Marina tritt ein.)

MARINA: Gehe ich Ihnen noch nicht auf die Nerven?

DOKTOR: So schnell haben Sie ein Taxi gefunden?

MARINA: Ich hab? keines gesucht Ich habe beschlossen, meinen Mann in meinem Auto mitzunehmen. Es steht hier ganz in der N?he, auf einem Parkplatz. Bewachen Sie ihn noch zwei Minuten, gut? (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Was ist schon wieder passiert?

DOKTOR: Gerade eben hat wieder dieser Nun Ihr Mann nach Ihnen gefragt.

MARINA: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keinen Mann habe! Au?er Anton versteht sich.

DOKTOR: Ich wei? nicht, ich wei? nicht Er hat mich gewarnt, dass man mit Ihnen vorsichtig sein muss. Er hat sogar versucht, mir zu drohen.

MARINA: Hat er nicht erkl?rt, um was es geht?

DOKTOR: Nein, aber er hat gesagt, dass es sehr wichtig ist. Eine Frage auf Leben und Tod.

MARINA: (Sehr verwirrt.) Es scheint, ich kann mir vorstellen, von wem die Rede ist.

DOKTOR: Ist er tats?chlich Ihr Mann?

MARINA: Nicht ganz

DOKTOR: Nicht ganz?

MARINA: ?berhaupt nicht. Das ist mein Kollege Genauer, sogar mein Vorgesetzter.

DOKTOR: Sagen Sie die Wahrheit?

MARINA: Ich schw?re.

DOKTOR: Und was will er so Wichtiges von Ihnen?

MARINA: Nichtigkeiten. Er ist einfach, wie soll ich Ihnen das sagen leicht ungleichg?ltig gegen?ber mir und ziemlich eifers?chtig. Er sch?chtert alle meine Bekannten ein. Er will ewig mit mir etwas kl?ren, etwas bereden Und dabei immer dringend.

DOKTOR: Ich verstehe.

MARINA: Also, ich gehe, das Auto holen.

DOKTOR: (H?lt sie fest.) Ich will Sie nicht weglassen.

MARINA: (Befreit sich sanft.) Ich komm? schnell zur?ck. Wirklich in einer Minute.

DOKTOR: Und fahren wieder weg.

MARINA: (K?sst ihn auf die Wange.) Um uns abends zu treffen.

Marina geht. Der Doktor l?chelt gl?cklich. Er geht zum Spiegel, besieht sich kritisch, bringt die Krawatte und die Frisur in Ordnung, nimmt aus dem Schrank ein anderes, helleres Jackett und zieht es an. Johanna tritt ein, noch entschiedener als vorher eingestellt. Der Doktor, darauf eingestellt, den Gast mit offenen Armen zu empfangen, ist unangenehm ?berrascht.

DOKTOR: Sie sind das?

JOHANNA: Wen haben Sie denn erwartet?

DOKTOR: Eine andere Frau. Die Frau Ihres Mannes. Das hei?t Ich wollte sagen Antons Frau. Das hei?t

JOHANNA: Antons Frau das bin ich.

DOKTOR: Jetzt habe ich gro?e Zweifel daran.

JOHANNA: Zum ersten Mal treffe ich einen Arzt, der sich anstatt mit Behandlung mit Ermittlung befasst. Ist die Krankengeschichte fertig?

DOKTOR: Nein. Und wenn sie es w?re, w?rde ich sie Ihnen nicht geben. Wer sind Sie eigentlich?

JOHANNA: Ich habe geahnt, dass Sie beliebige Ausfl?chte suchen werden, nur um auszuweichen, und habe f?r diesen Fall das ganze Spektrum an Dokumenten der Reihe nach vorbereitet. (Zeigt einen ordentlich gef?hrten Ordner.) Hier, mein Pass. Hier meine Heiratsurkunde mit Anton. Hier die Geburtsurkunden unserer Kinder, in denen ?brigens die Namen der Eltern aufgef?hrt sind, das hei?t meiner und der meines Mannes. Hier unser Hochzeitsbild, das hier auch, aber mit G?sten, und hier unsere Fotos mit den Kindern. Hier die Stromrechnung und andere auf unseren gemeinsamen Namen. Sind Sie jetzt zufrieden?

DOKTOR: (V?llig verbl?fft sieht er die Papiere durch und gibt sie Johanna zur?ck.) Ich Ich (Will zu den Tropfen greifen, stellt aber das Fl?schchen zur Seite und gie?t sich eine gro?z?gige Portion Cognac ein.) Das hei?t, Sie sind trotzdem seine Frau?

JOHANNA: Wer denn sonst, Ihrer Meinung nach etwa die Gro?mutter?

DOKTOR: Ehrlich gesagt, ich wei? nicht, was ich denken soll. (Greift wieder zum Cognac.) JOHANNA: (Im Befehlston.) Stellen Sie das Glas zur?ck! (Schiebt die Flasche energisch zur Seite.) Ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um die Gesundheit meines Mannes zu machen.

DOKTOR: Warum?

JOHANNA: Weil sein Arzt Alkoholiker ist.

DOKTOR: Ich trinke ?berhaupt nicht.

JOHANNA: Das sehe ich.

DOKTOR: Sind Sie wirklich seine Frau?

JOHANNA: Warum verwundert Sie das so?

DOKTOR: Ich w?rde mich nicht wundern, wenn Wenn nicht die andere Frau gewesen w?re

JOHANNA: (Hart.) Was die andere Frau betrifft, ist das ausschlie?lich das Ergebnis des Alkohols oder die Frucht Ihrer gest?rten Wahrnehmung. Als Jurist wei? ich, dass Psychiater infolge dauernder Kontakte mit Verr?ckten nur schwer ihr seelisches Gleichgewicht bewahren. Vergessen Sie also diesen Wahn. Es war keine Frau da.

DOKTOR: Es war!

JOHANNA: (Unerbittlich.) Es war keine und kann keine gewesen sein. Sie kontrollieren sich nicht. Sie haben Probleme mit dem Ged?chtnis. Sie haben sogar vergessen, dass Sie meinen Mann schon zwei Jahre behandeln. Sie haben seine Krankengeschichte verloren. Vielleicht haben Sie sie aus Unvorsichtigkeit oder Vorsatz vom PC gel?scht. Uns bleibt nichts anderes ?brig, als sie wieder herzustellen. Dem Gesetz nach waren Sie verpflichtet, die Kranken-geschichte zu f?hren. Es wird Ihnen sehr schwerfallen, dem Gericht zu erkl?ren, warum Sie das nicht getan haben.

DOKTOR: (Nerv?s.) Welches Gericht?

JOHANNA: Das Gericht, an das ich mich wende. Ich beabsichtige, meinen Mann in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, und Sie wissen ausgezeichnet, dass dazu eine lange und ?berzeugende Krankengschichte n?tig ist.

DOKTOR: Sie wollen den Mann in ein Irrenhaus stecken?

JOHANNA: Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Wenn ich jemanden in ein Irrenhaus stecken will, dann sind Sie das. Und, glauben Sie mir, das gelingt mir. Schauen Sie sich im Spiegel an, betrachten Sie Ihren wahnsinnigen Anblick, und Sie stimmen mir zu.

DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu k?mmern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.

JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so w?re, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Ver?chtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?

DOKTOR: Verpflichtung, Recht Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.

JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?

DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der Freiheitsstatue.

JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verst?ndnis erwartet.

DOKTOR: Was wollen Sie von mir?

JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.

DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.

JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.

DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.

JOHANNA: F?r lange?

DOKTOR: Etwa zwanzig Minuten.

JOHANNA: Ich werde warten.

DOKTOR: Heute schaffe ich es sowieso nicht. Eine Krankengeschichte wird nicht so schnell gefertigt, wie Sie glauben. Ich bitte Sie, kommen Sie morgen.

JOHANNA: Nein, ich gehe hier nicht weg, bevor ich die Bescheinigung nicht bekomme. (Setzt sich demonstrativ, nimmt ein medizinisches Journal und vertieft sich in dessen Lekt?re, damit zeigend, dass sie vorhat, lange zu bleiben, und es nicht gelingen wird, sie loszuwerden.)

DOKTOR: (Hoffnungslos.) Aber ich muss wirklich in die Klinik hinunter.

JOHANNA: Gehen Sie, ich halte Sie nicht auf.

DOKTOR: Und Sie?

JOHANNA: Ich gehe und gebe Anton ein Butterbrot, dann bringe ich ihn hierher, und wir werden zusammen hier sitzen, bis wir unsere Krankengeschichte bekommen.

DOKTOR: Nun, denn Wie es Ihnen beliebt.

Der Doktor gie?t sich Cognac ein, dann, ?berlegt er es sich und nimmt das Fl?schchen mit den Tropfen, dann wendet er sich wieder dem Cognac zu, und findet einen Kompromiss: Er gie?t einige Tropfen in den Cognac, trinkt aus und geht, sich abwechselnd an Kopf und Herz fassend. Johanna begleitet ihn mit zufriedenem Blick, dann geht auch sie hinaus. Nach einiger Zeit kommen Marina und fast gleichzeitig der Mann herein.

MANN: Endlich habe ich Sie gefunden.

MARINA: Aufgesp?rt.

MANN: Ja, aufgesp?rt. Warum haben Sie vor mir verheimlicht, dass Sie verheiratet sind?

MARINA: Ich habe nichts verheimlicht.

MANN: Aber auch nie etwas davon erw?hnt.

MARINA: Meinen Sie, eine Frau sollte ununterbrochen in Zeitungen, im Radio und Fernsehen verk?nden, dass sie verheiratet ist? Oder umgekehrt, dass sie nicht verheiratet ist?

MANN: Nicht verk?nden, aber auch nicht verheimlichen.

MARINA: Ich verheimliche nichts.

MANN: Wirklich? (Und da Marina nicht antwortet, f?hrt er fort.) Sie sind eine gef?hrliche Frau.

MARINA: Danke f?r das Kompliment.

MANN: Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?

MARINA: Sind Sie hierhergekommen, um private Verh?ltnisse zu kl?ren?

MANN: Nein. Unser Thema wird viel ernster

Johanna und Anton treten ein.

MARINA: Nun, weiter, warum h?ren Sie denn auf?

MANN: Das ist kein Gespr?ch f?r Au?enstehende.

MARINA: Gut, setzen wir es in ein paar Minuten fort.

MANN: Ein paar Minuten einverstanden, aber nicht mehr. (Geht hinaus.)

JOHANNA: Wer war das?

MARINA: Unwichtig. Wo ist der Doktor?

JOHANNA: Er ist in die Klinik gegangen.

MARINA: Und, wie ist er?

JOHANNA: (Zufrieden.) Genau so, wie er sein soll.

MARINA: Ganz?

JOHANNA: Es scheint so.

MARINA: Ist er in die Klinik gegangen, um zu behandeln, oder sich behandeln zu lassen?

JOHANNA: Um zu behandeln.

MARINA: Ich an seiner Stelle, w?rde mich behandeln lassen.

JOHANNA: Ich sehe, er tut dir Leid.

MARINA: Und dir nicht?

JOHANNA: Mir tun wir alle Leid.

MARINA: Er ist ein sehr guter Mensch.

JOHANNA: Wir sind auch keine schlechten Leute.

MARINA: Bist du sicher?

JOHANNA: Du brauchst mich nicht mit Fragen zu l?chern. Ich schlaf? auch so n?chtelang nicht.

MARINA: (Anteilnehmend.) Du siehst nicht besonders aus.

JOHANNA: Du auch.

MARINA: Glaubst du, mir f?llt es leicht?

JOHANNA: Und du glaubst, mir ist lustig dabei zumute?

ANTON: Um die Wahrheit zu sagen, auch f?r mich ist es kein Zuckerlecken.

JOHANNA: (Bei?end.) F?r ihn ist es kein Zuckerlecken! Und wegen wem, glaubst du, befinden wir beide uns hier?

ANTON: (Schuldbewusst.) Wegen mir.

JOHANNA: Gut, dass wenigstens du das begreifst. (Pause.)

ANTON: Eigentlich werde ich hier nicht mehr gebraucht. Kann ich gehen?

MARINA: Keinesfalls! Dich darf man nirgendwo allein hinlassen.

