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Erweckt
Morgan Rice


Weg der Vampire #9
In ERWECKT (Band 9 im Weg der Vampire) stellt die 16jährige Scarlet Paine fest, dass sie sich auf mysteriöse Weise verändert. Sie wird lichtempfindlich, hört die Gedanken anderer und ist schneller und stärker als je zuvor. Sie versteht nicht, was mit ihr geschieht und versucht, es zu ignorieren. Doch sie kann es nicht auf ewig beiseite schieben. Caitlin Paine, ihre Mutter, weiß nur zu gut, was mit ihrer Tochter geschieht. Sie selbst durchlebte einst die gleiche Verwandlung in einen Vampir, Jahrhunderte zuvor. Doch nun, in der heutigen Zeit, als einfacher Mensch, hat sie keine Erinnerung daran. Alles, was sie hat, ist das Tagebuch, das sie am Dachboden fand – ihr rätselhaftes Vampirtagebuch – das ihr von ihren Abenteuern an anderen Zeiten und Orten erzählt und davon, wie die Art der Vampire ausgelöscht wurde. Doch gab es eine Ausnahme dieser Regel? Kann es sein, dass Scarlet, ihre Tochter, der letzte verbleibende Vampir auf Erden ist? Während Scarlet dagegen ankämpft, worin sie sich verwandelt, versucht sie auch, gegen ihre intensiven Gefühle für Blake anzukämpfen, einen Jungen in ihrer Klasse, in den sie sich verguckt hat. Sie kann jedoch nicht sagen, ob er ihre Gefühle erwidert, und mit dem großen bevorstehenden Halloween-Ball nur wenige Tage entfernt, steigt der Druck. Sie würde alles tun, damit Blake sie fragt, mit ihm zu gehen. Doch Vivian, das Fieseste der beliebten Mädchen, ist ebenfalls auf Blakes Radar, und sie würde alles tun, um Blake für sich zu gewinnen – und um Scarlet das Leben zur Hölle zu machen. Zum Glück hat Scarlet ihren eigenen Freundeskreis, der hinter ihr steht, einschließlich ihrer besten Freundinnen Maria und Jasmin. Auch sie haben Probleme mit Jungs – doch erst, als Sage auftaucht, der geheimnisvolle Neue, werden ihre Freundinnen versessen. Auch Scarlet fühlt sich zu ihm hingezogen – und ist überrascht, als sie, von allen Mädchen an der Schule, diejenige ist, der er seine Aufmerksamkeit schenkt. Doch ihre Gedanken drehen sich um Blake, zumindest jetzt noch, und sie hofft weiterhin darauf, dass er sie zum Ball bittet. Gerade, als es scheint, als würde Scarlet wissen, was sie will, verändert sich ihr Körper. Bald schon könnte es ihr unmöglich sein, sich in der Nähe anderer Menschen aufzuhalten. Bald schon kann es sein, dass sie sich entscheiden muss zwischen ihrem Wunsch, zu leben, und ihrem Wunsch, zu lieben.





Morgan Rice

Erweckt (Band #9 Der Weg Der Vampire)





Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Christa Keussen




Ausgewählte Kommentare zu DER WEG DER VAMPIRE



„Rice leistet gute Arbeit, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen, mit wunderbaren Beschreibungen, die über das reine Zeichnen des Hintergrundes hinausgehen....schön geschrieben und extrem schnell zu lesen.“

    --Black Lagoon Reviews (über Turned – Gewandelt)



„Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice leistet gute Arbeit, eine interessante Wendung herauszuarbeiten…erfrischend und ungewöhnlich. Die Serie dreht sich um ein Mädchen…ein außergewöhnliches Mädchen!…Einfach zu lesen, doch extrem rasant… Bedingt jugendfrei.“

    --The Romance Reviews (über Turned – Gewandelt)



„Packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht locker… diese Geschichte ist ein fantastisches Abenteuer, von Beginn an rasant und actionreich. Es ist kein langweiliger Moment zu finden.“

    --Paranormal Romance Guild {über Turned- Gewandelt}



„Vollgepackt mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Lasst es euch nicht entgehen, und verliebt euch ganz von Neuem.“

    --vampirebooksite.com (über Turned – Gewandelt)



„Eine tolle Geschichte, und vor allem die Art von Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende war ein Cliffhanger, der so spektakulär war, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte, nur um herauszufinden, wie es weitergeht.“

    --The Dallas Examiner {über Loved – Vergöttert}



„Ein Buch, das TWILIGHT und VAMPIRE DIARIES Konkurrenz macht, und dazu führen wird, dass man bis zur letzten Seite nicht genug davon bekommt! Wer Abenteuer, Liebe und Vampire mag, liegt mit diesem Buch genau richtig!“

    --vampirebooksite.com (über Turned – Gewandelt)



„Morgan Rice erweist sich erneut als äußerst talentiert im Geschichtenerzählen…Dies wird eine große Bandbreite an Lesern ansprechen, darunter die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Das Ende ist ein unerwarteter Cliffhanger, der Sie schockieren wird.“

    --The Romance Reviews (über Loved – Vergöttert)



Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1-Bestseller DER WEG DER VAMPIRE, eine bisher elf Teile umfassende Jugend-Serie, die großteils bereits auf Deutsch erschienen ist; die Nr. 1-Bestseller-Serie THE SURVIVAL TRILOGY, ein postapokalyptischer Thriller, der aus bisher zwei Bänden besteht; und die epische Nr. 1-Bestseller-Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die bisher aus dreizehn Bänden besteht und großteils bereits auf Deutsch erhältlich ist.

Morgans Bücher sind als Hörbuch und gedruckte Ausgaben erschienen, und Übersetzungen der Bücher sind auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Spanisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch erschienen (mit weiteren Sprachen in Arbeit).

Sämtliche Bücher von Morgan Rice werden demnächst in deutscher Sprache erhältlich sein.

Bitte besuchen Sie auch www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/), wo Sie sich in die E-Mail-Liste eintragen, ein Gratis-Buch und andere kleine Geschenke erhalten, die Gratis-App herunterladen, exclusiv aktuelle Neuigkeiten erfahren, sowie über Facebook und Twitter Kontakt halten können. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!



Bücher von Morgan Rice

DER RING DER ZAUBEREI

QUESTE DER HELDEN (Band #1)

MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)

LOS DER DRACHEN (Band #3)

RUF NACH EHRE (Band #4)

SCHWUR DES RUHMS (Band #5)

ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)

A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)

A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)

A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)

A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)

demnächst auf Deutsch erhältlich

A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)

A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)

A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)



DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS

ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)

ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)



DER WEG DER VAMPIRE

GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)

VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)

VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)

BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)

BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)

BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)

VOWED – GELOBT (Band #7)

FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)

RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)

demnächst auf Deutsch erhältlich

CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)

FATED  – BERUFEN (Band #11)














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Copyright © 2014 by Morgan Rice

Alle Rechte vorbehalten. Außer entsprechend den Ausnahmen der U.S. Coryright Act von 1976 darf kein Teil dieser Veröffentlichung kopiert, vertrieben oder in irgendeiner Form oder durch irgendwelche Mittel übertragen werden, auch nicht in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne die vorherige Erlaubnis des Autors.

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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Fantasie des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.


“Wer liebte je, und nicht beim ersten Blick?”

    —William Shakespeare
    Aus der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel






KAPITEL EINS


Rhinebeck, New York (Hudson Valley)

Heute



Caitlin Paine saß erschöpft in ihrem Wohnzimmer, die Augen wund vom Weinen, starrte auf den blutroten Sonnenuntergang und hörte kaum auf die Polizisten, die ihr Zimmer füllten. Sie war wie betäubt. Sie warf langsam einen Blick durch ihr Zimmer und sah, dass er gefüllt war mit Menschen – zu viele Menschen.

Die Polizeibeamten, lokale Cops, liefen durch ihr Zimmer, einige saßen, andere standen, mehrere hielten eine Tasse Kaffee in der Hand. Sie saßen da mit ihren grimmigen Gesichtern, aufgereiht auf der Couch, auf Stühlen, gegenüber von ihr und stellten ihr unzählige Fragen. Sie waren schon seit Stunden hier.  Jeder hier in dieser kleinen Stadt kannte einander, und dies waren Menschen, mit denen sie aufgewachsen war, die sie im Supermarkt getroffen hatte, und in kleinen Geschäften gegrüßt hatte. Sie konnte kaum glauben, dass sie da waren. In ihrem Haus. Es war wie etwas aus einem Alptraum.

Es war surreal. Es war alles so schnell geschehen, ihr Leben hatte sich so leicht auf den Kopf gestellt, dass sie es kaum registriert hatte. Sie versuchte nach etwas normalen zu greifen, irgendeine Routine, die ihr Halt gab und ihr half, sich wohler zu fühlen – aber alles schien ihr zu entgleiten. Normal gab es nicht mehr.

Caitlin fühlte eine beruhigende Hand, die ihre drückte und sah hinüber und sah Caleb, der neben ihr saß, sein Gesicht bleich vor Sorge. Auf dem gepolsterten Stuhl neben ihnen saßen Sam und Polly, ebenfalls mit vor Sorge verzogenen Gesichtern. Das Wohnzimmer war voll – viel zu voll für Caitlins Geschmack. Sie wollte, dass jeder in ihm verschwinden möge, dass alles so wurde, wie es am Tag zuvor gewesen war. Scarlets sechzehnter Geburtstag, jeder von Ihnen am Tisch sitzend, Kuchen essend, lachend. Sich fühlen, als wäre auf dieser Welt alles perfekt, als wenn sich nie etwas ändern würde.