JOHANNA: Du wei?t, dass wir dir das verbieten.

ANTON: Ich bin kein Kind.

MARINA: H?r auf! Wir haben auch so die ganze Zeit Angst, dass du wieder irgendetwas anstellst.

ANTON: Ich habe mich doch zu eurem Wohl bem?ht.

JOHANNA: Danke, du hast uns schon viel Wohl bereitet.

ANTON: Ich will von hier weg.

JOHANNA: Wir wollen alle weggehen.

ANTON: Ich bin m?de.

MARINA: Wir sind alle m?de.

ANTON: Das ist alles erm?dend und unangenehm. Ich geh?.

JOHANNA: (H?lt ihn fest.) Sitz!

MARINA: H?r auf, nerv?s zu sein, Lieber. Soll ich dir einen Kaffee machen?

JOHANNA: Lass das, du hast ihn auch so verw?hnt.

MARINA: Was soll ich tun? Ich liebe ihn.

JOHANNA: Ich liebe ihn auch. Aber man darf mit ihm doch nicht die ganze Zeit zu nachsichtig sein. Und woher nimmst du hier Kaffee?

MARINA: Aus der Thermoskanne des Doktors.

ANTON: Lasst uns lieber Cognac trinken. Er hat viel davon. (?ffnet die Bar.)

MARINA: Nein, Lieber, das d?rfen wir nicht. Wir m?ssen in Form sein.

ANTON: Ihr liebt mich so, und ich verursache euch nur Unannehmlichkeiten. Glaubt ihr, dass mich das Gewissen nicht qu?lt?

JOHANNA: Anstelle von Gespr?chen ?ber das Gewissen, solltest du dich lieber bem?hen, gesund zu werden.

ANTON: Ich bem?he mich. Aber diese Anwandlung ist st?rker, als ich.

JOHANNA: Nicht sie ist st?rker, sondern du bist schw?cher.

MARINA: Du solltest ihm nichts vorwerfen. Das ist nicht der Zeitpunkt dazu.

JOHANNA: Du besch?tzt ihn ewig.

MARINA: Und du willst, dass ich ihn angreife? (Pause.)

JOHANNA: Es ist Zeit, auseinanderzugehen.

MARINA: (An Johanna.) Gehen wir, ich will dir etwas sagen.

ANTON: Ich geh? mit euch.

JOHANNA: Nein, bleib hier! So werden wir ruhiger sein.

Marina und Johanna gehen. Bleibt alleine im Sessel des Doktors. Der Doktor tritt ein.

ANTON: Zu wem m?chten Sie?

DOKTOR: Ich? Zu niemandem.

ANTON: Der Doktor ist nicht da. Warten Sie im Wartezimmer.

DOKTOR: Der Doktor bin ich!

ANTON: Seit wann?

DOKTOR: Wie, seit wann?

ANTON: Seit wann sind Sie Doktor?

DOKTOR: Ich bin es schon immer. Und werde es sein, bis ich verr?ckt werde. Was dank Ihnen sehr bald passieren wird.

ANTON: Nun, wenn Sie Doktor sind, dann gestatten Sie mir, eine Frage zu stellen. Aber ?rgern Sie sich blo? nicht Erinnern Sie mich, wie ich hei?e.

DOKTOR: Haben Sie das denn wieder vergessen?

ANTON: (In die Enge getrieben.) Ja, irgendwie ?rgern Sie sich blo? nicht.

DOKTOR: Ich ?rgere mich auch nicht. Ich bin au?er mir. Man kann das Ged?chtnis verlieren, aber doch nicht bis zu so einem Grad!

ANTON: (Schuldbewusst.) Zum letzten Mal, Ehrenwort. Ich werd?s nicht mehr vergessen.

DOKTOR: Nun, gut. Sie hei?en (H?lt inne.) Sie hei?en (Ist verwirrt.) Und wozu wollen Sie das alles wissen?

ANTON: Nun, wie denn Vielleicht fragen Sie pl?tzlich danach?

DOKTOR: Wozu sollte ich fragen? Ich wei? es auch so.

ANTON: Dann also, wie denn?

DOKTOR: Sie hei?en Sie hei?en Warten sie (Bl?ttert in seinen Aufschrieben.) Sie hei?en Aha. (Feierlich.) Marina Gl?ckner.

ANTON: Ich Marina?

DOKTOR: Nein, warten Sie Das ist offenbar nicht Ihr Name. Aber Sie hei?en Ich hab?s doch aufgeschrieben (St?bert wieder in Papieren.) Hier:. (Wiederholt mit zusammengebissenen Z?hnen.) Anton Gl?ckner, und seien Sie verdammt! Und wie viele Frauen Sie haben, wissen Sie?

ANTON: (Denkt angespannt nach.) Ich wei? nicht.

DOKTOR: Und ich wei? es auch nicht. Gehen Sie ins Wartezimmer und erinnern Sie sich. Und st?ren Sie mich nicht beim Arbeiten. Ich muss schreiben (H?lt inne.) Verdammt nochmal, was muss ich schreiben?

ANTON: Meine Krankengeschichte.

DOKTOR: Richtig. Woher wissen Sie?

ANTON: Ich wei? nicht.

DOKTOR: Nun gut, gehen Sie mit Gott ins Wartezimmer und sitzen Sie dort ruhig.

ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt aber stehen. Scharf.) Doktor

DOKTOR: (Fasst sich an den Kopf.) Was denn noch?

ANTON: Wissen Sie, welches mein Hauptproblem ist?

DOKTOR: Fehlendes Ged?chtnis.

ANTON: Nein. Fehlendes Geld.

DOKTOR: Das ist f?r alle das Hauptproblem.

ANTON: Aber f?r mich besonders. (Unerwartet.) Leihen Sie mir etwas.

DOKTOR: Ich w?rde Ihnen leihen, aber Sie vergessen, es zur?ckzugeben.

ANTON: Ich vergesse es nicht. Ich unterschreibe eine Quittung.

DOKTOR: Und verschwinden.

ANTON: Wohin kann ich denn? Mein Pass ist doch bei Ihnen. Im ?u?ersten Fall gibt Ihnen meine Frau das Geld zur?ck.

DOKTOR: Welche von beiden?

ANTON: (Vertraulich.) Versetzen Sie sich in meine Situation.

DOKTOR: Das w?rde ich mit Vergn?gen machen, aber ich wei? nicht, worin sie besteht.

ANTON: Kommt es denn nicht vor, dass ein Mann zwei Frauen hat?

DOKTOR: (Mit gro?em Interesse.) Und Sie haben zwei?

ANTON: Eine.

DOKTOR: Welche denn?

ANTON: (Zweifelnd.) Ich wei? nicht.

DOKTOR: Ich verstehe nichts.

ANTON: Ich auch. Doktor, ich brauche dringend Geld. Eine Frage auf Leben und Tod. Leihen Sie mir welches. Ich gebe es Ihnen heute wieder zur?ck.

DOKTOR: Wie viel brauchen Sie?

ANTON: Wenigstens eintausend Euro.

DOKTOR: Wenigstens?

ANTON: Wenn Sie mit eintausend Probleme haben, geben Sie mir zwei.

DOKTOR: Um Sie loszuwerden w?rde ich sogar drei geben.

ANTON: (Erfreut.) Ich nehme auch vier.

DOKTOR: Vier gebe ich nicht. Drei auch. Aber tausend gebe ich. Unter der Bedingung, dass ich Sie hier nie mehr sehe.

ANTON: Abgemacht.

DOKTOR: (Nimmt Geldscheine aus dem Geldbeutel.) Nehmen Sie! Und kehrt um, vorw?rts Marsch!

ANTON: Zu Befehl!

Der strahlende Anton eilt davon. Der Doktor kehrt an den PC zur?ck. Aber die Arbeit klappt nicht. Marina tritt ein.

MARINA: (Beunruhigt.) Wo ist mein Mann?

DOKTOR: Er ist hier. Ich habe gerade erst mit ihm gesprochen.

MARINA: Sie sehen ziemlich betr?bt aus. Ist etwas passiert?

DOKTOR: Ich muss zugeben, ich bin in eine teuflisch unangenehme Situation gekommen. In eine richtige Falle.

MARINA: Erz?hlen Sie, um was geht es? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.

DOKTOR: Nein, das k?nnen Sie nicht.

MARINA: (Nimmt ihn sanft an der Hand.) Erz?hlen Sie trotzdem. Ihnen wird wenigstens leichter.

DOKTOR: (Wischt sich die Stirn ab.) Verzeihen Sie, aber wer sind Sie Marina oder Johanna?

MARINA: Ich bin Marina.

DOKTOR: Ja, richtig. Wissen Sie, mit mir geht etwas unverst?ndliches vor sich. Im Kopf verwirrt sich alles, ich begreife nichts. Von mir wird eine Krankengschichte gefordert, und ich, da k?nnen Sie mich umbringen, erinnere mich nicht, dass ich sie geschrieben habe. Und wenn ich sie nicht geschrieben habe oder aus Versehen gel?scht, dann kann ich gro?e Schwierigkeiten bekommen.

MARINA: Dann schreiben Sie doch eine neue, worin besteht das Problem? Ist es das denn wert, den Kopf h?ngen zu lassen?

DOKTOR: Eine fiktive Krankengschichte mit unechtem Datum zu verfassen, ist ungesetzlich. Damit stolpere ich in noch gr??ere Unannehmlichkeiten.

MARINA: Ach, wer erf?hrt denn davon?

DOKTOR: Wenn es eine Pr?fung gibt, kann man das ganz leicht aufdecken. Der PC fixiert doch automatisch das Erstellungsdatum einer Datei. ?brigens, Sie werden wohl kaum etwas davon verstehen.

MARINA: Und darin besteht das ganze Problem?

DOKTOR: Im technischen Sinn, ja. ?ber Gewissensbisse und Berufsehre red? ich schon gar nicht. Die interessieren in unserer Zeit niemanden.

MARINA: Mir scheint, ich kann Ihnen helfen.

DOKTOR: Wie?

MARINA: Habe ich Ihnen denn nicht gesagt, dass ich von Beruf Programmiererin bin?

DOKTOR: Sie?!

MARINA: Und Ihr technisches Problem ist aus Sicht eines Programmierers nur ein Nichts. Setzen Sie sich neben mich.

Beide setzen sich an den PC. Marinas Finger fliegen schnell ?ber die Tastatur.

Hier, schauen Sie Wir ?ffnen eine Datei mit der Krankengeschichte Antons Der PC zeigt an, dass sie heute geschaffen wurde. Richtig?

DOKTOR: Richtig.

MARINA: Jetzt eine kleine Korrektur Schauen Sie jetzt wann wurde die Datei geschaffen?

DOKTOR: (Schaut auf den Bildschirm.) Vor zweieinhalb Jahren. Einfach unglaublich! Wie haben Sie das geschafft?

MARINA: (Zitiert mit Ironie den Doktor.) Wissen und Arbeit.

DOKTOR: Ich wei? nicht, wie ich Ihnen danken soll!

MARINA: Danken brauchen Sie nicht. (Schwankend.) Und jetzt will ich Ihnen etwas sehr wichtiges sagen (Verstummt.)

DOKTOR: Nun, was schweigen Sie denn?

MARINA: Es ist schwer, mich zu ?berwinden. Aber ich werd?s doch sagen.

Der Mann tritt ein. Marina verstummt. Sie ist sehr verwirrt.

MANN: (An Marina.) Jetzt verstecken Sie sich nicht vor mir. (An den Doktor. Sein Ton ist hart,) Lassen Sie uns bitte alleine.

Der Doktor blickt fragend auf Marina. Sie nickt ihm zu. Der Doktor geht hinaus. Pause.

MARINA: Nun, reden Sie.

MANN: Sie wissen hervorragend, um was es geht.

MARINA: Nicht ganz.

MANN: Dann f?hre ich die Sache so klar und kurz aus, wie m?glich, zudem wenig Zeit ?brig bleibt. Sie haben aus der Bank die Ihnen bekannte Summe entwendet. Das Geld ist zwar nicht auf Ihr Konto ?berwiesen, aber Sie wissen bestens, was darauf steht.

MARINA: Gef?ngnis.

MANN: V?llig richtig. Sie galten als gebildete Mitarbeiterin. Ehrlich gesagt, ich bewundere auch jetzt noch Ihre Kunstfertigkeit, mit der Sie diese Operation durchgef?hrt haben. Zwei Jahre hat die Bank nicht bemerkt, wie eine einzige Zeile im Computerprogramm zu dem Geldverlust gef?hrt hat.

MARINA: Man muss noch beweisen, dass ich diese Zeile einf?gt habe.

MANN: Experten werden das beweisen.

MARINA: Unklar, wer erfahrener ist ich oder Ihre Experten. Was wollen Sie von mir?

MANN: Geben Sie das Geld zur?ck, und die Bank wird Sie nicht vor Gericht bringen.

MARINA: Woher diese Milde? Daher, dass Sie mir gegen?ber nicht ganz gleichg?ltig sind?

MANN: Sie wissen, dass ich Ihnen gegen?ber wirklich nicht ganz gleichg?ltig bin, aber in diesem Fall sind rein kommerzielle Gr?nde wichtiger. Die Bank braucht wirklich nicht, dass der ?ffentlichkeit bekannt wird, dass unsere Mitarbeiter das Geld der Anleger stehlen. Dann verlieren wir tausende Kunden und hunderttausende Euro. Deshalb sind wir interessiert, diese Sache zu vertuschen.

MARINA: Wann muss man das Geld zur?ckgeben?

MANN: Heute. Andernfalls werden Sie morgen verhaftet.

MARINA: Heute kann ich nicht. Und morgen, ?brigens, auch nicht. Und ?bermorgen.

MANN: Warum?

MARINA: Was macht den Unterschied?

MANN: Gut. Ich hab? gesagt, was ich sagen sollte. Denken Sie nach. Ich wiederhole: Zeit haben Sie wenig. (Steht auf, geht zum Ausgang, bleibt stehen. Sein Ton ver?ndert sich.) Marina, Sie wissen doch, wie ich zu Ihnen stehe.

MARINA: Ich wei?.

MANN: Weshalb haben Sie das gemacht?

MARINA: Weil Weil ich es getan habe.

MANN: Und wo ist denn trotzdem das Geld?

MARINA: Ich habe es nicht f?r mich genommen.

MANN: Das habe ich vermutet. Dann soll eben jener Mensch sitzen! Letztendlich hat n?mlich er sich das Geld von dem Konto angeeignet, und Sie sind formell fast nicht schuldig. Jene Zeile im Programm kann man als technischen Fehler erkl?ren. Was sagen Sie dazu?

MARINA: (Nach einigem Schweigen.) Lassen Sie mich etwas nachdenken. Warten Sie unten im Caf, ich werde Sie rufen. Und solange habe ich eine Bitte an Sie. In diesem Caf sitzt eine Frau namens Johanna. Bitten Sie sie, heraufzukommen.

MANN: Gut.

Der Mann geht. Der Doktor tritt ein.

DOKTOR: Wer ist dieser Mann?

MARINA: Der Vizepr?sident der Bank.

DOKTOR: Was wollte er von Ihnen?

MARINA: Unwichtig. Doktor, ich will Ihnen etwas gestehen.

DOKTOR: (Versucht zu scherzen.) Ich hoffe, Ihre Liebe?

MARINA: Nein, einfach ein Gest?ndnis. Obwohl, ich verberge nicht, dass Sie mir sehr sympathisch sind. Deshalb muss ich Ihnen auch etwas gestehen. (Verstummt.)

DOKTOR: Sie wollten mir auch davor etwas sehr wichtiges sagen, aber die Ankunft dieses Mannes st?rte dabei.

MARINA: Ja.

DOKTOR: Dann gestehen Sie doch endlich!

MARINA: Sie werden mich verachten.

DOKTOR: Unsinn. (Und da Marina schweigt, f?hrt er fort.) Wenn Sie sich nicht entschlie?en, zu gestehen, dann erlauben Sie mir das zu tun. Sie sind die Frau, von der ich schon lange getr?umt habe. Wenn Sie nicht verheiratet w?ren, w?rde ich Ihnen einen Antrag machen. Lachen Sie mich nur nicht aus.

MARINA: Ich m?chte weinen und nicht lachen.

DOKTOR: ?berlegen Sie: Wenn es nicht gelingt, Ihren Mann zu heilen, dann m?ssen Sie sich trotzdem von ihm trennen. Und dann werde ich mich um ihn und um Sie k?mmern. Ich bin nicht jung und nicht h?bsch

MARINA: (Unterbricht ihn.) Sie sind nicht alt und sehr wohl anziehend.

DOKTOR: Danke. Aber ich wollte sagen, dass ich daf?r v?llig versorgt bin und mich bem?he, Sie gl?cklich zu machen. Und, die Hauptsache, ich verhalte mich Ihnen gegen?ber gut.

MARINA: Das ist wirklich die Hauptsache.

DOKTOR: Und jetzt sagen Sie, was Sie mir sagen wollten.

MARINA: Aber nun f?llt es mir noch schwerer, mich dazu durchzuringen. Sache ist die, dass

Johanna tritt ein. ?berrascht davon, Marina mit dem Doktor zusammen zu sehen, bleibt sie abrupt stehen.

JOHANNA: Du hast mich gerufen?

MARINA: Ja.

DOKTOR: (Verwundert.) Wie, Sie kennen sich?!

MARINA: Wie Sie sehen.

DOKTOR: Ich verstehe gar nichts.

MARINA: Bald werden wir alles erkl?ren. Lassen Sie uns nur zuerst alleine miteinander reden. Ich werde Sie rufen. (Pause. Der Doktor geht hinaus.)

JOHANNA: Was ist passiert?

MARINA: Alles ist aufgeflogen. Die Bank fordert Geld.

JOHANNA: (Ersch?ttert.) Schon?

MARINA: Irgendwann musste das passieren.

JOHANNA: Und trotzdem ist es so unerwartet. Und so schrecklich. (Fasst sich wieder.) Wir m?ssen handeln.

MARINA: Du meinst die Sache mit dem Doktor?

JOHANNA: Ja. Heute noch, gleich jetzt m?ssen wir ihn bis zum Ende bringen.

MARINA: Ich will nicht.

JOHANNA: Warum?

MARINA: ?berleg selbst, welche verhassten Rollen wir spielen. Wirst du dich denn danach noch selber achten k?nnen?

JOHANNA: Lieber sich selbst nicht achten in Freiheit, als sich achten im Gef?ngnis.

MARINA: Wir verhalten uns unw?rdig.

JOHANNA: Wir k?mpfen nur f?r uns selbst.

MARINA: Und vernichten ihn dabei.

JOHANNA: Ich verstehe nicht hast du dich etwa in den Doktor verliebt?

MARINA: Und wenn es so w?re, was dann?

JOHANNA: Na das, dass sich Frauen in einem bestimmten Alter eben nicht mehr verlieben.

MARINA: So ein Alter gibt es f?r Frauen nicht.

JOHANNA: Verlier den Verstand nicht. Wir haben trotzdem keinen anderen Ausweg.

MARINA: Es gibt einen Ausweg: Alles gestehen.

JOHANNA: Und unser Leben zerst?ren.

MARINA: Keine Sorge, ich nehm? alles auf mich.

JOHANNA: Du h?ltst das f?r Heldentum, aber es ist Dummheit.

MARINA: Das ist Berechnung. (Sanft.) ?berleg selbst. Wenn wir unseren Plan umsetzen, dann sitzen wir h?chstwahrscheinlich alle vier: Wir drei wegen Betrugs, und der Doktor wegen der gef?lschten Krankengeschichte. Aber im Fall eines Gest?ndnisses sitze nur ich alleine, und ihr bleibt in Freiheit. Ihr werdet mir P?ckchen bringen. Au?erdem habt ihr Kinder, und ich bin alleine. Nicht zu reden vom reinen Gewissen.

JOHANNA: (Nach langem Schwanken.) Wahrscheinlich hast du Recht. (Weint.) Was bin ich nur f?r ein Mensch: Die Dummheiten haben wir zusammen gemacht, aber ausbaden musst du sie alleine. Verzeih mir. (UmarmtMarina.)

MARINA: Na, na, wer wird denn gleich? (Beide weinen sich an den Schultern der anderen aus.) Also, nun, rufen wir den Doktor?

JOHANNA: Ruf ihn, wenn du willst.

MARINA: (Geht zur T?re und ruft den Doktor.) Sie k?nnen eintreten. (Der Doktor kommt herein. Die Frauen trocknen ihre Tr?nen ab.) Setzen Sie sich. (Er setzt sich.)

MARINA: Jetzt erkl?ren wir Ihnen alles. Sache ist die, dass (Zu Johanna.) Erz?hl besser du.

JOHANNA: Gut. (Zum Doktor.) Nehmen Sie zuerst Ihre Tropfen. (Er nimmt sie gehorsam ein.) Sind Sie bereit, zuzuh?ren?

DOKTOR: Ja.

JOHANNA: Beginnen wir damit, wer wer ist. Ich bin die Frau von Anton, er ist mein Mann, Marina ist seine Schwester und er ihr Bruder. Klar?

DOKTOR: (V?llig ?berrascht.) Er ist mein Mann, Marina seine Schwester (Klarheit bekommend.) Aber das ist doch wunderbar! Das ver?ndert die Sache vollkommen. Wir heilen ihn und dann

JOHANNA: Warten Sie. Ihn braucht man ?berhaupt nicht zu heilen, denn er ist absolut gesund.

DOKTOR: Gestatten Sie, aber sein Ged?chtnisverlust

MARINA: Simulation, alles nur gespielt. Er hat ein hervorragendes Ged?chtnis. Nicht von ungef?hr gilt er als der beste Kartenspieler in der Stadt.

DOKTOR: Warum haben Sie denn dann

JOHANNA: (Im Ton eines Rechtsanwalts.) Doktor, wenn Sie dauernd Fragen stellen, kommen wir nie zum Ende.

DOKTOR: Entschuldigen Sie.

JOHANNA: Jetzt h?ren Sie. Vor zwei Jahren hat Anton im Casino eine erhebliche Summe Geld verspielt. Er fleht Marina an, ihm die Summe zu besorgen und verspricht, sie schnell zur?ckzugeben. Andernfalls, sagte er, w?rde man ihn erschie?en. Marina besorgt ihm ?ber die Bank Geld, und ich habe sie leider nicht von diesem Schritt abgebracht. Ich hatte Angst um den Mann und die Kinder.

DOKTOR: Und was war dann weiter?

JOHANNA: Weiter hat Anton, anstatt die Summe zur?ckzugeben, auch dieses Geld verspielt. Die Schulden verdoppelten sich. Er rennt wieder zur Schwester und fleht sie an, ihn zu retten. Marina liebt den Bruder bis zum Ged?chtnisverlust und gibt nach. Und so versanken wir langsam aber sicher in einem Loch, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Sie stellen sich nicht vor, wie schwer das ist: Zu wissen, dass der Mann ein Spieler ist, dass er auf der schiefen Bahn ist und die ganze Familie mit sich zieht, ihn zu lieben und retten zu wollen und nicht in der Lage zu sein, irgendetwas zu ?ndern

DOKTOR: So Aber was habe ich mit all dem zu tun?

JOHANNA: (Verwirrt geworden.) Ehrlich gesagt, diesen Teil der Geschichte zu erz?hlen ist besonders unangenehm, aber wer A sagt, muss auch B sagen. Uns an Sie zu wenden, das ist meine eigene Idee.

DOKTOR: Und worin bestand die Idee?

JOHANNA: Wir begriffen, dass man uns dicht auf den Fersen ist und aufdecken wird, und in mir reifte der Plan, schnellstens daf?r zu sorgen, dass Anton f?r unzurechnungsf?hig erkl?rt wird. Dann k?nnte er Gericht und Urteil ?berstehen. Aber dazu brauchte man die Bescheinigung eines kompetenten und ordentlichen Arztes. So eines, wie Sie.

DOKTOR: Ach, so liegt die Sache

JOHANNA: Wir begriffen, dass auf gew?hnlichem Weg von Ihnen eine Bescheinigung zusammen mit der Krankengeschichte zu bekommen unm?glich ist.

DOKTOR: Richtig.