Caitlin dachte an die Nacht davor, an ihre Mitternachtsgedanken, an ihre Wünsche, dass ihre Welt, ihr Leben, mehr als nur normal wären. Nun bereute sie es. Sie würde alles dafür geben, das Normale zurück zu bekommen.

Es war wie ein Wirbelwind gewesen, seitdem sie von ihrer schrecklichen Begegnung mit Aiden nach Hause gekommen war. Nachdem Scarlet aus dem Haus gestürzt war, war Caitlin hinter ihr hergerannt und hatte sie runter in die Seitenstraßen gejagt. Caleb hatte sich von seinem Schlag erholt und hatte sie eingeholt, und die beiden waren durch ihr kleines Dorf gerannt, wie verrückte Leute, in dem Versuch, ihre Tochter zu fangen.

Aber es hatte nichts genützt. Sie waren bald außer Atem gewesen und Scarlet war komplett von der Bildfläche verschwunden. Sie war so schnell gerannt und in einem Satz über eine 2 m große Hecke gesprungen, ohne auch nur langsamer zu werden. Caleb hatte sich sehr gewundert, aber Caitlin nicht: sie wusste, was Scarlet war. Sie wusste, dass, auch wenn sie schnell rannte, es eine sinnlose Anstrengung war, da Scarlett mit Lichtgeschwindigkeit rennen konnte, über alles springen konnte, und dass sie sie innerhalb von wenigen Momenten komplett verloren hätten, außer Sicht.



Und sie war es. Sie rannten zurück zu ihrem Haus, sprangen ins Auto, rasten durch die Straßen in verzweifelter Suche. Aber Caitlin wusste, selbst als Caleb die Stoppschilder überfuhr, jede Kurve hart nahm, dass sie keine Chance hätten. Sie würden sie nicht fangen. Scarlet, das wusste sie, war schon lange weg.

Nach Stunden endlich, hatte Caitlin genug gehabt und darauf bestanden, nach Hause zu fahren und die Polizei zu rufen.

Nun waren sie hier, Stunden später, fast um Mitternacht. Scarlet war nicht zurückgekommen und der Polizei war es nicht möglich gewesen, sie zu finden. Glücklicherweise war es eine kleine Stadt, in der nichts anderes passiert war, und sie hatten alle verfügbaren Wagen losschicken können, um sofort nach ihr zu suchen, und sie suchten immer noch. Der Rest der Einheit – drei Beamte, saßen ihnen gegenüber, zusammen mit den drei Beamten, die herum standen – fragten sie aus, Frage über Frage.

“Caitlin?”

Caitlin riss sich los. Sie drehte sich um und sah das Gesicht des Beamten, der ihr auf der Couch gegenüber von ihr saß. Ed Hardy. Er war ein guter Mann, hatte eine Tochter in Scarlets Alter, in ihrer Klasse. Er sah sie mit einer Mischung aus Sympathie und Sorge an. Sie wusste, er fühlte ihren Schmerz als Elternteil und dass er sein Bestes tun würde.

“Ich weiß, dass es hart ist” sagte er. “Aber wir haben noch ein paar Fragen. Wir müssen wirklich alles wissen, wenn wir Scarlett finden wollen.”

Caitlin nickte zurück. Sie versuchte, sich zu konzentrieren.

“Es tut mir leid”, sagte sie. “Was müssen Sie noch wissen?”

Officer Hardy räusperte sich, sah von Caitlin zu Caleb und dann wieder zu ihr. Er schien nur ungern mit seiner nächsten Frage fortzufahren.

“Ich hasse es, Sie dies fragen zu müssen, aber hatten Sie in den letzten Tagen Streit mit Ihrer Tochter?”

Caitlin sah ihn verwirrt an.

“Streit?” fragte sie.

“Irgendwelche Meinungsverschiedenheiten? Irgendwelche Kämpfe? Irgendwelche Gründe, warum sie weg wollte?”

Dann verstand Caitlin: Er fragte sie, ob Scarlet weggelaufen wäre. Er hatte immer noch nicht verstanden.

Sie schüttelte heftig ihren Kopf.

“Es gab keinen Grund, warum sie hätte weglaufen wollen. Wir haben nie gestritten. Niemals. Wir lieben Scarlet und Scarlet liebt uns. Sie ist kein Typ für Auseinandersetzungen. Sie ist kein Rebell. Sie würde nicht weglaufen. Verstehen Sie das nicht? Darum geht es hier nicht. Haben Sie irgendetwas von dem gehört, was wir Ihnen gesagt haben? Sie ist krank! Sie braucht Hilfe!”

Officer Hardy schaute zu seinen Kollegen, die skeptisch zurückblickten.

“Es tut mir leid, dass ich das gefragt habe”, fuhr er fort. “Aber Sie müssen verstehen, dass wir ständig solche Anrufe wie diesen erhalten. Jugendliche rennen weg. Das ist, was sie tun. Sie sind sauer auf ihre Eltern. Und in 99% der Fälle kommen sie zurück. Normalerweise ein paar Stunden später. Manchmal nach einem Tag oder zwei. Sie fallen in das Haus eines Freundes ein. Sie wollen einfach nur weg von ihren Leuten. Und normalerweise geht dem ein Streit voraus.”

“Es gab keinen Streit”, mischte sich Caleb mit Nachdruck ein. “Scarlet war so glücklich, wie sie nur sein konnte. Wir haben gestern ihren sechzehnten Geburtstag gefeiert. Wie Caitlin schon gesagt hat, sie ist nicht so eine Art Mädchen.”

“Ich habe immer noch das Gefühl, dass Sie nicht einem Wort, was wir gesagt haben, zugehört haben”, fügte Caitlin hinzu. “Wir haben Ihnen gesagt, Scarlet war krank. Sie wurde früher von der Schule nach Hause geschickt. Sie hatte… ich weiß nicht was. Krämpfe… vielleicht Anfälle. Sie sprang aus ihrem Bett und rannte aus dem Haus. Dies ist kein Fall von weglaufen. Es ist ein krankes Kind, das medizinische Hilfe braucht.”

Officer Hardy schaute erneut zu seinen Kollegen, die immer noch skeptisch aussahen.

“Es tut mir leid, aber was Sie uns hier erzählen, macht überhaupt keinen Sinn. Wenn Sie krank war, wie konnte sie dann aus dem Haus rennen?”

“Sie haben gesagt, Sie hätten sie gejagt”, mischte sich ein anderer Beamter ein, harscher. “Wie konnte sie Ihnen beiden davonlaufen? Besonders, wenn sie krank war?”

Caleb schüttelte seinen Kopf und sah verwirrt an sich hinunter.

“Ich weiß es nicht”, sagte er. “Aber das ist, was passiert ist.”

“Es ist wahr. Jedes Wort davon ist wahr”, sagte Caitlin leise und reumütig.

Sie bekam das dumpfe Gefühl, dass diese Männer es nicht verstehen würden. Aber sie wusste, warum Scarlet in der Lage war, vor ihnen davon zu rennen; sie wusste warum sie in der Lage war, zu rennen, obwohl sie krank war. Sie kannte die Antwort – die eine, die alles erklären würde. Aber dies war die eine Antwort, die sie nicht geben konnte, die eine, die diese Männer niemals glauben würden. Sie war nicht von Krämpfen geschüttelt worden, sondern von Hunger Attacken. Scarlet war nicht gerannt, sie hatte gejagt. Und der Grund dafür war, dass ihre Tochter ein Vampir war.

Caitlin zuckte innerlich zusammen, sie brannte darauf, ihnen alles zu sagen, aber sie wusste dass dies eine Antwort war, die die Männer nicht hören könnten. Anstatt diese Antwort also zu geben, starrte sie stattdessen einfach stolz aus dem Fenster, hoffend, betend, Scarlet würde zurückkommen.  Dass es ihr vielleicht besser gehen würde. Dass sie nicht gespeist hätte. Sie hoffte, dass diese Männer gehen würden und sie alleine lassen. Sie wusste, dass sie ohnehin nutzlos waren. Sie zu rufen war ein Fehler gewesen.

“Ich hasse es, dies zu sagen”, sagte der dritte Beamte, “aber was Sie beschreiben…Ihre Tochter kommt von der Schule nach Hause, hat Krämpfe, bekommt einen Adrenalinrausch, flieht aus der Tür…. Ich hasse wirklich, es sagen zu müssen, aber es klingt nach Drogen. Vielleicht Kokain. Oder Meth. Es klingt, als wäre sie von irgendetwas high. Als wenn sie einen schlechten Trip gehabt hätte. Und einen Adrenalinkick.

“Sie wissen nicht, worüber Sie reden”, schnauzte Caleb ihn an. “Scarlet ist nicht so eine Art Mädchen. Sie hatte niemals etwas mit Drogen zu tun.”

Die drei Beamten schauten sich gegenseitig an, skeptisch.

“Ich weiß, dass es hart für Sie ist, dies zu hören”, sagte Officer Hardy leise, “für die meisten Eltern ist es schwer, das zu hören. Aber unsere Kinder führen ein Leben, über das wir nichts wissen. Sie wissen nicht, was sie im Geheimen macht, mit ihren Freunden.”

“Hat sie in letzter Zeit neue Freunde mitgebracht?” fragte ein anderer Beamter.

Plötzlich verhärtete sich Calebs Gesicht.

“Eigentlich, letzte Nacht”, sagte er, mit Ärger in seiner Stimme. “da brachte sie ihren neuen Freund mit, Blake. Sie gingen zusammen ins Kino.”