JOHANNA: Und so habe ich mir ausgedacht, einen massierten Angriff gegen Sie zu starten, um Sie durcheinanderzubringen, in v?llige Verwirrung, um auf diese Weise zu bekommen, was wir brauchten. Wir studierten die Symptome der Krankheit aus einem Fachbuch und haben Ihnen zu dritt dieses Spektakel vorgespielt. (Schuldbewusst.) Ich gestehe, dass das nicht klug war, unordentlich und grausam. Wir bedauern das sehr.

Marina sitzt die ganze Zeit mit gesenktem Kopf.

DOKTOR: Was weiter?

JOHANNA: Nichts. Aus.

DOKTOR: Marina, wollten Sie mir das gestehen?

MARINA: (Ohne den Kopf zu heben.) Ja.

JOHANNA: Jetzt k?nnen Sie uns hinaus werfen. Aber wir werden auch selbst gehen. Wir bitten nicht um Verzeihung wir verdienen sie nicht. (Nimmt Marina an der Hand und geht mit ihr zum Ausgang.)

DOKTOR: Warten Sie. (Freudig.) Sie denken, dass Sie mich betr?bt h?tten, aber tats?chlich haben Sie mich sehr erfreut.

JOHANNA: Womit?

DOKTOR: (Findet seinen Optimismus und seine Selbstsicherheit wieder.) Erstens damit, dass Sie gestanden und dadurch die Schuld von sich genommen haben. Zweitens, weil ich mich noch vor einer halben Stunde f?r einen Schwachsinnigen hielt, jetzt aber ?berzeugt bin, dass ich vollkommen gesund bin. Und die Hauptsache, Marina erweist sich nicht als verheiratet, sondern als frei!

JOHANNA: Ja, frei. Wenn man nicht ber?cksichtigt, dass man sie f?r etwa acht Jahre hinter Gitter bringt.

DOKTOR: (Erschreckt.)Wie, acht Jahre? (An Marina.) Ist das wahr?

Marina zuckt wortlos mit den Schultern.

JOHANNA: Morgen wird man sie verhaften.

DOKTOR: Das lasse ich nicht zu!

JOHANNA: Was werden Sie tun k?nnen?

DOKTOR: Ich wei? noch nicht, aber ich lasse das nicht zu! Ich werde protestieren! Ich Ich werde Ihnen eine Bescheinigung ausstellen, dass Sie unzurechnungsf?hig sind. Allen dreien. Und mir selbst auch, f?r alle F?lle.

JOHANNA: Doktor, seien Sie ernst. Die Bank fordert die sofortige R?ckgabe des Gelds.

DOKTOR: Wer fordert? Dieser Vizepr?sident, der mehr einem Schn?ffler gleicht? Rufen Sie ihn hierher. Ich reguliere diese Sache.

JOHANNA: Doktor, das ist unm?glich.

DOKTOR: Kleinigkeiten. Rufen Sie Ihren Bankier.

Johanna und Marina tauschen Blicke aus. Marina geht schulterzuckend hinaus.

JOHANNA: Wie wollen Sie die Sache mit der Bank regeln?

DOKTOR: Sehr einfach. Ich bezahle ihr dieses l?cherliche Geld.

JOHANNA: Sie stellen sich die Summe nicht ganz vor, um die es geht.

DOKTOR: Das interessiert mich nicht.

JOHANNA: Ich f?rchte, dass Ihr Geldbeutel nicht ausreicht.

DOKTOR: Keine Angst. Ich bin ein sehr verm?gender Mann.

JOHANNA: Aber um wessen Willen sein Geld verlieren, wegen unbekannter Leute, die Sie au?erdem noch betrogen haben? Brauchen Sie denn kein Geld?

DOKTOR: Und wozu n?tzt es mir? Ich esse nichts Fettes, Salziges, Scharfes, Teures und Gutes. Wie alle reichen Leute halte ich Di?t und arbeite die ?brige Zeit.

Marina und der Vizepr?sident treten ein. Der Doktor wendet sich an den Mann.

Mein Lieber, darf man denn wegen irgendwelchem Geld eine so reizende Frau verfolgen?

VIZEPR?SIDENT: Geld ist nat?rlich Unsinn. Es gibt im Leben wichtigere Dinge: Liebe, Sch?nheit, Gesundheit, G?te

DOKTOR: Ganz genau.

VIZEPR?SIDENT: Andererseits, wenn Geld Unsinn ist, warum es dann nicht zur?ckgeben?

DOKTOR: Weil ihr Bruder es im Casino verspielt hat. Sie hat keinen einzigen Cent.

VIZEPR?SIDENT: (An Marina.) Stimmt das? (Marina antwortet nicht.) Warum haben Sie das fr?her nicht gesagt?

MARINA: Was h?tte das ge?ndert?

VIZEPR?SIDENT: Im Grunde nichts. Aber jetzt verstehe ich wenigstens Ihr Verhalten. Allerdings, das Geld muss trotzdem zur?ckgegeben werden.

DOKTOR: Sagen Sie, wie viel? (Zieht den Geldbeutel heraus.)

VIZEPR?SIDENT: Die Summe ist armselig, man kann sagen ein Nichts, einfach l?cherlich, eine v?llige Kleinigkeit, es lohnt sich nicht, dar?ber zu reden.

DOKTOR: K?nnen Sie die ann?hernde Summe nennen?

VIZEPR?SIDENT: Zwei Millionen Euro.

DOKTOR: Zwei Millionen Euro?!

VIZEPR?SIDENT: So etwa. Wie Sie verstehen, darf man das als Bank nicht als Verlust bezeichnen. Viel ernster ist die Tatsache der Entwendung und des Betrugs. Glauben Sie mir, mir wird es sehr schwer fallen, die Sache zu vertuschen.

DOKTOR: Ich verstehe und sch?tze das sehr. (Steckt den Geldbeutel ein. An Marina.) Ich f?rchte, Liebe, ich bin nicht in der Lage, der Bank diese nichtige Summe zur?ckzugeben. Wie hat es denn Ihr Bruder fertig gebracht, so eine Unsumme zu verspielen?

JOHANNA: (Beunruhigt.) ?brigens, wo ist er?

MARINA: Wirklich, wo ist Anton? (Sieht sich unruhig um.) Sieh nach, vielleicht ist er im Wartezimmer.

JOHANNA: (Johanna geht eilig hinaus und kommt schnell zur?ck. In ihrem Gesicht Verwirrung.) Dort ist er nicht.

MARINA: (Mit niedergeschlagener Stimme.) Wir haben ihn wieder weggelassen.

DOKTOR: Ich verstehe nicht, dass Sie so besorgt um ihn sind. Sie sagen doch, dass er absolut gesund ist!

JOHANNA: Ja, er ist gesund, aber

DOKTOR: Was, aber?

MARINA: Verstehen Sie, er ist sehr besorgt, dass wir seinetwegen in Schwierigkeiten geraten sind.

DOKTOR: Na, und?

MARINA: Und er hat die Wahnidee, das ganze Geld wieder zur?ckzugewinnen. Und je mehr er spielt, desto mehr verspielt er. Deshalb haben wir in den letzten Wochen versucht, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

JOHANNA: Marina, beruhig? dich. Ich glaube, er ist nicht im Casino. Jetzt hat er doch einfach gar nichts zum Spielen. Ich habe ihm alles Geld weggenommen, sogar das Kleingeld.

DOKTOR: Hm Ich f?rchte, ich habe einen Irrtum zugelassen.

Die Frauen sehen den Doktor fragend an, der f?hlt sich in die Enge getrieben und bekennt. Ich habe ihm welches geliehen.

JOHANNA: Wie viel?

DOKTOR: Tausend Euro.

JOHANNA: Sie sind verr?ckt geworden!

DOKTOR: (Schuldbewusst.) Ja, seit heute Morgen.

MARINA: (Ein Mobiltelefon klingelt. Marina nimmt es aus der Handtasche.) Hallo!.. Ja, mein Lieber. Wo bist du? (H?rt lange zu. Alle folgen ihr gespannt. Ihr Gesicht dr?ckt abwechselnd Angst, Hoffnung, Entt?uschung und Freude aus. Diese Ver?nderungen spiegeln sich sofort in den Gesichtern der anderen wider. Marina beendet das Gespr?ch.)

JOHANNA: Und, was?

MARINA: Nat?rlich ist er sofort, nachdem er das Geld erhalten hat, ins Casino gerannt.

JOHANNA: (Entt?uscht.) Hab ich?s doch gewusst

MARINA: Und hat fast alles verspielt.

JOHANNA: Wie immer.

MARINA: (Feierlich.) Aber dann hat er zwei Millionen Euro gewonnen! Er hat schon ein Taxi gerufen und f?hrt hierher mit dem Geld.

Allgemeiner Jubel.

JOHANNA: (Umarmt Marina.) Was f?r ein Gl?ck! (An den Vizepr?sidenten.) Gleich jetzt geben wir Ihnen das Geld zur?ck. Um nicht in Versuchung zu geraten.

VIZEPR?SIDENT: Glauben Sie mir, ich bin dar?ber mehr froh, als irgendjemand anderer. Der Skandal in der Bank, Marina auf der Anklagebank, die Schlagzeilen in den Zeitungen Das h?tte mich um den Verstand gebracht.

DOKTOR: Ende gut, alles gut. Lassen Sie uns aus diesem Anlass Champagner trinken! (?ffnet eine Flasche und gie?t jedem ein.) Auf was trinken wir?

JOHANNA: Auf den gl?cklichen Zufall.

MARINA: Auf das Gl?ck!

Anton tritt ein, mit einem K?fferchen in der Hand. Ihn trifft ein Schwall von Gr??en und Gl?ckw?nschen.

DOKTOR: Ich begr??e Sie, mein Lieber. Wirklich, Sie haben mich den ganzen Tag an der Nase herum gef?hrt, und daf?r sollte man Ihnen den Kopf abrei?en, aber, wie man so sagt, die Sieger verurteilt man nicht. Ihrer Schwester zuliebe verzeihe ich Ihnen.

JOHANNA: (Umarmt den Ehemann.) Wenn du w?sstest, wie wir uns aufgeregt haben!

MARINA: Endlich machen wir ein f?r alle Mal Schluss mit diesem Wahnsinn. Gib ihm (Nickt in Richtung des Bankiers.) dieses verhasste Geld.

ANTON: (Verwirrt.) Welches Geld?

MARINA: Die Millionen, die du gewonnen hast.

ANTON: Welche Millionen?

MARINA: Die du mitgebracht hast. Wo sind sie? In dem K?fferchen? (Anton schweigt schuldbewusst. Marina, die pl?tzlich die Situation erkennt, ?ffnet mit einem Ruck den Koffer. Er ist leer.) Was bedeutet das? Hast du uns betrogen? Hast du nichts gewonnen?

ANTON: Doch, ich habe gewonnen! Ich habe zwei Millionen gewonnen. Stell dir vor, zwei Millionen!

MARINA: (Mit einem Seufzer der Erleichterung.) Nun, dann gib sie der Bank zur?ck. Wo sind sie?

ANTON: Verstehst du, ich habe sie in den Koffer gelegt, das Taxi gerufen und dich angerufen. Und dann dachte ich: Wenn ich heute schon so ein Gl?ck habe, dann setze ich nochmal auf das Pferd. Um nicht nur die Schulden zu tilgen, sondern auch euch abzusichern.

JOHANNA: Und alles verspielt?

ANTON: Nein, nicht alles.

JOHANNA: (Atmet erleichtert auf.) Gott sei Dank.

ANTON: Nicht alles, sondern zweimal so viel. Versteht ihr, nachdem ich alles verspielt hatte, habe ich mich entschlossen, alles auf vabanque zu setzen. Nun, und (Verstummt.)

VIZEPR?SIDENT: Wie gro? ist denn jetzt die Schuldensumme?

ANTON: (Verwirrt.) Vier Millionen.

Alle sind schockiert. Marina f?llt kraftlos in den Sessel. Der Doktor trinkt das n?chste Glas Cognac. Der Vizepr?sident fasst sich an den Kopf..

JOHANNA: Wenn du nur nicht zur?ckgekommen w?rst.

ANTON: Aber ich wei? einen Ausweg!

JOHANNA: (M?de.) Welchen?

ANTON: Gebt mir wenigstens noch tausend, und ich gewinne alles zur?ck! Ich schw?re es euch!

Alle schweigen. Als Erster erholt sich der Doktor vom Schock.

DOKTOR: Sagen Sie, Anton, sch?men Sie sich nicht, so ein Leben zu f?hren?

ANTON: Und welches Leben wollten Sie, das ich f?hre? Ein langweiliges, graues Dasein eines kleinen Angestellten? Ein Leben, wo heute, wie gestern ist und morgen wie heute? Jeden Groschen zu z?hlen und jeden Cent zu sparen? Sich zu langweilen und das Wochenende zu erwarten, den Urlaub, die Rente? Ist es nicht besser zu riskieren, alles was du hast auf ein Pferd zu setzen, vabanque zu spielen?

DOKTOR: Und wenn du verspielst? Gehst du ins Gef?ngnis?

ANTON: Und wenn schon? Womit ist das Gef?ngnis schlechter, als dieses graue, t?gliche erniedrigende Leben, ein Leben ohne Risiko, ohne Funken, ohne Sch?rfe, ohne Pfeffer?

DOKTOR: (Der Doktor nimmt langsam den Geldbeutel und zieht Geldscheine heraus. Anton streckt ihm erfreut die Hand entgegen, aber der Doktor weicht mit ihr zur Seite aus und wendet sich an Marina.) Geben?

MARINA: (M?de.) Wie Sie wollen. Zwei Millionen Schulden, vier, acht, sechzehn was macht den Unterschied? Trotzdem absitzen.

DOKTOR: Aber es gibt doch trotzdem keinen anderen Ausweg. Und vielleicht klappt?s? (Er gibt Anton das Geld. Dieser ergreift es erfreut und macht sich auf den Weg zum Casino.)

ANTON: Ich komm? bald zur?ck, und alles wird gut! Ihr werdet sehen! Ich gewinne! Ich gewinne auf jeden Fall!



ENDE




Leichte Bekanntschaft






Theaterst?ck in zwei Akten



Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel



Inhaltsangabe

Ein Mann und eine Frau treffen sp?t abends im Restaurant eines Hotels aufeinander und lernen sich kennen, wobei die Initiative in diesem Bekanntwerden die Frau ergreift. Sehr schwer zu verstehen, wer diese seltsame Unbekannte ist: Eine Nachtschw?rmerin oder eine elegante Gl?cksritterin. Der Mann kann nicht bestimmen, ob sie ihm gef?llt, ob sie mit ihm spielt, oder einfach verdienen will. Das m?ndliche Duell dieser Figuren spiegelt ihre gegenseitige Anziehung und Absto?ung wider, ihre Einsamkeit und den Versuch, sie zu ?berwinden, ihre Sehnsucht nach Liebe und die Angst davor.



Zwei ?ber dem Abgrund

Aus dem Vorwort des Regisseurs Leon?d Che?fez zur Ver?ffentlichung des St?cks in der Zeitschrift Zeitgen?ssische Dramaturgie.

Ich habe das Lesen diese St?cks lange vor mir hergeschoben. Ich wollte es mit n?chternem Kopf lesen. Es klappte nicht. Dann entschied ich mich f?r die einfachste Variante: Ich lese den Anfang und dann st?ckweise und nach M?glichkeit. Ich begann zu lesen. Der Funke sprang ?ber. Ich musste eine Pause machen. Aber ich wollte noch ein St?ckchen lesen Und dann las ich alles in einem Atemzug durch.

F?r mich ist das ein Wunder. Vielmehr ein seltener Fall. Ich habe schon lange kein St?ck mehr auf einmal bew?ltigt. Ich war wie berauscht. Ich unterrichte im Institut, probe im Theater Und dann hat Valentin Krasnogorov so ein St?ck geschrieben. Man kann sagen, eine meisterliche Arbeit. Blendend aus handwerklicher Sicht. Auch zu heutigen Zeiten eine seltene Sache. Wort f?r Wort ins Schwarze. Wo gibt es jetzt noch so eine Dramaturgie? Halloooo!?

Ich wiederhole und bestehe darauf: Das St?ck ist blendend gemacht Hinter der meisterhaften Ausf?hrung der Dialoge schl?gt der Puls hei?en Bluts.



Handelnde Personen:



Er

Sie



Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen

und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen

und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die anderen

enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus

unter die alten B?ume, lagern uns immer wieder

zwischen die Blumen, gegen?ber dem Himmel.

Aus: R.M.Rilke, Die Gedichte 1910 1922 (Ende 1914)



Erster Akt

Saal eines Hotelrestaurants. Sp?t abends, das Restaurant ist fast leer. An einem der Tischchen, isst ein Mann mittleren Alters, sich nicht beeilend, zu Abend und liest, scheinbar zerstreut, handschriftliche Aufzeichnungen.

Einige Tische weiter entfernt sitzt eine gut gekleidete, anziehende Frau im besten Alter. Sie trinkt gem?chlich Kaffee. Mann und Frau achten scheinbar nicht aufeinander. Obwohl sie ihm unbemerkt einige Blicke zuwirft. Der Mann klopft mit dem Messer an sein Glas, nachdem er den Saal mit Blicken nach dem Kellner abgesucht hat.

Die Frau, offenbar einen Entschluss gefasst, steht auf und tritt an seinen Tisch.

SIE: Entschuldigen Sie, ist hier frei?

Der Mann hebt den Kopf, sieht sich im leeren Saal um und schaut erstaunt auf die Frau.

SIE: Ich frage, ist hier frei?

ER: Ja, frei.

SIE: Kann ich mich auf diesen Stuhl setzen?

Er r?umt unwillig die auf dem Stuhl liegende Aktentasche weg.

ER: Ja, bitte.

Sie setzt sich. Er nimmt aus der Tasche ein Papier und vertieft sich demonstrativ darin, einige Korrekturen machend. Sie h?ngt ihr T?schchen an die Lehne des Stuhls, richtet ihre Frisur und setzt sich bequemer auf dem Stuhl zurecht. Man merkt, dass sie sich auf l?ngere Zeit einrichtet.

SIE: Entschuldigen Sie, haben Sie Streichh?lzer?

ER: (Sich vom Lesen abwendend) Was?

SIE: Ich frage: Haben Sie Streichh?lzer?

ER: Ich rauche nicht.

SIE: Schonen Sie die Gesundheit?

ER: Ich rauche einfach nicht.

SIE: Recht so. Ich rauche auch nicht.

ER: Warum haben Sie dann um Streichh?lzer gebeten?

SIE: Ich habe nicht darum gebeten. Ich wollte einfach wissen, ob Sie welche haben oder nicht.

ER: Angenommen, nicht. Was dann?

SIE: Nichts.

ER: Und wenn ich welche habe?

SIE: Auch nichts.

ER: Der Versuch, ein Gespr?ch anzufangen?

SIE: Vielleicht.

ER: Gehen Sie davon aus, dass er nicht geklappt hat.

SIE: ?berhaupt, geht man davon aus, und ich wei? nicht warum, dass ein Gespr?ch anzufangen, dem Herren zusteht.

ER: Wenn er das will.

SIE: Und Sie wollen nicht?

ER: Und ich will nicht.

SIE: Nun denn, dann werden wir eben gemeinsam schweigen.

Er bem?ht sich erneut, das Dokument zu lesen. Sie schaut ihn schweigend an.

ER: (Wendet sich gereizt vom Lesen ab.) Warum starren Sie mich an? Was wollen Sie?

SIE: Nichts. Vielleicht Sie ein bisschen reizen.

ER: Weshalb?

SIE: Ich wei? nicht. Wahrscheinlich aus Langeweile.

ER: Gehen Sie, vergn?gen Sie sich woanders.

SIE: Ist Ihnen denn nicht langweilig? Sie sind zugereist hier, in einer fremden Stadt k?nnen Sie nichts unternehmen

ER: Warum gehen Sie davon aus, dass ich zugereist bin?

SIE: Wer kann denn noch sp?t abends in einem Hotelrestaurant mit der Aktentasche sitzen und irgendein tristes Schriftst?ck lesen?

ER: Und Sie schlagen mir vor, mich zu vergn?gen?

Sie antwortet nicht. Er schaut sie zum ersten Mal aufmerksam an und sch?tzt sie von Kopf bis Fu? ab.

SIE: (Seinem Blick folgend richtet sie sich auf, r?ckt die Schultern zurecht und fragt leicht ironisch, dabei posierend.) Nun, gef?llt?s?

ER: (Ungernzugebend.) Nicht schlecht.

SIE: Danke. Also, vielleicht machen wir uns endlich bekannt?

ER: Danke f?r den Vorschlag, aber ich bin kein Liebhaber von leichten Bekanntschaften.

SIE: Aber warum gehen Sie davon aus, dass die Bekanntschaft mit mir leicht wird? Ich verspreche, dass sie schwierig wird.

ER: Sie wird ?berhaupt nichts.

SIE: Aber sie hat doch schon stattgefunden.

ER: Nichts dergleichen. Ich kenne Sie nicht und will Sie nicht kennen.

SIE: Warum denn so schroff?

ER: Um gleich den Punkt auf das I zu setzen. Geh und fang dir einen anderen Mann! (Steckt entschlossen das Papier in die Aktentasche.)

SIE: Und wenn ich ausgerechnet Sie fangen will?

ER: Vergeude keine Zeit, das klappt nicht. Zuf?llige Verbindungen sind nicht mein Stil. Au?erdem liebe ich meine Frau.

SIE: (Mit gespielter Verwunderung.) Was Sie nicht sagen? Ein Mann wohnt im Hotel und gesteht einer Frau, dass er verheiratet ist! Und seine Frau auch noch liebt! Ein seltenes Beispiel von Aufrichtigkeit und Ordnungssinn.

ER: So oder so, ich bin verheiratet und damit Schluss.

SIE: Aber wen st?rt das? Habe ich denn mit einem Wort bemerkt, dass Sie mich heiraten sollten?

ER: Bisher nicht, aber deiner Eile nach, spielst du vielleicht bald darauf an. (Sieht sich im Saal um.) Wohin ist dieser verdammte Kellner verschwunden?

SIE: (Sich noch gem?tlicher setzend.) Ich sp?re, dass Sie nicht von Ihrer Standhaftigkeit ?berzeugt sind und mich deshalb vertreiben.

ER: H?ren Sie zu, das beginnt mir l?stig zu werden. Hier gibt es ausreichend freie Tische. Warum, haben Sie sich ausgerechnet zu mir gesetzt?

SIE: Weil ich das wollte.

ER: Ich sehe, so einfach lassen Sie nicht von mir ab, deshalb, lass uns eines klar stellen: Ich bin dagegen und habe mit Stra?enm?dchen nichts am Hut. Du hast keinerlei Chance.

SIE: Und Sie, versteht sich, bevorzugen ordentliche.

ER: Versteht sich.

SIE: Aber was ist denn nach Ihrer Meinung ein Stra?enm?dchen?

ER: Eine, die Liebe f?r Geld verkauft.

SIE: Das hei?t, Sie bevorzugen ordentliche aus Sparsamkeit?

ER: ?rger? mich nicht!

SIE: Das werd? ich nicht. Das hei?t, f?r Sie bin ich eine von der Stra?e?

ER: Was denn sonst?

SIE: Mache ich mich denn auf der Stra?e an Sie heran?

ER: Auf der Stra?e, im Restaurant welcher Unterschied? Hauptsache, f?r Geld.

SIE: Habe ich Sie um Geld gebeten?

ER: (Unwillig.) Bisher nicht.

SIE: Sagen Sie, und wenn eine Frau ihren Mann kostenlos betr?gt, ist sie dann ordentlich?

ER: (Wei? nicht, was er sagen soll.) Mach mich nicht an!

SIE: Und wenn ich mit Ihnen eine Nacht ohne Geld verbringe, werde ich ordentlich sein?

ER: Ich hab? doch gesagt, mach mich nicht an!

SIE: Mit einem Wort, Sie lehnen mich ab.

ER: Ja.

SIE: Warum?

ER: Ich f?rchte, dass ich nach dieser feurigen Nacht zum Arzt muss, und dann wird sie wirklich unvergesslich.

SIE: F?rchten Sie sich tats?chlich davor, oder wollten Sie mich beleidigen?