Die drei Polizisten sahen sich mit einem wissenden Blick an.

“Glauben Sie, das ist es?” fragte Caleb. “Denken Sie, dass das Kind ihr Drogen aufdrängt?” Als Caleb dies fragte, begann er selbstsicherer zu klingen, optimistisch in der Hoffnung, die Antwort gefunden zu haben, die alles erklären würde.

Caitlin saß schweigend da, sie wollte nur, dass dies alles ein Ende hätte. Sie brannte darauf, ihnen allen den wirklichen Grund zu nennen. Aber sie wusste, das würde zu nichts gutem führen.

“Was ist sein Nachname?” fragte einer der Beamten.

“Ich habe keine Ahnung.” Caleb drehte sich zu Caitlin und sah sie an. “Weißt Du es?”

Caitlin schüttelte ihren Kopf und drehte sich zu Sam und Polly. “Wisst Ihr es?”

Sie schüttelten ihre Köpfe.

“Vielleicht kann ich es herausfinden”, sagte Polly. “Wenn sie bei Facebook befreundet sind…”, begann Polly, dann nahm sie ihr Handy heraus und begann zu tippen. “Ich bin mit Scarlet auf Facebook befreundet. Ich weiß nicht, wie ihre Einstellungen sind, aber vielleicht kann ich ihre anderen Freunde sehen. Und falls sie mit ihm befreundet ist….”

Polly tippte und ihre Augen leuchteten auf.

“Hier! Blake Robertson. Ja, das ist er!”

Die Polizisten lehnten sich herüber und Polly hielt ihnen ihr Handy entgegen. Sie nahmen es, gaben es von einem zum anderen, sahen sich genau sein Gesicht an und schrieben sich seinen Namen auf.

“Wir sprechen mit ihm”, sagte Officer Hardy, als er Polly ihr Handy zurückgab. “Vielleicht weiß er etwas.”

“Was ist mit Scarlets anderen Freunden?” fragte ein anderer Beamter. “Haben Sie diese bereits kontaktiert?”

Caitlin sah Caleb verständnislos an, realisierend, dass sie zu benommen gewesen war.

“Ich habe nicht daran gedacht”, sagte Caitlin. “Der Gedanke kam mir nicht. Sie ist ja nicht zu einem Freund gegangen. Sie war krank. Es war nicht so, als ob sie ein Ziel gehabt hätte.”

“Tun Sie es”, sagte ein Beamter. “Kontaktieren Sie sie alle. Es ist die beste Möglichkeit zu beginnen.”

“Ich muss sagen, nach allem, was ich gehört habe”, schloss Officer Hardy ab, bereits dabei seine Sachen zusammen suchend, “klingt es nach Drogen. Ich denke, Bob hat Recht. Klingt nach einem schlechten Trip. In der Zwischenzeit patrouillieren wir auf der Straße. Die beste Sache, die Sie zwei tun können, ist hier zu bleiben. Warten Sie auf sie. Sie kommt zurück.”

Die Beamten sahen sich an und standen dann alle zusammen auf. Caitlin konnte sehen, dass sie ungeduldig weg wollten.

Caleb, Sam und Polly standen auf, und langsam stand auch Caitlin auf, mit einem wackligen Gefühl in den Knien. Als sie ihre Hände schüttelte, als sie sich alle auf den Weg machten, überkam sie plötzlich etwas. Sie konnte nicht länger schweigen. Sie konnte den brennenden Wunsch in ihr, diesen Menschen zu sagen was sie wusste, nicht länger zurückhalten. Sie musste ihnen sagen, dass sie in die falsche Richtung dachten.

“Was ist, wenn es etwas anderes ist?” rief Caitlin plötzlich, als die Beamten gerade gehen wollten.

Sie alle stoppten in der Bewegung, als sie dabei waren, ihre Mäntel anzuziehen und drehten sich zu ihr um.

“Was meinen Sie?” fragte Officer Hardy.

Caitlin, mit schlagendem Herzen in der Brust, räusperte sich. Sie wusste, sie sollte es ihnen nicht sagen; sie würde nur verrückt wirken. Aber sie konnte es nicht länger zurückhalten.

“Was ist, wenn meine Tochter besessen ist?” fragte sie.

Sie alle standen da und starrten sie an, als wäre sie total verrückt.

“Besessen?” fragte einer von ihnen.

“Was ist, wenn sie nicht mehr länger sie selbst ist?”, fragte Caitlin. “Was wäre, wenn sie sich verwandelt hätte? In etwas anders?”

Eine dichte, undurchdringliche Stille füllte den Raum und Caitlin fühlte, dass jeder, inklusive Caleb, Sam und Polly, sie anstarrten. Ihre Wangen wurden vor Verlegenheit rot. Aber sie konnte nicht aufhören. Nicht jetzt. Sie musste sich nach vorne stürzen. Und sie wusste, gerade, als sie es getan hatte, dass dies ein Wendepunkt sein würde, der Moment, in dem die ganze Stadt sie nicht mehr als normale Person wahrnehmen würde, in dem sich ihr Leben für immer ändern würde.

“Was ist, wenn meine Tochter ein Vampir geworden ist?”




KAPITEL ZWEI


Nachdem Caleb die Polizisten hinaus gebracht hatte, schloss er die Tür und marschierte zurück in den Raum und sah Caitlin finster an. Sie hatte noch nie gesehen, dass er sie so wütend anschaute und ihr Herz sank. Sie fühlte sich, als würde ihr ganzes Leben vor ihren Augen entwirrt werden.

“Du kannst sowas nicht in der Öffentlichkeit sagen!” blaffte er sie an. “Du klingst wie eine Verrückte! Die denken noch, dass wir alle verrückt sind. Sie werden uns nicht ernst nehmen.”

“Ich bin NICHT verrückt!”, blaffte Caitlin zurück. “Und Du solltest auf meiner Seite sein, nicht auf ihrer, und hör auf so zu tun, als sei alles normal. Du warst mit mir in diesem Raum. Du weißt, was Du gesehen hast. Scarlet hat Dich durch den Raum geworfen. Würden Krämpfe so etwas auslösen? Eine Krankheit?”

“Also was willst Du damit sagen?”, erwiderte Caleb, seine Stimme stieg an. “Das bedeutet, sie ist ein Monster? Ein Vampir? Das ist lächerlich. Du klingst, als hättest Du den Kontakt zur Wirklichkeit verloren.”

Caitlins Stimme ging ebenfalls hoch. “Also, wie erklärst Du dir das?”

“Es gibt eine Menge Erklärungen”, sagte er.

“Wie welche?”

“Vielleicht hat es etwas mit ihrer Krankheit zu tun. Oder vielleicht, wie sie gesagt haben, war es eine Art von Drogen. Vielleicht dieser Junge, Blake—”

“Das ist lächerlich”, spuckte Caitlin aus. “Blake ist ein guter Junge. Er ist kein Drogendealer. Und nebenbei, Du hast gesehen, wie sie uns davongelaufen ist. Wir hatten noch nicht einmal eine Chance. Das war nicht normal. Tu nicht so, als hättest Du nicht gesehen, was Du gesehen hast.”

“Das höre ich mir nicht weiter an”, sagte Caleb.

Er drehte sich um und marschierte durch den Raum, zog seinen Armeemantel vom Haken, legte ihn an und zog den Reisverschluss schnell hoch.

“Wo gehst Du hin?” fragte Caitlin.

“Ich werde sie finden. Ich kann hier nicht nur rumsitzen. Es macht mich verrückt. Ich muss nach ihr suchen.”

“Die Polizisten sagte, der beste Platz wäre hier. Was ist, wenn sie nach Hause kommt, währen Du dort draußen bist?” fragte Caitlin.

“Dann kannst Du hierbleiben und mich anrufen”, blaffte Caleb. “Ich gehe jetzt raus.”

Mit diesen Worten ging er durch den Raum, öffnete die Tür und schlug sie hinter sich zu. Caitlin lauschte auf das Geräusch seiner Stiefel, die schnell die Verandatreppe hinab liefen, über den knirschenden Kies, dann hörte sie, wie er in sein Auto stieg und wegfuhr.

Caitlin hätte am liebsten geweint. Sie wollte nicht mit Caleb streiten—besonders jetzt. Aber sie musste ihn davon überzeugen, dass sie nicht den Kontakt zur Realität verloren hatte. Sie wusste, was sie gesehen hatte. Und sie wusste, dass es richtig war. Sie würde sich nicht von anderen überzeugen lassen, dass sie ihren Verstand verlor.

Caitlin drehte sich zu Sam und Polly um, die dort standen, sehr still, die Augen vor Überraschung weit geöffnet. Sie hatten Caitlin und Caleb nie zuvor streiten sehen. Caitlin selbst hatte sich noch nicht mit ihm streiten sehen—bis zu diesem Moment war ihre Beziehung nichts anderes als Harmonie gewesen. Sam und Polly sahen beide wie betäubt aus, sie hatten Angst zu stören. Sie schauten sie ebenfalls so an, als wäre sie ein bisschen verrückt, nicht ganz richtig im Kopf. Sie fragte sich, ob die beiden auf Calebs Seite standen.

“Ich fühle mich, als sollte ich vielleicht auch dort draußen suchen”, sagte Sam zögerlich. “Zwei Autos, die die Straßen absuchen sind besser als eins. Und hier bin ich ziemlich nutzlos. Ist das okay?” fragte er Caitlin.