ER: Ich f?rchte mich tats?chlich davor.

SIE: Aber ich dachte doch, dass Sie vor der Verf?hrung die Ordentlichkeit bewahrt.

ER: Und Ordentlichkeit auch.

SIE: Sehr l?blich. Wie hat Horazius noch geschrieben, Fliehe vor aller Lust, der Preis der Lust ist Leiden.

ER: (Kann seine Verwunderung nicht verbergen.) Zum ersten Mal treffe ich eine Frau, vom Leichten Gewerbe, die Horazius zitiert.

SIE: Treffen sie sich denn oft mit solchen Damen?

ER: Das geht nur mich an.

SIE: Haben Sie denn viele Ingenieure getroffen, die Horazius zitierten? Oder ?rzte?

ER: Ehrlich gesagt, nicht viele. ?berhaupt keine. Woher haben Sie diesen Horizont?

SIE: Das hab? ich bei den Kunden aufgefangen. Unter denen gibt es durchaus auch intelligente. (Betont.) Manchmal auch mit akademischen Grad.

ER: (Wirft ihr einen pr?fenden Blick zu.) Wissen Sie irgendetwas ?ber mich?

SIE: Kann sein.

ER: Ich sehe, bei Ihnen muss man auf der Hut sein. Und um Worte sind Sie auch nicht verlegen.

SIE: Verlegenheit ist meine Sache nicht.

ER: (Sieht sie wieder aufmerksam an.) Ich kann Sie einfach nicht durchschauen.

SIE: Ich denke, das lohnt sich nicht. Sie w?rden es bedauern.

ER: Sie gleichen keiner gew?hnlichen Prostituierten.

SIE: Ich sehe, Sie haben eine reiche Erfahrung. Ungeachtet Ihrer K?lte, Standhaftigkeit und des Widerwillens wissen Sie von irgendwoher, wem Prostituierte gleichen.

ER: Aus dem Kino.

SIE: Seien Sie nicht bescheiden! Sagen Sie lieber, wie Nachtschw?rmer aussehen und sich verhalten.

ER: Ich wei? nicht Wahrscheinlich hemmungsloser.

SIE: Sie wollten wohl sagen, aufreizender. Sagen wir, so. (Schl?gt die Beine ?bereinander, macht eine Schulter frei, streift den Saum des Kleids bis zur ?u?ersten Grenze und steckt sich eine virtuelle Zigarette an.) ?hnlich?

ER: (Unwillk?rlich l?chelnd/schmunzelnd.) Wahrscheinlich.

SIE: Gef?llt Ihnen das?

ER: Ja und nein. Es st??t ab aber zieht auch an.

SIE: Danke f?r das offenherzige Bekenntnis.

ER: (Gie?t ihr aus einer Karaffe ein.) Etwas Wodka?

SIE: Was denn, trinken denn solche M?dchen in den Filmen immer Wodka? Ich geh? selten ins Kino, aber ich dachte, dass deren eigentliche Besch?ftigung eine ganz andere ist.

ER: Wenn Sie nicht wollen, trinken Sie nicht! Ehrlich gesagt, ich mag ihn auch nicht.

SIE: Also, und wie stehen Sie zu den Frauen des Freien Berufs.

ER: (Zuckt mit den Schultern.) Ich wei? nicht. Wenn sie schon existieren, werden sie wohl von jemandem gebraucht.

SIE: Aber nicht von Ihnen.

ER: Nicht von mir.

SIE: Womit haben die Sie denn so ver?rgert?

ER: Damit, dass sie sich allen und jedem hingeben.

SIE: Warum sollten sie denn nicht demjenigen Vergn?gen bereiten, der daran Bedarf hat? Ich w?rde sagen, das ist sogar unsere weibliche Aufgabe. (Mit gespielter Feierlichkeit.) Schon Platon hat best?tigt, dass wir nicht nur f?r uns selbst leben sollten, sondern teilweise auch der ?ffentlichkeit geh?ren, teilweise den Freunden.

ER: Sie sind aber gut beschlagen.

SIE: Das Leben ist der beste Schmied. Es schmiedet manchmal so hart, dass dir beim Ritt der Kopf dr?hnt.

ER: Was immer du auch sagst, sich zu verkaufen ist unmoralisch.

SIE: Irgendwie verkaufen wir alle unsere Zeit, unsere Dienste, unsere Arbeit. Ist es Ihrer Meinung nach moralischer, wenn eine Frau am Flie?band steht, sich das Kreuz auf dem Bau verbiegt oder Erde umgr?bt? Und au?erdem, die, die Sie so angreifen, faulenzen nicht, sondern arbeiten. In Amerika nennt man solche Damen sexual workers, sexuelle Arbeiter, und sie sind in einer Gewerkschaft organisiert. In Holland nennt man sie poetischer Froelichsm?dchen, Freudenm?dchen. Bei uns dagegen verleiht man ihnen wer wei? was f?r welche Namen, von Schimpfworten ganz abgesehen.

ER: Verdienen sie denn nicht solche Bezeichnungen?

SIE: Welche verdienen dann die M?nner, die deren Dienste in Anspruch nehmen?

ER: Nun, es gibt einen Unterschied.

SIE: Versteht sich, es gibt einen. ?ffentliche Frauen, die machen das wenigstens wegen des Verdienstes. Aber M?nner aus Wollust und Perversit?t.

ER: Ich hoffe, Sie meinen nicht mich?

SIE: Nein, nicht Sie. Nat?rlich nicht Sie. Sie sind tadellos. (Erhebt sich und nimmt ihre Tasche.) Ich werde Ihnen wohl nicht weiter mit meiner Gesellschaft l?stig werden. Ich habe Sie ein bisschen gereizt, und damit Schluss. Ihre Aufzeichnungen sehnen sich nach Ihnen. Alles Gute.

ER: Warten Sie Wohin gehen sie?

SIE: Ich hab? Sie schon lange genug angeh?rt.

ER: Ich vertreibe Sie eigentlich gar nicht.

SIE: Und wer hat den Punkt auf das I gesetzt und Klarheit geschafft?

ER: Nun, ich war ein bisschen schroff.

SIE: Sind Sie wirklich nicht b?se?

ER: Nein. Weshalb? Und mir war zugegeben ziemlich einsam. Drau?en ist eine abscheuliche Herbstnacht, K?lte und Wind

SIE: Dann gehen Sie schlafen!

ER: Zu mir ins Zimmer? Dort herrscht t?dliche Langeweile. Und ich schlaf? trotzdem nicht ein.

SIE: Qu?lt Schlaflosigkeit?

ER: (Nickt.) Eigentlich, ja. Chronische.

SIE: Nun gut, dann werde ich noch ein bisschen bei Ihnen bleiben.

ER: Vielleicht bestellen wir etwas?

SIE: Kein Bedarf, danke. Ich will Sie nicht ruinieren.

ER: Mein Geldbeutel wird diesen Schlag verkraften.

SIE: Nein, ich danke Ihnen.

ER: Dann eine Tasse Kaffee?

SIE: Nein.

ER: (Ergreift die Karaffe.) Vielleicht trotzdem etwas Kr?ftiges? (Da sie ihn, statt zu antworten, nur schweigend ansieht, f?hrt er fort.) Wer sind Sie eigentlich?

SIE: Sie sehen selbst eine M?nnerj?gerin.

ER: Das ist klar. Und genauer?

SIE: Sag? ich nicht. Ein Geheimnis verleiht einer Frau Anziehungskraft. Ein Mann will sie sofort verstehen.

ER: Glaubst du?

SIE: Ich wei? es. Andernfalls wird sie uninteressant, wie ein gel?stes Kreuzwortr?tsel.

ER: (Lachend.) Welche Geheimnisse kannst du haben?

SIE: Ehrlich gesagt, keinerlei. Deshalb muss ich sie mir ausdenken, um interessanter zu sein. Dich habe ich gesehen, aber mein Geheimnis verdeckten die Z?ge Mein Geheimnis verdeckte die Z?ge?

ER: (Betrachtet sie aufmerksam.) Geheimnis oder nicht, aber ich kenne dich ?berhaupt nicht.

SIE: Sehr gut. Wer bist du ich kenne dich nicht. Aber unsere Liebe steht uns noch bevor.

ER: Nun, bez?glich der bevorstehenden Liebe bin ich mir nicht sicher.

SIE: Ach ja, ich hab? vergessen: Sie sind doch verheiratet. Liebe von einer Anderen, sogar f?r eine Nacht, ist f?r Sie unm?glich.

ER: Hat f?r dich Treue in der Ehe keine Bedeutung?

SIE: Wenn sie f?r Sie so wichtig ist, dann bin ich bereit, Sie f?r ein paar Stunden zu heiraten.

ER: F?r ein paar Stunden?

SIE: Ja, und? Das ist angenehmer, als f?r das ganze Leben.

ER: Dir ist auch nichts heilig.

SIE: (Ver?chtlich.) Lassen Sie! Mit hohen Worten werden gew?hnlich niedrige Taten und schmutzige Absichten verdeckt. Und je unansehnlicher die Dinge, desto sch?ner die Worte. M?nner reden angeregt von deinen sch?nen Augen, die Sternen gleichen, und zur selben Zeit fassen sie dir unter den Rock. Gezwungenerma?en wirst du Realistin.

ER: Denken Sie tats?chlich, dass alle M?nner so sind?

SIE: Ich w?re froh, anders denken zu k?nnen, aber

Aber bedauernswert der, der alles vorhersieht,

Dessen Kopf sich nicht dreht,

Der alle Bewegungen, alle Worte

In ihrer ?bersetzung hasst,

Dessen Herz der Verstand verurteilt

Und sich zu vergessen verbat

KurzePause.

ER: Sie kennen sogar Gedichte. Woher diese Gelehrtheit?

SIE: Ach, Sie wieder, was hei?t denn da Gelehrtheit Evg?nij On?gin nimmt man in der Schule durch. Diese sch?nen Zeilen kennt jedes romantische M?dchen. (?ndert den Ton und l?chelt.) Entschuldigen Sie, das war eine momentane Schwermut. Schon vorbei. Ich bin wieder bereit, Sie zu vergn?gen, wie eine japanische Geisha.

ER: Wie hei?t du?

SIE: Das ist nicht wichtig. Wir gehen trotzdem morgen fr?h auseinander und werden uns nie mehr wiedersehen.

ER: Ich sehe, du gehst davon aus, dass diese Sache schon entschieden ist.

SIE: Dass wir auseinandergehen

ER: Nein, dass morgen fr?h.

SIE: Und wann denn? ?bermorgen?

ER: Nein, heute Abend. Wir stehen vom Tisch auf und winken uns mit der Hand zu.

SIE: Schlecht der Mann, der eine Frau zum Abendessen einl?dt, nicht hoffend, mit ihr auch zu fr?hst?cken.

ER: Aber ich hab? dich nicht zum Abendessen eingeladen. Du hast dich selber eingeladen. Sagen Sie, gehen Sie wirklich diesem Beruf nach?

SIE: Ich mag meinen Beruf und habe ihn lange studiert. Ich sch?me mich kein bisschen. Und ?berhaupt, wer ich bin ist f?r Sie schon lange klar, da gibt es nichts zu reden. Erz?hlen Sie lieber ?ber sich.

ER: Nichts zu erz?hlen.

SIE: Warum denn nichts? Zum Beispiel haben Sie mit Stolz erkl?rt, dass Sie verheiratet sind. Hier, erz?hlen Sie ?ber Ihre Frau.

ER: Weshalb?

SIE: Ich will Ihren Geschmack kennenlernen. Der Frau am Rand ist es immer interessant, ?ber die Frau im Zentrum zu h?ren.

ER: (Unwillig.) Was ist hier zu sagen? Ehefrau ist Ehefrau.

SIE: Ehefrau ist Ehefrau Direkt nach Tschechov. Drei Schwestern. Ist sie Blondine, br?nett?

ER: Was ist schon der Unterschied?

SIE: Nichts. Einfache Neugier. Haben Sie ein Foto?

ER: Nein. Und wenn ich eins h?tte, w?rde ich?s nicht zeigen.

SIE: Das versteht sich. Weshalb das reine Angesicht einer Ehefrau-Sch?nheit irgendeinem M?dchen vorf?hren? Gef?llt sie Ihnen?

ER: Sie gef?llt.

SIE: In allen Beziehungen?

ER: In allen Beziehungen.

SIE: In der intimen auch?

ER: In der intimen besonders.

SIE: Und Sie wollen sogar keine Abwechslung, manchmal?

ER: Nein, keine.

SIE: L?ge! Das widerspricht der Natur des Mannes. Das sollten Sie aber wissen, Sie sind doch Biologe. Oder Psychologe?

ER: (Erstaunt.) Woher wei?t du, dass (Verdachtsch?pfend.) Du sp?rst mir nach, nicht wahr? Das gef?llt mir nicht.

SIE: (?ber seinen verdutzten Anblick lachend.) Ich kann im Gesicht lesen.

ER: Nein, ernsthaft.

SIE: Ernsthaft im Gesicht. Und noch auf dem Schildchen, das an Ihrem Jackett h?ngt. Vierte Internationale Konferenz f?r biologische Psychologie. Sie sind doch hierher zur Konferenz gekommen?

ER: Ja, richtig.

SIE: Sind dabei mit einem Vortrag aufgetreten?

ER: Aufgetreten.

SIE: Nun also, was spricht denn Ihre biologische Psychologie? Will der Mann Abwechslung oder nicht?

ER: (Verstimmt.) Jedenfalls nicht mit solchen, wie dir.

SIE: Danke, Sie sind sehr freundlich.

ER: Ich sag? einfach, wie es ist.

SIE: Und wenn Sie sagen, wie es ist, dann geben Sie auch zu, dass Ihre Ehe nicht zu gl?cklich ist.

ER: Wie kommst du denn darauf?

SIE: Ich h?r?s am Ton, in dem Sie dar?ber reden, oder besser, nicht reden wollen. Au?erdem sind Ehen selten gl?cklich. Also ist Raten nicht schwer.

ER: (Trocken.) Behalt dein Raten f?r dich!

SIE: Ich hab? in s Schwarze getroffen, deshalb emp?ren Sie sich.

ER: Du irrst dich.

SIE: Ich irre mich? Da bin ich aber froh f?r Sie. Nun, und wie leben Sie so mit Ihrer Ehefrau ist Ehefrau?

ER: Wie alle.

SIE: Wie alle? Klar.

ER: Was ist dir klar?

SIE: Wie alle. (Zitiert schmunzelnd.)

Meine Kameraden lebten mit Schwiegerm?ttern

Und Ehefrauen, diesen Schwiegerm?ttern ?hnlich,

Zu dicken, zu hageren,

M?den, gew?hnlichen, wie Regen

ER: (Erregt.) Du, allerdings, geh nicht zu weit und misch dich nicht in mein Familienleben!

SIE: (Ironisch.) Das ist heilig.

ER: Heilig oder nicht heilig, aber dich geht es nichts an.

SIE: Warum sind Sie denn beleidigt? Ich habe blo? ein Gedicht zitiert. Und nicht mal mein eigenes.

ER: Schreibst du auch eigene?

SIE: Kann sein.

ER: (Grob.) Also, ich h?tte nicht vermutet, dass Huren so romantisch-poetisch sein k?nnen.

SIE: Ihrer Meinung nach k?nnen nur Ehefrauen romantisch-poetisch sein? Das wusste ich nicht.

ER: Wei?t du, was? Du redest zu viel. Schweig lieber und trink!

SIE: Ich will nicht. Ich mag keinen Wodka.

ER: Hast du etwa mit Champagner gerechnet?

SIE: (DenTon ?ndernd.) Ich rechnete wenigstens mit einfacher H?flichkeit. H?flichkeit eines Mannes in Beziehung zu einer Frau. Eines Menschen in Beziehung zu einem anderen Menschen. Ich habe Ihnen noch nicht meinen Preis genannt, aber Sie haben mich schon als Hure beschimpft. Dazu duzen Sie mich noch, obwohl ich Sie h?flich anrede. (Erhebtsich.) Und nun, leben Sie wohl. Ich werde Sie nicht l?nger langweilen. (L?sst ihn alleine und geht zu ihrem Tischchen zur?ck.)

Pause. SietrinktlangsamihrenkaltgewordenenKaffee. Er steht auf, setzt sich aber wieder, nimmt wieder ein Papier zur Hand, aber er kann sich offenbar nicht konzentrieren. Das Papier zur Seite werfend geht er mit entschlossenen Schritten zu ihr und setzt sich neben sie. Sie bremst ihn.

SIE: Ich erlaube Ihnen nicht, Platz zu nehmen.

ER: (Sicherhebend.) Entschuldigen Sie. (Geht um zwei Schritte zur?ck und tritt wieder an den Tisch. Sehr h?flich.) Verzeihen Sie, ist hier nicht besetzt?

SIE: Frei.

ER: Darf ich mich setzen.

SIE: Bitte.

ER: Ich danke Ihnen. (Setzt sich, schweigt.) Warum gingen Sie weg?

SIE: Von weitem schienen Sie mir ein intelligenter Mensch zu sein. Also entschloss ich mich wieder auf diese Entfernung zur?ckzugehen. Aber ach, die Illusion hat sich nicht wiederholt.

ER: Ich gebe zu, ich war wirklich ein bisschen grob zu Ihnen.

SIE: Ein bisschen?

ER: Sehr. Ich bedaure.

SIE: Freut mich, das zu h?ren.

ER: Wer immer Sie auch sind, ich h?tte mich h?flich benehmen sollen. Sie hatten Recht, mich zurechtzuweisen. Ich habe Sie nicht sofort gesch?tzt und mich zu Ihnen ziemlich nachl?ssig und herablassend verhalten.

SIE: Und ich war ziemlich direkt, was ich auch bedaure. Angenehm zu sehen, dass Sie sich jetzt wie ein richtiger Mann benehmen. Gehen sie davon aus, dass der Konflikt beigelegt ist.

ER: Ich war verpflichtet, mich zu entschuldigen, aber das ?ndert nichts am Charakter der Sache. Ihr Beruf weckt in mir nach wie vor keine Begeisterung, und an Ihren Diensten habe ich keinen Bedarf.

SIE: Nun gut, jetzt, nachdem wir uns beide entschuldigt haben, k?nnen Sie zu Ihrem Abendessen und Ihrer ?blichen Arbeit zur?ckkehren.

ER: (Erhebt sich, geht aber nicht weg.) Warum sollten wir nicht zusammen zu meinem Tischchen zur?ckgehen?

SIE: Und worin ist das besser, als meines?

ER: Und worin schlechter?

SIE: Sehen Sie, wenn sich eine Frau zu einem Mann setzt, dann wird das als unmoralisch empfunden, was Sie mir auch mit der Ihnen eigenen Feinf?hligkeit zu verstehen gaben. Und wenn sich ein Mann an den Tisch einer Frau setzt und beginnt, sie anzumachen, dann wird das, warum auch immer, als v?llig normal empfunden und wirft keinerlei Schatten auf einen von beiden. Deshalb bleibe ich wohl an meinem Tischchen. Hier f?hle ich mich wenigstens als Hausherrin. Und niemand kann sagen, ich w?rde mich irgendjemandem aufdr?ngen.

ER: Anders gesagt, Sie laden mich ein, mich hierher zu setzen?

SIE: Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn Sie um meine Erlaubnis bitten, dann sage ich nicht ab.

ER: Verstehe. Also, erlauben Sie?

SIE: Ich gebe Ihnen eine Bew?hrungsfrist.

ER: Danke. (Ersetztsich. Es entsteht ein lange Pause.)

SIE: Nun, was schweigen Sie denn?

ER: Und was sollte ich sagen?

SIE: Da Sie sich schon zu mir gesetzt haben ist die Reihe an Ihnen, mich zu unterhalten

ER: Ihnen gelingt das besser.

SIE: Danke. ?brigens, Sie kennen meine F?higkeiten noch nicht in vollem Umfang. Wie sagte eine prahlerische Primadonna eines Singspiels, meine volle Stimme gebe ich abends.

ER: Das klingt vielversprechend.

SIE: Ich halte meine Versprechungen immer.

ER: Gestatten Sie noch einmal zu wiederholen: Sie sind eine interessante Gespr?chspartnerin und mit Ihnen zu reden bin ich bereit, so lange Sie wollen. Aber nicht mehr als das. Wenn Sie also mit einem Verdienst rechnen, dann verlieren Sie besser keine Zeit und suchen sich einen anderen Klienten.

SIE: Sie verhalten sich sehr seltsam. Gew?hnlich wollen M?nner ohne Gespr?che direkt zur Sache kommen. Sie aber bevorzugen Gespr?che und weichen von der Sache ab.

ER: Das, was Sie Sache nennen, kann jede Dahergelaufene. Aber hier, klug und interessant eine Unterhaltung zu f?hren, das kann bei weitem nicht jede. Eine S?nde, so eine Gelegenheit auszulassen.

SIE: Unter kluger und interessanter Unterhaltung verstehen Sie offenbar den Austausch von Grobheiten.

ER: Ich kann erkl?ren, warum ich so schroff mit Ihnen war. Ich sp?rte, dass man mich entern will. Das gefiel mir nicht, und ich war gezwungen, mich zu verteidigen. Wenn unsere weitere Unterhaltung ohne erotische Anspielungen verlaufen wird, werde ich mich frei f?hlen und mit Vergn?gen mit Ihnen ?ber Gott und die Welt plaudern.

SIE: Sagen Sie mir direkt, was Ihnen an mir nicht passt? Bin ich h?sslich? Langweilig? Unangenehm?

ER: ?berhaupt nicht.

SIE: Und wo ist dann das Problem?

ER: Nun, ?berlegen Sie selbst, warum sollte ich mich auf ein Abenteuer mit einer unbekannten Frau einlassen? ?u?erlich sind Sie anziehend, zweifelsohne. Wahrscheinlich wird es angenehm, mit Ihnen einzuschlafen, aber, vielleicht wache ich morgen auf und finde weder Geld noch Dokumente. Und vielleicht arbeiten Sie als Paar, mit einem Freund, der mir wegen meines Geldbeutels den Kopf einschl?gt.

SIE: Was sind Sie f?r ein gescheiter und vorsichtiger Mensch. An alles denken Sie.

ER: In Ihren Augen ist das ein Nachteil, ich wei?. Aber bedauernswert ist der, der alles vorhersieht

SIE: Und warum f?rchte ICH Sie nicht? Sie k?nnen mich doch auch ausrauben.

ER: Ich Sie?

SIE: Warum nicht? Ich habe ?brigens nicht wenig Geld bei mir. Hier, schauen Sie! (?ffnet die Handtasche.)

ER: (In die Tasche schauend.) Oho! Woher so viel?

SIE: Das habe ich in den letzten vier Tagen verdient. Ihr Freund schl?gt mir deshalb den Kopf nicht ein?

ER: Ich sehe, man bezahlt Ihnen nicht wenig.

SIE: Ich beklage mich nicht. Die Arbeit ist aber auch nicht leicht. Und erfordert eine hohe Qualifikation.

ER: Falls das kein Geheimnis ist, wie viel nehmen Sie?

SIE: Machen Sie sich keine Sorgen, wir einigen uns irgendwie.

ER: Ich frage nicht wegen mir, sondern im Allgemeinen.

SIE: Das h?ngt von der Zeit ab, von den finanziellen M?glichkeiten des Auftraggebers, von meiner Stimmung und noch von vielem mehr.

ER: Und trotzdem, wie viel?

SIE: Und wie viel ist es Ihnen wert?

ER: Gar nichts. Ich brauche das auch umsonst nicht. Ich interessiere mich nur aus Neugier.

SIE: Wissen Sie, was ich Ihnen sage? Wenn, zum Beispiel, in Spanien eine Dame einem Herren ein Treffen anbot selbst in stockdunkler Nacht und an unbekanntem Ort dann ging er dorthin, ohne zu z?gern, ohne an den Geldbeutel zu denken oder an Gefahren. So handelten richtige Caballeros.

ER: Aber wir sind nicht in Spanien und geben keine Mantel-und-Degen-Vorstellung. Wir sind in unserer tr?ben, t?glichen Wirklichkeit, wo es viel Hinterlist, Betrug, Verbrechen und Grausamkeit gibt. Zudem geht es nicht nur um meine Vorsichtigkeit.