Caitlin nickte ihm zu, ängstlich davor, ihren Mund zu öffnen, da sie sonst weinen würde. Sam hatte Recht; er würde hier im Haus nicht sehr nützlich sein. Und sie hatte Polly. Sam kam herüber und gab ihr eine schnelle Umarmung, dann drehte er sich um und ging.

“Ich habe mein Handy dabei”, sagte er, als er ging. “Ruf mich an, wenn Du was hörst.”

Sam schloss die Tür hinter sich und Polly kam herüber zu Caitlin und umarmte sie lange. Caitlin schloss sie ebenfalls in die Arme. Es fühlte sich so gut an, seine beste Freundin hier zu haben, an ihrer Seite. Sie wusste nicht, was sie ohne sie tun würde.

Die beiden saßen nebeneinander auf der Couch, als Caitlin sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Ihre Augen waren bereits rot und wund von all den Stunden des Weinens. Nun fühlte sie sich völlig leer.

“Es tut mir so leid”, sagte Polly. “Das ist ein Alptraum. Einfach schrecklich. Es gibt keine Worte dafür. Nichts davon macht irgendeinen Sinn. Ich weiß, dass Scarlet nichts mit Drogen zu tun hat. Das würde sie nie tun. Und Du hast Recht: Blake scheint ein guter Junge zu sein.”

Caitlin saß dort, aus dem Fenster in die aufkommende Nacht schauend und nickte verständnislos vor sich hin. Sie wollte reden, aber sie fühlte sich so wacklig an, dass sie Angst hatte, erneut in Tränen auszubrechen, wenn sie damit begann.

“Was denkst Du darüber, was die Polizei sagte?”, fragte Polly. “Kontakt zu ihren Freunden aufzunehmen? Denkst Du, dass es eine gute Idee ist?”

Als Polly dies sagte, fiel es Caitlin plötzlich wieder ein und ihr war klar, dass dies das Beste war, was sie machen konnte. Sie zerbrach sich ihren Kopf, wie sie mit ihren Freunden in Kontakt treten sollte.

Dann traf es sie: Scarlets Handy. Sie war hier rausgestürmt, ohne eine Pause, in der sie es hätte mitnehmen können. Ihr Handy musste noch irgendwo im Haus sein. Vielleicht in ihrer Tasche. Wahrscheinlich in ihrem Schlafzimmer.

Caitlin sprang von der Couch.

“Du hast Recht”, sagte sie. “Ihr Handy. Es muss in ihrem Schlafzimmer sein.”

Caitlin rannte durch den Raum und die Treppen hinauf, Polly und Ruth auf den Fersen.

Sie eilte in Scarlets Schlafzimmer, sah die umgedrehten Kissen und Bettwäsche, sah die Dellen im Rigips, wo Caleb vorgeworfen wurde, wo ihr eigener Kopf aufgeschlagen war und erinnerte sich. Es brachte alles zurück und gab ihr das Gefühl, als wenn sie es wieder erleben würde. Es sah aus wie die Szene einer Katastrophe.

Caitlin fühlte eine Woge der Entschlossenheit, als sie sich durch das Zimmer wühlte. Sie durchwühlte das Chaos auf dem Schreibtisch, auf ihrer Kommode – dann sah sie ihre Tasche, die an einem Stuhl hing. Sie durchwühlte sie, sich dabei ein bisschen schuldig fühlend, und fühlte endlich ihr Handy in der Hand. Sie zog es heraus, siegreich.

“Du hast es gefunden!”, schrie Polly, und eilte hinüber.

Caitlin sah, dass der Akku noch hielt. Sie öffnete es, fühlte sich dabei schlecht zu spionieren, aber sie wusste, dass sie es tun musste. Sie kannte die Nummern von Scarlets Freunden nicht und hatte keine andere Wahl, um mit ihnen in Kontakt zu treten.

Sie tippte auf Scarlets Kontakte, und ging dann zu ihren Favoriten. Sie scrollte sich durch und sah dutzende Namen. Einige davon kannte sie, andere nicht.

“Wir sollten sie alle anrufen”, sagte Polly. “Einen nach dem anderen. Vielleicht weiß einer von ihnen etwas.”

Caitlin stand benommen da und fühlte sich plötzlich überfordert. Als sie den ersten Kontakt anrufen wollte, bemerkte sie, wie schlimm ihre Hände zitterten.

Polly bemerkte es auch, sie streckte ihre Hand aus und legte sie beruhigend auf Caitlins Handgelenk und sah sie an.

“Caitlin, Süße, Du stehst immer noch unter Schock. Lass mich diese Leute für Dich anrufen. Bitte. Es würde mir etwas zu tun geben. Setz Dich einfach hin und ruh Dich aus. Du bist durch die Hölle gegangen und Du hast alles getan, was Du tun konntest.”

Als Polly dies sagte, wusste Caitlin, dass sie Recht hatte. Sie war wirklich nicht bei Verstand. Sie sah auf das Telefon und, für einen Moment, hatte sie vergessen, was sie tun wollte. Sie streckte die Hand aus und gab das Handy an Polly.

Caitlin drehte sich um und ging aus dem Raum und in diesem Moment schon hörte sie Pollys Stimme durch die Luft klingen, die bereits jemanden erreicht hatte.

“Ist da Heather?” rief Polly. “Hier ist Polly Paine. Ich bin Scarlet Paines Tante. Es tut mir leid, wenn ich Dich störe, aber wir suchen Scarlet. Hast Du sie gesehen?”

Pollys Stimme verblasste, als Caitlin die Treppe runterging. Sie hielt sich am Geländer fest als sie ging, sie fühlte sich schwindelig, als würde die Welt unter ihren Füßen verschwimmen.

Schließlich erreichte sie das Wohnzimmer, ging zu einem großen, gepolsterten Stuhl und sank in ihn hinein. Dort saß sie, starrte aus dem Fenster und ihre Gedanken überschlugen sich. Trotz ihrer Bemühungen, blitzten Bilder durch ihren Kopf: Scarlet im Bett; schreiend; ihr knurren; wie sie Caleb geworfen hatte; wie sie aus dem Haus gestürmt war… War das alles passiert?

Als sie so da saß, konnte sie nicht umhin an ihr Treffen mit Aiden zu denken. Oder in seinen Worten, an ihr Tagebuch. War ihr Tagebuch Grund für all dies hier? Warum hatte sie zu dem dummen Dachboden gehen müssen? Warum hatte sie ihn besuchen müssen? Wenn sie es nicht getan hätte, wenn sie alles hinter sich gelassen hätte, wäre das alles hier auch passiert?

Sie dachte an Aidens Warnung, dass Scarlet den Vampirismus wieder auf die Welt loslassen würde.

Du musst sie stoppen.

Caitlin saß da, und wunderte sich. Was tat Scarlet jetzt da draußen? Ernährte sie sich von Menschen? Verwandelte sie sie in einen Vampir? Verbreitete sie sich gerade, sogar jetzt? Würde die Welt nie mehr dieselbe sein? War Caitlin verantwortlich?

Caitlin hätte am liebsten ihr Handy zur Hand genommen und Aiden angerufen. Ihn fertiggemacht. Verlangt, dass er ihr jetzt alles sagen sollte, jedes kleine Detail.

Aber sie konnte sich nicht überwinden. Sie griff nach ihrem Handy, aber irgendetwas in ihr stoppte sie. Sie dachte an Aidens letzte Worte und diese brachten ihr eine neue Welle Übelkeit. Sie liebte Scarlet mehr als ihr Leben und würde ihr nie schaden.

Als Caitlin dort saß, das Telefon haltend, aus dem Fenster starrend, Pollys gedämpfte Stimme von oben hörend, raste ihr Verstand. Ihre Augenlider wurden ihr schwer. Bevor sie sich versah, war sie eingeschlafen.


*

Caitlin wachte auf und fand sich allein in ihrem großen, leeren Haus. Die Welt war still. Sie saß dort, fragte sich, wohin alle gegangen waren, stand auf und durchquerte den Raum. Seltsamerweise waren alle Jalousien und Vorhänge zugezogen. Sie ging zu einem der Fenster und zog sie beiseite. Als sie nach draußen sah, sah sie die blutrote Sonne – aber die Zeit schien eine andere zu sein. Es sah nicht nach Sonnenuntergang, sondern nach Sonnenaufgang aus. Sie war verwirrt. Hatte sie die ganze Nacht geschlafen? War Scarlet nach Hause gekommen? Und wo waren alle hin?

Caitlin ging Richtung Eingangstür. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass Scarlet vielleicht dort war, auf sie wartend.

Sie zog langsam die schwere Tür auf und sah hinaus. Aber die Welt war absolut still. Es war nicht eine einzige Person auf der Straße, oder auch nur ein Auto in Sicht. Alles, was sie hören konnte, war der Klang eines einsamen Vogelgezwitschers. Sie sah hoch und sah, dass es ein Rabe war.

Caitlin hörte ein plötzliches Geräusch, drehte sich herum und ging zurück durch das Haus. Sie ging in die Küche, auf der Suche nach einem Zeichen von irgendwem. Sie hörte ein klopfen und ging zu dem Fenster an der hinteren Wand. Die Vorhänge waren auch hier sehr eng zugezogen, was seltsam war, da Caitlin sie immer offen ließ. Sie griff nach den Vorhängen und zog an der Schnur.

Als sie aufgingen, sprang sie erschrocken zurück. Draußen stehen, mit dem Gesicht zum Fenster war das blasse, weiße Gesicht eines Vampirs, mit einer Glatze, die Fänge ausgefahren und gegen das Glas beißend. Es fauchte und zischte, als er es mit seinen Händen griff und seine Handflächen gegen das Glas drückend. Caitlin konnte seine langen, gelben Fingernägel sehen.