SIE: Um was denn?

ER: Um offen zu sein, den L?ffel in den Brei zu stecken ist angenehm auf einem sauberen Teller und nicht in einem ?ffentlichen Spucknapf. Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht beleidigen.

SIE: Vielleicht wollten Sie das nicht, aber Sie haben beleidigt. Aber nicht mit groben Worten, nein, die habe ich schon von Ihnen geh?rt, sondern damit, dass Sie mich einfach nicht wollen. Und f?r eine Frau gibt es keine gr??ere Beleidigung, als zu wissen, dass sie unerw?nscht ist.

ER: Bitte, verlassen wir dieses Thema. Wir haben uns doch geeinigt.

SIE: Wir haben uns auf nichts geeinigt.

ER: Sprechen wir von irgendetwas anderem.

SIE: Lassen Sie uns lieber ?ber irgendetwas anderes schweigen. (Pause.)

ER: Da Sie keinen Wodka m?gen, bestellen wir vielleicht wirklich Champagner?

SIE: Nicht jetzt.

ER: Und wann dann?

SIE: Morgen fr?h.

ER: Den morgigen Morgen wird es nicht geben.

SIE: Wird es.

ER: Wird es nicht.

SIE: Und was wird? Nur die Nacht?

ER: Nichts wird. Ich hab? doch gesagt kein Bett.

SIE: Das habe ich Ihnen auch nicht versprochen. Aber ?berhaupt, ein verheirateter Mann ist in zwei F?llen nicht zum Bett geneigt: Entweder hat ihn die Ehefrau so verzaubert, dass es ihn nicht zu anderen Frauen zieht, oder sie hat ihn so sehr abgestumpft, dass er daran den Geschmack verloren hat. Mit welcher dieser M?glichkeiten haben wir es in unserem Fall zu tun?

ER: (Br?sk.) Ich habe Sie, scheint es, gebeten, mein privates Leben nicht zu ber?hren. Kein Wort ?ber meine Frau. Und ?berhaupt, nicht ?ber mich zu reden.

SIE: Wor?ber dann?

ER: ?ber was Sie wollen, nur nicht ?ber mich.

SIE: Aber ich m?chte gerade nur ?ber Sie reden.

ER: Wozu brauchen Sie das?

SIE: Das brauchen SIE. SIE sind ungl?cklich. Sie haben niemanden, um die Seele auszusch?tten.

ER: Ich bin v?llig in Ordnung.

SIE: Und Sie f?rchten mich.

ER: Ich Sie?

SIE: Ja, Sie f?rchten sich mir nachzugeben, aber noch mehr f?rchten Sie sich, mich zu verlassen, zur?ckzukehren in Ihr Zimmer und mit sich und Ihrer Schlaflosigkeit alleine zu bleiben. Gerade deshalb sitzen Sie mit mir und bieten mir Champagner an, obwohl Sie mich in Ihrer Seele verachten. Verachten und wollen. So ist es doch?

ER: Quatsch.

SIE: Das ist die Wahrheit.

ER: Nein, Sie irren sich.

SIE: Sie verachten nicht, sondern wollen nur?

ER: Nein.

SIE: Sie wollen nicht, sondern verachten nur?

ER: Sie k?nnen erstaunlich leicht reizen und sich an jedes Wort klammern.

SIE: Ich klammere, weil ich Sie angeln will. Ist das denn nicht verst?ndlich?

ER: Und das geben Sie zu?

SIE: Habe ich das etwa verheimlicht? Ich habe Sie doch von Anfang an darin best?tigt. Aber Sie f?rchten mich, warum auch immer.

ER: Ich f?rchte nichts. Mir wird es einfach unangenehm sein, morgens mit einer unbekannten Frau aufzuwachen.

SIE: Und nicht zu wissen, wie Sie sie loswerden.

ER: Das habe ich nicht gesagt.

SIE: Nur gedacht.

ER: (Br?sk.) Ich will Sie nicht beleidigen, aber ich bin gezwungen zum zehnten Mal zu wiederholen ich bin keiner von denen, die Vergn?gen an stundenweise zahlbarer Liebe finden. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich kann mich nicht selbst ver?ndern.

SIE: Das muss auch nicht sein. Sie gefallen mir genau so.

ER: (Nimmt den Geldbeutel, holt einige Scheine heraus und legt sie auf den Tisch.) Hier, nehmen Sie!

SIE: Was ist das?

ER: Die Bezahlung f?r die von Ihnen verbrachte Zeit. Sie mussten Geld verdienen, ich bin bereit zu bezahlen. Unter der Bedingung, dass Sie mich in Ruhe lassen.

SIE: Wir besprechen dieses Gesch?ft sp?ter.

ER: Nein, jetzt. Wenn es wenig ist, dann bin ich bereit, noch daraufzulegen. (?ffnet wieder den Geldbeutel.)

SIE: Ich bin gewohnt, Geld auf ehrliche Weise zu verdienen, und keine Almosen zu bekommen.

ER: Indem Sie mich unterhielten haben Sie das ehrlicher verdient, als ?blich. Ich verheimliche nicht, dass meine Stimmung schlecht war, Sie haben ein bisschen geholfen, mich abzulenken. Aber jetzt basta. Nehmen Sie und gehen Sie!

SIE: (Gekr?nkt, mit echter Entt?uschung.) Ich sehe ein, ich missfalle Ihnen tats?chlich sehr. (Schweigt.) Oder vielleicht umgekehrt, Sie zieht es stark zu mir? Ich werde wohl, um mich zu tr?sten, bei der zweiten Variante bleiben.

ER: Gehen Sie mit Gott!

SIE: Warum vertreiben Sie mich?

ER: Weil es mir zu scheinen beginnt, dass ich mich mehr als n?tig f?r Sie interessiere.

SIE: Und Sie wissen immer, wie viel Sie sich erlauben k?nnen?

ER: Versteht sich. Wie sagt man, trink, aber betrink dich nicht, liebe, aber verlieb dich nicht.

SIE: Ihnen muss man eine Eins f?r Verhalten geben.

ER: Vollkommen richtig. Nehmen Sie das Geld!

SIE: Wenn ich es nehme, dann nur am Morgen.

ER: Ich bewundere Ihre Hartn?ckigkeit.

SIE: Und ich Ihren unbeugsamen Charakter.

ER: Sie haben sich sehr bem?ht, aber verloren.

SIE: Dann haben wir beide verloren.

ER: Kann sein. Und jetzt gehen Sie!

SIE: ?berhaupt, ich sitze an meinem Tisch.

ER: Richtig. Verzeihen Sie.

Er steht entschlossen auf, geht zu seinem Tisch zur?ck, steckt das Dokument in die Aktentasche und macht sich auf, zu gehen. Sie steht auf und geht zu seinem Tisch.

SIE: Verzeihen Sie, ist hier frei?

ER: (Gereizt.) Frei. Der ganze Tisch ist frei, denn ich habe mein Abendessen beendet und gehe jetzt.

SIE: Das hei?t, ich kann mich solange setzen?

ER: Wie Sie wollen. (Siesetztsich.) Nun, was wollen Sie noch?

SIE: Ein paar Worte zum Abschied sagen. Setzen Sie sich. Ich halte Sie nicht auf.

ER: (Setzt sich.) Nun?

SIE: Wissen Sie, warum ich vor einer Stunde zu Ihnen kam?

ER: Ich kann?s mir denken.

SIE: Nein, Sie erraten es nicht.

ER: Nun, dann sagen Sie?s.

SIE: Ich sa? lange nicht weit entfernt und beobachtete Sie. Und Sie sahen nicht ein einziges Mal zu mir. Aber ich bin nicht beleidigt weshalb sollten Sie zu mir schauen? Und so sa? ich und sa? und dachte pl?tzlich Sie gehen jetzt weg, und ich sehe Sie nie, nie mehr wieder. Und ich stellte mir vor, wie Sie alleine in Ihr kahles, ungem?tliches Zimmer hinaufgehen und begriff, dass wenn Sie weggehen, ich Ihnen mit nichts mehr helfen kann. Und dann stand ich pl?tzlich auf und ging zu Ihnen hin, auf nichts spekulierend und nichts planend. Ich ging einfach hin.

ER: (Erstaunt von dem unerwarteten Bekenntnis, schweigt lange, unschl?ssig, wie er darauf reagieren soll.) Ich wei? nicht, was ich auf Ihre Worte sagen soll.

SIE: Sie brauchen auch nichts zu sagen. Vergessen Sie sie, und Schluss damit.

ER: Geben Sie zu, dass Sie das alles eben erst ausgedacht haben.

SIE: Kann sein. Aber ich gestehe nicht.

ER: Ich bin sicher, dass es ausgedacht ist, aber es ist trotzdem angenehm.

SIE: Nun denn, in diesem angenehmen Ton beenden wir auch unsere nicht zustande gekommene Bekanntschaft. (Steht auf.)

ER: Sie sind eine seltsame Frau.

SIE: Danke f?r das Kompliment. Ich bem?he mich, es zu verdienen.

ER: Klug, gebildet, gut erzogen Und dabei Nein, wirklich, sehr seltsam.

SIE: Ist es denn schlecht, seltsam zu sein?

ER: Nun, nicht in diesem Ma?.

SIE: Lieber so eine sein, wie alle?

ER: Wahrscheinlich.

SIE: Aber normal zu sein ist so langweilig! Aber wenn Sie Langeweile lieben, langweilen Sie sich weiter.

Sie geht zu ihrem Tisch zur?ck. Er folgt ihr nach einigem Schwanken nach.

ER: (Unentschlossen.) Wissen Sie, was ich mir ?berlegt habe Vielleicht gehen wir wirklich zu mir ins Zimmer?

SIE: Weshalb? Sie sind doch ein Muster an Moral.

ER: Wir trinken dort Kaffee.

SIE: (Auf ihre Tasse zeigend.) Kaffee serviert man auch hier.

ER: Nun, dann nicht Kaffe, sondern etwas anderes.

SIE: (Leicht am?siert.) Champagner?

ER: Warum auch nicht?

SIE: Sie haben doch selbst gesagt, dass ich nicht mit ihm rechnen solle.

ER: Trotzdem bekommen Sie ihn. Das Restaurant schlie?t bald. So oder so, Zeit zu gehen.

SIE: Gehen Sie!

ER: Und Sie?

SIE: Ich bleibe.

ER: Warum?

SIE: Sie brauchen mich doch nicht einmal umsonst. So haben Sie doch gesagt?

ER: Warum umsonst? Ich bin bereit zu zahlen.

SIE: Und Sie, bei allen Ihren Prinzipien, werden mit einer k?uflichen Frau Sex haben?

ER: Wir sind letztendlich nicht verpflichtet, Sex zu haben.

SIE: Und wozu bitten Sie mich dann in Ihr Zimmer?

ER: Nun, einfach reden. Sie sind eine interessante Gespr?chspartnerin Kennen viele Gedichte

SIE: Sie bringen mich zum Lachen. Seinen Sie ehrlich mit sich selbst.

ER: Nun gut, wir wissen beide, um was es geht. Was weiter?

SIE: Ich gehe nirgendwo hin mit Ihnen.

ER: Aber Sie haben doch selbst vorher vorgeschlagen

SIE: Daran erinnere ich mich nicht. Und selbst wenn ich es vorgeschlagen habe, dann h?tten Sie zusagen m?ssen. Aber jetzt habe ich es mir anders ?berlegt.

ER: Sie spielen mit mir Katz und Maus.




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Das Buch enthält 7 Werke verschiedener Genres des russischen Dramatikers Valentin Krasnogorov. Er hat über 40 Stücke geschrieben, die erfolgreich in 500 professionellen Theatern aufgeführt wurden. Нerausragende Regisseure arbeiteten an den Produktionen seiner Stücke. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs Stücke leicht Grenzen überschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgenössischen Stücken gehören". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen übersetzt und in verschiedenen Ländern aufgeführt wurden. Er erhielt Preise bei ausländischen Theaterfestivals, darunter den "Preis für das beste Drama" und den "Publikumspreis". Valentin Krasnogorov ist der Gründer der russischen Dramatiker Gild.

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