Da war ein anderes, plötzliches Geräusch und Caitlin sah sich um und sah das Gesicht eines anderen Vampirs am seitlichen Fenster.

Dann hörte sie hinter sich das Geräusch von brechendem Glas, drehte sich um und sah in die andere Richtung ein anderes Gesicht. Dieses knallte seinen Kopf direkt gegen das Glas, sie dabei verspottend.

Plötzlich war das Haus erfüllt von dem Klang brechenden Glases. Caitlin rannte durch das Haus, und überall wo sie hinsah, waren die Wände anders, als sie sich erinnern konnte. Sie waren jetzt alle aus Glas gemacht und sie sah, dass alle Vorhänge zurückgezogen waren und die Fenster zerbrochen und Vampir nach Vampir steckte ihre Köpfe hindurch.

Caitlin rannte von Raum zu Raum, zur Eingangstür, in dem Versuch zu fliehen, als mehr und mehr Fenster zersplitterten.

Sie erreichte die Tür und riss sie auf – und blieb wie angewurzelt stehen.

Dort stand, sie anblickend, ein toter Ausdruck in den Augen, Scarlet. Sie starrte Caitlin an, sah mehr tot als lebendig aus, sehr weiß und mit einem grimmigen Ausdruck, der ausdrückte, dass sie töten wollte. Noch schockierender, hinter ihr stand eine Armee von Vampiren – tausende von denen. Alle wollten ihr folgen, beim Sturm auf Caitlins Haus.

“Scarlet?”, fragte sie, und hörte dabei die Angst in ihrer eigenen Stimme.

Aber bevor sie reagieren konnte, verzog Scarlet das Gesicht, lehnte sich zurück und stürzte sich auf Caitlin, Ihre Reißzähne direkt auf den Hals gerichtet.

Caitlin wachte schreiend auf, in ihrem Stuhl sitzend. Sie griff nach ihrem Hals, ihn mit einer Hand reibend, während sie mit der anderen Hand versuchte, Scarlet abzuwehren.

“Caitlin? Bist Du OK?”

Nach einigen Sekunden beruhigte sich Caitlin, sah auf und realisierte, dass es nicht Scarlet war. Es war Sam. Zuerst war sie verwirrt. Dann merkte sie mit ungeheurer Erleichterung, dass sie geschlafen hatte. Es war nur ein Alptraum gewesen.

Caitlin saß dort und atmete schwer. Über ihr stehend war Sam, eine Hand auf ihrer Schulter, sie besorgt ansehend, und Polly. Die Lampen waren an und sie sah, dass es draußen dunkel war. Sie blickte auf die Standuhr und sah, dass es nach Mitternacht war. Sie musste auf dem Stuhl eingeschlafen sein.

“Bist Du okay?”, fragte Sam erneut.

Jetzt war Caitlin verlegen. Sie setzte sich auf und wischte sich die Stirn ab.

“Es tut uns leid, dass wir Dich geweckt haben, aber sah aus, als hättest Du einen Alptraum gehabt”, meinte Polly.

Caitlin stand langsam auf und versuchte die schreckliche Vision des Traums abzuschütteln. Es hatte sich so real angefühlt, sie konnte fast den Schmerz an ihrem Hals fühlen, wo sie von ihrer eigenen Tochter gebissen worden war.

Aber es war nur ein Traum. Sie musste sich das selbst sagen. Nur ein Traum.

“Wo ist Caleb?”, fragte sie, sich erinnernd. “Habt Ihr irgendwas gehört? Wie liefen die Anrufe?”

Die Ausdrücke auf den Gesichtern von Sam und Pollys Gesichtern sagten ihr alles, was sie wissen musste.

“Caleb sucht immer noch nach ihr”, sagte Sam. “Ich habe es vor etwa einer Stunde aufgegeben. Es ist ziemlich spät. Aber wir wollten Dir Gesellschaft leisten, bis er nach Hause kommt.”

“Ich habe alle ihre Freunde angerufen”, stimmte Polly ein. “Jeden einzelnen. Ich habe die meisten von ihnen erreicht. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Sie waren alle genauso überrascht wie wir. Ich habe auch Blake erreicht. Aber er sagt, er hat nicht ein Wort von ihr gehört. Es tut mir so leid.”

Caitlin rieb ihr Gesicht, versuchte die Müdigkeit zu vertreiben. Sie hatte gehofft, dass alles wieder normal wäre, wenn sie aufwachte. Das Scarlet wieder zurück wäre, zu Hause, sicher. Dass das Leben wieder normal wäre. Aber als sie Sam und Polly dort stehen sah, in ihrem Haus, nach Mitternacht, mit so besorgten Gesichtern, brachte alles zurück. Es war alles wahr. Zu wahr. Scarlet wurde vermisst. Und würde vielleicht nie zurückkommen.

Die Erkenntnis traf Caitlin wie ein Messer. Sie konnte kaum atmen bei dem Gedanken daran. Scarlet, ihre einzige Tochter. Die Person, die sie im Leben am meisten liebte. Sie konnte sich ein Leben ohne sie nicht einmal vorstellen. Sie wollte dort raus rennen, jede Straße absuchen, schreien und brüllen wegen der Ungerechtigkeit. Aber sie wusste, das würde nichts bringen. Sie musste hier sitzen bleiben und warten.

Plötzlich war da ein Geräusch an der Tür. Alle drei sprangen auf und sahen hoffend zur Tür. Caitlin rannte auf sie zu, betend, das vertraute Gesicht ihrer Teenager-Tochter zu sehen.

Aber ihr Herz sank, als sie sah, dass es nur Caleb war. Nach Hause zurückehrend – mit einem grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht. Der Anblick ließ ihr Herz weiter sinken. Es war klar, dass er nicht erfolgreich gewesen war.

Sie wusste, dass es nutzlos war, aber sie fragte trotzdem: “Irgendetwas?”

Caleb sah auf den Boden, als er den Kopf schüttelte. Er sah aus wie ein gebrochener Mann.

Sam und Polly tauschten einen Blick, kamen dann zu Caitlin herüber und umarmten sie beide.

“Ich komme direkt morgen früh rüber”, sagte Polly. “Ruf mich an, wenn Ihr irgendetwas hört. Selbst wenn es mitten in der Nacht ist. Versprochen?”

Caitlin nickte zurück, zu überwältigt zum Sprechen. Sie fühlte, dass Polly sie umarmte und drückte sie zurück, dann drückte sie ihren kleinen Bruder.

“Ich liebe Dich, Schwester”, sagte er an ihrer Schulter. “Halte durch. Sie wird in Ordnung sein.”

Caitlin wischte ihre Tränen weg und sah, dass Sam und Polly aus der Tür traten.

Nun waren hier nur noch sie und Caleb. Normalerweise wäre sie begeistert, allein mit ihm zu sein – aber nach dem Streit fühlte sie sich nervös. Caleb, das konnte sie sehen, war in seiner eigenen Welt aus Elend und Bedauern verloren; sie fühlte auch, dass er noch sauer auf sie war, dass sie ihre Theorie der Polizei erzählt hatte.

Es war zu viel für Caitlin, um es zu ertragen. Sie erkannte, dass sie auf Calebs Rückkehr gehofft hatte, eine Spur von Optimismus, dass er hereingestürmt käme und etwas Positives verkünden würde. Aber ihn so zurückkehren zu sehen, mit nichts, gar nichts, brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen. Scarlet war den ganzen Tag weg gewesen. Niemand wusste, wo sie war. Es war nach Mitternacht und sie war nicht nach Hause gekommen. Sie wusste, dass dies ein schlechtes Zeichen war. Sie wollte sich die Möglichkeiten nicht einmal vorstellen, aber sie wusste, dass es sehr, sehr schlecht war.

“Ich gehe ins Bett”, verkündete Caleb, als er sich rumdrehte und die Treppe hinaufstolzierte.

Caleb sagte immer “gute Nacht”, er fragte sie immer, ob sie mit ihm ins Bett ginge. Um genau zu sein, konnte sich Caitlin nicht an eine Nacht erinnern, in der sie nicht zusammen ins Bett gegangen waren.

Jetzt hatte er sie nicht einmal gefragt.

Caitlin ging zurück zu ihrem Stuhl im Wohnzimmer und saß dort, auf seine Schritte die Stufen hoch hörend, und hörte, wie die Schlafzimmertür sich hinter ihm schloss. Es war das einsamste Geräusch, das sie je gehört hatte.

Sie brach in Tränen aus und weinte, sie wusste nicht, wie lange. Schließlich rollte sie sich zusammen und weinte in die Kissen. Sie erinnerte sich wage, dass Ruth kam und versuchte, ihr Gesicht zu lecken, aber es war alles verschwommen, denn bald danach, zerbrach ihr Körper in schluchzen und sie fiel in einen tiefen, unruhigen Schlaf.




KAPITEL DREI


Caitlin fühlte etwas Kaltes und Nasses auf ihrem Gesicht und öffnete langsam ihre Augen. Desorientiert sah sie auf ihr Wohnzimmer, seitlich, sie war auf dem Stuhl eingeschlafen. Das Zimmer war dunkel und von dem gedämpften Licht, das durch die Vorhänge schien, erkannte sie, dass der Tag gerade anbrach. Der strömende Rang prasselte gegen das Fenster.

Caitlin hörte ein jammern und fühlte wieder etwas Nasses auf dem Gesicht, sah hoch und blickte auf Ruth, die vor ihr stand, ihr Gesicht leckte und hysterisch jaulte. Sie stupste sie mit ihrer kalten, nassen Schnauze an und würde nicht aufhören.

Schließlich setzte Caitlin sich auf, da sie verstand, dass etwas nicht stimmte. Ruth wollte nicht aufhören zu jaulen, lauter und lauter, und bellte sie sogar an – so hatte sie sich noch nie verhalten.

“Was ist los, Ruth?” fragte Caitlin.

Ruth bellte erneut, dann drehte sie sich rum und rannte durch den Raum, Richtung Eingangstür. Caitlin blickte hinunter und sah in dem schummrigen Licht einen Weg aus schlammigen Pfoten Abdrücken auf dem Teppich. Ruth musste draußen gewesen sein, wurde Caitlin klar. Die Vordertür musste offen sein.

Caitlin sprang auf ihre Füße, da sie verstanden hatte, dass Ruth ihr etwas sagen wollte, sie irgendwohin führen wollte.

Scarlet, dachte sie.

Ruth bellte erneut und Caitlin fühlte, dass es das war. Ruth wollte sie zu Scarlet führen.

Caitlin rannte mit klopfendem Herzen aus dem Raum. Sie wollte keine Sekunde verschwenden, indem sie nach oben zu Caleb rannte. Sie rannte durchs Wohnzimmer, durch den Flur und aus der Haustür. Wo konnte Ruth Scarlet nur gefunden haben?,  fragte sie sich. Ging es ihr gut? War sie am Leben?

Caitlin wurde von Panik überflutet, als Sie aus der Haustür stürzte, schon halb geöffnet von Ruth, die es irgendwie geschafft hatte, sie zu öffnen, und hinaus auf die Veranda. Die Welt war gefüllt von dem Klang des strömenden Regens. Es gab einen sanften, grollenden Donner und ein Lichtblitz in der anbrechenden Dämmerung und in dem sanften, grauen Licht schlug der sintflutartige Regen auf die Erde.

Caitlin blieb am Anfang der Treppe stehen, als sie sah, wo Ruth hingegangen war. Sie wurde von Panik überflutet. Lichtblitze zuckten über den Himmel und dort, direkt vor ihr, sah sie ein Bild, das sie traumatisierte – eines, das sich in ihr Hirn brannte, das sie, solange sie lebte, nicht wieder vergessen würde.

Dort, auf dem Rasen vor dem Haus liegend, zusammengerollt wie ein Ball, bewusstlos, nackt, lag ihre Tochter. Scarlet. Schutzlos dem Regen ausgeliefert.

Über ihr stehend, bellend wie verrückt, schaute Ruth zwischen Caitlin und Scarlet hin und her.

Caitlin brach in Aktion aus: sie rannte die Treppen runter, stolperte und schrie vor Angst, als sie zu ihrer Tochter rannte. In ihrem Verstand rasten Millionen von Szenarien, was mit ihr passiert war, wo sie gewesen sein mochte, wie sie zurückgekommen war. Ob sie gesund war. Lebte.

Die schlimmsten Szenarien rauschten alle auf einmal durch ihren Kopf, als Caitlin durch das schlammige Gras rannte, rutschend und gleitend.

“SCARLET!” schrie Caitlin und ein weiterer Donnerschlag mischte sich mit ihrem Schrei.

Es war der Schrei einer Mutter, die außer sich vor Angst war, der Schrei einer Mutter, die nicht aufhören konnte zu kreischen, als sie zu Scarlet rannte, sich neben sie kniete, sie in die Arme hob und mit allem was sie hatte zu Gott betete, dass ihre Tochter noch lebte.




KAPITEL VIER


Caitlin saß neben Caleb in dem weißen Krankenhauszimmer und sah Scarlet beim Schlafen zu. Die beiden saßen auf unterschiedlichen Stühlen, ein paar Zentimeter voneinander getrennt, jeder gefangen in seiner eigenen Welt. Sie waren beide so emotional ausgelaugt, so in Panik, dass sie keine Energie mehr hatten, um auch nur miteinander zu reden. In allen anderen schwierigen Zeiten ihrer Ehe hatten sie immer Trost ineinander gefunden, aber dieses Mal war es anders. Die Vorfälle der letzten Tage waren zu dramatisch gewesen, zu beängstigend. Caitlin stand immer noch unter Schock und so, das wusste sie, ging es auch Caleb. Sie mussten es beide auf ihre eigene Weise verarbeiten.

Dort saßen sie schweigend und sahen Scarlet beim Schlafen zu, das einzige Geräusch in dem Raum war das Piepen der verschiedenen Maschinen. Caitlin hatte Angst, die Augen von Ihrer Tochter abzuwenden, Angst davor, dass wenn sie wegschauen würde, sie sie erneut verlieren würde. Die Uhr über Scarlets Kopf zeigte 8 Uhr früh und Caitlin wurde klar, dass sie die letzten drei Stunden so gesessen hatte, seitdem sie es ihr erlaubt hatten und sie angeschaut hatte. Scarlet war nicht aufgewacht, seitdem sie eingeliefert worden war.

Die Krankenschwester hatte ihnen mehrfach versichert, dass alle lebenswichtigen Organe normal funktionierten, dass sie nur in einen tiefen Schlaf gesunken war und dass es nichts gab, über das sie sich Sorgen machen mussten. Auf der einen Seite war Caitlin sehr erleichtert; aber auf der anderen Seite würde sie es nicht wirklich glauben, bis sie es selbst gesehen hatte, Scarlet wach gesehen hatte, mit offenen Augen, so aussehend, wie sie immer ausgesehen hatte – glücklich und gesund.

Caitlin ging in ihrem Kopf immer und immer wieder die Ereignisse der letzten 24 h durch. Aber egal, wie sehr sie sie auseinander nahm, nichts von alledem machte einen Sinn – wenn sie nicht zu demselben Schluss kam: dass Aiden Recht hatte. Ihr Tagebuch war echt gewesen. Ihre Tochter war ein Vampir. Dass sie, Caitlin, ebenfalls mal einer gewesen war. Dass sie in der Zeit zurück gereist war, das Gegenmittel gefunden hatte und sich entschieden hatte, hierher zurück zu kommen, zu dieser Zeit und diesem Ort, um ein normales Leben zu leben. Dass Scarlet der letzte verbleibende Vampir auf Erden war.

Der Gedanke erschreckte Caitlin. Sie war so um den Schutz von Scarlet besorgt und wollte nicht, dass ihr irgendetwas schlechtes widerfahren würde; doch zur gleichen Zeit fühlte sie sich auch Verantwortlich für die Menschheit, fühlte, dass, wenn es wahr wäre, sie es Scarlet nicht erlauben dürfte sich zu verbreiten, die Vampirrasse wieder zu erschaffen. Sie wusste nicht, was zu tun war, und sie wusste nicht, was sie denken sollte, oder auch nur glauben. Ihr eigener Ehemann glaubte ihr nicht und sie konnte dafür nicht sauer auf ihn sein. Sie glaubte sich ja selbst kaum.

“Mama?”

Caitlin setzte sich auf, als sie sah, dass Scarlets Augenlider flatterten. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und rannte zu ihrer Bettseite, so wie Caleb es auch tat. Die beiden schwebten über Scarlet, als sie langsam ihre großen, wunderschönen Augen öffnete, beleuchtet durch die Morgensonne, die durchs Fenster schien.

“Scarlet? Liebling?” fragte Caitlin. “Geht es Dir gut?”

Scarlet gähnte und rieb sich mit Ihrem Handrücken die Augen, dann rollte sie sich langsam auf den Rücken, blinzelnd, desorientiert.

“Wo bin ich?” fragte sie.

Caitlin wurde durch den Klang ihrer Stimme mit Erleichterung überflutet, sie klang, und sah aus, wie dieselbe alte Scarlet. Es war Kraft in Ihrer Stimme, Kraft in ihren Bewegungen, in ihrer Mimik. In der Tat, zu Caitlins völliger Überraschung, sah Scarlet komplett normal aus, als wäre sie nur beiläufig aus einem langen Schlaf erwacht.

“Scarlet, erinnerst Du Dich noch an irgendwas, was passiert ist?” fragte Caitlin.

Scarlet drehte sich und sah sie an, dann stütze sie sich auf ihren Ellbogen und setzte sich teilweise auf.

“Bin ich im Krankenhaus?” fragte sie, überrascht. Sie betrachtete den Raum, realisierend wo sie war. “Oh mein Gott. Was mache ich hier? Bin ich ernsthaft krank?”

Caitlin fühlte sich noch erleichterter bei ihren Worten – und ihren Bewegungen. Sie hatte sich aufgesetzt. Sie war wach. Ihre Stimme war völlig normal. Ihre Augen glänzten. Es war schwer zu glauben, dass irgendetwas Ungewöhnliches je passiert war.

Caitlin überlegte, was sie ihr antworten sollte, wie viel sie ihr erzählen sollte. Sie wollte sie nicht erschrecken.

“Ja, Schatz”, warf Caleb ein. “Du warst krank. Die Krankenschwester hat Dich nach Hause geschickt und wir haben Dich diesen Morgen ins Krankenhaus gebracht. Erinnerst Du Dich an irgendetwas davon?”

“Ich erinnere mich daran, nach Hause geschickt worden zu sein…dass ich im Bett war, in meinem Zimmer…dann…” Sie runzelte die Stirn, als wenn sie versuchen würde, sich zu erinnern. “…das ist alles. Was war es? Ein Fieber? Was auch immer. Jetzt geht´s mir gut.”

Caleb und Caitlin tauschten einen verwirrten Blick. Klar, Scarlet sah normal aus und erinnerte sich an nichts.

Sollten wir es ihr sagen? fragte sich Caitlin.

Sie wollte sie nicht erschrecken. Aber zur selben Zeit fühlte sie, dass sie es wissen müsste, zumindest einen Teil von dem, was passiert ist. Sie konnte fühlen, dass Caleb dasselbe dachte.

“Scarlet, Schatz”, begann Caitlin sanft, dabei überlegend, wie sie ihre nächsten Worte formulieren sollte, “als Du krank warst, bist Du aus dem Bett gesprungen und aus dem Haus gerannt. Erinnerst Du Dich daran?”

Scarlet schaute sie an, die Augen groß vor Überraschung.

“Wirklich?” fragte sie. “Aus dem Haus gerannt? Was meinst Du damit? Wie schlafwandeln? Wie weit bin ich gegangen?”

Caitlin und Caleb tauschten einen Blick.

“Du bist eigentlich ziemlich weit gerannt”, sagte Caitlin. “Wir konnten Dich eine Weile nicht finden. Wir haben die Polizei gerufen und haben einige Deiner Freunde angerufen—”

“Ernsthaft?” fragte Scarlet, aufrecht sitzend, rot werdend. “Ihr habt meine Freunde angerufen? Warum? Das ist so peinlich. Wie seid Ihr an ihre Nummern gekommen?” Dann begriff sie. “Hast Du mein Handy durchstöbert? Wie konntest Du das tun?”

Sie lehnte sich im Bett zurück und seufzte, verärgert an die Decke starrend.

“Das ist so demütigend. Nie im Leben bin ich so tief gesunken. Wie soll ich den anderen je wieder ins Gesicht sehen? Jetzt denken die, dass ich eine Art Freak bin oder sowas.”

“Schatz, es tut mir leid, aber Du warst krank und wir konnten Dich nicht finden—”

Plötzlich öffnete sich die Tür des Krankenzimmers und ein Mann kam herein, der offensichtlich ihr Arzt war, stolzierend mit Autorität, flankiert von zwei Assistenten, jeder ein Clipboard in der Hand. Sie gingen direkt zu dem Clipboard an Scarlets Bett und lasen die Aufzeichnungen.

Caitlin war froh für die Unterbrechung, die ihren Streit zerstreute.

Eine Krankenschwester begleitete sie und ging zu Scarlet hinüber und stellte das Krankenhausbett auf eine sitzende Position. Sie nahm ihren Bizeps und maß ihren Blutdruck, dann hielt sie ein digitales Thermometer in ihr Ohr und nannte die Ergebnisse dem Arzt.

“Normal”, sagte sie zum Arzt, als er auf sein Clipboard schrieb, dabei nickend. “Dasselbe als sie hier ankam. Wir haben bei ihr nichts Krankes festgestellt.”

“Ich fühle mich gut”, stimmte Scarlet zu. “Ich weiß, dass ich gestern krank war, ich glaube, ich hatte Fieber oder so etwas. Aber jetzt geht es mir gut. Eigentlich würde ich gern zur Schule gehen. Ich habe eine Menge Tests heute. Und einige Schadensbegrenzung zu betreiben”, fügte sie hinzu, wütend auf ihre Eltern schauend. “Und ich habe Hunger. Kann ich jetzt gehen?”

Caitlin machte sich Sorgen um Scarlets Reaktion, ihr Versuch, alles unter den Teppich zu kehren und in ihr normales Leben zurück zu springen. Sie schaute Caleb an, hoffte, dass er dasselbe fühlte, aber sie sah in ihm auch den Wunsch, alles zu vergessen und zurück zur Normalität zu kehren. Er schien erleichtert.

“Scarlet”, begann der Arzt. “Ist es okay, wenn ich Sie untersuche und Ihnen ein paar Fragen stelle?”

“Sicher.”

Er gab das Clipboard an einen seiner Assistenten, nahm sein Stethoskop, legte es auf ihre Brust und lauschte. Dann legte er seine Finger auf verschiedene Stellen ihres Bauches, nahm ihr Handgelenk und beugte den Arm in verschiedene Richtungen. Er tastete ihre Lymphknoten ab, betastete ihren Hals und die Druckpunkte an ihren Ellbogen und Knien.

“Mit wurde gesagt, dass Du gestern mit Fieber von der Schule nach Hause geschickt wurdest”, sagte er. “Wie fühlst Du Dich jetzt?”

“Ich fühle mich großartig”, antwortete sie schnell.

“Kannst Du mir beschreiben, wie Du Dich gestern gefühlt hast?”, antwortete er.

Scarlet runzelte die Stirn.

“Es ist etwas neblig, um ehrlich zu sein”, sagte sie. “Ich war in der Klasse und ich, wie, fühlte mich auf einmal richtig krank. Mein Kopf tat weh, das Licht tat meinen Augen weh und ich hatte überall Schmerzen…Ich erinnere mich, dass mir wirklich kalt war, als ich nach Hause kam….Aber das ist alles etwas unscharf.”

“Hast Du Erinnerungen an gestern, an irgendetwas, das geschehen ist, nachdem Du krank geworden bist?”, fragte er.

“Ich habe es schon meinen Eltern gesagt, ich erinnere mich an nichts. Es tut mir leid. Sie sagten, dass ich schlafgewandelt wäre oder sowas. Aber ich erinnerte mich an nichts. Aber ich würde trotzdem gerne wieder in meine Klasse gehen.”

Der Arzt lächelte.

“Du bist ein starkes und tapferes, junges Mädchen, Scarlet. Ich bewundere Deine Arbeitsmoral. Ich wünschte, alle Teenager wären wie Du”, sagte er mit einem Augenzwinkern. “Wenn es Dir nichts ausmacht, würde ich gern ein paar Minuten mit Deinen Eltern sprechen. Und ja, ich sehe keinen Grund, warum Du nicht wieder zur Schule gehen solltest. Ich spreche mit der Krankenschwester und wir erledigen den Papierkram, um Dich zu entlassen.”

“Ja!” sagte Scarlet, vor Aufregung sich aufsetzend, mit glänzenden Augen.

Der Arzt wandte sich an Caitlin und Caleb.

“Darf ich mit Ihnen beiden kurz privat sprechen?”




KAPITEL FÜNF


Caitlin und Caleb folgten dem Arzt den Flur hinunter und sein großes, lichtdurchflutetes Büro, in dem die Morgensonne durchs Fenster schien.

“Bitte, nehmen Sie Platz”, sagte er mit seiner beruhigenden, autoritären Stimme, dabei auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch zeigend und schloss die Tür hinter sich.

Caitlin und Caleb setzte sich und der Arzt ging um seinen Schreibtisch, hielt sein Datenblatt und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. Er rückte seine Brille auf seine Nase, sah auf ein paar Notizen hinab und legte sie auf die Seite seines Schreibtisches. Er faltete seine Hände und legte sie auf seinen Bauch, lehnte sich vorsichtig in seinem Stuhl zurück und musterte die beiden. Caitlin fühlte sich in seiner Gegenwart unbesorgt und fühlte, dass er gut in dem war, was er tat. Sie mochte auch, wie freundlich er mit Scarlet umgegangen war.

“Ihre Tochter ist in Ordnung”, begann er. “Sie ist absolut normal. Ihre Vitalfunktionen sind normal, und waren normal, als sie eingeliefert wurde und sie zeigt keine Anzeichen von Krämpfen oder Anfällen oder irgendwelchen epileptischen Störungen. Sie zeigt auch keine Zeichen von neurologischen Problemen. Auf Grund der Tatsache, dass Sie sie unbekleidet gefunden haben, haben wir sie auch auf Anzeichen von sexuellen Vergehen untersucht – und es gab überhaupt keine. Wir haben auch eine ganze Reihe von Bluttests durchgeführt, die alle unauffällig waren. Sie können sich beruhigen: es gibt absolut nichts Besorgnis erregendes bei Ihrer Tochter.”

Caleb seufzte erleichtert auf.

“Vielen Dank, Herr Doktor”, sagte er. “Sie wissen nicht, was es uns bedeutet, das zu hören.”

Aber im Inneren zitterte Caitlin immer noch. Sie hatte noch kein Gefühl von Frieden. Wenn der Arzt ihr gesagt hätte, dass Scarlet irgendeinen medizinischen Defekt hätte, würde sie sich, paradoxerweise, viel besser fühlen, erleichtert: zumindest würde sie dann genau wissen, was mit ihr nicht stimmte, und hätte alle Gedanken an Vampirismus fallen lassen können.

Aber zu hören, dass es kein medizinisches Problem bei ihr gäbe, vertiefte nur das Gefühl der Angst in Caitlin.

“Also, wie erklären Sie sich, was passiert ist?”, fragte Caitlin den Arzt mit zitternder Stimme.

Er drehte sich um und sah sie an.

“Bitte erzählen Sie mir: was genau ist denn passiert?”, fragte er. “Ich weiß nur, was auf dem Datenblatt steht: dass sie gestern einen Fieberanfall hatte, von der Schule nach Hause geschickt wurde, dass sie aus dem Haus gerannt ist und Sie sie heute Morgen auf dem Rasen gefunden haben. Ist das richtig?”

“Da war noch mehr”, sagte Caitlin schnippisch, darauf bestehend, angehört zu werden. “Sie rannte nicht nur aus dem Haus. Sie…” Caitlin machte eine Pause, suchte die richtige Formulierung. “Sie…hat sich verwandelt. Ihre Kraft—es ist schwierig zu erklären. Mein Mann hat versucht, sie aufzuhalten und sie hat ihn durch den Raum geworfen. Sie hat auch mich durch den Raum geworfen. Und ihre Geschwindigkeit: wir sind hinter ihr hergejagt und konnten sie nicht fangen. Es war kein normales ‘aus dem Haus rennen.’ Etwas ist mit ihr passiert. Etwas Körperliches.”

Der Arzt seufzte.

“Ich verstehe, dass dies sehr beängstigend für Sie gewesen sein muss”, sagte er, “wie es für alle Eltern wäre. Aber ich kann Ihnen nur noch einmal versichern, dass mit ihr alles in Ordnung ist. Solchen Episoden begegnen wir von Zeit zu Zeit, besonders bei Jugendlichen. In der Tat gibt es sogar eine uralte Diagnose dafür: Umformungs-Syndrom. Früher bekannt als „Hysterie“. Dinge wie dies können den Patienten überwältigen und sie erleben dann eine Kraftexplosion und tun Sachen, die sie normalerweise nie täten. Dieser Status kann ein paar Stunden anhalten, danach kehrt sich alles wieder ins Normale um. Es ist besonders weit verbreitet bei Mädchen im Teenager Alter. Keiner kennt die genaue Ursache, aber in der Regel wird es auf Stress zurückgeführt. Hatte Scarlet in den Tagen vor dieser Erfahrung besonderen Stress? War etwas anders? Irgendetwas?”

Caitlin schüttelte langsam ihren Kopf, immer noch nicht überzeugt.

“Alles war perfekt in ihrem Leben. Am Abend vorher war ihr sechzehnter Geburtstag. Sie hat uns ihren neuen Freund vorgestellt. Sie war so glücklich, wie sie nur sein konnte. Sie hatte keinen Stress, in keiner Form.”

Der Arzt lächelte sie an.

“Das ist es, sie hatte keinen Stress, den Sie sehen konnten—oder den sie Ihnen mitgeteilt hat. Aber ich denke, Sie haben ihre eigene Frage beantwortet: sie sagte, sie hätte ihren neuen Freund vorgestellt. Können Sie sich vorstellen, dass dies für eine Jugendliche stressig ist? Die Zustimmung der Eltern? Das kann sicherlich latente Stressfaktoren hervorgerufen haben. Nicht zu vergessen, sie wurde 16. High School, Gruppendruck, Prüfungen, SATs die bald kommen… Es gibt eine endlose Anzahl an Stressfaktoren. Manchmal wissen wir noch nicht mal, dass wir welchen haben. Scarlet weiß es vielleicht nicht einmal selbst. Aber die wichtigste Sache ist, dass Sie sich jetzt um nichts sorgen müssen.”

“Herr Doktor”, fuhr Caitlin fort, diesmal stärker, “dies war nicht nur ein Anfall von Hysterie, oder wie auch immer Sie es nennen möchten. Ich sage Ihnen, in diesem Raum ist etwas passiert. Etwas… Übernatürliches.”

Der Arzt schaute sie lange und hart an, seine Augen weiteten sich.

Caleb mischte sich ein, er lehnte sich vor.

“Es tut mir leid, Herr Doktor—meine Frau steht in letzter Zeit sehr unter Stress, wie Sie sich vorstellen können.”

“Ich stehe nicht unter Stress”, sagte Caitlin schnippisch, dabei klangen ihre Worte so gestresst, dass sie sich selbst widersprach. “Ich weiß, was ich gesehen habe. Herr Doktor, ich brauche Sie, um meiner Tochter zu helfen. Sie ist nicht normal. Etwas ist mit ihr passiert. Sie verändert sich. Bitte. Es muss etwas geben, das Sie tun können. Irgendwo, wo wir sie hinbringen können.”

Der Arzt starrte Caitlin an, wie betäubt, für mindestens zehn Sekunden. Eine dichte Stille lag in der Luft.

“Mrs. Paine”, begann er langsam, “bei allem nötigen Respekt, ich arbeite in der Medizin. Und medizinisch ist alles in Ordnung mit Ihrer Tochter. In der Tat, ich empfehle wärmstens, dass sie noch heute zurück in die Schule geht und diesen ganzen Vorfall hinter sich lässt, so schnell es geht. Und was Ihre Ideen angeht… ich möchte nicht gönnerhaft klingen, aber darf ich Sie fragen: Sehen Sie aktuelle jemanden?”

Caitlin schaute ihn verständnislos an und versuchte zu verstehen, was er meinte.

“Sind Sie aktuell in Therapie, Mrs. Paine?”

Caitlin errötete als sie endlich verstand, was er damit sagen wollte. Er dachte, dass sie verrückt sei.

“Nein”, antwortete sie knapp.

Er nickte langsam.

“Nun, ich verstehe, heute geht es um Ihre Tochter, nicht um Sie. Aber wenn sich die Dinge beruhigt haben, wenn ich darf, würde ich Ihnen raten, mit jemandem zu sprechen. Das kann helfen.”

Er streckte die Hand aus, ergriff einen Zettel und begann zu schreiben.

“Ich gebe Ihnen den Namen eines erstklassigen Psychiaters. Dr. Halsted, ein Kollege von mir. Bitte, nutzen Sie sie. Wir alle erleben mal eine stressige Phase im Leben. Er kann Ihnen dabei helfen.”

Damit stand der Doktor plötzlich auf und hielt Caitlin den Zettel hin. Sie und Caleb standen auch auf, aber als sie da stand, auf den Zettel schauend, konnte sie sich nicht überwinden, ihn zu nehmen. Sie war nicht verrückt. Sie wusste, was sie gesehen hatte.

Und sie hatte nicht vor, den Zettel zu akzeptieren.

Der Arzt hielt den Zettel hin, unbeholfen, mit zitternder Hand, viel zu lange, bis Caleb schließlich den Zettel an sich nahm.

“Danke Ihnen, Herr Doktor. Und danke, dass Sie unserer Tochter geholfen haben.”




KAPITEL SECHS


Caitlin und Caleb gingen zusammen den Krankenhausflur hinunter in den Wartebereich. Scarlet brauchte noch ein paar Minuten, um ihre Sachen zu sammeln und sich anzuziehen und sie wollten ihr ihre Privatsphäre lassen. Caitlin konnte nicht glauben, wie schnell sie entlassen wurde: sie würden vor 9 Uhr draußen sein. Caitlin wollte wirklich, dass sie zu Hause bliebe und sich ausruhte, aber Scarlet bestand darauf, zur Schule zu gehen.

Es fühlte sich alles surreal an. Erst vor wenigen Stunden war Caitlin von Ruth geweckt worden und hatte sich gefragt, ob ihre Tochter tot war oder lebte. Jetzt, um 9 Uhr, sah es aus, als würde es ihr gut gehen und sie war auf dem Weg in die Schule. Caitlin wusste, dass sie begeistert sein müsste über den Rückgang zur Normalität. Aber für sie fühlte sich nichts normal an. Innerlich zitterte sie, spürend, das da noch weit schlimmeres kommen würde.

Als sie in das Krankenhaus Atrium kamen, einem großen Wartezimmer aus Glas mit hohen Decken, riesigen Trieben aus Bambus, das Sonnenlicht durch das Glas scheinend, einem Springbrunnen in der Mitte, sah Caleb so glücklich aus, wie er nur sein konnte. Sie konnte fühlen, dass er unbedingt alles hinter sich lassen wollte, dass er darauf bestand, dass alles wieder normal wäre. Und das störte sie. Es tat so, als wäre nichts passiert.

“So, war es das dann?” fragte sie schließlich, als sie den riesigen, leeren Raum durchquerten und ihre Schritte auf dem Marmorboden hallten. “Wir setzen Scarlet an der Schule ab und tun so, als sei nie etwas passiert?”

Caitlin wollte nicht anfangen zu streiten, aber sie konnte nicht anders. Sie konnte das nicht auf sich beruhen lassen.

“Was können wir anders tun?” fragte er. “Sie sagt, es geht ihr gut. Der Arzt sagt, es geht ihr gut. Die Krankenschwester sagt, es geht ihr gut. Alle Tests zeigen, dass es ihr gut geht. Sie will nicht nach Hause zurück. Und ich mache ihr keinen Vorwurf. Warum sollte sie den ganzen Tag allein in ihrem Zimmer sitzen, im Bett liegen, wenn sie zur Schule gehen will?

“Und um ehrlich zu sein”, fügte er hinzu, “Ich denke, dass es eine gute Idee ist. Ich denke, sie sollte mit ihrem Leben weitermachen. Ich denke, wir alle sollten das”, sagte er noch hinterher, mit einem seltsamen Blick auf Caitlin, als wenn er ihr eine Nachricht zukommen lassen wollte. “Es war ein schrecklicher Tag und eine schreckliche Nacht, nicht zu wissen, wo sie ist, oder was wirklich passiert ist. Aber sie ist wieder bei uns. Das ist alles, was zählt. Das ist alles, was mir wichtig ist. Ich möchte das hinter uns lassen und vorwärts schauen. Ich will nicht näher darauf eingehen. Ich denke auch nicht, dass es hilfreich für Scarlet wäre. Ich möchte nicht, dass sie eine Art Komplex entwickelt, dass sie sich Sorgen um sich macht, ob sie normal ist. Ich bin so dankbar, dass sie wieder bei uns ist, und dass sie gesund und sicher ist. Das ist alles, was zählt, oder nicht?”





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